Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Dezember 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 68/00

(BPatG: Beschluss v. 04.12.2000, Az.: 30 W (pat) 68/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

In das Markenregister eingetragen ist unter der Rollennummer 395 40 104 die Marke TING als Kennzeichnung für die Ware Arzneimittel, nämlich ein topisches Arzneimittel zur Behandlung von Hauterkrankungen.

Die Eintragung ist am 10. August 1996 veröffentlicht worden.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren Marke 1 156 835 siehe Abb. 1 am Endedie ua für die Warenpharmazeutische Erzeugnisse, Präparate für die Gesundheitspflegeeingetragen ist. Die Eintragung ist am 30. März 1990 erfolgt.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß eine Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zwar könnten sich die Marken auf identischen Waren begegnen. Wegen der Kürze der beiden Markenworte würden die Unterschiede am Wortanfang und Wortende jedoch ausreichend deutlich auffallen. Zudem besitze die jüngere Marke einen Bedeutungsanklang an das lateinische Wort tingere = färben, was die Unterscheidung erleichtere.

Die Widersprechende hat Beschwerde erhoben und in Abrede gestellt, daß der allgemeine Verkehr das lateinische Wort tingere kennt und in der Marke erkennt. Ohne diese Begriffsstütze aber seien die klanglichen Abweichungen bei der identischen Warensituation zu gering.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluß der Markenstelle aufzuheben und (sinngemäß) die Marke zu löschen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat bereits im Verfahren vor der Markenstelle die Benutzung der Widerspruchsmarke "vorsorglich" bestritten. Sie ist der Ansicht, die nunmehr vorgelegten Benutzungsunterlagen reichten nicht für die Anerkennung einer rechtserhaltenden Benutzung, denn die Marke werde in abgeänderter Schreibweise verwendet.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie auf den patentamtlichen Beschluß Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Zwischen den Marken besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr 1 Markengesetz.

Die Widersprechende hat ihre Marke während der maßgeblichen Benutzungszeiträume von fünf Jahren vor der Veröffentlichung der Eintragung der jüngeren Marke (§ 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG) und fünf Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch (§ 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG) rechtserhaltend für "Urologika" benutzt. Daß die Marke jeweils in Großbuchstaben und ohne die (geringe) grafische Gestaltung benutzt wurde, berührt den kennzeichnenden Charakter nicht (§ 26 Abs 3 MarkenG). Der Verkehr, der die eingetragene Marke kennt, erkennt diese dann nicht mehr, wenn sie innerhalb einer neuen Wortverbindung derart in dem Gesamtwort untergeht, daß sie ihre Eigenständigkeit verliert. Dies könnte bei "GRANUFINK KÜRBISKERN-KAPSELN N" der Fall sein, was hier jedoch angesichts der beiden weiteren Benutzungsbeispiele ""ROSTA FINK""und "CYSTO FINK" offen bleiben kann. Dort nämlich ist "FINK" (noch) ausreichend erkennbar, was bei "CYSTO FINK" auch durch den sich auf der Packung befindlichen Hinweis auf "FINK UROLOGIKA" erleichtert wird. Zudem sind Hinzufügungen häufig und üblich und entfalten insbesondere dann keine den kennzeichnenden Charakter ändernde Wirkung, wenn es sich um beschreibende Hinweise handelt (vgl BGH MarkenR 2000, 362 - Kornkammer; MarkenR 2000, 97 - Contura). Bei den benutzten Waren handelt es sich um Mittel gegen Blasen- und Prostatabeschwerden, so daß von einer Benutzung der Marke für die Hauptgruppe 82 Urologika der Roten Liste (Rote Liste 1999) auszugehen ist. Zwischen "Urologika" und einem "topischen Arzneimittel zur Behandlung von Hauterkrankungen" besteht jedoch sowohl wegen der deutlich abweichenden Indikation als auch der unterschiedlichen Anwendungs- und Darreichungsform ein Warenabstand, der allenfalls im mittleren Ähnlichkeitsbereich liegt. Bei den Arzneimitteln für die Behandlung von Erkrankungen der Harnorgane handelt es sich ganz überwiegend um Mittel zum Einnehmen (also Tabletten, Kapseln, Dragees, Tropfen etc). In weit geringerem Umfang werden Lösungen (zB zur Darmspülung, Fleka-Drainjet Purisole Nr 82 234), Emulsionen (zB zur Behandlung bei Dauerkathetern, Farco-Uromyzin Sterile Emulsion Nr 82 064) und sterile Gels (zB als Desinfiziens und Lokalanästhetikum bei der Urologie, Instillagel, Nr 82 235, jeweils Rote Liste 1999) angeboten. Derartige, ganz spezielle und vorwiegend der inneren Anwendung dienende Arzneimittel wirken aber gerade nicht "topisch" (nämlich bezogen auf Anwendung und Wirkung örtlich äußerlich, vgl Duden, Das Fachwörterbuch medizinischer Fachausdrücke, 1992, S 701).

Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke reicht der klangliche Abstand beider Marken aus, um bei diesem Warenabstand Verwechslungen im hinreichenden Ausmaß zu verhindern. Ob dies jedoch - wie die Markenstelle meint - schon deshalb zutrifft, weil bei einsilbigen Vergleichszeichen häufig eine geringfügige Abweichung genügt, mag zweifelhaft sein. Auch ist es wenig wahrscheinlich, daß dem Durchschnittsverbraucher der Bedeutungsanklang der jüngeren Marke an das lateinische tingere = färben bekannt ist, zumal jeder beschreibende Bezug zur Ware fehlt. Ein deutliches Auseinanderhalten der Zeichen ist aber dadurch gewährleistet, daß es sich bei der Widerspruchsmarke um ein gängiges Wort der Umgangssprache, nämlich den Vogel Fink handelt. Dieses Wort wird von jedermann sofort erfaßt, auch wenn es hier nicht entsprechend seinem Sinngehalt verwendet worden ist. Allgemein bekannte Worte prägen sich auch ohne einen beschreibenden Bezug zur Ware ein, sie sind unzweideutig und verhindern Verwechslungen mit einem ähnlich klingenden Wort (BGH, GRUR 1992, 130 - Bally/ BALL). Hinzu kommt, daß die jüngere Marke TING klanggleich ist mit der Bezeichnung des altgermanischen Versammlungsplatzes, dem Thing, einem Begriff, der zumindest einem nicht ganz unbeachtlichen Teil der angesprochenen Fach- und Laienkreise die Unterscheidbarkeit zusätzlich erleichtern kann.

Die Beschwerde ist damit ohne Erfolg.

Eine Kostenauferlegung ist nicht veranlaßt (§ 71 Absatz 1 Markengesetz).

Dr. Buchetmann Winter Schwarz-Angele Hu Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/30W(pat)68-00.2.3.gif






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Beschluss v. 04.12.2000
Az: 30 W (pat) 68/00


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