Verwaltungsgericht Würzburg:
Urteil vom 30. Juni 2009
Aktenzeichen: W 4 K 08.1713

(VG Würzburg: Urteil v. 30.06.2009, Az.: W 4 K 08.1713)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.205,28 EUR nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit 6. Juni 2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Verfahrens haben die Beklagte 9/10 und die Klägerin 1/10 zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Klägerin nicht vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin den Ersatz ihrer Aufwendungen die sie für Planungskosten und Anwaltskosten im Zusammenhang mit einer straßenrechtlichen Streitigkeit aufgewendet hat.

Die Klägerin wurde mit Bescheid des Landratsamtes Aschaffenburg vom 22. Februar 2005 als vermeintlich zuständiger Baulastträger zur Durchführung der Sanierung des unteren Straßendammes im A...tal (Wiederherstellung der Standsicherheit) verpflichtet. Der Damm verläuft quer zum A...bach, für den ein Durchlass besteht. Zum Zweck der Sanierung sollte die Klägerin die Durchführung eines wasserrechtlichen Verfahrens nach § 31 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) unter entsprechender Planvorlage beantragen. Die sofortige Vollziehung des Bescheides wurde angeordnet. Der Anordnung war ein seit Jahren andauernder Streit über die Straßenbaulast zwischen der Gemeinde und dem Freistaat Bayern vorangegangen. Das Grundstück Fl.Nr. ...94, über das der Straßendamm verläuft, steht im Eigentum des Freistaates Bayern (Forstverwaltung). Den Antrag der Klägerin auf einstweiligen Rechtsschutz wies die Kammer mit Beschluss vom 2. Mai 2005 ab (Nr. W 4 S 05.381). Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. Oktober 2005 (Nr. 8 CS 05.1465) zurück. In diesem Beschluss führte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen aus: Das öffentliche Interesse an einer baldigen Beseitigung der bestehenden Gefahr durch den schlechten Bauzustand des unteren Straßendammes überwiege die Interessen der Klägerin. Falls die Klägerin nicht Baulastträgerin sei, sondern der Freistaat Bayern, dürfte einem Ausgleich zwischen zwei Baulastträgern der öffentlichen Hand nichts entgegenstehen. In Betracht komme hier auch eine entsprechende Anwendung der Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag.

Im Hauptsacheverfahren (Nr. W 4 K 06.226) hob die Kammer mit Urteil vom 13. Februar 2007 den Bescheid des Landratsamtes Aschaffenburg vom 22. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Unterfranken vom 31. Januar 2006 auf. Die Klägerin sei nicht Trägerin der Straßenbaulast, weil es an einer wirksamen Widmung des streitgegenständlichen Weges fehle. Somit handele es sich nicht um eine öffentliche Straße.

II.

1. Mit ihrer am 11. Juli 2008 zunächst gegen den Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt Aschaffenburg, später gegen die Bayerische Staatsforsten gerichteten Klage ließ die Klägerin zuletzt beantragen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.205,28 EUR nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über Basisdiskont seit 6. Juni 2008 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 603,93 EUR zu zahlen.

Zur Begründung der Klage brachte die Klägerin vor: Aufgrund des sofort vollziehbaren Bescheides vom 22. Februar 2005 sei der Klägerin nichts anderes übrig geblieben, als entsprechende Planungsleistungen in Auftrag zu geben. Hierfür seien der Klägerin durch das Ingenieurbüro J... 6.205,28 EUR in Rechnung gestellt worden. Nach dem Urteil vom 13. Februar 2007 habe die Klägerin zunächst außergerichtlich in unmittelbarem Behördenkontakt versucht, die von ihr aufgewendeten Kosten von der Beklagtenseite wieder zu erlangen. Die Klägerin sei davon ausgegangen, dass dies ohne Probleme möglich sein werde. Das Landratsamt Aschaffenburg sowie die als Straßenbaulastträger festgestellten Bayerischen Staatsforsten seien zur Zahlung aufgefordert worden. Das Landratsamt habe überhaupt nicht reagiert. Die Bayerischen Staatsforsten hätten mit Schreiben vom 4. Juli 2008 die Ansprüche zurückgewiesen. Durch die unrechtmäßige Inanspruchnahme seien der Klägerin Aufwendungen für die Planungskosten entstanden. Außerdem seien der Klägerin auch Anwaltskosten in Höhe von 603,93 EUR entstanden, deren Ersatz begehrt werde. Der Anspruch werde auf Geschäftsführung ohne Auftrag gestützt und darüber hinaus als Schadensersatzanspruch geltend gemacht.

Auf Hinweis des Gerichts, dass für einen Schadensersatzanspruch der ordentliche Rechtsweg gegeben sei und für den Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag möglicherweise auch der Zivilrechtsweg in Betracht komme, erklärte die Klägerseite: Sie sei der Auffassung, dass der Klageanspruch insgesamt öffentlich-rechtlicher Natur sei und somit der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei. Dies treffe auch dann zu, wenn Vorschriften des Zivilrechts analog anzuwenden seien. Nach ihrer Auffassung handele es sich letztendlich um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch im weitesten Sinne, der jedenfalls zwischen Hoheitsträgern der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterfalle.

Mit Beschluss vom 27. November 2008 wurde von dem vorliegenden Verfahren das auf Schadensersatz aus Amtshaftung gerichtete Klagebegehren abgetrennt. Der abgetrennte Teil des Rechtsstreits wurde mit Beschluss vom 28. November 2008 (W 4 K 08.2182) an das Landgericht Aschaffenburg verwiesen.

Nach einem Hinweis des Gerichtes erklärte der Klägerbevollmächtigte, die noch anhängige Klage solle sich gegen die Bayerischen Staatsforsten, Anstalt des öffentlichen Rechts, richten.

2. Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei unzulässig. Zwar sei nach herrschender Meinung auch eine öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) zulässig, auf die grundsätzlich die §§ 677 ff. BGB entsprechend anwendbar seien. Öffentlich-rechtlich sei die GoA allerdings nur dann, wenn €das Geschäft€ eines anderen, das mit der Geschäftsführung besorgt werde, inhaltlich ein Geschäft des öffentlichen Rechts sei. Vorliegend handele es sich nicht um ein solches Geschäft. Wie die Kammer im Verfahren W 4 K 06.226 festgestellt habe, handelte es sich bei dem Weg Fl.Nr. ...94 nicht um eine öffentliche Straße, weshalb weder die Klägerin noch der Beklagte Träger einer öffentlichen Straßenbaulast sein könnten. Dies habe zur Folge, dass weder die Klägerin noch die Beklagte aufsichtlich verpflichtet werden könnten, die Aufgabe aus der Straßenbaulast zu erfüllen. Die von der Klägerin in Auftrag gegebenen Planungsleistungen könnten demzufolge nicht öffentlich-rechtlich veranlasst sein, weshalb das von der Klägerin besorgte Geschäft nicht öffentlich-rechtlicher Natur sei. Somit sei auch der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet. Jedenfalls sei die Klage aber unbegründet. Eine straßenaufsichtliche Anordnung wäre gegenüber der Beklagten rechtswidrig gewesen. Aus diesem Grund könnten die von der Klägerin gemachten Aufwendungen für die Beauftragung eines Ingenieurbüros auch nicht dem Interesse oder dem Willen der Beklagten als Geschäftsherren dienen. Die Planungsleistungen des Ingenieurbüros seien für die Beklagte ohne Wert. Höchst vorsorglich und rein hilfsweise werde auch die Höhe der geltend gemachten Aufwendungen bestritten.

Die Klägerseite erwiderte hierauf, es könnte dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Weg etwa entgegen der Auffassung der Gerichte doch um einen Eigentümerweg handele. Auch für Eigentümerwege gebe es nämlich eine öffentlich-rechtliche Straßenbaulast, die von den Eigentümern erbracht werden müsse. Die maßgeblichen Regelungen der Baulastverteilung seien hier entweder Art. 54 oder Art. 55 BayStrWG, was aber beides zu einer öffentlichen-rechtlichen Verpflichtung führe. Weshalb der Geltungsbereich des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes nicht eröffnet sein solle, sei unerfindlich. Zur Höhe der geltend gemachten Forderung werde die Gesamtrechnung übergeben.

Die Beklagte bestritt die Anwendbarkeit des Bayerische Straßen- und Wegegesetzes. Aufgrund des Urteils im Verfahren W 4 K 06.226 stehe fest, dass es sich bei dem Weg eben nicht um eine öffentliche Straße handele. Demzufolge sei der Geltungsbereich des Bayerischen Straßen- und Wegerechts nicht eröffnet. Die von der Klägerin angeführten Regelungen der Baulastverteilung fänden keine Anwendung. Weder die Klägerin noch die Beklagte hätten aufsichtlich verpflichtet werden können, Ansprüche aus der Straßenbaulast zu erfüllen. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch komme bei dieser Sachlage nicht in Betracht.

In der mündlichen Verhandlung erklärte der Bevollmächtigte der Beklagten, dass die Rechtswegrüge nicht aufrecht erhalten werde.

Die Behördenakten sowie die Gerichtsakten W 4 K 06.226 und W 4 S 05.381 waren zum Verfahren beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung sowie auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

1. Eine Vorabentscheidung über den Rechtsweg (siehe § 17 a Abs. 3 Satz 2 GVG) war nicht erforderlich, da die Beklagte die Rechtswegrüge fallen gelassen hat.

Der Parteiwechsel auf der Beklagtenseite ist eine Klageänderung i.S.d. § 91 VwGO (siehe Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 91, Rd.Nr. 2). Nach § 91 Abs. 1 VwGO ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Nach der Abtrennung des Schadensersatzbegehrens wegen Amtspflichtverletzung ist nur noch eine Klage gegen die Bayerischen Staatsforsten als €Verwalter€ des Forstvermögens sachdienlich. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des Staatsforstengesetzes vom 9. Mai 2005 (GVBl. S. 138) hat die Bayerischen Staatsforsten die Aufgabe, den Staatswald zu bewirtschaften.

2. Der Verwaltungsrechtsweg ist gegeben. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB). Diese Vorschriften sind auch im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar (z.B. BVerwG, U.v. 06.09.1988, BVerwGE 80, 170 = NJW 1989, 922 = BayVBl. 1998, 183). Für den Rechtsweg ist entscheidend, ob es sich um öffentlich-rechtliche oder um privatrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag handelt. Nach herrschender Meinung ist bei der Beurteilung der Rechtsnatur nicht auf die Person des Geschäftsführers, sondern auf die Person des Geschäftsherren abzustellen. Entscheidend ist also, ob das geführte Geschäft, wenn es der Geschäftsherr ausgeführt hätte, zu dessen öffentlich-rechtlichem Pflichtenkreis gehört hätte (zum Streitstand: Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann, VwGO, Stand März 2008, § 40, Rd.Nr. 385 f.).

Die Gemeinde W... ist bei der Auftragsvergabe für die Planung und dem Antrag auf Durchführung eines wasserrechtlichen Verfahrens aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung tätig geworden. Die Beklagte meint, das Geschäft könne für sie nicht öffentlich-rechtlich sein, weil das Bayerische Straßen- und Wegegesetz nicht anwendbar sei, nachdem es sich um einen Privatweg handele. Unter dem Gesichtspunkt der Straßenbaulast ist diese Argumentation der Beklagten zutreffend, weil an Privatwegen keine Straßenbaulast besteht. Allerdings ist unstreitig, dass die Gefahr besteht, dass der Straßendamm einstürzt und es zu einem Hochwasser kommt. Die Sanierung ist dringlich. Dies hat das Landratsamt Aschaffenburg mit Schreiben vom 15. Januar 2008 der Beklagten auch mitgeteilt. In diesem Schreiben führt das Landratsamt aus:

€Nachdrücklich möchten wir nochmals darauf hinweisen, dass eine Sanierung der Dämme aus Sicherheitsgründen dringend geboten ist. Zum Straßendamm ist anzumerken, dass aus Sicherheitsaspekten im Hinblick auf das Gefährdungspotential eine umgehende Sanierung auch weiterhin grundsätzlich geboten ist. Nach den Feststellungen des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg ist die Standsicherheit des Straßendammes nicht mehr gegeben und der Durchlass ist stark einsturzgefährdet. Der Zustand des Straßendammes stellt ein erhebliches Schadenspotential (Gefahr für Leib und Leben der Bevölkerung von W...) dar, welches es zu beseitigen gilt. An dieser Einschätzung hat sich auch durch das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 13.02.2007, demnach die Verantwortung für den Straßendamm nunmehr beim €Forst€ liegt, nichts geändert. Hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich bei dem Straßendamm um eine wasserwirtschaftliche Anlage i.S.d. DIN 19700 handelt. Als Rechtsgrundlagen für eine förmliche Sanierungsverpflichtung kämen wasserrechtliche als auch sicherheitsrechtliche Bestimmungen in Betracht. Zudem möchten wir darauf hinweisen, dass für die Dämme aufgrund des Gefährdungspotentials ein Katastrophenschutz-Sonderplan (Art. 3 BayKSG) mit Alarmierungs- und Evakuierungsplanungen für den Fall eines Dammbruches aufgestellt wurde. In diesem Zusammenhang hat das Polizeipräsidium Unterfranken darauf hingewiesen, dass, falls die Dämme nicht rechtzeitig saniert werden, bei einem Dammbruch mit strafrechtlichen Ermittlungen und Konsequenzen zu rechnen ist.€

Eine Sanierung bedingt einen Eingriff in das Gewässer. Bei einer Änderung des Dammes handelt es sich nach § 31 Abs. 2 Satz 2 WHG um einen Gewässerausbau, für den ein entsprechendes wasserrechtliches Verfahren durchzuführen ist. Durch den A...bach geht von dem Damm eine Hochwassergefährdung aus. Nach § 31 a WHG sind oberirdische Gewässer so zu bewirtschaften, dass soweit wie möglich Hochwasser zurückgehalten, der schadlose Wasserabfluss gewährleistet und der Entstehung von Hochwasserschäden vorgebeugt wird. Entsprechende wasserrechtliche Verpflichtungen eines Privateigentümers könnten durch Anordnung nach Art. 68 Abs. 3 BayWG durchgesetzt werden. Die Klägerin hat als €Geschäftsführer€ für die Beklagte als €Geschäftsherr€ zwar keine straßenrechtliche, aber eine wasserrechtliche Verpflichtung erfüllt. Dass diese Verpflichtung die Beklagte nicht als Straßenbaulastträger, sondern als Sachwalter des Eigentümers trifft, ist unerheblich.

3. Die zulässige Klage ist zum überwiegenden Teil begründet. Die Klägerin hat gemäß §§ 683, 670 BGB Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen für Planungskosten in Höhe von 6.205,28 EUR.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt eine entsprechende Anwendung der §§ 677 ff. BGB nur in Betracht, wenn das öffentliche Recht insoweit eine planwidrige Regelungslücke aufweist. Eine solche Regelungslücke ist nicht anzunehmen, wenn die einschlägigen Bestimmungen des öffentlichen Rechts die Frage, wer ein bestimmtes Geschäft vorzunehmen hat, abschließend beantworten (z.B. BVerwG, B.v. 28.03.2003 Buchholz 442.66 § 53 TKG Nr. 2; BGH U.v. 13.11.2003 NJW 2004, 513 = BayVBl. 2004, 410). Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor. Die Gemeinde W... ist bei Vergabe des Planungsauftrages an das Ingenieurbüro nicht hoheitlich tätig geworden. Somit gibt es keine Ersatzmöglichkeit im öffentlichen Recht. Die Gemeinde W... kann ihre Planungskosten auch nicht im Wege eines Folgenbeseitigungsanspruches vom Landratsamt Aschaffenburg ersetzt bekommen. Der Anspruch auf Folgenbeseitigung ist nur auf die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch hoheitlichen Eingriff rechtswidrig veränderten Zustandes gerichtet. Mangels gesetzlicher Grundlage kann er nicht zu einem darüber hinausgehenden Erfolg führen (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 06.02.1987, BayVBl. 1987, 541; VGH B.W. U.v. 17.08.1989, NVwZ-RR 1990, 449).

Die Tatbestandsvoraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag liegen vor. Die Gemeinde W... hat ein Geschäft besorgt, indem sie den Auftrag für eine Planung vergeben hat. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin war die Auftragsvergabe für eine neue Planung mit dem Wasserwirtschaftsamt abgestimmt und erforderlich, weil die ursprünglich vorliegende Planung (auf die das Landratsamt Aschaffenburg im Bescheid vom 22.02.2005 Bezug genommen hatte) bereits aus dem Jahr 1990 stammte. Zwar handelte es sich bei der Vergabe des Planungsauftrages insoweit um ein eigenes Geschäft der Gemeinde W..., als sie hierzu hoheitlich durch Bescheid verpflichtet worden war. Zugleich handelte es sich aber auch um ein fremdes Geschäft. Der Handelnde besorgt auch ein fremdes Geschäft, wenn die Übernahme zugleich im Eigeninteresse und im Interesse eines Anderen liegt. Hierfür genügt es, dass das Geschäft nach seiner Erscheinung auch einem Anderen zugute kommt. Die Wahrung auch eigener Interessen schließt den Fremdgeschäftsführungswillen nicht aus. Der Fremdgeschäftsführungswille wird beim objektiv fremden Geschäft vermutet. Dass das eigene oder fremde Geschäft dem öffentlichen Recht angehören, steht der Annahme der GoA nicht entgegen (Palandt, Kommentar zum BGB, 68. Auflage, § 677 Rd.Nr. 6). Die Gemeinde W... ist zwar aufgrund des sofort vollziehbaren Bescheides des Landratsamtes Aschaffenburg vom 22. Februar 2005 tätig geworden. Sie hat jedoch (durch Klageerhebung) ihre Leistungspflicht von vorneherein bestritten, weil sie der (letztlich zutreffenden) Meinung war, dass sie nicht der Straßenbaulastträger für den fraglichen Weg ist. Nur aufgrund der Verpflichtung durch Bescheid hat die Gemeinde nach erfolglosem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes den Auftrag für die Planung erteilt. Hierbei ist die Klägerin jedoch davon ausgegangen, dass sie ein Geschäft für den Freistaat Bayern als Eigentümer tätigt. Nach Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Bayer. Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG) sind Träger der Straßenbaulast für nicht ausgebaute öffentliche Feld- und Waldwege diejenigen, deren Grundstücke über den Weg bewirtschaftet werden (Beteiligte). Als Beteiligter in diesem Sinne kam nur der Freistaat Bayern als Eigentümer der Wegeflächen und des angrenzenden Staatswaldes in Betracht. Letztendlich hat sich herausgestellt, dass der €Geschäftsherr€, also derjenige für den das Geschäft letztendlich geführt wurde, nicht der Freistaat Bayern, sondern die Bayerischen Staatsforsten ist. Die Person des Geschäftsherren braucht dem Geschäftsführer aber nicht bekannt zu sein (Palandt, § 677 BGB, Rd.Nr. 8). Insofern ist es unschädlich, dass die Klägerin angenommen hat, sie würde ein Geschäft für den Freistaat Bayern ausführen.

Nach § 683 Satz 1 BGB kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Die Beklagte hat eingewandt, dass für sie die von der Klägerin in Auftrag gegebene Planungsleistung wertlos sei und nicht ihrem Interesse entspreche. Nach § 683 Satz 2, § 679 BGB kommt ein entgegen stehender Wille des Geschäftsherrn nicht in Betracht, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt oder eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Geschäftsherrn nicht rechtzeitig erfüllt werden würde. Wie bereits im Rahmen des Verwaltungsrechtswegs dargestellt, besteht ein erhebliches öffentliches Interesse daran, dass durch Vergabe einer Planung und Durchführung eines wasserrechtlichen Verfahrens die Sanierung des Straßendamms vorankommt und damit die erhebliche Hochwassergefahr beseitigt wird.

Die Klägerin hat Anspruch auf den Ersatz der Aufwendungen, die sie den Umständen nach für erforderlich halten durfte (§ 670 BGB). Aufwendungen sind Vermögensopfer, die der Beauftragte zum Zweck der Ausführung des Auftrages macht, ferner solche, die sich als notwendige Folge der Ausführung ergeben, also nicht nur nutzbringende Aufwendungen. Maßgeblich ist, was der Beauftragte für notwendig halten durfte (Palandt, § 670 BGB, Rd.Nrn. 3 und 4). Die Klägerin hat in Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg eine neue Planung in Auftrag gegeben. Hierfür hatte sie Aufwendungen in Höhe von 6.205,28 EUR. Diese Aufwendungen sind durch Vorlage der Rechnung des Architekturbüros belegt. Diesen Betrag hat die Beklagte der Klägerin zu ersetzen. Der Anspruch ist gemäß § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB ab 6. Juni 2008, dem in der Mahnung vom 26. Mai 2008 gesetzten Zahlungstermin, mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

4. Hinsichtlich des Klageantrages zu 2) ist die Klage unbegründet. Bei dieser Kostenforderung handelt es sich um vorgerichtliche Kosten in Höhe der 1,3 -fachen Geschäftsgebühr. Diese Kosten können nicht als Verzugsschaden gemäß § 280 Abs. 2 i.V.m. § 286 BGB geltend gemacht werden, weil die Beklagte mit der Zahlung der Hauptforderung noch nicht in Verzug geraten war. Vielmehr wurde gegenüber der Beklagten erstmals mit Schreiben vom 26. Mai 2008 die Kostenforderung geltend gemacht.

5. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 173 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

6. Gründe für die € von der Beklagten angeregte - Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO).

Beschluss

Der Streitwert wird auf 6.205,28 EUR festgesetzt (§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3, 43 Abs. 1 GKG).






VG Würzburg:
Urteil v. 30.06.2009
Az: W 4 K 08.1713


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