Finanzgericht Düsseldorf:
Urteil vom 1. Juli 2009
Aktenzeichen: 7 K 4806/07 E

(FG Düsseldorf: Urteil v. 01.07.2009, Az.: 7 K 4806/07 E)

Tenor

der Einkommensteuerbescheid 2001 vom 2.2.2009 wird dahingehend geändert, dass die Einkommensteuer 2001 unter Anwendung des § 34 EStG auf die dem Kläger zugeflossene Abfindung i. H. von 534.000 DM herabgesetzt wird.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten aufgegeben.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtszug.

Der Kläger schloss am 09.09.1997 einen Anstellungsvertrag als Vorstand mit der C Aktiengesellschaft (Arbeitgeber) für die Zeit vom 01.10.1997 bis zum 30.09.2002. Vereinbart war die Zahlung eines Festgehaltes und einer erfolgsabhängigen Tantieme. Die Grundlage der Tantieme war vom Aufsichtsrat festzulegen; dies konnte jährlich geschehen. Die Tantieme konnte sich entweder nach dem Jahresüberschuss oder nach einem vorgegebenen Planergebnis bemessen und sollte am Ende des Monats fällig werden, in dem die ordentliche Hauptversammlung stattfand. Durch Nachtrag vom 8. 8. 2000 zum Anstellungsvertrag wurde das Jahresgehalt des Klägers mit Wirkung vom 1. 7. 1999 auf 400.000 DM erhöht. Der Kläger war zudem bis zum 19. 12. 2000 Geschäftsführer der D GmbH, deren Anteile die C AG hielt; innerhalb der C AG war er als Vorstand u.a. für die D GmbH zuständig. Von der Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH wurde er am 19. 12. 2000 mit sofortiger Wirkung entbunden.

Die C AG erzielte in 1999 einen Jahresüberschuss von 261 TDM und in 2000 einen Jahresfehlbetrag von 4,071 TDM.

In den Jahren 1998 bis 2000 erhielt der Kläger folgenden Bruttoarbeitslohn (Fixum, Tantieme und geldwerter Vorteil durch Kfz-Nutzung):

1998: 399.056 DM

1999: 428.294 DM

2000: 696.513 DM.

Auf den Dienstwagen entfielen in 2000 16.316 DM.

Durch Beschluss des Aufsichtsrates vom 28. 12. 2000 wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung als Mitglied des Vorstands abberufen, damit verbunden war die Beendigung des Anstellungsvertrages zum 31.01.2001. Sämtliche Verträge hinsichtlich der Vorstandstätigkeit des Klägers wurden einvernehmlich aufgehoben. Zum Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche erhielt der Kläger eine einmalige Abfindung von 550.000 DM. Insgesamt erzielte der Kläger im Streitjahr 2001 Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 584.693 DM.

Einen Teilbetrag von 16.000 DM beließ der Beklagte im Einkommensteuerbescheid 2001 vom 23. 8. 2002 gemäß § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei. Eine Tarifbegünstigung nach § 34 EStG in Verbindung mit § 24 Nr. 1 EStG wurde für den übersteigenden Betrag von 534.000 DM wegen fehlender Zusammenballung von Einnahmen nicht gewährt. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kläger Klage erhoben (Az. 7 K 6034/03 E). Auf die Revision des Beklagten gegen das stattgebende Urteil des Finanzgerichts vom 23. 11. 2005 hat der Bundesfinanzhof das Urteil mit Entscheidung vom 24. 10. 2007 (XI R 33/06) aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht Düsseldorf zurückverwiesen. Das FG habe die Frage, ob mit der Abfindung auch Ansprüche aus dem aufgehobenen Anstellungsvertrag erfüllt worden seien, nicht geprüft. Zahlungen für bereits erdiente erfolgsabhängige Vergütungen seien grundsätzlich Erfüllung des ursprünglichen Anstellungsvertrages und keine Entschädigung für entgehende Einnahmen. Dies setze allerdings voraus, dass die vertraglichen Voraussetzungen für einen Tantiemeanspruch im Zeitpunkt der Aufhebung des Anstellungsvertrages erfüllt gewesen seien. Dies sei anhand des ursprünglichen Anstellungsvertrages und ggf. der Absprachen anlässlich der Vertragsaufhebung festzustellen. Die Tatsache, dass der Kläger trotz Unkündbarkeit seines bis zum 30. 9. 2002 befristeten Anstellungsvertrages am 28. 12. 2000 mit sofortiger Wirkung von seinem Posten als Mitglied des Vorstandes abberufen worden sei und sämtliche Verträge hinsichtlich der Vorstandstätigkeit aufgehoben und das Anstellungsverhältnis zum 31. 1. 2001 beendet worden sei, schließe nicht aus, dass der Kläger für 2000 noch eine Tantieme erdient habe. Eine tarifbegünstigte Besteuerung komme zudem nur in Betracht, wenn eine Zusammenballung von Einkünften in einem Veranlagungszeitraum vorliege.

Die Kläger tragen nunmehr vor:

Aus den Geschäftsberichten der C AG ergebe sich, dass sowohl die Ergebnisse der AG als auch des Konzerns negativ gewesen seien, so dass mangels positiver Jahresüberschüsse eine Tantieme nicht hätte gefordert werden können und vom Aufsichtsrat auch nicht gebilligt worden wäre. Zudem sei in den Vorjahren die Entscheidung über die Tantieme nicht nur an objektive Tatsachen gebunden gewesen, sondern auch an subjektive Erwägungen und den persönlichen Erfolg. Zum Beispiel sei für 1998 bei einem Jahresüberschuss von fast 1,4 Mio. DM eine Tantieme von 130.000 DM, für 1999 bei erheblich geringerem Überschuss von 666.000 DM eine Tantieme von 180.000 DM gezahlt worden. Es liege nahe, dass der Aufsichtsrat einem aus seiner Sicht erfolglosen und deshalb gekündigten Vorstand keine Tantieme zuerkannt hätte. Somit liege die erhaltene Abfindung über den entgangenen Einnahmen von 12 x 33.333 DM = 400.000 DM, da der Kläger ausschließlich sein Festgehalt zu erwarten gehabt habe. Ein Tantiemeanspruch habe nicht bestanden. Unter der Verantwortlichkeit des Klägers sei an Stelle eines prognostizierten Gewinns von 800.000 DM ein Verlust von ca. 1,5 Mio. DM erwirtschaftet worden. Die D GmbH und C AG hätten Schadensersatzansprüche gegen den Kläger geltend gemacht. Dem Kläger sei nicht bekannt, dass für ihn eine Tantiemerückstellung gebildet worden sei, auf die entsprechenden Unterlagen habe er keinen Zugriff.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 13.1.2003 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer unter Anwendung des § 34 EStG auf die vom Kläger erhaltene Abfindung herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung.

Der Beklagte trägt vor:

Im Geschäftsbericht 2000 würden im Anhang für das Jahr 2000 eine Tantiemerückstellung von 445.000 DM sowie Abfindungen von 1.842.000 DM ausgewiesen. Somit seien trotz des Verlustausweises Tantiemen für dieses Jahr ausgeschüttet worden. Im Jahr 2000 seien drei Vorstände ausgeschieden. Es sei daher von Bedeutung, ob die Tantieme von 445.000 DM allein auf den verbleibenden Alleinvorstand entfallen sei oder auch auf eines oder mehrere der drei ehemaligen Vorstandsmitglieder. Gleiches gelte für die Rückstellungen für Abfindungen. Eine Aufschlüsselung der in 2000 gewährten Gesamtbezüge für die aktiven Vorstandsmitglieder von 1.432.501 DM sowie für die ehemaligen Vorstandsmitglieder von 1.100.000 DM könne einen Rückschluss auf die zu erwartende Tantieme des Klägers für 2000 bei Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses zulassen. Das Gericht müsse den möglichen Anteil einer Tantieme innerhalb der Abfindung schätzen. Dass ein solcher vorhanden sein müsse, ergebe sich aus § 3 des Aufhebungsvertrages, wonach der Kläger aufgrund der Abfindung auf sämtliche Ansprüche gegenüber der Gesellschaft verzichte. Im Aufhebungsvertrag sei auch auf das vereinbarte Wettbewerbsverbot hingewiesen und dies von ursprünglich 3 Jahren unter Fortzahlung von 75 % der Bezüge auf 11 Monate bis 31. 12. 2001 verkürzt worden unter Hinweis darauf, dass dies aufgrund der Abfindung entschädigungsfrei sei. Daraus ließen sich weitere Rückschlüsse bezüglich des Verhältnisses von Abfindung und Tantiemeentschädigung ziehen. Unterstelle man einen wahrscheinlichen Tantiemeanspruch von mindestens 180.000 DM, weil der Kläger sich die Mehrarbeit für die beiden 2000 ausgeschiedenen Vorstände E und F mit dem verbliebenen Vorstand G aufgeteilt haben dürfte, verbliebe ein Betrag von 370.000 DM für die Abfindung. Beziehe man dies auf die Restlaufzeit des Arbeitsvertrages von 20 Monaten, entspreche dies einem mtl. Betrag von 18.500 DM oder 55,66 % des erst vier Monate vor der Trennung um 56,86 % erhöhten Grundgehaltes. Bezogen auf den Ablauf des Wettbewerbsverbotes zum 31. 12. 2001 würde dies einer Abfindung von 370.000 DM : 11 Monate = 33.636 DM oder 100,90 % des mtl. Grundgehaltes entsprechen. Bezogen auf die ursprünglichen Bezüge von 255.000 DM jährlich (21.250 DM mtl.) ergäbe dies rechnerisch bezogen auf 20 Monate eine Abfindung von 18.500 DM zu 21.250 DM oder 87 % des Grundgehaltes ohne Abzüge für den Fortfall des Wettbewerbsverbotes für 9 Monate bedeuten. Bezogen auf den Ztr. von 11 Monaten bis zum Fortfall des Wettbewerbsverbotes würde dies eine Abfindung von 33.363 DM oder 157 % des mtl. Grundgehaltes iHv 21.250 DM bedeuten. Die Unterstellung einer Zahlung von 180.000 DM entspreche den üblichen arbeitsrechtlichen Vereinbarungen. Etwas anderes könne nur gelten, wenn der verbleibende Vorstand, G, in 2000 für das Jahr 1999 eine höhere Abfindung erhalten habe als die in der Rückstellung ausgewiesenen 445.000 DM oder einen auf ihn entfallenden Anteil.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2001 ist im Klageverfahren zuletzt am 2.2.2009 geändert worden.

Der Senat hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung des Zeugen H sowie durch Vernehmung des Zeugen I. Auf die persönliche Vernehmung des Zeugen H haben die Beteiligten einvernehmlich verzichtet. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Schreiben des Zeugen H und die Niederschrift vom 1. 7. 2009 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

Die dem Kläger im Jahr 2001 zugeflossene Abfindung von 550.000 DM stellt eine Entschädigung nach § 24 Nr. 1 a EStG dar, die in Höhe von 534.000 DM dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung unterliegt.

Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, unterliegen diese nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG einem ermäßigten Steuersatz. Als außerordentliche Einkünfte kommen nach § 34 Abs. 2 EStG Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG in Betracht.

Entschädigungen nach § 24 Nr. 1 a EStG sind nur solche Leistungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden. Zahlungen, die nicht an die Stelle weggefallener oder wegfallender Einnahmen treten, sondern bürgerlichrechtlich noch in Erfüllung des Arbeitsvertrages geleistet werden, sind keine Entschädigungen (BFH Urteil vom 24. Oktober 2007 XI R 33/06 BFH/NV 2008,361 mn.w.N). Liegen zum Zeitpunkt der Aufhebung des Anstellungsvertrages die vertraglichen Voraussetzungen für einen Tantiemeanspruch des Arbeitnehmers vor, kommt § 24 Nr. 1 a EStG nicht in Betracht. Denn Zahlungen für bereits erdiente erfolgsabhängige Vergütungen stellen grundsätzlich eine Erfüllung des ursprünglichen Vertrages und keine Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen dar (BFH vom 6. November 2002 XI R 2/02 BFH/NV 2003,745).

Die Aufhebungsvereinbarung mit dem Kläger enthält keine ausdrückliche Regelung betreffend eine Tantieme für das Jahr 2000. Nach § 2 wurde eine pauschale Abfindung von 550.000 DM für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt.

Unter Würdigung der Aktenlage und der Zeugenaussagen enthält der Abfindungsbetrag nach Auffassung des Senats keine bereits erdiente erfolgsabhängige Vergütung.

Nach der Aussage des Zeugen H wurde ein Tantiemeanspruch bei der Bemessung der Abfindung nicht berücksichtigt. Der Zeuge I konnte sich an die Ausgestaltung des Abfindungsbetrages nicht mehr erinnern. Nach Angaben des Klägers war die Abfindung nach dem zweifachen früheren Jahresgehalt von 255.000 DM zuzüglich 40.000 DM für den Dienstwagen bemessen worden. Soweit der Beklagte eingewandt hat, die Angaben des Zeugen H seien widersprüchlich, weil dieser sich nicht mehr erinnern konnte, ob bei der Bemessung der Abfindung ein Tantiemeanspruch thematisiert wurde, zugleich aber eine Berücksichtigung der Tantieme bei der endgültigen Höhe der Abfindung verneint hat, ist diese Schlussfolgerung nicht zwingend. Der Kläger hat nämlich dargelegt, ihm sei bei den Verhandlungen über die Abfindung sofort klar gemacht worden, dass es auf keinen Fall eine Tantieme geben werde. Damit würde die Aussage des Zeugen H, die Tantieme sei kein Thema für die Abfindung gewesen, korrespondieren.

Im Streitfall hatte der Kläger für das Jahr 2000 keine Tantieme erdient. Zwar war in § 2 seines Anstellungsvertrages geregelt, dass der Kläger eine erfolgsabhängige Vergütung erhalten sollte; die Grundlage war vom Aufsichtsrat festzulegen, wobei dies jährlich geschehen konnte; die Tantieme konnte sich entweder nach dem Jahresüberschuss oder nach einem vorgegebenen Planergebnis bemessen und war am Ende des Monats fällig, in dem die ordentliche Hauptversammlung stattfand. Nach der Aussage des Zeugen I wich die Praxis davon jedoch ab. Die Tantieme wurde vielmehr durch den Aufsichtsrat nach Ermessen bestimmt; objektive Kriterien existierten nicht. Ein bestimmtes Planergebnis war im Anstellungsvertrag des Klägers im Übrigen auch nicht vorgegeben; nach der Aussage des Zeugen H enthielt lediglich der Anstellungsvertrag des Vorstandes F eine Mindestgröße der Tantieme für 1999 und 2000 und die Fixierung der Einführung einer zielabhängigen Regelung ab 2001. Dementsprechend enthielt, wie der Zeuge H bekundet hat, der Aufhebungsvertrag mit Herrn F aus dem Jahr 2000 auch die Auszahlung einer Tantieme für 1999. Sowohl der Anstellungsvertrag als auch die Aufhebungsvereinbarung für den Kläger waren anders ausgestaltet. Mangels Vorgabe eines Planergebnisses für den Kläger konnte für ihn nach seinen Vertragsbedingungen nur der Jahresüberschuss Bemessungsgrundlage einer Tantieme sein. Das Jahresergebnis 2000 der C AG von ./. 4,071 TDM lag indes so erheblich unter dem des Vorjahres, dass schon von daher die Grundlage einer "erfolgsabhängigen" Vergütung nicht gegeben gewesen sein dürfte. Zwar hat der Zeuge Ibekundet, es sei nicht unüblich, dass auch bei negativem Jahresergebnis eine Tantieme gezahlt würde. Dabei werde berücksichtigt, ob das Unternehmen auf einem guten Weg sei und man den Vorstand halten wolle. Die C AG war jedoch nach dem Geschäftsergebnis 2000 gerade auf keinem "guten Weg", sondern hatte erhebliche Verluste hinnehmen müssen. Selbst wenn, wie im Vertrag des Klägers vorgesehen, für die Tantieme ein bestimmtes Planergebnis maßgeblich gewesen wäre, hätte sich danach ein Tantiemeanspruch für 2000 nicht ergeben können, denn ein Jahresfehlbetrag von 4,071 TDM dürfte einem etwaigen Planergebnis auf keinen Fall entsprochen haben.

Das negative Ergebnis der Geschäftstätigkeit 2000 hat die AG u.a. dem Kläger angelastet. Mit Anwaltsschreiben vom 4. Juli 2002 wurde dem Kläger in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die AG ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht nach § 93 Abs. 1 AktG und in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die D GmbH eine Verletzung des § 43 Abs. 1 GmbHG vorgeworfen. Er wurde aufgefordert, seine Schadensersatzpflicht nach §§ 93 Abs. 2 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG anzuerkennen, zugleich wurden gerichtliche Schritte angekündigt. Angesichts dessen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger für seine Tätigkeit im Jahr 2000 eine erfolgsabhängige Vergütung erdient hatte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Praxis der Tantiemebewilligung für das Jahr 1999. Der Zeuge F als Mitglied des die Tantieme bewilligenden Aufsichtsrates hat erklärt, dass der Aufsichtsrat dabei ohne objektive Kriterien nach Ermessen verfahren sei. Die Höhe der in 2000 für 1999 gezahlten Tantiemen an die Vorstandsmitglieder war nach den Angaben des Zeugen H unterschiedlich, wobei Herr F eine vertragliche Mindesttantieme zustand; worauf die jeweilige Höhe im Übrigen beruhte, ist nicht ersichtlich. Tatsächlich hat auch der weitere Vorstand E, von dem die AG sich in 2000 getrennt hat, für 1999 keine Tantieme erhalten; der Zeuge H hat angegeben, dass aus den mit diesem getroffenen Vereinbarungen nichts für eine Berücksichtigung von Tantiemeansprüchen hervorgehe.

Die dem Kläger gewährte Entschädigung von 550.000 DM unterliegt auch nach Abzug des steuerfreien Betrages von 16.000 DM (§ 3 Nr. 9 EStG EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung) dem ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 EStG. Die Tarifbegünstigung kommt nach ständiger Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 24. Oktober 2007 XI R 33/06 BFH/NV 2008,361; vom 4. März 1998 XI R 46/97, BFHE 185,429, BStBl II 1998,787 m.w.N.) nur in Betracht, wenn die Entschädigung zu einer Zusammenballung von Einkünften innerhalb eines Veranlagungszeitraums führt. Darüber hinaus ist aber eine tarifbegünstigte Besteuerung dann nicht sachgerecht, wenn die anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Entschädigung die bis zum Ende eines Veranlagungszeitraums entgehenden Einnahmen nicht übersteigt und der Steuerpflichtige keine weiteren Einnahmen bezieht, die er bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht bezogen hätte (BFH vom 4. März 1998 aaO. m.w.N.). Die Beurteilung der Frage, ob eine Tarifbegünstigung sachgerecht ist, erfordert nach der Rechtsprechung des BFH einen Vergleich der Einkünfte, die der Steuerpflichtige infolge der Entschädigung in einem Veranlagungszeitraum erhält, mit den Einkünften, die er bei normalem Verlauf der Dinge erhalten hätte (Urteil vom 4. März 1998 aaO.). Dabei ist der steuerfreie Teil der Abfindung in die veranlagungszeitraumbezogene Vergleichsbetrachtung nicht einzubeziehen (BFH vom 2. September 1992 XI R 44/91 BFHE 169,98, BStBl II 1993,52). Erhält der Steuerpflichtige durch die Zahlung der Entschädigung weniger oder mehr als er bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erhalten hätte, besteht kein Anlass für den ermäßigten Steuersatz. Unerheblich ist dabei, ob die Entschädigung entgehende Einnahmen mehrerer Jahre abdecken soll (BFH vom 4. März 1998 aaO.). Von daher kommt es vorliegend weder darauf an, dass der Kläger einen bis 2002 befristeten unkündbaren Arbeitsvertrag hatte noch dass in § 6 des Anstellungsvertrages ein Wettbewerbsverbot für drei Jahre nach Beendigung des Vertrages gegen Entschädigungszahlung vorgesehen war.

Maßgeblich für die Beurteilung sind die Einkünfte, die sich bei "normalem Verlauf der Dinge", d.h. bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergeben hätten (BFH vom 4. März 1998 aaO.). Bei dieser hypothetischen Betrachtung ist daher die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung oder Aufhebung des Arbeitsvertrages hinwegzudenken und im Wege der Prognose zu entscheiden, welche Einkünfte der Steuerpflichtige dann bezogen hätte.

Der Kläger hätte bei Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses einen Anspruch auf sein Gehalt von 400.000 DM sowie den Dienstwagen (16.316 DM) gehabt. Dass er darüber hinaus für 2000 eine Tantieme in Höhe von mindestens 117.684 DM erdient hätte, so dass er insgesamt mehr als die steuerpflichtige Abfindung von 534.000 DM erhalten hätte, ist nach Auffassung des Senates zu verneinen.

Soweit der Beklagte die Ansicht vertritt, es sei für die Beurteilung der zu erzielenden Einkünfte aus dem Anstellungsvertrag nicht nur die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, sondern auch das Ereignis, das zur Auflösung geführt hat, hinwegzudenken, vermag der Senat dem jedenfalls in einem Fall wie dem Vorliegenden nicht zu folgen. Zwar stellt der BFH in der Entscheidung vom 4. März 1998 (aaO.) auf die "ungestörte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses" ab und führt hierzu aus, die im dortigen Streitfall geringer prognostizierten Provisionseinnahmen beruhten bereits auf den Differenzen zwischen Kläger und Arbeitgeber, die dann zur Zahlung der Entschädigung bei Auflösung des Arbeitsvertrages geführt hätten. Die Beurteilung einer hypothetischen Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses kann aber nicht bedeuten, dass die konkreten Umstände des einzelnen Steuerfalles ebenfalls hinweggedacht oder dass andere Umstände hinzugedacht werden müssen. Zu vergleichen sind die Einkünfte des Steuerpflichtigen bei Fortsetzung seines Arbeitsvertrages mit denen nach Kündigung und Entschädigungszahlung. Dass der Kläger bei Fortsetzung des Vertrages überhaupt eine Tantieme, jedenfalls aber eine Tantieme in Höhe von mehr als 117.684 DM erhalten hätte, schließt der Senat aus. Hierfür ist nicht ein etwaiges konkretes Fehlverhalten des Klägers maßgeblich, welches dem Senat im Einzelnen nicht bekannt ist. Soweit aus dem Anwaltsschreiben an den Kläger hierauf Rückschlüsse gezogen werden könnten, kommt es darauf nicht an.

Entscheidend ist vielmehr zum einen, dass es, wie der Zeuge F bekundet hat, unter den vier Vorstandsmitgliedern der C AG erhebliche Differenzen gab. Dementsprechend hat das Unternehmen kontinuierlich seinen Vorstand verkleinert und sich zunächst von dem Vorstand Herrn E, dann von F und schließlich von dem Kläger getrennt, so dass nur noch G als alleiniger Vorstand verblieb, wie es offensichtlich auch dessen Intention entsprach. Zum anderen waren die Ergebnisse des Unternehmens stark rückläufig, das schwache Ergebnis 1999 wurde in 2000 durch die verbliebenen Vorstände gerade nicht verbessert, sondern verschlechterte sich weiter. Angesichts dieser Entwicklung in der AG ist nicht ersichtlich, dass diese einem Vorstandsmitglied eine Tantieme in der oben dargelegten Größenordnung gezahlt hätte. Der Zeuge I hat auf das freie Ermessen des Aufsichtsrates bei der Tantiemevergabe hingewiesen. Die Kriterien, die nach seinen Angaben trotz negativer Jahresergebnisse zu einer Tantieme führen konnten, waren hier gerade nicht gegeben: das Unternehmen war weder auf einem guten Weg noch wollte man unbedingt den Vorstand halten.

Soweit der Zeuge I bekundet hat, dass dann, wenn der Kläger im Unternehmen geblieben wäre und kein Anlass zur Vertragsauflösung bestanden hätte, ihm mit Sicherheit eine Tantieme zugebilligt worden wäre, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Hätte der Kläger nach Ansicht des Aufsichtsrates erfolgreich gearbeitet, so dass kein Anlass zur Beendigung des Vertrages bestanden hätte, hätte er die ihm vertraglich zugestandene Tantieme erdient gehabt. Diese hypothetische Betrachtung ist vorliegend jedoch nicht anzustellen. Maßgeblich ist, wie oben ausgeführt, was der Kläger bei ungestörtem Fortgang des Anstellungsverhältnisses erhalten hätte, nicht jedoch, was bei ungestörtem Fortgang des Vertrages und dem Hinzutreten weiterer unabsehbarer Ereignisse (positive Geschäftsentwicklung, gute Wirtschaftslage oder Ähnliches) geschehen wäre.

Lagen demnach die zu erwartenden Einkünfte des Klägers bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht über der steuerpflichtigen Abfindung von 534.000 DM, ist der ermäßigte Steuersatz nach § 34 EStG anzuwenden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen hierfür gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.






FG Düsseldorf:
Urteil v. 01.07.2009
Az: 7 K 4806/07 E


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