Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. März 2007
Aktenzeichen: 21 W (pat) 36/04

(BPatG: Beschluss v. 20.03.2007, Az.: 21 W (pat) 36/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 01 S des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. März 2004 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Verfahren zum Betrieb eines Radarsensors im Rahmen der Steuerung eines ortsfesten Türöffners und Radarsensor für die Steuerung eines ortsfesten Türöffners.

Anmeldetag: 26. Juli 2002 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1-28, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2007 Beschreibung, Seiten 1-24, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2007 2 Blatt Zeichnungen Figuren 1 und 2 wie Offenlegungsschrift

Gründe

I Die Prüfungsstelle für Klasse G 01 S des Deutschen Patent- und Markenamts hat die am 26. Juli 2002 mit der Bezeichnung "Radarsensor sowie Betriebsverfahren dafür und Verwendung desselben" eingereichte Patentanmeldung durch Beschluss vom 29. März 2004 aus den Gründen des Bescheides vom 7. Juli 2003, auf den hin die Anmelderin sich nicht geäußert hat, gemäß § 48 PatG zurückgewiesen.

Im Bescheid sind die Druckschriften D1 DE 196 01 121 A1 D2 DE 195 33 126 A1 D3 DE 198 03 660 C2 D4 DE 198 29 762 A1 D5 SKOLNIK, M.I.: Radar Handbook, 2nd ed., New York [u. a.]:McGraw-Hill, Inc., 1990, S. 7.7 bis 7.10. ISBN: 0-07-057913-X und D6 DE 199 27 402 A1 genannt worden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie reicht in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 28 ein. Die Anmelderin vertritt die Auffassung, dass der im Verfahren befindliche Stand der Technik den Gegenständen der geltenden Patentansprüche 1 und 2 nicht patenthindernd entgegensteht.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit folgenden, in der mündlichen Verhandlung eingereichten Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 28, Beschreibung Seiten 1 bis 24, Zeichnungen wie Offenlegungsschrift.

Die Patentansprüche 1 und 2 lauten, mit einer Merkmalsgliederung versehen:

Anspruch 1 M1 Verfahren zum Betrieb eines Radarsensors (1; 1') im Rahmen der Steuerung eines ortsfesten Türöffners als Reaktion auf die Position und/oder Bewegung eines oder mehrerer Objekte, insbesondere Personen, M2 wobei der Radarsensor (1; 1') wenigstens eine Sende-

M3 und wenigstens eine Empfangsantenne (6, 7-9) aufweist M4 sowie eine Auswerteschaltung (14-45), Ma1 wobei das Empfangssignal (10-12) einer Antenne (7-9) mit einem gesendeten Signal (5, 15) in zwei Mischern (16, 17) verknüpft wird, Ma2 wobei einem von beiden wenigstens ein Eingangssignal (18) in gegenüber dem entsprechenden Eingangssignal (19) des anderen Mischers (17) phasenverschobener Signallage zugeführt wird, um etwa 90 ¡ bezogen auf die Oszillatorschwingung verschoben;

Mb wobei aus Signalverläufen oder aus Digitalwerten aufeinanderfolgender Signalabtastwerte (Spektrumsanalysator) Spektralanteile ermittelt werden;

Mc wobei ferner anhand der Spektralanteile einzelne Objekte in der Umgebung des Radarsensors (1; 1') erkannt und diesen weitere Informationen (bspw. Entfernung, Richtung, Radialgeschwindigkeit) zugeordnet werden, die an ein angeschlossenes Steuergerät übertragbar (13) sind;

Md und wobei schließlich im Rahmen des Radarsensors (1; 1') eine Liste von Objekten mit diesen zugeordneten Informationen angelegt und gepflegt wird.

Anspruch 2 N1 Radarsensor (1; 1') für die Steuerung eines ortsfesten Türöffners als Reaktion auf die Position und/oder Bewegung eines oder mehrerer Objekte, insbesondere Personen, N2 mit wenigstens einer Sende-

N3 und wenigstens einer Empfangsantenne (6, 7-9)

N4 sowie mit einer sensorinternen Auswerteschaltung (14-29), gekennzeichnet durch Na1 wenigstens eine Baugruppe (16, 17) für die Verknüpfung des Empfangssignals (10-12) einer Antenne (7-9) mit einem gesendeten Signal (5, 15), welche zwei Mischer (16, 17) umfasst, Na2 wobei einem von beiden wenigstens ein Eingangssignal (18), in gegenüber dem entsprechenden Eingangssignal (19) des anderen Mischers (17) phasenverschobener Signallage zugeführt wird, um etwa 90 ¡ bezogen auf die Oszillatorschwingung verschoben;

Nb wenigstens eine Baugruppe (27) zur Ermittlung von Spektralanteilen aus Signalverläufen oder aus Digitalwerten aufeinanderfolgender Signalabtastwerte (Spektrumsanalysator);

Nc wenigstens eine Auswertebaugruppe (29), um anhand des reflektierten und empfangenen Signals (10-12) und daraus gewonnener Informationen einzelne Objekte zu erkennen und Informationen über deren Position (bspw. Entfernung, Richtung) und/oder Bewegung (bspw. Radialbewegungskomponente) zu bestimmen und in einander zugeordneter Form für Steuerungszwecke bereitzuhalten;

Nd und wenigstens einen Speicherbaustein (26), in welchem Speicherplätze für die einander zugeordnete Ablage von Informationen (Entfernung, Richtung und/oder Radialgeschwindigkeit) über identifizierte Objekte reserviert sind.

Hinsichtlich der Unteransprüche 3 bis 28 sowie hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nach der Neufassung der unabhängigen Patentansprüche 1 und 2 im Beschwerdeverfahren begründet. Der in diesen Ansprüchen beanspruchten Lehre stehen Schutzhindernisse nicht entgegen. Die beiden Ansprüche halten sich insbesondere im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung (§ 38 PatG) und ihre Gegenstände werden vom nachgewiesenen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 und 4 PatG).

1. Der Verfahrensanspruch 1 stützt sich die Merkmale [M1] bis [M4] sowie das Merkmal [Mc] betreffend auf den ursprünglichen Anspruch 1 und [Md] betreffend auf den ursprünglichen Anspruch 2. Die Merkmale [Ma1], [Ma2] und [Mb] finden ihre Stütze in der anhand der Figur 1 erläuterten Ausführungsform des Verfahrens (vgl. dazu in der Offenlegungsschrift auch Abs. [0060], Z. 5 bis 17 und Abs. [0063], Zn. 6 bis 15).

Der Sachanspruch 2 geht zurück auf den ursprünglichen Sachanspruch 5 sowie auf das Ausführungsbeispiel gemäß der Figur 1 (vgl. dazu auch im Abs. [0063] Baugruppe 27/Signalprozessor, Speicherbaustein 26, Auswertebaugruppe 29).

Die geltenden Unteransprüche 3 bis 6 gehen zurück auf die ursprünglichen Ansprüche 6 bis 9, die Ansprüche 7 bis 17 auf die Ansprüche 12 bis 22, die Ansprüche 18 bis 27 auf die Ansprüche 24 bis 33 und Anspruch 28 auf den Anspruch 35.

Die Patentansprüche 1 bis 28 sind demnach zulässig.

2. Nach den Angaben der Patentanmelderin in der Beschreibung (S. 1, Abs. 1) betrifft die Anmeldung ein Verfahren sowie einen zugehörigen Radarsensor zur Steuerung eines Aktuators für die Öffnung einer Tür als Reaktion auf die Position und/oder Bewegung eines oder mehrerer Objekte, insbesondere Personen in einem Erfassungsbereich. Die Anmelderin führt weiter aus (Beschreibung, S. 2 bis 4), dass bei bekannten einschlägigen Verfahren weitgehend nur eine Minimal-Auswertung vorgenommen werde, was Fehlbetätigungen des Türöffners zur Folge habe, und dass die zugehörigen Vorrichtungen zudem aufgrund der Komplexität der Berechnungen leistungsfähige Spezial-Steuergeräte erforderten.

Aus diesen Nachteilen des beschriebenen Standes der Technik resultiert die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe, ein Verfahren und einen Radarsensor für automatisch arbeitende elektrische Türöffner derart weiterzubilden, dass eine differenzierte, dem betreffenden Anwendungsfall möglichst optimal entsprechende Auswertung möglich ist, sodass die Häufigkeit von Fehlentscheidungen minimiert wird.

Ein von der Erfindung vorgeschlagener Ansatzpunkt zur Lösung dieses Problems liegt darin, die zum Treffen der richtigen Entscheidung ("Tür auf - Tür zu") erforderlichen Auswerteschritte auf die einzelnen Komponenten eines Steuerungssystems entsprechend deren Fähigkeiten möglichst optimal aufzuteilen (Beschreibung S. 4, le. Abs. und S. 5 1. Abs.).

Diese Aufgabe wird durch das Verfahren gemäß Anspruch 1 bzw. durch den Radarsensor gemäß Anspruch 2 gelöst.

Die in diesen Ansprüchen angegebene Vorgehensweise fußt, wie die Anmelderin in der mündlichen Verhandlung anschaulich und für den Senat überzeugend darlegt hat, insbesondere auf der orthogonalen Aufbereitung (I/Q-Mischer) der Empfangssignale und der Ermittlung von Spektralanteilen aus den Signalverläufen oder Digitalwerten aufeinanderfolgender Signalabtastwerte (Spektrumanalyse).

3. Das - zweifelsohne gewerblich anwendbare (§ 5 PatG) - Verfahren nach Anspruch 1 sowie der zugehörige Radarsensor nach Anspruch 2 sind gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu (§ 3 PatG) und beruhen diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG) des zuständigen Durchschnittsfachmannes, der hier als ein mit der Entwicklung von Radarabstandssensoren befasster Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Hochfrequenz-Technik mit einschlägiger Berufserfahrung zu definieren ist.

3.1 Wie aus den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit zu ersehen ist, ergeben sich die Neuheit des beanspruchten Verfahrens sowie des zugehörigen Radarsensors schon daraus, dass bei Radarsensoren, sofern sie gemäß den Druckschriften D1 und D2 u. a. zur Steuerung eines ortsfesten Türöffners gedacht sind, keine orthogonale Signalaufbereitung im Empfangsmischer (I/Q-Mischer) erfolgt.

3.2 Die Druckschriften D1 und D2 vermögen dem zuständigen Fachmann das beanspruchte Verfahren bzw. den zugehörigen Radarsensor weder für sich, noch in der Zusammenschau mit den weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften nahezulegen.

Das Verfahren sowie die Anordnung zum Durchführen des Verfahrens aus D1 dienen der Bestimmung des Abstandes und/oder der Differenzgeschwindigkeit zwischen einem Radarsensor und einem oder mehreren Objekten. Neben dem Einsatz allgemein in der Verkehrstechnik ist auch der Einsatz als Bewegungsmelder über einer Tür genannt (vgl. S. 2, Z. 6 bis 12). Vom Radarsensor ausgesandte, von einem Objekt reflektierte und wieder empfangene Signale werden nach ihrer Umsetzung ins Basisband (Demodulator 14 in Fig. 1) in einer Auswerteeinheit analog aufbereitet, digitalisiert und in einer Berechnungseinheit 4 einer Analyse hinsichtlich der Entfernung und Geschwindigkeit des die Signale reflektierenden Objekts unterzogen (R,v-Analyse; vgl. die Beschreibung zur Fig. 1 auf S. 3, Z. 10 bis 28). Die Ergebniswerte werden in eine Reflexionsmatrix der Berechnungseinheit eingetragen; die Matrix wird in jedem Messintervall neu gebildet. Die Aufbereitung und Auswertung der Empfangssignale erfolgt in der Auswerteeinheit ausschließlich im Zeitbereich. Einzelne Empfangssignale sind aus dem empfangenen Signalgemisch bei vorhandenem hohen Rauschpegel im Zeitbereich nur schwer zu detektieren. Dies hat zur Folge, dass nach der Detektion 5 auch eine Zuordnung 6 einzelner Detektionen zu einzelnen Objekten, insbesondere zu bewegten Objekten erschwert ist.

Demgegenüber geht das beanspruchte Verfahren einen anderen Weg bei der Aufbereitung und Auswertung der Empfangssignale.

Empfangene Signale werden nicht im Zeitbereich, sondern im Frequenzbereich aufbereitet und ausgewertet. Dazu werden in der Auswerteschaltung aus (empfangenen) Signalverläufen oder aus Digitalwerten aufeinanderfolgender Signalabtastwerte Spektralanteile ermittelt, wie es im Merkmal [Mb] des Anspruchs 1 angegeben ist. Anhand der ermittelten Spektralanteile werden einzelne Objekte in der Umgebung des Radarsensors erkannt und diesen weitere Informationen zugeordnet [Mc]. Wie dazu auch aus dem Absatz [0031] der Beschreibung hervorgeht, können aus ermittelten Spektralanteilen gegebenenfalls mehrere von unterschiedlichen Objekten hervorgerufene Dopplerfrequenzen voneinander unterschieden und sodann je einem Objekt zu dessen Kennzeichnung zugeordnet werden. Damit sind, wie die Anmelderin in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, insbesondere sich in radialer Richtung bewegende Objekte (Radialgeschwindigkeit) auf Grund der Verschiebung der Spektrallinie des von ihnen reflektierten Signals auf der Frequenzachse zu erkennen. Zudem ergeben sich durch das in einem I/Q-Mischer aufbereitete Empfangssignal (diese Definition eines Mischers ergibt sich aus den Merkmalen [Ma1] und [Ma2]) Mischerausgangssignale, aus denen die vollständige komplexe Amplitude des Mischsignals bestimmbar ist, so dass sich Amplituden- und Phasenanteil eindeutig ermitteln lassen (vgl. Abs. [0060]), aus denen sodann bei Verwendung (wenigstens einer Empfangsantenne) die Richtung zu einem Objekt bestimmt werden kann (vgl. Abs. [0066]).

Zu der im Anspruch 1 aufgezeigten Vorgehensweise, die sich in den Merkmalen [Ma1 bis Md] niederschlägt, finden sich in D1 - bei der lediglich eine Signalauswertung im Zeitbereich erfolgt - sonach keine Hinweise und auch keine Anregungen.

Dies trifft auch für den Dopplersensor zur Bewegungserfassung aus D2 zu, für den anhand der Figur 2 als bevorzugte Anwendung ein automatischer Garagentüröffner beschrieben ist. Eine Signalauswertung erfolgt ebenfalls nur im Zeitbereich. Zudem werden nur bewegte Messobjekte MO erfasst (vgl. die Beschreibung zur Fig. 2, insb. in Sp. 3, Z. 17 bis 23); nicht bewegte Objekte hingegen können nicht erfasst werden.

3.3 Auch die D3 vermag den Fachmann nicht zu den im Anspruch 1 in ihrer Gesamtheit angegebenen Maßnahmen führen. Zu dem daraus bekannten Kraftfahrzeugradar ist lediglich in Spalte 4, Zeilen 33 bis 43 allgemein darauf hingewiesen, dass bei der Geschwindigkeits- und Abstandsmessung die Messsignale spektral ausgewertet werden, die Aufbereitung eines Empfangssignals in einem IQ-Mischer in zwei orthogonale Ausgangssignale, um damit, wie mit dem Gegenstand des Anspruchs 1, die vollständige komplexe Amplitude des Signals bestimmen zu können, ist jedoch nicht vorgesehen.

4. Die obigen Darlegungen treffen auch für den auf einen Radarsensor gerichteten Anspruch 2 mit seinen gegenständlichen Merkmalen für den Radarsensor zu, die diesen in die Lage versetzen, einen ortsfesten Türöffner anzusteuern.

5. Die verbleibenden, eingangs genannten Druckschriften gehen - wie der Senat im Einzelnen überprüft hat - über den in Bezug auf den Anmeldungsgegenstand relevanten Offenbarungsgehalt der vorstehend abgehandelten Druckschriften nicht hinaus. Sie haben in der mündlichen Verhandlung dementsprechend keine Rolle gespielt.

6. Die auf den verteidigten Patentanspruch 2 rückbezogenen Patentansprüche 3 bis 28 betreffen vorteilhafte und nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Radarsensors nach Patentanspruch 2. Sie haben deshalb zusammen mit diesem Bestand. Die Beschreibung genügt ebenfalls den an sie zu stellenden Anforderungen.






BPatG:
Beschluss v. 20.03.2007
Az: 21 W (pat) 36/04


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