Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 8. Juni 1999
Aktenzeichen: 4 U 35/99

(OLG Hamm: Urteil v. 08.06.1999, Az.: 4 U 35/99)

Tenor

Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 15.01.1999 verkündete Urteil der VIII. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird es im Wege einstweiliger Verfügung untersagt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, im geschäftlichen Verkehr außerhalb der Fachkreise für das Mittel „B“ zu werben:

a)

mit wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen und/oder mit Angaben, wonach das Mittel fachlich geprüft und angewendet ist, insbesondere außerhalb der Fachkreise die Broschüre zu versenden

„B

Lachsöl-Konzentrat

Lachsöl-Konzentrat mit mehrfach ungesättigten Omega-

3Fettsäuren“,

b)

mit den Anwendungsgebieten:

aa)

des zu hohen Blutfettspiegels, insbesondere zu werben:

„Lipidsenkung“,

und/oder

„Senkung der Plasma-bzw. Serumtriglyceride“,

und/oder

„Cholesterinsenkung“,

bb)

des zu hohen Blutdrucks, insbesondere zu werben:

„Hypertonie“,

und/oder

„Blutsenkung“,

und/oder

„blutdrucksenkende Wirkung“,

cc)

der „Arteriosklerose“, insbesondere zu werben:

„Außerdem konnte bestätigt werden, daß mit dem Blutdruck und den Lipiden mehrere Risikofaktoren der Arteriosklerose gleichzeitig in günstiger Weise beeinfluß wurden“,

und/oder

„Die für die Prävention der Arteriosklerose und ihrer Folgekrankheiten besonders hohe Bedeutung von Gesamt- und LDL Cholesterin steht heute außer Zweifel. Dabei hat neben der Senkung dieser beiden Parameter auch die Erhöhung von HDL Cholesterin eine große Relevanz“,

und/oder

„Der antiarteriosklerotische Effekt von Omega 3 Fettsäuren durch eine Verbesserung der Blutrheologie wird heute allgemein anerkannt“,

und/oder

„Durch das Zusammenwirken der verschiedenen beim Menschen nachgewiesenen antiatherogenen Effenkte von Fischöl ist zu vermuten, daß beim Menschen ebenfalls eine wirksame Arteriosklerose-Prophylaxe mit Fischöl möglich ist ...“.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen)

Die Berufung des Antragstellers ist begründet.

Das Verfügungsbegehren ist nach §§ 1 UWG, 11 Nr. 1 und 2 HWG gerechtfertigt. Der verfolgte Unterlassungsanspruch ist gemäß § 13 Abs. 4 UWG auch gerade gegenüber der Antragsgegnerin begründet.

Die von der Antragsgegnerin zu dem von ihr vertriebenen Arzneimittel B herausgegebene Broschüre "Laxölkonzentrat" (Anlage AG 1) enthält die einzelnen im Tenor wiedergegebenen Aussagen. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, daß mit der betreffenden Broschüre außerhalb der Fachkreise nicht geworben werden darf. Die Antragsgegnerin bestreitet lediglich eine tatsächliche Versendung an Laien und stellt ihre Verantwortlichkeit für Handlungen des "OmegaGesundheitsservice" in Abrede.

Der tatsächliche Versand der genannten Broschüre an einen Laien ist glaubhaft gemacht durch die eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin T des Antragstellers vom 07.01.1999. Diese hat als Testbestellerin, veranlaßt durch einen in der Fernsehbeilage "RTV" Heft 35/98 veröffentlichten Beitrag, unter dem Pseudonym "F. N" bei dem "OmegaGesundheitsservice" in I um Übersendung der "Broschüre bezüglich der BStudie" gebeten. Der Wortlaut des vorgelegten Anforderungsschreibens enthält keinerlei Hinweis, der auf einen Fachmann als Absender schließen lassen könnte. Auch das formularmäßige Antwortschreiben des unter der Bezeichnung "OmegaGesundheitsservice" tätigen DiplomBiologen I3, mit dem die Broschüre übersandt worden ist, wendet sich nach der Art der Formulierung eindeutig an einen Laien. Soweit die Berufungserwiderung damit argumentiert hat, daß bei richtlinienkonformer Auslegung des Heilmittelwerbegesetzes keine Werbung vorliege, wenn eine bestimmte Frage zu Einzelheiten eines medizinischen Produkts beantwortet werde, ist dem entgegen zu halten, daß hier von der Testbestellerin gerade keine spezielle Frage zu dem Arzneimittel Armeu gestellt worden ist, sondern um eine allgemeine nähere Information gebeten wurde. Es wurde dann auch keine bestimmte Frage beantwortet, sondern eine typische Werbeunterlage übersandt, mit der der Absatz des Arzneimittels gefördert werden sollte.

Für die Versendung der Broschüre durch den "OmegaGesundheitsservice" haftet die Antragsgegnerin gemäß § 13 Abs. 4 UWG, weil der Dipl.Biologe I3 als ihr Beauftragter tätig geworden ist.

Der Begriff des Beauftragten im Sinne von § 13 Abs. 4 UWG ist weit auszulegen. Beauftragter ist derjenige, der ohne Angestellter zu sein, aufgrund von Verträgen oder Absprachen für das Unternehmen tätig ist, in dem er Funktionen wahrnimmt, die nach Zielsetzung, Struktur und Aufgabenbereich des Unternehmens im weitesten Sinn zu dessen Tätigkeitsbereich gehören. Auf die Rechtsform der Beziehungen kommt es nicht an. Erfaßt werden auch Personen, deren Handeln dem Betriebsorganismus nur im Ergebnis zugute kommt, sofern eine Einflußmöglichkeit besteht. Dabei kommt es nicht darauf an, welchen Einfluß sich das Unternehmen gesichert hat, sondern welchen Einfluß es sich sichern konnte und mußte (vgl. zu allem Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kapitel 14 Rdn. 25; BGH, WRP 1991, 79 Anzeigenauftrag; BGH, WRP 1995, 696 Franchise-Nehmer).

Im vorliegenden Fall hat der MarketingLeiter der Antragsgegnerin C in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Befragen erklärt, daß die Antragsgegnerin dem Dipl.Biologen I3, der ein selbständiger wissenschaftlicher Journalist sei, die betreffende Broschüre in größeren Stückzahlen zur Verfügung gestellt habe. Für die Versendung seien ihm die Portokosten erstattet worden. Außerdem habe er ein geringes sogenanntes "Handling fee" für seine Tätigkeit erhalten.

Bei dieser Sachlage hat die Antragsgegnerin den freien Journalisten I3 bewußt eingeschaltet, um Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. I3 sollte letztlich typische Aufgaben der Produktinformation und Werbung übernehmen. Die Werbung und Information für die eigenen Produkte gehört aber zum eigentlichen Aufgabenbereich jedes Unternehmens selbst. Jeder Gewerbetreibende hat die Wahl, ob und wie er Information und Werbung betreibt und welche Personen oder Institutionen er dafür einschaltet. Folgerichtig muß er auch das Risiko von Fehlverhalten in diesem Bereich tragen. Die Antragsgegnerin hatte auch hinreichende Einflußmöglichkeiten auf I3. Sie hätte ihm z.B. nur Informations- und Werbematerialien mit gegenüber Laien zulässigem Inhalt zur Verfügung stellen können oder sich zumindest gegen eine Versendung der hier in Rede stehenden Broschüre außerhalb von Fachkreisen besser absichern müssen.

Unerheblich ist dabei, ob die Broschüre nur als bloßes Informationsmaterial zu qualifizieren ist, wie die Antragsgegnerin meint.

Folge der Anwendung des § 13 Abs. 4 UWG ist in jedem Falle die Zurechnung des Wettbewerbsverstoßes ohne Entlastungsmöglichkeit. Auf die schriftliche Anweisung an I3, diese Broschüre nur an Fachkreise abzugeben, kann die Antragsgegnerin sich deshalb nicht berufen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Ziff. 10, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 08.06.1999
Az: 4 U 35/99


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