Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Juni 2002
Aktenzeichen: 17 W (pat) 7/02

(BPatG: Beschluss v. 25.06.2002, Az.: 17 W (pat) 7/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

G r ü n d e:

I.

1. Auf die am 5. Oktober 1988 beim Deutschen Patentamt eingegangene Patentanmeldung P 38 33 808.4 - 34, welche die Priorität der Französischen Anmeldung FR 87 15034 vom 28. Oktober 1987 in Anspruch nimmt, wurde am 21. November 1997 unter der Bezeichnung

"Gleichstrom-Niederspannungs-Leistungsschalter mit Lichtbogenführungsplatten"

durch Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse H01H das Patent (Streitpatent) erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 30. April 1998.

Nach Prüfung eines für zulässig erachteten Einspruchs hat die Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamtes mit Beschluß vom 28. September 2001 das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten. Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden, mit der sie weiterhin den Widerruf des Patents verfolgt.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Niederspannungs-Leistungsschalter mit Isoliergehäuse für die Unterbrechung von Gleichströmen, welcher eine Schaltkammer aufweist, die eine aus einem Stapel von Metall-Deionblechen (38) bestehende Lichtbogenlöschkammer (36) und in eine mit trennbaren Kontakten (20, 22) versehene und von zwei parallelen Platten (40, 42) begrenzte Lichtbogenentstehungskammer unterteilt ist, wobei ein Dauermagnet (44) zwischen einer (40) der Platten und der angrenzenden Wand des Gehäuses angeordnet ist, um die Lichtbogenwanderung zur Lichtbogenlöschkammer hin zu beschleunigen, dadurch gekennzeichnet, daß die erste auf der Seite des Dauermagneten (44) angeordnete Platte (40) aus Keramik ist, und die zweite Platte (42) aus einem organischen, gasabgebenden Material besteht."

Wegen der abhängigen Ansprüche 2 bis 5 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

2. Die Einsprechende stützt ihre Beschwerde auf folgende Druckschriften:

[1] DE 27 16 619 B1

[2] EP 0 045 904 A1

[3] DE 33 37 562 A1 Sie macht geltend, der Streitpatentgegenstand beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit, insbesondere zeige Druckschrift [3] einen einschlägigen Schalter, bei dem der Lichtbogenentstehungsraum beiderseits durch Isolierstoff-Platten begrenzt und auf einer Seite mit einem Permanentmagneten ausgestattet sei. Zwar sei nicht expressis verbis ausgeführt, wie diese Isolierstoffplatten im einzelnen beschaffen seien, doch verweise die Druckschrift [3] diesbezüglich auf den Stand der Technik nach Druckschrift [1], derzufolge zur Begrenzung des Lichtbogens unterschiedliche Isolierstoffwände, nämlich auf einer Seite Keramik und auf der anderen Seite gasabgebendes Material, vorgesehen seien. Naheliegenderweise würde der Fachmann den Permanentmagneten, der durch den Lichtbogen sonst unbrauchbar gemacht würde, so anbringen, daß er durch die Keramikplatte geschützt werde, weil gasabgebender, d.h. sich verbrauchender Kunststoff dafür offensichtlich nicht geeignet sei. Damit sei der Fachmann aber auch bereits beim Gegenstand des Streitpatents angelangt, ohne daß er erfinderisch tätig werden mußte.

Die Einsprechende stellt den Antrag, den Beschluß der Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. 9. 2001 aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin betragt, die Beschwerde zurückzuweisen Sie macht geltend, die Druckschrift [3] lasse völlig offen, aus welchem Material die Wände des Lichtbogenentstehungsraums seien. Wende man hierauf die Lehre der Druckschrift [1] an, so führe dies zu einer vom Streitpatent abweichenden Lösung, bei der sich Magnet und gasabgebender Kunststoff auf der gleichen Seite der Lichtbogenentstehungskammer befänden, wodurch die vom Gasdruck und vom Magnetfeld ausgeübten Kräfte sich gegeneinander aufwiegen und den Lichtbogen symmetrieren würden. Die streitpatentgemäße Lehre betreffe aber gerade den umgekehrten Fall; sie sei somit nicht nur neu sondern auch erfinderisch.

II.

Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet, weil der Patentanspruch 1 die Kriterien der Patentfähigkeit gemäß den §§ 1 bis 5 PatG erfüllt.

1. Im angegriffenen Patent geht es um die Lichtbogenlöschung in einem Gleichstrom-Leistungsschalter. In solchen Schaltern besteht generell das Problem, daß beim Trennen der Kontakte ein Lichtbogen entsteht, der zu erhöhtem Verschleiß der Kontakte und ggfs. zu Beschädigungen weiterer Bauteile führt. Der Senat sieht den hierfür zuständigen Fachmann nicht, wie die Einsprechende meint, in einem mit Plasmaphysik befaßten Physiker mit Hochschulabschluß, sondern in einem graduierten Elektroingenieur mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von Leistungsschaltern, der vertiefte Kenntnisse bezügl. des beim Schalten hoher Ströme entstehenden Lichtbogen-Plasmas besitzt, weil weniger physikalische Theorien, sondern praktische Erfahrungen mit dem wenig berechenbaren Verhalten von elektrischen Überschlägen im Vordergrund stehen.

Der vorgenannte Fachmann entnimmt dem Streitpatent einen Niederspannungs-Leistungsschalter mit einer Schaltkammer, die einen ersten Teil, die "Lichtbogenentstehungskammer" und einen zweiten Teil, die "Löschkammer" umfaßt, wobei letztere in üblicher Weise einen Stapel Löschbleche (Deion-Bleche) enthält, die den bei der Kontakttrennung entstehenden Lichtbogen in Teil-Lichtbögen auffächern und damit schneller zum Erlöschen bringen. Der bewegliche Schaltkontakt bewegt sich in der "Lichtbogensentstehungskammer" zwischen zwei Begrenzungsplatten, von denen die eine aus einem organischen, gasabgebenden Material (bspw. Nylon) und die andere aus Keramik besteht. Zwischen der Keramikplatte und der Gehäusewandung befindet sich ein Blasmagnet, um die Bewegung des Lichtbogens zur Löschkammer hin zu beschleunigen.

2. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist unbestritten neu; denn in keiner der angezogenen Druckschriften ist ein Leistungsschalter mit allen angegebenen Merkmalen beschrieben.

Er beruht auch auf erfinderischen Tätigkeit, weil er sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

In der Druckschrift [3] (DE 33 37 562 A1) ist anhand der Figur 1 ein einschlägiger Leistungsschalter für Gleichstrom beschrieben, bei dem in einem isolierenden Gehäuse (1) eine Schaltkammer vorgesehen ist, in deren einem Teil ("Lichtbogenlöschkammer") Löschbleche (2) vorgesehen sind, während derjenige Bereich, in dem der Lichtbogen bei Trennung der Kontakte (3, 4) entsteht ("Lichtbogenentstehungskammer"), beiderseits von Isolierstoff-Platten (5, 6) begrenzt ist. Zwischen einer der Isolierstoff-Platten (5) und der Gehäusewand (1a) ist ein Dauermagnet (Blasmagnet 9) vorgesehen. Die Lehre der Druckschrift [3] zielt dabei darauf ab, Allstrom-Leitungsschutzschalter mit möglichst wenig Änderungen i.S. einer kostengünstigen Ergänzungs-Baureihe so zu modifizieren, daß ein sicheres Löschen des Lichtbogens auch bei niedrigen Gleichströmen gewährleistet ist (S. 4, Abs. 1). Die gen. Änderungen betreffen den Blasmagneten (9) und die ihn abdeckende Isolierstoffplatte (5), die die Stirnseite (9a) des Magneten mit einer Abwinklung (Stufe 5a) umgreift (S. 4, Z. 29 - 36). Der Schaltlichtbogen verläuft, angezogen vom Magneten (9), entlang der diesen abdeckenden Isolierstoffplatte (5) die durch die in Figur 1 mit den Ziffern 7 bezeichnete Linie und erreicht im Punkt 8 die Löschbleche (2), die bei diesem sehr unsymmetrischen Verlauf des Lichtbogens einer besonderen Formgebung bedürfen (S. 6, Abs. 1).

Als Überschuß über den Stand der Technik gemäß Druckschrift [3] verbleiben beim Streitpatentgegenstand somit die Merkmale, wonach die vor dem Permanentmagneten befindliche Platte aus Keramik und die gegenüberliegende aus einem gasabgebenden organischen Material besteht.

Über die Materialien der Isolierstoff-Wände ist in Druckschrift [3] nichts ausgesagt, allerdings wird (S. 3, Abs. 3) auf den aus der Druckschrift [1] (DE 27 16 619 B1) bekannten Leistungsschutzschalter hingewiesen, wonach dort eine Isolierstoffplatte aus Keramik und eine zweite aus gasabgebendem Material mit einer weichmagnetischen Eiseneinlage vorgesehen sind.

Der Fachmann, der dem in Druckschrift [3] gegebenen Hinweis nachgeht, stellt fest, daß der Leistungsschutzschalter gemäß Druckschrift [1] zwar ebenfalls eine Löschkammer (4) mit Deion-Blechen (5) besitzt (Figuren 1, 2 mit Beschreibungen), und daß die Schaltstrecke in der Tat von zwei Platten flankiert wird, von denen eine aus Keramik (8) und die andere aus gasabgebendem Isolierstoff (7) mit einer Eiseneinlage (7a) besteht. Er muß aber feststellen daß er die hierzu gegebene Lehre für den aus Druckschrift [3] bekannten Schalter nicht verwenden kann. Zur Beschleunigung der Laufgeschwindigkeit des Schaltlichtbogens wird gemäß Druckschrift [1] nämlich das Magnetfeld der Auslösespule (9) mit einbezogen. Die Eiseneinlage (7a) und das Streufeld (16) der Auslösespule erzeugen iVm dem Eigen-Magnetfeld des Lichtbogens eine auf diesen einwirkende Querkraft, die dem Gasdruck, der von der Platte (7) abgehenden Gase entgegengerichtet ist, den Lichtbogen symmetriert und ihn in definiertem Abstand von den Platten hält, wodurch sich eine höhere Laufgeschwindigkeit ergibt und ein unsymmetrischer Kontaktabbrand verhindert wird (Sp. 2, Z. 43 bis Sp. 3 Z. 6).

Der Fachmann, der der Lehre der Druckschrift [1] folgt und das vorgenannte Streufeld der Auslösespule durch einen Permanentmagneten ersetzt, müßte diesen an Stelle der Eiseneinlage in der gasabgebenden Wandung vorsehen, um das angestrebte Gleichgewicht gegenläufiger Kräfte erreichen zu können. Gerade dies ist aber beim Schalter nach Druckschrift [3] nicht erwünscht, bei dem der Lichtbogen entlang der den Magneten abdeckenden Platte verlaufen soll. Der Fachmann mag dort zwar Keramik als Isolierstoff in Betracht ziehen, weil dies guten Schutz gegen Zerstörung des Magneten und gegen Abbrand insgesamt bildet, er hat aber weder Veranlassung auf den beiden Seiten der Lichtbogenenstehungskammer unterschiedliche Materialien einzusetzen, noch auf der Gegenseite einen gasabgebenden Stoff vorzusehen.

Die Druckschrift [2] (EP 0 045 904 A1) führt erst recht nicht zum Gegenstand des Streitpatents. Sie beschreibt einen Leitungsschutzschalter mit einer Lichtbogenlöschkammer, die beidseitig aus Eisenblech (42) besteht, das mit gasabgebendem Isolierstoff (46) überzogen ist, vgl. Figur 2 und die zugehörige Beschreibung. Damit sollen die in einschlägigen Schaltern verwendeten Keramikplatten vermieden werden, wie sie bspw. aus der DE 27 16 619 B 1 (Druckschrift [1]) bekannt sind, deren Löscheigenschaften somit durch das beidseitig angebrachte isolierstoffüberzogene Eisenblech und damit auf ganz andere Weise als beim Streitpatent verbessert werden sollen ( Druckschrift [2], S. 2, Abs. 4 iVm S. 3, Z. 29 - 34 und S. 5, Abs. 2).

Aus keiner der genannten Druckschriften ergibt sich jedenfalls die Anregung, den Blasmagneten mit der Keramikplatte auf einer Seite der Lichtbogenenstehungskammer in Kombination mit einer gegenüberliegenden Wand aus gasabgebendem Isolierstoff vorzusehen.

3. Die Überprüfung des übrigen in den vorausgegangenen Verfahren in Betracht gezogenen Standes der Technik hat ergeben, daß dieser noch weiter abliegt und zu keiner anderen Beurteilung führt. Gegenteiliges hat die Einsprechende im Beschwerdeverfahren auch nicht geltend gemacht.

4. Der Patentanspruch 1 hat somit Bestand. Hiervon werden auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 mitgetragen, die nichttriviale Weiterbildungen des in Anspruch 1 ausgewiesenen Niederspannungs-Leistungsschalters betreffen.

Grimm Greis Eder Schuster Ju






BPatG:
Beschluss v. 25.06.2002
Az: 17 W (pat) 7/02


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