Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. April 2005
Aktenzeichen: 29 W (pat) 217/02

(BPatG: Beschluss v. 20.04.2005, Az.: 29 W (pat) 217/02)

Tenor

Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. März 2000 und 18. Juli 2002 werden aufgehoben, soweit die Löschung der Marke 395 33 475 angeordnet wurde.

Gründe

I Gegen die am 29. Februar 1996 veröffentlichte Eintragung der Wortmarke 395 33 475 STARTER für verschiedene Waren der Klassen 9 und 16 wurde Widerspruch erhoben aus der Wort-/Bildmarkeeingetragen am 13. Mai 1980 für die Waren Schreib-, Zeichen-, Mal- und Modellierwaren und deren Teile; Papierwaren und Pappwaren (soweit in Klasse 16 enthalten), Zeichenfolien; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büro- und Zeichengeräte (ausgenommen Möbel).

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 9. März 2000 die teilweise Löschung der Marke angeordnet für die Waren Pinsel, Künstlerbedarfsartikel, Druckereierzeugnisse, Schreibwaren, Büroartikel (ausgenommen Möbel), Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate), Mal-, Schreib- und Zeichengeräte und dazugehörige Etuis und Verpackungen, Schreibunterlagen, Zeitplaner, Kalenderund den Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen. Unter Berücksichtigung der erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der übereinstimmend in den Vergleichszeichen enthaltenen Buchstabenfolge "STA-ER" bestehe Verwechslungsgefahr. Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Markeninhaberin wurde mit Beschluss vom 18. Juli 2002 zurückgewiesen. Die Verwechslungsgefahr könne auch unter dem Gesichtspunkt der begrifflichen Bedeutung der angegriffenen Marke nicht ausgeschlossen werden, da die Bedeutung im Sinne von "Beginner, Anfänger" keinen unmittelbaren Zusammenhang zu den betroffenen Waren aufweise und dem angesprochenen Verkehr nicht geläufig sei.

Die Markeninhaberin hat Beschwerde eingelegt. Die Zeichen seien im begrifflichen Sinngehalt und klanglichen Gesamteindruck deutlich unterschiedlich. Die angegriffene Marke rufe als Zusammensetzung des bekannten Begriffs "Start" mit der personifizierenden Endung "-er" beim Verbraucher eine Assoziation zu inhaltlich ähnlichen Begriffen wie "Anfänger, Beginner" hervor und deute in Verbindung mit den beanspruchten Waren deren Eignung für Schulanfänger und den "Schulstart" an. Die Widerspruchsmarke werde hingegen mit einem typisch deutschen Familiennamen assoziiert und weise daher keinen eindeutigen Sinngehalt auf. Nach den in der Entscheidung "Bally/BALL" des Bundesgerichtshofs dargelegten Grundsätzen reiche es aber aus, wenn nur eines der Vergleichszeichen sich dem Sinngehalt nach deutlich abhebe. Im Übrigen werde die erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausdrücklich bestritten.

Die Markeninhaberin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse hinsichtlich ihres dem Widerspruch stattgebenden Teils aufzuheben und den Widerspruch in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie macht die erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke im Schreibwarenbereich geltend. Die Marke sei seit 1896 im Register eingetragen. Jährlich würden rund 500 Mio. Schreibgeräte und 110 Mio. Radiergummis in Deutschland gefertigt und weltweit vertrieben. Das mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnete Sortiment umfasse im Schreibwarenbereich etwa 2.300 Artikel. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass es sich bei den maßgeblichen Waren um niedrigpreisige Konsumartikel handele, denen der Verbraucher nur flüchtige Aufmerksamkeit widme und daher die Gemeinsamkeiten eher wahrnehme als die Unterschiede. Zwischen den Vergleichszeichen bestehe in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht erhebliche Ähnlichkeit.

Zur Frage des Begriffsinhalts der angegriffenen Marke hat der Senat den Parteien das Ergebnis seiner Internetrecherche übersandt.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die angegriffene Marke hält zur Widerspruchsmarke den erforderlichen Abstand ein, so dass für das Publikum keine Gefahr von Verwechslungen besteht.

1. Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren- und Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st Rspr; vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 734, Rn 19 - Lloyd; BGH GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder). Nach diesen Grundsätzen besteht im vorliegenden Fall keine Verwechslungsgefahr.

2. Da die Benutzung der Widerspruchsmarke nicht bestritten wurde, ist für die Beurteilung der Warenähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Die von der Löschungsanordnung erfassten Waren der angegriffenen Marke und die von der Widerspruchsmarke erfassten Waren sind identisch bzw. liegen im engen Ähnlichkeitsbereich. Unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke müssen die Zeichen daher im Bereich dieser Waren einen deutlichen Abstand einhalten um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen.

3. Inwieweit dieser zu fordernde Abstand aufgrund der erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke weiter vergrößert ist, bedarf keiner abschließenden Klärung. Zunächst gibt der Vortrag der Widersprechenden keinen hinreichenden Aufschluss über die für die Beurteilung der Kennzeichnungskraft maßgeblichen Kriterien, insbesondere den von der Marke gehaltenen Marktanteil, die Intensität, die geografischen Verbreitung und die Dauer der Benutzung dieser Marke, der erbrachte Werbeaufwand und den Teil der Verkehrskreise, der die Marke als Herkunftshinweis erkennt (vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 734, Rn 23 - Lloyd; BGH GRUR 2002, 1067, 1069 - DKV/OKV). Der Angabe des weltweiten Umsatzes lässt sich nämlich nicht entnehmen, in welchem Umfang die in Rede stehenden Waren im Inland unter der Widerspruchsmarke vertrieben werden und wie sich diese Verkaufszahlen prozentual zu dem im Bereich dieser Waren erzielten Gesamtumsatz verhalten. Denn trotz des im Markenbeschwerdeverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes ist die Widersprechende hinsichtlich dieser innerbetrieblichen Tatsachen aufgrund ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht darlegungspflichtig (§§ 82 Abs. 1 S. 1, 86 Abs. 1 S. 1 HS. 2 VwGO; vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl, § 14 Rn 336; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rn 303 ff). Die beiderseitigen Zeichen halten aber selbst dann den erforderlichen Abstand ein, wenn man zu Gunsten der Widersprechenden für die Waren "Schreibgeräte, Radierer" eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unterstellt.

4. Die Zeichenähnlichkeit ist nach Klang, Schriftbild und Sinngehalt anhand des Gesamteindrucks der Marken zu beurteilen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es darauf an, wie die Marke vom angesprochenen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren und Dienstleistungen als Ganzes wahrgenommen wird (vgl EuGH GRUR Int 2004, 843, Rn 29 - MATRATZEN; BGH GRUR 1999, 241, 243 - Lions).

4.1. Die grafischen Elemente der Widerspruchsmarke erschöpfen sich in der werbeüblichen Ausgestaltung der verwendeten Schriftzeichen, der der Verkehr keine eigene kennzeichnende Wirkung beimisst. Infolgedessen stehen sich für den Zeichenvergleich der Wortbestandteil "Staedtler" der Widerspruchsmarke und die Wortmarke "STARTER" gegenüber. Beide Wörter sind zweisilbig und werden auf der jeweils ersten Silbe betont. Schriftbildlich stimmen die Zeichen in den jeweiligen Anfangsbuchstaben "STA" und den Buchstaben "ER" am Wortende überein. Bei klanglicher Wiedergabe reduziert sich die Übereinstimmung auf den Anfangslaut "ST" und den Schlusslaut "ER", denn die Buchstaben "AE" werden wie "ä" ausgesprochen. Trotz der Unterschiede in der jeweiligen Wortmitte und der unterschiedlichen Wortlänge besteht daher in schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht eine gewisse Zeichenähnlichkeit.

4.2. Eine dem Schriftbild oder Klang nach bestehende Ähnlichkeit scheidet aber dann ausnahmsweise aus, wenn dem einen oder auch beiden Zeichen ein ohne weiteres erkennbarer konkreter Begriffsinhalt zukommt. Denn ein Begriff, den das Publikum mit einer eindeutigen und bestimmten Bedeutung ohne weiteres erfasst, kann nicht mit einem Kennzeichen verwechselt werden, das erkennbar keinen Sinngehalt aufweist. Ob der Begriffsinhalt einen unmittelbaren Zusammenhang mit den fraglichen Waren aufweist, ist dabei für die Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr unerheblich (vgl. EuG GRUR Int. 2004, Rn 56 - PICASSO; GRUR Int. 2003, 1017, Rn 54 - BASS-PASH; BGH GRUR 2004, 240, 241 - MIDAS/medAS; GRUR 2003, 1044 - Kelly; GRUR 1992, 130, 132 - Bally/BALL). Der Begriff "Starter" ist lexikalisch als Ableitung des englischen Verbs "to start" mit den Bedeutungen "jmd., der das Startsignal zu einem Wettkampf gibt; jmd., der an einem Wettkampf teilnimmt; Anlasser" belegt (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl. 2001 [CD-ROM]). Nach der den Parteien übermittelten Recherche des Senats wird der Begriff im deutschen Sprachgebrauch darüber hinaus im übertragenen Sinne für einen Anfänger bzw. Einsteiger verwendet, z.B. "Giro für Starter - das kostenlose Girokonto für Starter" - www.citibank.de; "Internet-Starter-Kits von Cisco für Schulen" - www.informationweek.de; "Starter Center Stuttgart - ...damit der Start in die Selbständigkeit gelingt"; "Bei "AppleScript Für Absolute Starter" handelt es sich um eine kostenloses eBook (PDF)... Diese PDF empfiehlt sich allen, die mit der AppleScript-Programmierung beginnen möchten" - www.fischerbayern.de; "Siemens A75: Mobiles Starter-Kit. Das neue Siemens A75 ist das Starter-Handy der neuen A-Serie" - www.onlinekosten.de; Telefontarif "o2 Starter" - www.teltarif.de; "Adobe Photoshop Album 2.0 Starter Edition" - www.adobe.de. Daneben hat der Ausdruck umfangreiche Verbreitung im Zusammenhang mit dem Verkauf von Starter Kits zur Einführung des Euro gefunden (vgl. http://wortschatz.informatik.unileipzig.de).

4.3. Aufgrund dieser vielfältigen Verwendungen des Begriffs "Starter" in Verbindung mit unterschiedlichsten Produkten und Dienstleistungen erfasst der angesprochene Durchschnittsverbraucher der in Rede stehenden Waren den Begriffsinhalt der angegriffenen Marke ohne weiteres und nimmt infolgedessen die klanglichen und schriftbildlichen Zeichenunterschiede deutlich wahr. Eine Gefahr von Verwechslungen ist daher nicht zu befürchten.

5. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).

Grabrucker Baumgärtner Fink Cl






BPatG:
Beschluss v. 20.04.2005
Az: 29 W (pat) 217/02


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