Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. April 2010
Aktenzeichen: 20 W (pat) 60/05

(BPatG: Beschluss v. 21.04.2010, Az.: 20 W (pat) 60/05)

Tenor

Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 03 F des Deutschen Patentund Markenamts vom 2. März 2005 wird aufgehoben und das Patent wird erteilt auf der Grundlage der folgenden Unterlagen:

Bezeichnung:

Leistungsverstärker mit einer Schutzschaltung Patentansprüche:

Patentansprüche 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 21. April 2010 Beschreibung:

Beschreibung Seiten 1 bis 7, 7a, 8 bis 26, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 21. April 2010 Zeichnungen:

Figuren 1, 2a, 2b, 3 bis 14 gemäß Anmeldungsunterlagen vom 5. Januar 2000.

Gründe

I.

Die Patentanmeldung 100 00 224.2-35 mit der Bezeichnung "Schutzschaltung für einen Leistungsverstärker" ist im Verfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt von der Prüfungsstelle H 03 F mit Beschluss vom 2. März 2005 mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass der Gegenstand des damals geltenden Patentanspruchs 1 mangels Neuheit seines Gegenstandes gegenüber der Druckschrift D1 DE3627006A1 nicht gewährbar sei.

Bezüglich des Wortlauts dieses Anspruchs wird auf die Akte verwiesen.

Als weiteren Stand der Technik hatte die Prüfungsstelle noch den Fachbuchauszug D2 NÜHRMANN, Dieter: Das große Werkbuch Elektronik, 6. Aufl., Poing: Franzis, 1994, S. 1593-1595 ermittelt.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Anmelderin ihre Anmeldung weiter. Im Beschwerdeverfahren hat sie in der mündlichen Verhandlung vom 21. April 2010 neue Patentansprüche 1 bis 8 und eine neue Beschreibung Seiten 1 bis 7, 7a, 8 bis 26 eingereicht.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet (mit eingefügter Merkmalsgliederung):

M1 "Leistungsverstärker mit einer Mehrzahl von Transistoren (503, 504, 50), M2 die in einer Vielfachstufe zur Bildung des Leistungsverstärkers (500) zusammengeschlossen sind, M3 und mit einer Schutzschaltung (100), die mit dem Kollektor des Transistors der letzten Stufe (505) und über eine Kapazität (547) mit der Basis des Transistors (505) der letzten Stufe der Mehrzahl der Transistoren verbunden ist, M4 wobei die Schutzschaltung (100) einen Rückkoppelungsstrom (If1) erzeugt, welcher der der Basis vorgeschalteten Kapazität zugeführt wird, M5 wenn eine Spannung (V4) am Kollektor des Transistors (505) der letzten Stufe einen von der Schutzschaltung (100) festgelegten Schwellenwert überschreitet."

Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 8 wird auf die Akte verwiesen.

Ausgehend von einem Heteroübergangsbipolartransistor (HTB)-Leistungsverstärker, der typischerweise in GSM-Mobilfunktelefonen zur Anwendung kommt (vgl. Figur 10 der Offenlegungsschrift), und dem auftretenden Problem, dass bei Überspannungszufuhr bzw. Lastschwankungen am Ausgang, die Kollektorspannung des Ausgangstransistors soweit überschritten werden kann, dass dieser durchbricht und infolge der daraus resultierenden thermischen Belastung zerstört wird (vgl. geltende Beschreibung Seite 4, Zeile 29 bis Seite 5, Zeile 6), hat es sich die Anmelderin zur Aufgabe gemacht, diesen zerstörerischen Durchbruch zu verhindern. Der bekannte Leistungsverstärker wurde daher so weiterentwickelt, dass zwischen Einund Ausgang der letzten Verstärkerstufe eine Schutzschaltung geschaltet wird, welche einen Rückkoppelstrom erzeugt, um dadurch eine zu hohe, am Kollektor des Ausgangstransistors anliegende Spannung zu verhindern, ohne dass eine Verschlechterung der Betriebscharakteristik bei einem normalen Spannungszustand und gleichzeitig ein Anstieg der Chipgröße auftritt (vgl. geltende Beschreibung Seite 7, Zeilen 8 bis 16 und 31 bis 36). Damit sich die Kollektorströme an den Transistoren der einzelnen Verstärkerstufen und der Versorgungsstrom der Gesamtschaltung zu 0 A ergeben, wenn die angelegte Energiesteuerspannung im Leistungsverstärker 0 V beträgt, wird der Ausgang der Schutzschaltung nicht direkt mit der Basis des Endstufentransistors, sondern über eine der Basis vorgeschaltete Kapazität verbunden (vgl. geltende Beschreibung, Seite 13, Zeile 31 bis Seite 14, Zeile 18).

Die Anmelderin hält den Leistungsverstärker nach den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 für patentfähig.

Die Anmelderin beantragt wie entschieden.

II Die zulässige Beschwerde führt zum Erfolg. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in seiner geltenden Fassung ist patentfähig im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG. Die Anmeldung genügt auch sonst den Anforderungen des § 49 Abs. 1 PatG.

1. Die Patentansprüche 1 bis 8 sind zulässig.

Die Merkmale des Patentanspruchs 1 ergeben sich aus dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1 und der Verschaltung der Kapazität (547), wie sie in Figur 1 und in der Beschreibung als zur Erfindung gehörig ausgewiesenen ist (vgl. ursprünglich eingereichte Beschreibung, Seite 13, Zeile 31 bis Seite 4, Zeile 18).

Die geltenden Patentansprüche 2 bis 7 gehen auf die ursprünglich eingereichten Patentansprüche 2 bis 7, der Patentanspruch 8 auf den ursprünglich eingereichten Patentanspruch 10 zurück.

Die Anspruchsfassung erweist sich damit als zulässig.

2. Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 gilt als neu.

Die Druckschrift D1 offenbart dem Fachmann, einem Fachhochschulingenieur der elektrischen Schaltungstechnik, der mit dem Entwurf und dem Aufbau von Leistungsverstärkerschaltungen vertraut ist, in ihrer Figur 1 eine Schaltungsanordnung zur Ansteuerung eines elektrischen Verbrauchers 20. Die Schaltungsanordnung ist mehrstufig mit Bipolartransistoren aufgebaut (Merkmal M1), wobei ein Transistor T1 einer ersten Stufe und ein Ausgangstransistor einer letzten Stufe T2 zur Verstärkung eines Signals enthalten sind (Merkmal M2). Des Weiteren ist zwischen die Basis und den Kollektor des Transistors T2 der letzten Stufe des Verstärkers eine Schutzschaltung, bestehend aus einem Widerstand und einem Bipolartransistor, geschaltet. Damit im Fehlerfall, d.h. insbesondere bei Kurzschluss, die Bauelemente vor zu großer Verlustleistung geschützt werden, wird der Transistor T3 der Schutzschaltung bei Überschreitung eines bestimmten Stromwerts in der Ausgangsstufe leitend geschaltet (vgl. Spalte 3, Zeilen 8 bis 13), wodurch das an der Basis des Transistors T2 anliegende Potential offensichtlich auf Masse gelegt und die Endstufe in einen stabilen Sperrzustand geschaltet wird (vgl. Spalte 3, Zeilen 13 bis 15). Die Schaltung nach der D1 unterscheidet sich von der beanspruchten Schaltung zum einen dadurch, dass die Schutzschaltung nicht kapazitiv an die Basis des Endstufentransistors T2 angekoppelt ist, zum anderen dadurch, dass die Basis des Endstufentransistors T2 einfach auf Nullpotential gelegt wird, wodurch der Endstufentransistor T2 einfach abgeschaltet wird und schon deshalb kein Rückkoppelstrom fließen kann.

Jedenfalls die Merkmale M3 und M4 sind damit in der Schaltungsanordnung nach der D1 nicht realisiert.

Der Fachbuchauszug D2 zeigt in der Abbildung 3.10.4-71 eine Leistungsverstärkerschaltung mit mehreren Transistoren, die zu einer Vielfachstufe zusammengeschlossen sind (Merkmale M1 und M2). Für den als SIPMOS-FET ausgeführten Endstufentransistor ist zum Zweck der Reduzierung von Drain-SourceÜberspannungen, die beim Schalten von induktiven Lasten entstehen können, eine Schutzschaltung in der Weise realisiert, dass der SIPMOS-FET zwischen Gate und Drain mit einer Z-Diode D1 und einer normalen Diode D2 sowie zwischen Gate und Source mit einer weiteren Z-Diode D3 beschaltet wird. Nach den Ausführungen auf Seite 1595, erster Absatz, bewirkt die Schaltung, dass im eingeschalteten Zustand Störspannungsspitzen nicht schaden können, da sie nur am Lastwiderstand anliegen. Bei gesperrtem Transistor erfolgt, sobald die DrainSource-Spannung die Summe aus Z-Spannung der Diode D2 und Schwellenspannung der Diode D2 übersteigt (Merkmal M5), das selbständige Einschalten des Transistors. Die in Rede stehende Schaltungsanordnung unterscheidet sich von dem unter Schutz zu stellenden Leistungsverstärker folglich dadurch, dass bei angesteuertem Transistor, also im Verstärkerbetrieb, die äquivalent angeordnete Schutzschaltung D1, D2 ausweislich der dazugehörigen Beschreibung faktisch wirkungslos ist (vgl. einmal mehr Seite 1595, erster Absatz, zweiter Satz), wohingegen die Schutzschaltung beim beanspruchten Leistungsverstärker gerade in diesem Betriebszustand ihre schützende Wirkung entfaltet. Zwar gibt der Fachbuchauszug auf Seite 1595 unter dem Absatz "DrainÜberstrom" noch den Hinweis, dass einem kurzschlussartigen Anstieg des Drainstroms dadurch begegnet werden kann, dass durch Gegenkopplung eines an einem im Widerstand im Lastkreis abgegriffenen Signals der Transistors abgeschaltet werden kann. Eine schaltungstechnische Realisierung dafür wird aber nicht vorschlagen.

3. Die Verstärker/Schalter-Schaltung nach dem Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Ausgehend von dem bekannten, in einem Mobilfunktelefon zur Anwendung kommenden Leistungsverstärker, dessen Schaltbild bspw. in der Figur 10 der Anmeldung wiedergegeben ist, wird der Fachmann im Zuge einer planvollen Vorgehensweise Überlegungen anstellen, ob anstatt der bereits in der Anmeldung beschriebenen, aber für die Problemlösung letztendlich ungeeigneten Schutzschaltung (vgl. hierzu geltende Beschreibung, Figur 11 i. V. m. Seite 4, Zeile 12 bis Seite 5, Zeile 6) möglicherweise die aus der Druckschrift D1 bekannte Schutzschaltung in Frage kommen könnte, da in ihr eine Möglichkeit aufgezeigt wird, den Endstufentransistor vor zu hohen Strömen im Ausgangskreis zu schützen. Da aber im Auslösefall das von der in der D1 skizzierten Schutzschaltung generierte Spannungssignal den Endstufentransistor vollständig abschaltet, erweist sich die Schutzschaltung nach der D1 für die Verwendung in dem zugrundegelegten Leistungsverstärker als nicht geeignet, da damit nicht das Ziel erreicht wird, eine an der Kollektorelektrode des Endstufentransistors zu hohe angelegte Spannung nur zu unterdrücken. Selbst wenn der Fachmann die Schutzschaltungsstruktur nach der D1 aufgegriffen hätte und diese für seine Zwecke von einer Spannungssteuerung zu einer Stromsteuerung modifiziert hätte, müsste er zusätzlich noch nach einer Verschaltungsmöglichkeit suchen, mit der auch nach Implementierung der Schutzschaltung sichergestellt ist, dass im Ausschaltzustand des Leistungsverstärkers durch Setzen der Energiesteuerspannung auf 0 V auch der Kollektorstrom am Endstufentransistor unabhängig von der Kollektorvorspannung einen Wert von 0 A annimmt. Die für diesen Zustand ursächliche Maßnahme, der Basis des Endstufentransistors eine Kapazität vorzuschalten, ist nach Überzeugung des Senats durch den Inhalt der Druckschrift D1 dem Fachmann nicht nahegelegt.

Auch bei fachlicher Auswertung des Fachbuchauszugs D2, sofern dieser aufgrund seiner Ausrichtung auf Schutzschaltungen für SIPMOS-FET-Leistungstransistoren und damit auf einen technologisch vollkommen anders strukturierten Transistortyp überhaupt in Erwägung zu ziehen ist, wird der Fachmann nicht in die Lage versetzt, den in der Anmeldung als Stand der Technik angegebenen Leistungsverstärker (vgl. Fig. 10) in anmeldungsgemäßer Weise weiterzuentwickeln. Denn auch dem Fachbuchauszug D2 ist nur der Hinweis entnehmbar, schädlichen DrainÜberströmen durch Gegenkopplungsmaßnahmen dadurch zu begegnen, dass der MOS-Transistor abgeschaltet wird (vgl. einmal mehr Seite 1595, Absatz "DrainÜberstrom"). Auch wenn der Fachmann wider Erwarten die Schutzmaßnahmen gemäß dem Schaltbild nach der Abbildung 3.10.4-71 schaltungsmäßig passend auf einen Bipolartransistor umkonfiguriert hätte, müsste er darüber hinaus noch Überlegungen anstellen, mit welchen Schaltungsmitteln er den zielgemäßen Betriebszustand am Endstufentransistor bei abgeschalteten Leistungsverstärker (Energiesteuerspannung = 0 V) sicherstellen kann. In dieser Richtung sind der D2 aber weder Anregungen noch konkrete Hinweise entnehmbar, die den Fachmann veranlassen könnten, die in der Anmeldung umgesetzte Lösung anzuwenden. Mithin ist auch durch den Inhalt der D2 dem Fachmann nicht nahegelegt, der Basis des Endstufentransistors eine Kapazität vorzuschalten.

4. Zusammen mit dem Patentanspruch 1 erweisen sich auch die auf diesen rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8, die den Gegenstand in nicht selbstverständlicher Weise weiterbilden, als patentfähig.

Aus diesen Gründen war das Patent antragsgemäß zu erteilen.

Dr. Mayer Werner Gottstein Musiol Pr






BPatG:
Beschluss v. 21.04.2010
Az: 20 W (pat) 60/05


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