Landgericht Nürnberg-Fürth:
Urteil vom 8. Mai 2008
Aktenzeichen: 1 HKO 2675/08

(LG Nürnberg-Fürth: Urteil v. 08.05.2008, Az.: 1 HKO 2675/08)

Tenor

I. Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines vom Gericht für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten

verboten,

(1) im Wettbewerb handelnd für das als Lebensmittel in Verkehr befindliche Fruchtgummi-Erzeugnis "T A" in Bezug auf den Kalziumgehalt (800 mg pro 100 g) und dessen beworbene Wirkung ("Stärkt die Zähne")

mit der Angabe "Belegt durch klinische Studie"

und/oder

mit der Unterschrift und der Namensnennung von "Prof. Dr. W. W"

zu werben und/oder werben zu lassen, insbesondere wenn dies auf der Ausstattung wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:

An dieser Stelle folgt im Original eine Abbildung, die hier nicht wiedergegeben werden kann.

oder

(2) im Wettbewerb handelnd für das als Lebensmittel in Verkehr befindliche Fruchtgummi-Erzeugnis "T A" in Bezug auf den Vitamin-Gehalt pro 100 g Fruchtgummi und dessen beworbene Wirkung ("Stärkt die Leistung")

mit der Unterschrift und der Namensnennung von "Prof. Dr. med. H. K"

zu werben und/oder werben zu lassen, insbesondere wenn dies auf der Ausstattung wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:

An dieser Stelle folgt im Original eine Abbildung, die hier nicht wiedergegeben werden kann.

oder

(3) im Wettbewerb handelnd für die als Lebensmittel in Verkehr befindlichen Fruchtgummi-Erzeugnisse "T A" und/oder "T A" und/oder T A" mit gesundheitsbezogenen Angaben, insbesondere "A € Stärkt die Abwehrkräfte", "A € Stärkt die Zähne", "A € Stärkt die Leistung" zu werben, wenn auf der Ausstattung der Produkte keine Informationen enthalten sind, die einen Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise geben und/oder zur Menge des Lebensmittels und zum Verzehrmuster, die erforderlich sind, um die behauptete positive Wirkung zu erzielen.

II. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf

50.000,00 EUR

festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um wettbewerbsrechtliche Ansprüche.

Der Verfügungskläger, der sich zur Aufgabe gesetzt hat, den unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen, begehrt mit Schriftsatz vom 27.03.08 den Erlass einer einstweiligen Verfügung, wobei er zur Begründung vorträgt:

Die Verfügungsbeklagte bewerbe im Rahmen ihrer "Fruchtgummi-Revolution" nachfolgende Erzeugnisse mit unzutreffenden Angaben, und zwar

€ T A € Stärkt die Leistung

€ T A € Stärkt die Zähne

€ T A € Stärkt die Abwehrkräfte.

Auf jeder Verpackung befinde sich ein Hinweis auf die jeweils anderen beiden Erzeugnisse, wo ein gesundheitlicher Zusatznutzen angepriesen werde. Es fehle jedoch ein Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und/oder eine Angabe, welche Verzehrmenge erforderlich sei, um die behaupteten Wirkungen zu erzielen.

Bei A und A würden zudem auf der Packung die Namen von Professoren genannt, weil dies angeblich erforderlich sei, um zu den beworbenen Wirkungsweisen Stellung zu nehmen.

Insoweit werde gegen § 12 Abs. 1 Nr. 2 LFGB verstoßen, was nicht mit Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1924/2006 (künftig nur noch VO) gerechtfertigt werden könne.

Ferner fehle der nach Art. 10 Abs. 2 lit. a u. b VO vorgeschriebene Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung sowie auf das Verzehrmuster.

Art. 10 Abs. 2 VO stelle gegenüber Art. 10 Abs. 1 VO eine eigenständige Regelung dar.

§ 12 Abs. 1 Nr. 2 LFGB werde durch die VO nicht "verdrängt".

Der Verfügungskläger stellt den Antrag,

wie er sich aus dem Tenor des Urteils ergibt.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

1. den Antrag auf Einstweilige Verfügung des Antragstellers vom 27.03.2008 zurückzuweisen;

2. die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen.

Sie macht geltend,

§ 12 LFGB könne nicht angewendet werden, da die VO unmittelbar gelte und Vorrang vor nationalen Regelungen habe.

Art. 6 Abs. 1 VO verlange, dass sich gesundheitsbezogene Angaben auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen müssten und die Wirkungsweise zu begründen sei. Dem dienten die Stellungnahme der namentlich genannten Professoren.

Art. 12 VO halte gesundheitsbezogene Angaben nur dann für unzulässig, wenn sie auf Empfehlungen von einzelnen Ärzten oder Vertretern medizinischer Berufe verwiesen.

Art. 10 Abs. 2 VO sei gegenwärtig nicht anwendbar, da bislang keine zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben, die gemäß Art. 13 Abs. 3 VO bis 31.01.2010 in einer Gemeinschaftsliste aufzunehmen seien, erarbeitet wurden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übergebenen Unterlagen sowie die Schutzschrift vom 27.12.07 und das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 17.04.08 verwiesen.

Einverständnis gemäß § 349 Abs. 3 ZPO ist erklärt worden.

Gründe

Der zulässige Antrag ist vollinhaltlich begründet, da der Verfügungsbeklagten ein wettbewerbswidriges Verhalten zur Last zu legen ist (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. VO (EG) 1924/2006.

1.

Aktivlegitimation und Prozessführungsbefugnis sind ersichtlich gegeben und zwischen den Parteien auch nicht streitig.

Der Verfügungskläger ist somit befugt, gegen die Verfügungsbeklagte Unterlassungsansprüche geltend zu machen (§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 2 UWG).

2.

Unstreitig sind die von dem Verfügungskläger beanstandeten Produkte der Verfügungsbeklagten Ende 2007/Anfang 2008 auf den Markt gebracht worden.

Grundsätzlich ist daher zur Beurteilung des Sachverhaltes die VO anzuwenden, die ab dem 01.07.2007 in allen Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat gilt (vgl. Art. 29 und "Schlussformel" der VO).

Allerdings sind gemäß Art. 28 VO Übergangsvorschriften zu beachten.

3.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Verfügungsbeklagte mit gesundheitsbezogenen Angaben wirbt.

a)

Gesundheitsbezogene Angaben sind gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 VO alle Angaben, mit denen zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht.

Gesundheitsbezogene Angaben sind gemäß Art. 10 Abs. 3 VO auch solche, die auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile des Nährstoffes oder Lebensmittels für die Gesundheit im allgemeinen oder das gesundheitliche Wohlbefinden verweisen (vgl. Meisterernst/Haber in WRP 07, 363 (376); Hagenmeyer in StoffR 07, 201 (203)).

b)

Bei "T A" wird auf den Zusammenhang zwischen dem Calciumgehalt des Produktes und die Wirkung "Stärkt die Zähne", bei "T A" auf den Vitamingehalt und die Wirkung "Stärkt die Leistung" hingewiesen.

Die ausgelobten Wirkungen sollen ersichtlich Vorteile zumindest für das gesundheitsbezogene Wohlbefinden haben (vgl. Meisterernst/Haber in WRP 07, 363 (376)).

4.

Soweit die Verfügungsbeklagte für "T A" und "T A" mit den Namen von Professoren wirbt, ist ihr dies zu untersagen.

a)

Art. 12 lit. c VO besagt, dass für gesundheitsbezogene Angaben nicht mit der Empfehlung von einzelnen Ärzten oder Vertretern medizinischer Berufe geworben werden darf.

Insoweit handelt es sich um ein absolutes Verbot, das auch nicht von den Übergangsvorschriften des Art. 28 VO erfasst ist (vgl. hierzu Sosnitza in ZLR 07, 423 (430/431); Meyer in WRP 08, 596 (598); Jung in WRP 07, 389 (393)).

b)

39Die Aufmachung der von der Verfügungsbeklagten hergestellten Produkte A und A enthält jeweils Hinweise auf die "Wirkweise" der Produkte und darunter die Unterschriften der Professoren Dr. K bzw. Dr. W (vgl. Anlagen ASt. 5 a und 5 b).

40Dies kann nur so verstanden werden, dass die genannten Professoren den Verzehr der Produkte empfehlen, da sie positive Auswirkungen auf das gesundheitsbezogene Wohlbefinden haben.

c)

Demgegenüber kann sich die Verfügungsbeklagte nicht auf Art. 6 Abs. 1 und 2 VO berufen, wonach sich gesundheitsbezogene Angaben auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen und durch diese abgesichert sein müssen bzw. die Verwendung der gesundheitsbezogenen Angaben begründet werden muss.

Um diese Verpflichtung zu erfüllen, bedarf es nicht der von der Verfügungsbeklagten gewählten und gegen Art. 12 lit. c VO verstoßenen Aufmachung.

5.

Der Antrag ist auch begründet, soweit der Verfügungskläger einen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 2 lit. a und b rügt.

a)

Art. 10 Abs. 2 lit. a u. b verlangen bei der Verwendung von gesundheitsbezogenen Angaben einen Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise sowie Informationen zur Menge des Lebensmittels und zum Verzehrmuster, die erforderlich sind, um die behauptete positive Wirkung zu erzielen.

b)

Die VO (EG) 1924/2006 statuiert in Art. 10 Abs. 1 ein Verbot gesundheitsbezogener Angaben, die u. a. nicht in die Liste zugelassener Angaben gemäß Art. 13 VO aufgenommen sind.

Diese Liste ist gemäß Art. 10 Abs. 3 VO spätestens am 31.01.2010 zu verabschieden, existiert also gegenwärtig noch nicht.

Insoweit liegt zum bisherigen Recht ein erheblicher Systemwechsel vor, da (neu) ein präventives Genehmigungsverfahren eingeführt wird (vgl. Jung in WRP 07, 389 (391)).

Art. 10 Abs. 2 VO nennt demgegenüber Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um mit gesundheitsbezogenen Angaben werben zu dürfen ohne dass vom Erfordernis der Aufnahme der verwendeten gesundheitsbezogenen Angaben in die Gemeinschaftsliste gemäß Art. 13 Abs. 3 VO abgewichen wird.

Zwar wird insoweit die Auffassung vertreten, dass für diesen Fall die Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 5 VO Anwendung findet (vgl. Meisterernst/Haber in WRP 07, 363 (378)).

50Es wird aber auch die Auffassung vertreten, dass Art. 10 Abs. 2 VO seit 01.07.07 zu beachten ist (vgl. Jung in WRP 07, 389 (393)).

c)

51Nach Auffassung des Gerichts kann sich die Verfügungsbeklagte nicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 5 VO berufen.

Dies scheitert schon daran, dass sich diese Norm (nur) auf gesundheitsbezogene Aussagen i. S. d. Art. 13 Abs. 1 lit. a VO bezieht, d. h. auf Angaben, welche die Bedeutung des Nährstoffes oder einer anderen Substanz für Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen beschreiben.

Derartige Angaben sind im vorliegenden Fall nicht anzunehmen, da weder Wachstum, Entwicklung oder Körperfunktionen direkt angesprochen werden, sondern vielmehr die Stärkung der Zähne, der Abwehrkräfte bzw. der Leistung beworben wird. Dies aber betrifft lediglich das gesundheitsbezogene Wohlbefinden und entbindet demzufolge nicht von der Einhaltung des Art. 10 Abs. 2 lit. a und b VO.

6.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.






LG Nürnberg-Fürth:
Urteil v. 08.05.2008
Az: 1 HKO 2675/08


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