VerfGH des Landes Berlin:
Beschluss vom 31. Oktober 2003
Aktenzeichen: 77/02

(VerfGH des Landes Berlin: Beschluss v. 31.10.2003, Az.: 77/02)

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

I. Der Beschwerdeführer beauftragte den Beteiligten zu 3. im November 1999 mit seiner anwaltlichen Vertretung in einem gegen ihn gerichteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sowie einem seine Kinder betreffenden sorgerechtlichen Verfahren. Mit Schreiben vom 10. Januar 2000 kündigte er diese Mandate. Während der Beschwerdeführer sich weigerte, für die Vertretung im Strafverfahren die verlangten Gebühren in Höhe von ursprünglich 458,20 DM (gemäß Rechnung vom 6. Juni 2000), später 484,80 DM (gemäß Schriftsatz vom 20. Dezember 2000) zu zahlen, beglich er die für das sorgerechtliche Verfahren zunächst in Rechnung gestellten Gebühren in Höhe von 417,60 DM. Mit Schreiben vom 7. Mai 2001 korrigierte der Beteiligte zu 3. die das Sorgerechtsverfahren betreffende Rechnung und bezifferte seinen Gebührenanspruch auf der Grundlage einer 10/10 Geschäftsgebühr und einer 10/10 Vergleichsgebühr auf 788,80 DM. Mit einem weiteren Schreiben vom selben Tag forderte der Beteiligte zu 3. für eine von ihm für den Beschwerdeführer gefertigte Ehescheidungsfolgenvereinbarung vom 9. Dezember 1999 einen Betrag in Höhe von 7.000,72 DM und korrigierte damit die auf einen Betrag in Höhe von 6.467,12 DM lautende Gebührenrechnung vom 15. Dezember 1999. Auf diese Gebührenrechnung hatte der Beschwerdeführer einen Betrag in Höhe von 3.233,56 DM gezahlt.

Mit seiner Klage vor dem Amtsgericht Schöneberg verfolgte der Beteiligte zu 3. seine noch nicht befriedigten Gebührenansprüche weiter und beantragte, den Beschwerdeführer zu verurteilen, an ihn 4.623,16 DM nebst Zinsen zu zahlen sowie die vom Beschwerdeführer erhobene Widerklage abzuweisen.

Der Beschwerdeführer beantragte, die Klage abzuweisen und auf seine Widerklage den Beteiligten zu 3. zur Zahlung von 3.331,00 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Er vertrat die Auffassung, der Beteiligte zu 3. habe keinen Anspruch auf Gebühren für die Ehescheidungsfolgenvereinbarung, weil dieser €Vertrag€ wegen mangelnder Form nichtig sei. Der von ihm auf die Rechnung vom 15. Dezember 1999 entrichtete Betrag sei deshalb zurückzuerstatten. Ferner sei ein Betrag in Höhe von 97,44 DM zurückzuzahlen, weil der Beteiligte zu 3. für seine Tätigkeit im sorgerechtlichen Verfahren nur Anspruch auf eine 7,5/10 Gebühr und mithin nur eine Forderung in Höhe von 320,16 DM habe. Ferner stünden dem Beteiligten zu 3. keine Gebühren für die strafrechtliche Verteidigung zu. Dieser habe lediglich um Akteneinsicht nachgesucht und sich im übrigen in Spekulationen ergangen. Er habe während des Bestands des Mandats 25 Blatt Fotokopien aus den Ermittlungsakten nicht gefertigt und auch gar nicht fertigen können. Überdies seien im Januar 2000 lediglich 9 Kopien benötigt worden.

Mit dem am 19. Dezember 2001 zugestellten Urteil vom 8. November 2001 verurteilte das Amtsgericht Schöneberg den Beschwerdeführer zur Zahlung von 632,00 DM nebst Zinsen und wies im übrigen die Klage ab. Der Beteiligte zu 3. wurde zur Zahlung von 3.233,56 DM nebst Zinsen an den Beschwerdeführer verurteilt. Das Gericht hielt die Gebührenforderung des Beteiligten zu 3. wegen Vertretung in einem Strafverfahren in Höhe von 310,80 DM und hinsichtlich der Vertretung im Sorgerechtsverfahren in Höhe weiterer 321,20 DM für begründet. Hinsichtlich des auf die Rechnung vom 15. Dezember 1999 bezahlten Betrages bejahte das Gericht einen Rückzahlungsanspruch aus § 812 BGB, weil dem Beteiligten zu 3. mangels eines entsprechenden Auftrags des Beschwerdeführers kein Anspruch auf eine Vergleichsgebühr zustehe.

Mit seiner am 18. Januar 2002 eingelegten Berufung begehrte der Beteiligte zu 3., den Beschwerdeführer unter Abweisung der Widerklage und über den ausgeurteilten Betrag von 632,00 DM hinaus zur Zahlung von 3.991,16 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Die amtsgerichtliche Entscheidung sei hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung von Gebühren für die Vertretung im Strafverfahren und im Sorgerechtsverfahren nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer sei aber verpflichtet, die in Zusammenhang mit der getroffenen Ehescheidungsfolgenvereinbarung gestellte Rechnung vom 7. Mai 2001 auszugleichen. Am 26. Februar 2002 legte der Beschwerdeführer €im Anschluß an die Berufung des Klägers€ Berufung ein und beantragte, die Berufung des Beteiligten zu 3. als unzulässig zu verwerfen. Hilfsweise beantragte er, diese Berufung zurückzuweisen und auf seine Anschlußberufung die Klage abzuweisen sowie den Beteiligten zu 3. zur Zahlung von weiteren 49,82 € (97,44 DM) nebst Zinsen zu verurteilen. Er trug u. a. vor, das Gericht habe seine Beanstandung der bei der strafrechtlichen Kostenberechnung geforderten Kostenpauschale, der Fotokopien und der Übersendungsgebühr unbeachtet gelassen.

Mit Urteil vom 30. April 2002 verurteilte das Landgericht unter Abweisung der Widerklage den Beschwerdeführer, 2.249,25 € (4.399,16 DM) nebst Zinsen an den Beteiligten zu 3. zu zahlen. Im übrigen wurde die Klage abgewiesen. Das Gericht führte aus, dem Beteiligten zu 3. stehe der gesamte mit der Rechnung vom 7. Mai 2001 geltend gemachte Betrag gemäß § 675 BGB i. V. m. der BRAGO zu, da unter dessen Mitwirkung ein wirksamer Vergleich geschlossen worden sei. Dementsprechend bestehe kein Anspruch des Beschwerdeführers auf Rückzahlung der insoweit bereits geleisteten Gebühren. Mangels Unbilligkeit der angesetzten 10/10 Gebühr habe der Beschwerdeführer auch keinen Anspruch auf Rückzahlung von 97,44 DM Gebühren für das Sorgerechtsverfahren.

Mit der am 14. Juni 2002 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer Verstöße gegen seine Grundrechte aus Art. 7, Art. 10 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 der Verfassung von Berlin (VvB). Er trägt vor, Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 VvB sei verletzt, weil das Landgericht den vom Beteiligten zu 3. gefertigten €Vertrag€ nicht als bloßes Schreibwerk, sondern als wirksame Vereinbarung nach § 630 ZPO eingeordnet und daher dessen Gebührenansprüche für gegeben erachtet habe. Dabei habe die Kammer auch ihre Pflicht zur Prüfung der §§ 134 BGB und 356 StGB mißachtet. Die Gerichte hätten aus den nachfolgenden Gründen ferner gegen seine Grundrechte aus Art. 23 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 und Art. 7 VvB verstoßen: Es sei €fremdartig€, das Gegenbeweisangebot für bewußt unterlassene Belehrungen durch den Beteiligten zu 3. zu übergehen. Die Gebührenrechnungen für den Vertrag seien unverständlich und nicht geprüft worden. Die Zuerkennung von Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB n. F. sei abwegig. Nach § 16 BRAGO sei Fälligkeit mit Erledigung des Mandats eingetreten; auf die Rechnungsstellung komme es nicht an. Willkürlich sei die Übergehung des unbestrittenen Vortrags, daß überhaupt nicht gezogene Fotokopien aus Ermittlungsakten geltend gemacht worden seien. Das Gleiche sei zur Geltendmachung der Verwirkung von Verteidigergebühren festzustellen. Es sei nur mit Mißachtung der Rechtslage zu erklären, daß der Beschwerdeführer mit dem Hinweis, ein Rechtsanwalt sei durch eine einmal durch ihn getroffene Bestimmung innerhalb eines Gebührenrahmens gebunden, nicht gehört worden sei. €Fremdartig€ sei schließlich, daß das Landgericht das nach wie vor beim Amtsgericht Wedding anhängige Mahnverfahren bezüglich der Gebührenforderung für den €Vertrag€ übergehe.

Der Verfassungsgerichtshof hat den nach § 53 Abs. 1 und 2 VerfGHG Äußerungsberechtigten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Beteiligte zu 1. hat daraufhin die von ihm eingeholte Äußerung des Vorsitzenden der Zivilkammer 53 übermittelt. Danach habe die Kammer, wie dem Urteilstenor zu entnehmen sei, den Anspruch des Beteiligten zu 3. aus seinem Schriftsatz vom 20. Dezember 2000 in Höhe von 310,80 DM für begründet erachtet. Bedauerlicherweise sei trotz Beratung zu diesem Punkt übersehen worden, in den Entscheidungsgründen darauf hinzuweisen, da sich die Berechnung bereits aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergebe. Da der Beteiligte zu 3. die Ermittlungsakten insgesamt fotokopiert habe, seien die geltend gemachten 25,00 DM für Fotokopien begründet. Die Prozeßbevollmächtigte des Beschwerdeführers habe selbst die genannte Blattzahl aufgelistet. Ob sämtliche Blätter hätten kopiert werden müssen, könne dahingestellt werden, da dies dem Ermessen des beauftragten Rechtsanwaltes unterlegen habe. Der Beteiligte zu 3. hat mitgeteilt, er werde beantragen, die Verfassungsbeschwerde zunächst als unzulässig und im übrigen auch als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Verfassungsbeschwerde ist nur teilweise zulässig.

Soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 und Art. 7 VvB rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil der Beschwerdeführer nicht gemäß § 49 Abs. 1, § 50 VerfGHG mit hinreichender Deutlichkeit die Möglichkeit einer Verletzung dieser von der Verfassung von Berlin verbürgten Rechte vorgetragen hat. § 50 VerfGHG verlangt, daß der Beschwerdeführer dem Verfassungsgerichtshof zumindest das verletzte Recht bezeichnet und darlegt, aus welchem Sachverhalt er eine Rechtsverletzung geltend macht, was er beanstandet und welche Verknüpfung zwischen der Beanstandung und der geltend gemachten Rechtsverletzung liegt. Hieran fehlt es mangels spezifischer Ausführungen zur behaupteten Verletzung der Eigentumsgewährleistung und des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Der Beschwerdeführer beschränkt sich darauf, diese Grundrechte aufzuzählen und in diesem Zusammenhang das Verhalten der Gerichte in insgesamt acht Punkten als fremdartig, unverständlich, abwegig, willkürlich, die Rechtslage mißachtend oder widersprüchlich zu beanstanden. Diese allgemeinen Ausführungen lassen jedoch nicht erkennen, inwieweit gerade die Eigentumsgewährleistung beziehungsweise das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit betroffen sein soll. Ferner genügt es nicht, durch weitgehende Wiedergabe des Akteninhalts in aller Breite den Sachverhalt darzulegen. Es ist nämlich nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, sich den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst zusammenzusuchen und zusammenzustellen (Beschluß vom 7. September 1994 € VerfGH 69/94 € LVerfGE 2, 64 <66>; st. Rspr.).

Soweit eine Verletzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 VvB und Art. 10 Abs. 1 VvB gerügt wird, kann offen bleiben, ob die Verfassungsbeschwerde insoweit zulässig ist und insbesondere den Anforderungen des § 49 Abs. 1, § 50 VerfGHG genügt. Sie ist jedenfalls unbegründet.

Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang aus Art. 12 Abs. 1 VvB ein Gebot zu entnehmen ist, familienrechtliche Verträge auf ihre Vereinbarkeit mit diesem Grundrecht zu prüfen, bedarf keiner näheren Betrachtung (vgl. dazu BVerfGE 103, 89 <100 ff.>). Ein derartiges Gebot wäre jedenfalls durch die angegriffenen Entscheidungen nicht verletzt worden. Dies gilt unabhängig davon, ob die vom Landgericht vorgenommene Einstufung der vom Beschwerdeführer als €bloßes Schreibwerk€ bewerteten Vereinbarung vom 9. Dezember 1999 als wirksame außergerichtliche Einigung im Sinne von § 630 ZPO dem einfachen Recht entspricht. Eine Verletzung des Grundrechts auf Schutz von Ehe und Familie läge vielmehr nur dann vor, wenn das Urteil des Landgerichts auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und Reichweite dieses Grundrechts beruhte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Mit dem Inhalt der Vereinbarung vom 9. Dezember 1999 und der Mitwirkung des Beteiligten zu 3. bei deren Zustandekommen hat sich das Landgericht eingehend auseinandergesetzt. Weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus dem sonstigen Inhalt der Akten erschließt sich, daß die grundrechtliche Gewährleistung von Ehe und Familie es gebot, die Vereinbarung nicht als wirksame außergerichtliche Einigung zu bewerten.

Ferner liegt auch keine Verletzung des durch Art. 10 Abs. 1 VvB begründeten Willkürverbots vor. Dieses wird durch eine gerichtliche Entscheidung verletzt, wenn sie bei verständiger Würdigung der die Verfassung beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht (Beschluß vom 17. Februar 1993 € VerfGH 53/92 € LVerfGE 1, 65 <68>; st. Rspr.). Eine fehlerhafte Auslegung eines Gesetzes macht eine Gerichtsentscheidung grundsätzlich noch nicht willkürlich. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Würdigung des Sachverhalts und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen mehr oder weniger überzeugen. Willkür liegt vielmehr erst dann vor, wenn die Rechtslage in krasser Weise verkannt worden ist, d. h. wenn bei objektiver Würdigung der Gesamtumstände die Annahme geboten ist, die vom Gericht vertretene Rechtsauffassung sei im Bereich des schlechthin Abwegigen anzusiedeln (Beschluß vom 25. April 1994 € VerfGH 34/94 € LVerfGE 2, 16 <18>; st. Rspr.). Davon kann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt. Dies ist hier der Fall.

Das Urteil des Landgerichts ist nicht willkürlich, soweit das Gericht keine Beanstandung daraus hergeleitet hat, daß der Beteiligte zu 3. den Beschwerdeführer nicht auf die Möglichkeit einer - kostengünstigeren - Inanspruchnahme notarieller Hilfe verwiesen hat. Regelmäßig ist ein Rechtsanwalt nämlich nicht verpflichtet, einen Rechtsuchenden, der ihn um Rat beim Abschluß eines Vertrags aufsucht, auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme notarieller Hilfe zu verweisen (vgl. BGH AnwBl. 1997, 673). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluß des Verfassungsgerichtshofs vom 20. Dezember 1999 - VerfGH 12/99 -. In diesem Beschluß wurde lediglich die auf Art. 10 Abs. 1 VvB gestützte Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil zurückgewiesen, in dem unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falls ausnahmsweise eine Pflicht zur Verweisung an einen Notar angenommen worden war.

Keine Verletzung des Willkürverbots liegt schließlich in der vom Beschwerdeführer als €abwegig€ bezeichneten Zuerkennung von Verzugszinsen nach § 288 BGB n. F. vor. Entgegen seiner Auffassung hat das Landgericht bei der Begründung der Zinsentscheidungen nicht auf das Datum der Rechnungsstellung, sondern - wie sich aus dem Hinweis auf § 291 BGB ergibt € auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit abgestellt. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des in Art. 15 Abs. 1 VvB gewährleisteten Rechts auf rechtliches Gehör rügt, ist die Verfassungsbeschwerde zulässig, aber unbegründet.

Aus der verfassungsrechtlichen Verbürgung des rechtlichen Gehörs folgt, daß ein Gericht die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen hat. Daraus ergibt sich zunächst die Verpflichtung zur Berücksichtigung solcher Beweisanträge, die nach der jeweils einschlägigen Verfahrensordnung als erheblich anzusehen sind. Die Nichtberücksichtigung eines als erheblich angesehenen Beweisangebots verstößt gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, wenn sie im Prozeßrecht keine Grundlage findet. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist indessen dann nicht verletzt, wenn ein Gericht aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts das Vorbringen eines Beteiligten unberücksichtigt läßt.

Das Landgericht hat diese Pflichten nicht verletzt. Dies gilt insbesondere in bezug auf das beanstandete Übergehen des €Gegenbeweisangebots€ für bewußt unterlassene Belehrungen durch den Rechtsanwalt. Nach der jedenfalls nicht willkürlichen Rechtsauffassung des Landgerichts kam es mangels einer entsprechenden Aufklärungspflicht nicht darauf an, ob der Beteiligte zu 3. den Beschwerdeführer über die Möglichkeit einer Inanspruchnahme notarieller Hilfe aufgeklärt hatte.

Soweit der Beschwerdeführer die fehlende Berücksichtigung seines Vorbringens zu den Fotokopien aus den Ermittlungsakten sowie zur Verwirkung von Verteidigergebühren beanstandet, liegt ebenfalls keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Denn das Grundrecht aus Art. 15 Abs. 1 VvB begründet keinen Anspruch darauf, daß das Gericht sich in den schriftlichen Urteilsgründen mit jedem Einzelvorbringen auseinandersetzt. Vielmehr spricht grundsätzlich eine Vermutung dafür, daß es seiner Berücksichtigungspflicht nachgekommen ist (Beschluß vom 22. März 2001 € VerfGH 57/98 -). Eine Verletzung dieser Pflicht kann daher vom Verfassungsgerichtshof nur dann festgestellt werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des einzelnen Falls eindeutig ergibt. Ein solcher Umstand liegt insbesondere vor, wenn das Gericht zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, trotz entsprechenden Parteivortrags in den Entscheidungsgründen nicht Stellung nimmt (Beschluß vom 16. November 1995 € VerfGH 48/94 - LVerfGE 3, 113 <117>) oder wenn ein Gericht schon im Tatbestand seiner Entscheidung eine dem Vorbringen eines Beteiligten widersprechende Tatsache vermerkt und seine Entscheidung ohne weiteres auf diese Tatsache stützt (Beschluß vom 22. Mai 1997 € VerfGH 34/97 - LVerfGE 6, 80 <82>).

Vorliegend kann eine derartige Verletzung nicht festgestellt werden. Das Landgericht hat zwar zum Anspruch des Beteiligten zu 3. auf Gebühren für das Strafverfahren in den Entscheidungsgründen nichts ausgeführt. Allein hieraus läßt sich jedoch nicht der Schluß ziehen, das Gericht habe erhebliches Vorbringen zu einer zentralen Frage nicht berücksichtigt. Wie sich jedenfalls aus dem vom Landgericht neugefaßten Ausspruch zu dem Zinsanspruch ergibt, der sich auf den dem Beteiligten zu 3. erstinstanzlich zugesprochenen Anspruch auf Zahlung des Betrags in Höhe von 310,80 DM (158,91 €) bezieht, ist das Begehren des Beteiligten zu 3. auf Zahlung von Gebühren für die Vertretung im Strafverfahren entsprechend der Anschlußberufung des Beschwerdeführers als Streitgegenstand des Berufungsverfahrens angesehen worden. Nach der im hiesigen Verfahren eingeholten Äußerung des Vorsitzenden der Zivilkammer 53 hat die Kammer über diesen Streitgegenstand auch beraten. Soweit das Berufungsurteil insoweit die amtsgerichtliche Entscheidung ohne ausdrücklichen Hinweis auf dessen Begründung bestätigt, kann hieraus nicht geschlossen werden, das Landgericht habe das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen. Denn die Frage der Gebühren für die Vertretung im strafrechtlichen Verfahren und insbesondere die Abgeltung von Fotokopierkosten spielte in diesem Rechtsstreit nur eine untergeordnete Rolle und mußte daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zwingend in den schriftlichen Gründen des Berufungsurteils berücksichtigt werden.

Es kann auch nicht festgestellt werden, daß das Landgericht seiner Entscheidung dem Vorbringen des Beschwerdeführers widersprechende Tatsachen zugrunde gelegt hatte. Dieser hatte im Ausgangsverfahren nicht in eindeutiger Weise behauptet, daß der Beteiligte zu 3. €nicht gezogene Fotokopien aus Ermittlungsakten geltend gemacht€ hatte. Vor dem Amtsgericht hatte der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 16. Februar 2001 durch seine Verfahrensbevollmächtigte vortragen lassen, der Beteiligte zu 3. habe erst nach der Kündigung des Mandats Einsicht in die Ermittlungsakten erhalten. Die anschließende Behauptung, der Beteiligte zu 3. habe €während des Bestands des Mandats€ keine 25 Blatt Kopien gefertigt, mußte das Amtsgericht daher nicht im Sinne eines Bestreitens der gefertigten Anzahl von Kopien werten. Auch im Berufungsverfahren hat der Beschwerdeführer die im hiesigen Verfahren vorgebrachte Behauptung, der Beteiligte zu 3. habe (niemals) 25 Kopien angefertigt, nicht aufgestellt. Insoweit hat er im Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 26. Februar 2002 lediglich unter erneutem Hinweis auf den Inhalt der Ermittlungsakten rügen lassen, das Amtsgericht habe seine Beanstandung bezüglich der Kosten für die Kopien unbeachtet gelassen. Es kann deshalb keine Rede davon sein, daß das Landgericht in willkürlicher Weise Vorbringen des Beschwerdeführers zur Anzahl der gefertigten Fotokopien übergangen hätte. Ob die Gerichte die Fotokopierkosten des Beteiligten zu 3. in zutreffender Auslegung des einfachen Rechts anerkannt hatten, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Denn der Verfassungsgerichtshof ist keine €zusätzliche€ fachgerichtliche Instanz, sondern auf die Kontrolle von € hier im Ergebnis nicht feststellbaren € Verfassungsverstößen beschränkt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.

Dieser Beschluß ist unanfechtbar.






VerfGH des Landes Berlin:
Beschluss v. 31.10.2003
Az: 77/02


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