Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Juni 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 72/03

(BPatG: Beschluss v. 29.06.2004, Az.: 27 W (pat) 72/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 21. Januar 2002 und vom 19. Dezember 2002 aufgehoben

Gründe

I Die Anmelderin hat die Kennzeichnungsiehe Abb. 1 am Endeals Wortbildmarke für "Oberbekleidung" zur Eintragung in das Register angemeldet.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Anmeldung wegen mangelnder Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Der Wortbestandteil "Mythos" werde auch in Alleinstellung von überwiegenden Teilen des Verkehrs hinsichtlich der beanspruchten Waren nur als beschreibende Sachangabe verstanden. Denn in der Werbung finde sich der Begriff "Mythos", bei dem die Bedeutung "eine Person, Sache, Begebenheit, die glorifiziert wird, legendären Charakter hat" im Vordergrund stehe, auf vielen Warengebieten - insbesondere auch auf dem Textilsektor - allgemein als Hinweis auf besonders hervorragende Waren mit einem "legendären", glanzvollen Image. Hierfür sprächen - dem Erstbeschluss in Ablichtung beigefügte - Werbeaussagen wie "Der Mythos lebt", "Wir dürfen den Mythos der Couture nicht zerstören", "Ein Mythos für die Männerwelt", "Vom Mythos zum Kult", "Mythos Bodycult", "Mythos Schönheit" und die Werbeanzeige der Firma C..., in welcher der Überschrift "Mythos" als weitere Zei- le die Aussage "Der Mythos der 'neuen Weiblichkeit' - gefühlsbetont und selbstbewusst" angefügt sei; entgegen der Ansicht der Anmelderin werde in dieser Anzeige die Überschrift "Mythos" als beschreibende Angabe und nicht als Herkunftshinweis verwendet. Die Anmelderin könne sich auch nicht auf Voreintragungen stützen, die das angemeldete Markenwort "Mythos" auf dem hier in Rede stehenden Warengebiet in Alleinstellung enthielten; im übrigen könne aus solchen Voreintragungen ohnehin kein Eintragungsanspruch hergeleitet werden. Auch die grafische Ausgestaltung verleihe der Anmeldemarke nicht den Charakter eines betrieblichen Herkunftshinweises.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Ihrer Auffassung nach reicht bereits die grafische Ausgestaltung der Anmeldemarke für das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft aus. Im übrigen könne der Bezeichnung "Mythos" für die beanspruchten Waren kein beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden. Dementsprechend gebe es auch zahlreiche Voreintragungen, welche allein aus diesen Begriff bestünden. Auch der Hinweis der Markenstelle auf die Werbeanzeige der Firma C... stehe der Eintragung nicht entgegen; denn bei unvoreingenommener Betrachtung erwecke diese den Eindruck, dass dieses Unternehmen unter dem Begriff "Mythos" als nicht eingetragenes Zeichen eine Kollektion bewerbe und ihn somit als Unterscheidungsmittel verwende; dass er nicht beschreibend sei, sondern für die beworbenen Waren als bedeutungslos erachtet werde, verdeutliche die von der Firma C... für erforderlich er- achtete Erläuterung in der weiteren Zeile. Im Ergebnis habe die Markenstelle bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit der Anmeldemarke zu hohe rechtliche Anforderungen gestellt.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, weil der Eintragung der Anmeldemarke keine absoluten Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegenstehen.

Der Senat hat zwar eine frühere Anmeldung der Bezeichnung "Mythos" für Bekleidungsstücke nach der damals geltenden Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 1 Halbs 1 WZG wegen mangelnder Unterscheidungskraft zurückgewiesen (27 W (pat) 185/93, veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM). An dieser Entscheidung kann nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Beurteilung der Unterscheidungskraft i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aber nicht mehr festgehalten werden. Danach entbehrt eine Wortmarke nur dann des erforderlichen Mindestmaßes an Unterscheidungskraft, wenn ihr ein für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann oder wenn es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa wegen seiner entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl BGH GRUR 1999, 1093 - FOR YOU; 1999, 1089 - YES; 2000, 231 - FÜNFER; 2000, 722 - LOGO; 2001, 1150 - LOOK; 2002, 64 - INDIVIDUELLE). Allein die Eignung eines Wortes zur werbewirksamen Anpreisung der Waren spricht noch nicht gegen seine betriebliche Identifizierungsfunktion (vgl. Begr. zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 12/6581, S. 82 in BlPMZ 1994 Sonderheft. S 76; BGH GRUR 2000, 323, - Partner with the Best; 2000, 720, 721 - Unter uns). Nur wenn es einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder aus einer Werbeanpreisung allgemeiner Art besteht, fehlt ihm jegliche noch so geringe Unterscheidungskraft.

Diese Voraussetzungen sind bei der angemeldeten Bezeichnung "Mythos" nicht erfüllt. Das aus dem Altgriechischen stammende, ursprünglich eine überlieferte Dichtung oder Sage aus der Vorzeit eines Volkes bezeichnende Wort "Mythos" wird heute in der Umgangssprache überwiegend in der Bedeutung "Person, Sache oder Begebenheit gebraucht, die (aus meist verschwommenen, irrationalen Vorstellungen heraus) glorifiziert wird, legendären Charakter hat" (vgl. DUDEN, Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl., S. 1113). In diesem Sinne vermittelt es allerdings keine aus sich heraus verständliche beschreibende Aussage über die beanspruchten Waren "Oberbekleidung". Es mag zwar einzelne Kleidungsstücke geben, die durch das Image ihres Trägers den Status eines Mythos erlangt haben (z.B. die Pillbox von Jackie Kennedy) oder die es in einer bestimmten Form, Farbe, Ausführung oder Qualität schon so lange gibt, dass sie nach dem heutigen werbesprachlichen Trend als "Mythos" bezeichnet werden können. Es bedarf aber stets einer Erklärung, worin der Mythos besteht oder worauf er sich bezieht. Begegnet der Verkehr der Bezeichnung "Mythos" auf einem im Handel angebotenen beliebigen Oberbekleidungsstück, wird er sie bei unbefangener Betrachtung als reine Phantasiebezeichnung auffassen. Dabei bleibt selbst für den Teil des Verkehrs, der überhaupt über ihre mögliche Bedeutung nachdenkt, offen, ob es sich um eine werbeüblich übertreibende subjektive (Wert-)Einschätzung handelt, mit der ihm die Waren in positiver, seinen Kaufentschluss fördernder Weise angepriesen werden sollen oder ob damit möglicherweise auf irgendeine zum Mythos gewordene Begebenheit angespielt werden soll, die einen - sich aus dem Begriff "Mythos" allein aber nicht erschließenden - sachlichen Bezug zu der betreffenden Bekleidung aufweist. Es ist auch nicht ersichtlich, dass "Mythos" vom Verkehr mittelbar als Hinweis auf eine besondere Qualität oder einen besonderen Ruf oder Status der betreffenden Bekleidung verstanden wird, wie dies bei der Marke "Die Legende" in Bezug auf "Weine" angenommen worden ist (vgl. 26 W (pat) 64/98 vom 7.7.1999, veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM).

Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Begriff "Mythos" von den angesprochenen Durchschnittsverbrauchern nur als allgemeine Werbeaussage und nicht als Herkunftshinweis verstanden wird. Wie die von der Markenstelle zitierten Beispiele ("Der Mythos lebt", "Wir dürfen den Mythos der Couture nicht zerstören", "Ein Mythos für die Männerwelt", "Vom Mythos zum Kult", "Mythos Bodycult", "Mythos Schönheit", "Der Mythos der 'neuen Weiblichkeit'") veranschaulichen und der Senat aufgrund weiterer eigener Ermittlungen festgestellt hat, wird der beliebte und heute in fast allen Warenbereichen und Lebenszusammenhängen erscheinende Begriff "Mythos" in aller Regel nur zusammen mit erläuternden Zusätzen oder in größeren Textzusammenhängen verwendet. Dies zeigt, dass die Bezeichnung "Mythos" in Alleinstellung von sich aus nicht geeignet ist, eine Person oder einen Gegenstand aus sich verständlich als etwas zu charakterisieren, das berühmt oder legendär geworden ist. Bedarf es aber erst zusätzlicher Angaben, um dem Begriff "Mythos" einen bestimmten Sinngehalt in bezug auf die gekennzeichneten Waren beizulegen, wird der Verkehr ihn in Alleinstellung nicht im Sinne einer allgemeinen Werbeaussage, sondern als Herkunftshinweis verstehen (vgl. auch BGH GRUR 2002, 62 - INDIVIDUELLE; GRUR 1999, 728 - PREMIERE II). Dieser Eindruck wird durch die grafische Ausgestaltung der Marke, die sich zwar im werbeüblichen Rahmen bewegt und daher für sich allein nicht schutzbegründend sein kann (vgl. BGH, WRP 2001, 1201, 1202 - anti-KALK), noch verstärkt. Damit lässt sich der Anmeldemarke im Ergebnis das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) nicht absprechen.

Mangels eines konkrete Eigenschaften der Waren unmittelbar beschreibenden Sinngehalts fällt die im übrigen bereits mehrfach in verschiedenen Warenklassen (ua 3, 20, 21, 28) als Wortmarke eingetragene Bezeichnung "Mythos" auch nicht unter das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Da somit im Ergebnis das Bestehen absoluter Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG nicht feststellbar ist, waren die der Anmeldemarke die Eintragung versagenden Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.

Dr. Schermer Prietzel-Funk Schwarz Na Abb. 1 Grafik der Marke 30084402.6






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Beschluss v. 29.06.2004
Az: 27 W (pat) 72/03


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