Landesarbeitsgericht Köln:
Beschluss vom 5. März 2015
Aktenzeichen: 12 Ta 410/14

(LAG Köln: Beschluss v. 05.03.2015, Az.: 12 Ta 410/14)

Einzelfall zur Streitwertfestsetzung für die anwaltliche Tätigkeit bei einem Antrag auf Unterlassen der mitbestimmungswidrigen Anordnung, Annahme oder Bildung von Überstunden.

Tenor

1. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Beteiligten zu 2) vom 24. November 2014 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 6. November 2014 - 1 BV 80/13 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführer haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist die Festsetzung des Gegenstandswertes für die anwaltliche Tätigkeit.

In der Hauptsache haben die Beteiligten in einem Beschlussverfahren um die Anordnung, Annahme oder Duldung von Überstunden durch den Arbeitgeber ohne ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats gestritten, soweit die Überstunden einen bereits vorab genehmigten Umfang überschritten haben. Das Arbeitsgericht Köln hat mit Beschluss vom 20. September 2013 die Anträge zurückgewiesen. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde nahm der Antragsteller mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2014 zurück. Mit Beschluss vom 6. November 2014 wurde der Gegenstandswert durch das Arbeitsgericht nach Anhörung der Parteien auf 20.000,00 € festgesetzt. Der Beschluss wurde der Beteiligten zu 2) am 11. November 2014 zugestellt.

Mit ihrer am 24. November 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde begehrt die Prozessbevollmächtigte der Beteiligten zu 2) die Festsetzung des Streitwerts auf maximal 12.000,00 €. Sie hat die Auffassung vertreten, die Festsetzung des Gegenstandswertes auf 20.000,00 € sei für die vorliegende Angelegenheit überhöht. In vergleichbaren Fällen habe die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung selbst bei besonders hartnäckigen Verstößen nur Gegenstandswerte bis zum dreifachen Auffangwert, mithin also 12.000,00 €, festgesetzt.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 27. November 2014 nicht abgeholfen und ausgeführt, das Vorbringen der Beteiligten zu 2) sei nicht geeignet, eine abweichende Bewertung des Gegenstandswertes zu rechtfertigen.

Im Rahmen der im Beschwerdeverfahren erfolgten Anhörung haben die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vorgetragen, dass der wirtschaftliche Wert der durchschnittlich angeordneten Überstunden in Monat Januar einem Betrag von 18.472,65 € entsprechen würde. Da in dem Verfahren die Monate Januar bis Mai 2013 streitgegenständlich gewesen seien, sei das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der mitbestimmungswidrigen Anordnung der Überstunden mit 92.363,25 € zu bewerten.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) ist gemäß § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (vgl. dazu GK-ArbGG/Schleusener § 12 Rz. 366). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 €. Der Prozessbevollmächtigte der Beteiligten zu 2) ist gemäß § 33 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2 RVG beschwerdeberechtigt. Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, da sie form- und fristgerecht gemäß § 33 Abs. 3 S. 3 und Abs. 7 RVG eingelegt worden ist.

2. Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat im Rahmen billigen Ermessens den Streitwert für das Verfahren zutreffend auf 20.000,00 € festgesetzt.

a) Die Bemessung des Streitwertes richtet sich nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung, da das erstinstanzliche Verfahren bereits am 13.03.2013 eingeleitet wurde, § 60 Abs. 1 Sätze 1 und 2 RVG.

b) Danach ist der Gegenstandswert auf den Hilfs- bzw. Auffangwert von 4.000,00 €, je nach Lage des Falls aber auch niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 € festzusetzen, sofern es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit handelt. Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist immer dann von einer nicht vermögensrechtlichen Streitigkeit auszugehen, wenn um das Bestehen und die Beachtung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte gestritten wird, weil die Begehren weder auf Geld noch auf eine geldwerte Leistung gerichtet sind und auch ihre Grundlage nicht in einem Verhältnis haben, dem ein Vermögenswert zukommen (LAG Köln, 09.09.2013, 11 Ta 218/12; LAG Köln, 04.06.2007, 9 Ta 104/07, juris Rdz. 10; GK-ArbGG/Schleusener § 12 Rz. 431).

Innerhalb des nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG vorgegebenen Bewertungsrahmens ist der Streitwert nach Lage des Falls zu bestimmen, wobei es in erster Linie auf die Bedeutung der Angelegenheit ankommt. Hierzu zählen die wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsstreits und die rechtlichen und tatsächlichen Besonderheiten des Falls (LAG Nürnberg, 21.07.2005, 9 Ta 137/05, juris Rdz. 15). Wertbestimmende Faktoren sind auch die betriebsverfassungsrechtliche Rechtspositionen, um deren Klärung es im Beschlussverfahren ging (LAG Rheinland-Pfalz, 21.12.2004, 5 Ta 236/04, juris Rdz. 10; LAG Schleswig-Holstein, 24.07.2006, 2 Ta 86/06, juris Rdz.10 m.w.N). Dabei ist aber auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die der Arbeitgeberin gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG obliegende Verpflichtung, die außergerichtlichen Kosten zu tragen, nicht zu einer unangemessenen Belastung führen darf (LAG Köln, 04.06.2007, 9 Ta 104/07, juris Rdz. 10).

Bezweckt der Antrag des Betriebsrats ein Verbot der einseitigen Mehrarbeitsanordnung, so muss sich Bewertung daran orientieren, dass es dem Betriebsrat nicht um die Unterbindung von Mehrarbeit, sondern um die Wahrung seines Mitbestimmungsrechts geht. Eine weitere Bewertungsgrundlage bieten die Angaben der Beteiligten über den bisherigen Umfang der einseitigen Anordnung (GK-ArbGG/Schleusener § 12 Rdz. 479).

c) Mit dem Unterlassungsantrag bezweckte der Betriebsrat die Sicherung seines Beteiligungsrechtes aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Er behauptete, im Januar 2013 seien insgesamt 6.000 Überstunden angefallen, wobei die Anzahl der Mitarbeiter, die mehr als die pauschal genehmigten 15 Stunden Mehrarbeit geleistet hätte, bei 117 Mitarbeitern liege. Auch für die Folgemonate (Februar bis August 2013) behauptet der Betriebsrat Verstöße in einem ähnlichen Umfang. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber nach dem Antrag der Antragstellerseite, auf den es für die Bewertung des Interesses ankommt (vgl. GK-ArbGG/Schleusener § 12 Rz. 149, 433; LAG Köln, 24.05.2002, 4 Ta 124/02, juris Rdz. 5; BVerfG, 31.10.1996, 1 BvR 1074/96, juris Rdz. 11), in einer beachtlichen Zahl von einschlägigen Fällen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates über einen längeren Zeitraum missachtet hat. Gerade bei hartnäckigen Verstößen gegen Mitbestimmungsrechte kommt dem auf eine Unterlassung gerichteten Beschlussverfahren eine gesteigerte Bedeutung zu, was regelmäßig zu einer Vervielfältigung des Ausgangswertes führt. Die Festsetzung auf 20.000 € entsprach unter Berücksichtigung dieser Grundsätze billigem Ermessen, zumal auch nicht nur eine einzelne Abteilung eines kleineren Unternehmens betroffen war.

d) Unabhängig von der Relevanz dieses Vorbringen für die Bewertung des Streitwertes, kann der Beschwerdeführer auch nicht mit dem Einwand gehört werden, eine Verfünffachung des Auffangwertes entspräche nicht der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung in derartigen Fällen. Denn das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat bei besonders hartnäckigen Verstöße auch schon Gegenstandswerte in Höhe des fünffachen Auffangwertes festgesetzt (LAG Mecklenburg-Vorpommern, 03.04.1997, 2 Ta 14/97, LAGE § 8 BRAGO Nr. 32).

Die Festsetzung auf 20.000,00 € war aber auch ausreichend, da sich die Höhe des Streitwertes nicht nach dem Vermögenswert der angeordneten Überstunden des Antragsgegners richtet.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG. Abweichend von § 68 Abs. 3 GKG ist die erfolglose Beschwerde gebührenpflichtig (§ 33 Abs. 9 Satz 2, 2. Halbsatz RVG i.V.m. § 33 Abs. 9 Satz 1 RVG), so dass der zurückweisende Beschluss eine Kostenentscheidung zu treffen hat (HWK/Kalb, § 12 ArbGG Rn. 31; LAG München, 17.09.2010, 10 Ta 529/09 juris Rdz. 13; LAG Hamburg, 30.06.2005, 8 Ta 5/05, juris Rdz. 32 ff.).

4. Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben, § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG.






LAG Köln:
Beschluss v. 05.03.2015
Az: 12 Ta 410/14


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/17d0f84cf52c/LAG-Koeln_Beschluss_vom_5-Maerz-2015_Az_12-Ta-410-14




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share