Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. September 2011
Aktenzeichen: 35 W (pat) 13/10

(BPatG: Beschluss v. 02.09.2011, Az.: 35 W (pat) 13/10)

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patentund Markenamts vom 17. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

BPatG 152

Gründe

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) ist eingetragener Inhaber des Gebrauchsmusters ... mit der Bezeichnung "...". Der Anmeldetag des Gebrauchsmusters ist der 5. Mai 2006. Gegenstand des Gebrauchsmusters ist ein als Erdbohrer ausgeformter Rundstahl, der zusammen mit handelsüblichen (Akku-)Bohrmaschinen zum Herstellen von Pflanzlöchern in Gärten bestimmt ist.

Mit Eingabe vom 10. August 2009 hat der Antragsteller rechtzeitig vor Ablauf der Zahlungsfrist beim Deutschen Patentund Markenamt (DPMA) den Antrag gestellt, ihm für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr (nebst dem Zuschlag) Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Seinem Antrag hat er einen ordnungsgemäß ausgefüllten und unterschriebenen Vordruck A 9541 ("Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse") nebst entsprechenden Belegen, aus denen sich seine Bedürftigkeit ergibt, beigefügt. Die Gebrauchsmusterstelle des DPMA hat dem Antragsteller mit Bescheid vom 1. Oktober 2009 zusätzlich aufgetragen, innerhalb eines Monats Nachweise darüber vorzulegen, welche konkreten, erfolgversprechenden Verwertungsversuche er bisher unternommen habe. Für den Fall, dass der Antragsteller innerhalb dieser Frist keine entsprechenden Nachweise vorlegen würde, wurde ihm die Zurückweisung seines Antrags angedroht. Nachdem die gesetzte Frist fruchtlos abgelaufen war, hat die Gebrauchsmusterstelle mit Beschluss vom 17. Dezember 2009 den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Gebrauchsmusterstelle ausgeführt, die weitere Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters entspreche -wie im Bescheid vom 1. Oktober 2009 bereits erläutert -offensichtlich nicht mehr den Grundsätzen wirtschaftlichen Handelns. Die Aufrechterhaltung erscheine vielmehr "mutwillig" im Sinne von § 114 ZPO, der hier entsprechend anwendbar sei und eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ausschließe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 13. Januar 2010, mit der er seinen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr weiterverfolgt. Er ist der Auffassung, dass der Gegenstand seines Gebrauchsmusters gut verwertbar sei. Als Beleg hierfür hat er seiner Beschwerde einen von ihm erstellten Werbeprospekt "Gartenfix" sowie insbesondere die folgende weiteren Unterlagen beigefügt:

a.) Schreiben der Firma Wolf-Garten GmbH & Co. KG, Betz-

dorf/Sieg, vom 21. Juli 2006;

b.) e-Mail der Firma AIN Avinto International GmbH, Glattbrugg

(Schweiz) vom 18. September 2006;

c.) Schreiben der Firma MobilianeHELIX GmbH, Kornwestheim, vom 21. September 2006;

d.) e-Mail der Firma ERNST MEIER AG, Tann (Schweiz), vom 5. Oktober 2006;

e.) zwei e-Mail des "Verband Schweizerischer Gärtnermeister"

vom (vermutlich) Oktober und November 2006;

f.) e-Mail der Mainau GmbH, Insel Mainau, vom 29. Dezember 2006.

Zur Gerichtsakte ist ferner ein Artikel mit dem Titel "Mit Bohrer ins Beet" gelangt, aus dem nach Auffassung des Antragstellers ersichtlich sei, dass ein Nachahmer die durch das vorliegende Gebrauchsmuster geschützte Erfindung für sich beanspruche und offenbar auch verwerte.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patentund Markenamts vom 17. Dezember 2009 aufzuheben und ihm für die 1. Aufrechterhaltungsgebühr des Gebrauchsmusters ... Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde führt nicht zum Erfolg, da die Gebrauchsmusterstelle den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe zu Recht zurückgewiesen hat.

1. Dem Inhaber eines Gebrauchsmusters kann auf Antrag gemäß § 21 Abs. 1 GebrMG i. V. m. § 130 Abs. 1 PatG, der wiederum auf die Regelungen der §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung (ZPO) verweist, grundsätzlich Verfahrenskostenhilfe für Aufrechterhaltungsgebühren gewährt werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Zweck eines Gebrauchsmusters dessen wirtschaftliche Verwertung ist und alleine für dessen weitere Existenz -als solche -keine Verfahrenskostenhilfe beansprucht werden kann.

Diesem Grundsatz entspricht die Regelung des § 114 Satz 1 ZPO, wonach die mit dem Verfahrenskostenhilfeantrag beabsichtigte Rechtsverfolgung erfolgversprechend sein muss und auch nicht "mutwillig" erscheinen darf. Diese Einschränkung ist erforderlich, um den Einsatz öffentlicher Mittel zur Aufrechterhaltung von Schutzrechten nur in rechtlich und wirtschaftlich sinnvollen Fällen zu gewährleisten. Denn das im Grundgesetz verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet es nur, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes einander anzunähern. Verfassungsrechtlich ist keine vollständige Gleichstellung geboten, sondern nur eine weitgehende Angleichung (vgl. BVerfGE 81, 347, 358). Wirtschaftlich schwache Personen sollen nicht allein aufgrund ihrer Vermögensverhältnisse von der Verwirklichung des Rechtsschutzes ausgeschlossen werden.

2.1. Ob die Aufrechterhaltung eines Gebrauchsmusters "mutwillig" erscheint, entscheidet sich -worauf die Gebrauchsmusterstelle zutreffend abgestellt hat -danach, ob auch eine nicht bedürftige Person bei verständiger Würdigung der Sachund Rechtslage ihr Recht in derselben Weise verfolgen würde wie der Antragsteller (vgl. Busse, Patentgesetz, 6. Aufl., § 130 Rn. 34 m. w. N.; Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 130 Rn. 54; vgl. auch BPatG BlPMZ 1997, 443 m. w. N.). Mutwilligkeit ist danach ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nicht von einem fest umrissenen Sachverhalt ausgefüllt wird, sondern stets fallbezogen wertend überprüft werden muss. Kann auf Grund der konkret vorgetragenen Tatsachen nicht angenommen werden, dass ein vermögender Gebrauchsmusterinhaber wie der Antragsteller handeln würde, ist in wertender Erkenntnis auf das Vorliegen mutwilligen Verhaltens zu schließen. Ein exakter Nachweis ist dabei nicht erforderlich, wie sich aus der gesetzlichen Formulierung "nicht mutwillig erscheint" ergibt (BPatG a. a. O., m. w. N.).

2.2. Nach den hier vorliegenden Umständen scheidet die begehrte Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters im Wege der Verfahrenskostenhilfe aus. Der Antragsteller hat mit seiner Beschwerde im Wesentlichen 7 Stellungnahmen -vgl. oben die Unterlagen a.) bis f.) -von Unternehmen und Verbänden nachgereicht. Aus diesen ergibt sich, dass der Antragsteller bis Ende 2006 ernsthaft versucht hat, sein Gebrauchsmuster wirtschaftlich zu verwerten, und dass alle diese Verwertungsversuche erfolglos geblieben sind. Selbst wenn man zugunsten des Antragstellers davon ausginge, dass er sich auch noch in den letzten 3 Jahren vor Stellung des hier streitbefangenen Verfahrenskostenhilfeantrags ernsthaft um die Verwertung des Gebrauchsmusters bemüht hat, so verstärkte dies nur den Eindruck, dass eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung des Gebrauchsmustergegenstandes ausgeschlossen ist. Nachdem sämtliche Verwertungsversuche gescheitert sind, kann daher bei objektiver Betrachtung auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine vermögende Person in derselben Situation wie der Antragsteller weitere Mittel einsetzen würde, um das Gebrauchsmuster aufrecht zu erhalten.

2.3. Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht anhand des zur Gerichtsakte gelangten Artikels mit dem Titel "Mit Bohrer ins Beet", dem der Antragsteller offenbar den Nachweis für die Verletzung seines Gebrauchsmusters zu entnehmen scheint. Zwar trifft es zu, dass die beabsichtigte Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus einem Gebrauchsmuster -sofern hinreichend schlüssig vorgetragen -(und bei Vorhandensein aller weiterer Voraussetzungen) grundsätzlich die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Aufrechterhaltung des entsprechenden Gebrauchsmusters rechtfertigen könnte. Im Fall des im Artikel beschriebenen "Nachahmers" ist aber zu berücksichtigen, dass dieser seine Erfindung bereits am 19. November 2003 beim DPMA zum Patent angemeldet hat. Dies ergibt sich aus der amtlichen Offenlegungsschrift DE 103 54 001 A1 vom 27. Januar 2005, die im Internet unter der Adresse "www.depatisnet.de" recherchiert werden kann.

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BPatG:
Beschluss v. 02.09.2011
Az: 35 W (pat) 13/10


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