Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Februar 2003
Aktenzeichen: 20 W (pat) 25/01

(BPatG: Beschluss v. 12.02.2003, Az.: 20 W (pat) 25/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des Patentamtes vom 16. Januar 2001 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Verfahren zum Herstellen einer gekoppelten Leitung Anmeldetag: 16. Dezember 1997 Die Priorität der japanischen Anmeldung vom 16. Dezember 1996

(Az 8-335691) ist in Anspruch genommen.

Der Patenterteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 5;

Beschreibung Seiten 1, 2, 2a, 2b, 3 bis 9;

3 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 4, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Gründe

I Die Patentanmeldung wurde vom Patentamt mit der Begründung zurückgewiesen, der Gegenstand des damals geltenden Patentanspruchs 1 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen zu erteilen.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Verfahren zum Herstellen einer gekoppelten Leitung mit zwei elektromagnetisch gekoppelten Mikrostreifenleitungen (3, 4), die benachbart auf einer oberen Oberfläche eines dielektrischen Substrats (2) angeordnet sind, wobei ein erster Abstand (g2) zwischen den Mikrostreifenleitungen an der oberen Seite derselben kleiner ist als ein zweiter Abstand (g1) zwischen denselben an der unteren Seite derselben, die in Kontakt mit dem dielektrischen Substrat (2) ist, wobei das Verfahren folgende Schritte aufweist:

Aufbringen eines Resists (6) auf die obere Oberfläche des dielektrischen Substrats (2);

Anordnen einer Photomaske auf das Resist (6), die die zu bildenden Mikrostreifenleitungen definiert und derart strukturiert ist, daß der zweite Abstand (g1) der kleinstmögliche Abstand ist, der durch eine nachfolgende Belichtung erreichbar ist;

Belichten des Resists (6) und Beseitigen der belichteten Resistabschnitte (7) von der oberen Oberfläche des dielektrischen Substrats (2) durch das Entwickeln des Resists, wobei die Belichtung und die Entwicklung des Resists derart gesteuert werden, daß trapezförmige Öffnungen gebildet werden, die an ihren dem dielektrischen Substrat (2) abgewandten Seiten einen Abstand haben, der kleiner ist als der zweite Abstand (g1); und Bilden von zwei parallelen und benachbarten Mikrostreifenleitungen (3, 4) in den Öffnungen (12), wobei die nichtbelichteten Abschnitte des Resists auf dem Substrat zwischen den Mikrostreifenleitungen zurückbleiben und als Dielektrikum zwischen den Mikrostreifenleitungen wirksam sind."

Zum Wortlaut der Patentansprüche 2 bis 5 wird auf die Akte verwiesen.

Im Prüfungsverfahren wurden folgende Druckschriften berücksichtigt:

(1) US 5 017 509

(2) Jansen. R.H.: Streifenleitungstechnik (Mikrostrip-Technik) - Ein Überblick über die physikalischen Grundprinzipien und Bauelemente (1. Teil), in:

ntz Archiv, 1981, S. 159-167

(3) DE 26 01 147 C2.

Der Senat führte in der mündlichen Verhandlung Auszüge aus dem Fachbuch

(4) Moreau, Wayne M.; Semiconductor Lithography; Plenum Press, New York, 1988, Seiten 27, 29, 30 in das Verfahren ein.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und führt mit dem beschränkten Patentbegehren auch zum Erfolg.

1. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Die Merkmale des Patentanspruchs 1 ergeben sich aus dem ursprünglichen Patentanspruch 3 und der ursprünglichen Beschreibung (S 6 Abs 2, 3; S 7 Abs 4).

2. Die Erfindung ist in der Anmeldung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Bei dem Verfahrensschritt der Bildung der Mikrostreifenleitungen gelangt zwar auch eine Metallschicht auf die Bereiche des Resists zwischen den Mikrostreifenleitungen, so dass eine elektrisch leitende Verbindung zwischen den Leitungen entsteht. In der Anmeldung wird dieses Problem nicht ausdrücklich angesprochen. Der Fachmann, ein mit photolithografischen Verfahren vertrauter Physiker oder Hochschulingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik, jeweils mit mehrjähriger Entwicklertätigkeit auf dem Gebiet der Hochfrequenztechnik, ist dennoch auf Grund seines Fachwissens in der Lage, die auf der Oberfläche des Resists befindliche Metallschicht zu entfernen. Hierfür bietet sich ihm insbesondere das bekannte CMP-Verfahren an, mit dem Schichten chemischmechanisch abgetragen werden können. Die Anmelderin legt hierzu in der mündlichen Verhandlung das Fachbuch "Technologie hochintegrierter Schaltungen", Springer Verlag, 2. Auflage 1996, vor, aus dem die Eignung des CMP-Verfahrens zur strukturierten Abtragung von Oberflächen glaubhaft hervorgeht.

3. Stand der Technik Aus Druckschrift (1) ist eine Leitung mit zwei Mikrostreifenleitungen (Fig.1, Bezugszeichen 12) bekannt, die benachbart auf einer oberen Oberfläche eines dielektrischen Substrats 14 angeordnet sind und direkt in Kontakt mit dem dielektrischen Substrat sind. Das Substrat weist auf seiner unteren Oberfläche eine Masseelektrode 16 auf. Figur 1 zeigt außerdem, dass die Streifenleiter benachbart sind. Zwischen den Streifenleitern kommt es zu einer elektromagnetischen Kopplung, die in (1) jedoch als unerwünscht beschrieben wird (Sp 1 Z 43 - 45).

Bei dem in (1) außerdem gezeigten Verfahren zur Herstellung von Mikrostreifenleitungen wird zunächst ein Resist auf eine dünne Chromschicht aufgebracht, die sich auf dem dielektrischen Substrat befindet (Fig. 5A). Dann wird eine Photomaske auf dem Resist angeordnet, die die zu bildenden Mikrostreifenleitungen definiert. Nach dem Belichten des Resists (Fig. 5B) werden die belichteten Resistabschnitte durch das Entwickeln des Resists beseitigt, so dass Öffnungen gebildet werden (Fig. 5C). Die Bedingungen für die Belichtung und die Entwicklung führen dazu, dass die bei der Entwicklung entstehenden Öffnungen trapezförmig sind, wie aus Figur 5C zu entnehmen ist. Wenn zwei solcher Öffnungen nebeneinander liegen, wie es erforderlich ist, um die in den Figuren 1 und 2 gezeigten Leitungen herzustellen, haben die Öffnungen an ihren dem dielektrischen Substrat abgewandten Seiten einen Abstand, der kleiner ist als ihr Abstand auf der dem dielektrischen Substrat zugewandten Seite. Im nächsten Verfahrensschritt werden in den Öffnungen die Mikrostreifenleitungen gebildet (Figur 5D), die im Fall der Leitungen nach den Figuren 1 und 2 parallel und benachbart verlaufen. Das Metall wird galvanisch auf die Chromschicht aufgebracht (Sp 4 Z 62 - 65).

Im Anschluss daran müssen die nichtbelichteten Teile des Resists entfernt werden, um die darunter befindliche Chromschicht, die die Streifenleitungen elektrisch leitend miteinander verbindet, abtragen zu können. Hierdurch unterscheidet sich das bekannte Verfahren vom Gegenstand des Patentanspruches 1, bei dem die nichtbelichteten Teile des nicht auf eine Chromschicht, sondern direkt auf die Oberfläche des dielektrischen Substrats aufgebrachten Resists zwischen den Mikrostreifenleitungen zurückbleiben. Außerdem sind aus (1) keine Angaben über die Strukturierung der Photomaske und den hiervon abhängigen Abstand zwischen den Streifenleitungen zu entnehmen.

In Druckschrift (2) sind auf Seite 165 (Fig 6) gekoppelte Leitungen dargestellt, bei denen zwei Mikrostreifenleitungen auf einer oberen Oberfläche eines dielektrischen Substrats aufgebracht sind, das eine Masseelektrode auf seiner unteren Oberfläche aufweist. Die beiden Mikrostreifenleitungen sind miteinander elektromagnetisch gekoppelt. Die Kopplung hängt vom Abstand der Mikrostreifenleitungen ab (Bilder 7a-7c mit Beschreibung auf S 166). Daneben werden in (2) auch photolithografische Herstellungsverfahren für Mikrostreifenleitungen beschrieben (S 160 - 161). Der Einfluss von Belichtung und Entwicklung auf die spätere Form der Streifenleitungen wird dabei jedoch nicht angesprochen. Alle in den Figuren gezeigten Streifenleitungen sind im Gegensatz zum Anmeldungsgegenstand mit rechteckförmigem Querschnitt dargestellt.

Die Druckschrift (3) betrifft eine in Sandwich-Bauweise hergestellte Mikrowellenschaltung. Dabei werden Streifenleiter 2, 3 in Dick- oder Dünnfilmtechnik auf ein Trägersubstrat 1 aufgebracht, auf das dann ein die Streifenleiter überdeckendes Decksubstrat 4 aufgeklebt wird. Zwischen dem Trägersubstrat 1 und dem Decksubstrat 4 befindet sich ein Kleber 5, der den Zwischenraum zwischen den Streifenleitungen ausfüllt und als Dielektrikum wirkt. Angaben über die Form des Leitungsquerschnitts sind aus (3) nicht entnehmbar. Photolithografische Verfahren zur Herstellung von Streifenleitungen werden ebenfalls nicht beschrieben.

Dem Fachbuch (4) ist zu entnehmen, dass die bei der Entwicklung eines Photoresists entstehenden Öffnungen abhängig von den Belichtungs- und Entwicklungsbedingungen unterschiedliche Profile haben. Die möglichen Profile mit zugehörigen Herstellungsbedingungen sind in Tabelle 2-1-1 auf Seite 30 dargestellt. In der letzten Zeile der Tabelle sowie in der Skizze auf Seite 29 ist ein trapezförmiger Querschnitt gezeigt, der bei einem anschließenden Einbringen eines elektrisch leitenden Materials zu einer Streifenleitung mit einem trapezförmigen Querschnitt führen würde. Ein Herstellungsverfahren für benachbart zueinander liegende, elektromagnetisch gekoppelte Streifenleitungen ist aus (4) jedoch nicht entnehmbar.

4. Neuheit Der zweifelsfrei gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruches 1 ist neu, denn keine der Druckschriften zeigt alle seine Merkmale, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zum Stand der Technik ergibt.

5. Erfinderische Tätigkeit Der Gegenstand des Patentanspruches 1 beruht auf erfinderischer Tätigkeit.

Dem Gegenstand des Patentanspruches 1 am nächsten kommt das in Druckschrift (1) beschriebene Verfahren zur Herstellung einer Leitung, bei der eine Kopplung zwischen benachbarten Mikrostreifenleitungen auftritt. Die Druckschrift (1) hat zwar zum Ziel, die Kopplung zu verringern, was durch den in Figur 2 von (1) dargestellten, vom Anspruchsgegenstand weiter abliegenden Gegenstand auch erreicht wird. Das kann den Fachmann, der vor der sich aus der Praxis ergebenden Notwendigkeit steht, eine aus zwei benachbarten Mikrostreifenleitungen bestehende gekoppelte Leitung mit möglichst hohem Kopplungsgrad herzustellen, jedoch nicht davon abhalten, ausgehend von dem in (1) als Stand der Technik beschriebenen Verfahren Überlegungen anzustellen, wie die bereits bestehende Kopplung bei der Leitung nach Figur 1 von (1) verstärkt werden kann.

Der Fachmann weiß, dass die Kopplung zwischen den beiden Leitungen vom Abstand der Leitungen abhängt, denn ein kleinerer Abstand führt zu einer größeren Kapazität zwischen den Leitungen und damit zu einer stärkeren kapazitiven Kopplung. Ihm ist aber auch bekannt, dass der Abstand zwischen den Leitungen auf Grund der beim photolithografischen Herstellungsverfahren auftretenden Ungenauigkeiten nicht beliebig verkleinert werden kann. Um einen hohen Kopplungsgrad zu erzielen, ist es daher für ihn naheliegend, den Abstand zwischen den in Figur 1 schematisch gezeichneten Streifenleitungen so weit wie möglich zu verkleinern, indem er die die zu bildenden Streifenleitungen definierende Photomaske so strukturiert, dass für den Abstand an der unteren Seite der Leitungen der kleinstmögliche Abstand erreicht wird, der durch die nachfolgende Belichtung erreichbar ist. Weiter mag es sich ihm anbieten, die Leitungen trapezförmig zu gestalten, wie es in Figur 5 von (1) dargestellt ist. Denn er erkennt ohne weiteres, dass dann der Abstand zwischen den Leitungen an ihrer Oberseite noch kleiner ist als der durch die Belichtung erreichbare kleinstmögliche Abstand an der Unterseite, so dass die Kopplung noch weiter verstärkt ist. Der Zusammenhang zwischen dem Verlauf der Ränder der durch die Entwicklung der belichteten Resistabschnitte entstehenden Öffnungen und den Belichtungs- und Entwicklungsbedingungen gehört zu seinem Fachwissen, wie es aus dem Fachbuch (4) (S 30 Tab 2-1-1) entnehmbar ist. Der Fachmann ist daher in der Lage, die Belichtung und die Entwicklung derart zu steuern, dass trapezförmige Öffnungen entstehen.

Möglicherweise mag es für den Fachmann auch noch nahe liegen, zwischen den Streifenleitungen ein Dielektrikum anzuordnen, um so die Kapazität und damit die Kopplung zwischen den Leitungen weiter zu vergrößern. Er erhält aus (1) jedoch keinen Hinweis darauf, dies dadurch zu erreichen, dass die nichtbelichteten Abschnitte des aus dielektrischem Material bestehenden Resists zwischen den Mikrostreifenleitungen nicht entfernt werden. Denn bei dem Herstellungsverfahren nach (1) muss das Resist vollständig entfernt werden, um im Anschluss daran die Chromschicht wegätzen zu können. Die Entfernung der die beiden Leitungen elektrisch miteinander verbindenden Chromschicht ist aber für die Funktion der gekoppelten Leitung unbedingt erforderlich. Auch den Gedanken, auf die Chromschicht ganz zu verzichten, um die nichtbelichteten Teile des Resists nicht entfernen zu müssen, verfolgt der Fachmann nicht weiter. Ohne Chromschicht ist nämlich das Einbringen des Metalls in die Öffnungen durch galvanisches Plattieren (Sp 4 Z 62 - 68) nicht möglich.

Auch die Druckschriften (2) bis (4) können den Fachmann nicht dazu veranlassen, das nichtbelichtete Resist zwischen den Streifenleitungen als Dielektrikum stehen zu lassen. Von diesen Druckschriften zeigt lediglich die Druckschrift (3) eine Leitung mit zwei elektromagnetisch gekoppelten Streifenleitungen, zwischen denen sich ein Dielektrikum befindet. Diese Druckschrift führt jedoch in eine andere Richtung, denn dort ist die gekoppelte Leitung in Sandwich-Bauweise hergestellt, wobei das Trägersubstrat und das Decksubstrat durch einen Kleber verbunden sind, der auch den Bereich zwischen den Streifenleitungen ausfüllt und dielektrische Eigenschaften besitzt.

Damit gelangt der Fachmann auch unter Berücksichtigung seines Fachwissens und Fachkönnens (einschließlich des von der Anmelderin zur Ausführbarkeit angeführten Fachwissens) nur durch erfinderisches Zutun zu dem Herstellungsverfahren nach Patentanspruch 1, bei dem die nichtbelichteten Abschnitte des Resists auf dem Substrat zwischen den Mikrostreifenleitungen zurückbleiben und als Dielektrikum zwischen den Mikrostreifenleitungen wirksam sind.

6. Die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 betreffen über das Selbstverständliche hinausgehende Ausgestaltungen des Gegenstandes des Patentanspruches 1 und sind daher ebenfalls gewährbar.

7. Die Beschreibung genügt den an sie nach § 34 PatG zu stellenden Anforderungen.

Dr. Anders Dr. Hartung Engels Dr. Zehendner Pr






BPatG:
Beschluss v. 12.02.2003
Az: 20 W (pat) 25/01


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