Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 12. April 2006
Aktenzeichen: 21 U 37/05

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 12.04.2006, Az.: 21 U 37/05)

Zu den Voraussetzungen des Zustandekommens eines Anstellungsvertrages (Geschäftsführungsvertrages) mit einer Kommanditgesellschaft.

Tenor

[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde vom Gericht nicht mitgeteilt]

Gründe

Der Kläger war bis zu seiner am 2. April 2004 erfolgten Abberufung Vorstandsvorsitzender der A AG (künftig: A), die inzwischen als B AG firmiert. Der Vorstandstätigkeit lag der Anstellungsvertrag vom 1.10.2003 zugrunde, wegen dessen inhaltlicher Einzelheiten auf Bl. 80 - 85 d.A. verwiesen wird. Wegen der Satzung der A wird auf Bl. 124-138 d.A. verwiesen. Die A war am 20.11.2002 alleinige Kommanditistin der C KG (= Beklagte) und alleinige Gesellschafterin der D mbH (ehemalige Beklagte zu 2), die als Komplementär-GmbH der Beklagten fungiert. Der Kläger war alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Neben ihm waren zu diesem Zeitpunkt auch E, G und F Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. In seiner Funktion als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH schloss der Kläger am 20.11.2002 in Vertretung der Beklagten und zugleich für sich selbst handelnd einen Anstellungsvertrag ab, wegen dessen inhaltlicher Einzelheiten auf Bl. 7 - 10 d.A. verwiesen wird. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten (Bl. 354 - 362 d.A.) sieht unter § 5 Nr.4 vor, dass die Komplementärin und ihre Geschäftsführer bei allen Rechtshandlungen mit oder gegenüber der Gesellschaft von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sind. § 5 Nr.3 des Gesellschaftsvertrages enthält die Bestimmung, dass die Geschäftsführungsbefugnis der Komplementärin sich auf alle gewöhnlichen und außergewöhnlichen Maßnahmen, die der Geschäftsverkehr mit sich bringt, erstreckt. Jedoch ist ausnahmsweise u.a. für den Abschluss von Dienst- und Arbeitsverträgen mit Gehaltsbezügen von mehr als 38.346,89 € (= 75.000,- DM) jährlich ein Beschluss der Gesellschafter erforderlich. Mit dem genannten Anstellungsvertrag vom 20.11.2002 wurde der Kläger zum "leitenden Geschäftsführer€ der Beklagten bestellt. Wegen der Vergütung wird auf § 2 des Vertrages verwiesen. Der Vertrag wurde bis zum 31.10.2007 befristet. Gemäß § 8 Nr.2 ist die Kündigung des Vertrages nur aus wichtigem Grund als außerordentliche Kündigung möglich. Die Parteien streiten sich in dem vorliegenden Rechtsstreit darüber, ob dieser Anstellungsvertrag wirksam zustande gekommen ist bzw. durch zwei von der Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigungen beendet wurde.

Mit Nachtrag vom 12.3.2003 (Bl. 74 d. A.) zum Anstellungsvertrag vom 20.11.2002 verzichtete der Kläger im Hinblick auf die Ertragslage der a auf Gehaltszahlungen der Beklagten für die Jahre 2002 und 2003.

Mit der unter dem 1.10.2003 datierenden "Vertragsbestätigung und Vertragsänderung zum Anstellungsvertrag vom 20.11.2002€ (Bl. 21 d.A.) wurde der Vertrag vom 20.11.2002 bestätigt. Der Kläger unterschrieb diese Urkunde in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH für die Beklagte und zugleich für sich selbst handelnd. Für die A wurde die Urkunde von dem Vorstandsmitglied H und deren Prokuristen J unterzeichnet. Weiter wurde die Urkunde von sämtlichen amtierenden Aufsichtsratsmitgliedern der A unterzeichnet. Nicht unterzeichnet wurde die Urkunde von Prof. Dr. K, der dem Aufsichtsrat bereits mit Schreiben vom 19.9.2003 die Niederlegung seines Mandats angezeigt hatte.

Mit Nachtrag zum Anstellungsvertrag vom 20.11.2002, datierend vom 9.1.2004 (Bl. 24 d.A.), wurde das Monatsgehalt des Klägers von bisher 15.000,- € ab 1.2.2004 auf 19.000,- € angepasst.

Im März 2004 legten sämtliche Aufsichtsratsmitglieder der A ihr Amt nieder. Das Amtsgericht Frankfurt bestellte mit Beschluss vom 25.3.2004 gemäß § 104 Abs.1 AktG die Herren L und M sowie Frau N zu Aufsichtsräten der A. In seiner Sitzung vom 2.4.2004 beschloss der neue Aufsichtsrat, den Kläger als Vorstand der A abzuberufen und den mit ihm abgeschlossenen Anstellungsvertrag fristlos zu kündigen.

Mit E-mail vom 5.1.2004 (Blatt 109 d.A.) bat die Finanzprokuristin der A auf Veranlassung des Klägers die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH darum, das Gehalt des Klägers ab dem 1.1.2004 zu berücksichtigen. Der E-Mail war der Anstellungsvertrag vom 20.11.2002 als Anlage beigefügt. Nicht vorgelegt wurde zunächst der Nachtrag zum Anstellungsvertrag vom 12.3.2003, mit dem der Kläger auf die Gehaltszahlungen für die Jahre 2002 und 2003 verzichtet hatte und der Nachtrag zum Anstellungsvertrag vom 9.1.2004. Diese Schriftstücke gingen erst später am 18.2. bzw. 19.2.2004 bei der Beklagten ein. Die Beklagte zahlte daraufhin die Gehälter für die Monate Februar und März 2004 an den Kläger aus.

Mit der E-Mail vom 26.3.2004 (Blatt 194 d.A.), gerichtet an das Aufsichtsratsmitglied L, erklärte der Kläger in Bezug auf den Aufsichtsratsvorsitzenden M, dass dieser ein "ganz schlimmer Verleumder und Erfolgsverhinderer€ sei.

Mit Schreiben vom 13.4.2004 (Bl. 12 d.A.) kündigten die Geschäftsführer E und G der Komplementär-GmbH namens und in Vollmacht der Beklagten "höchst vorsorglich€ einen "möglicherweise€ zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Anstellungsvertrag vom 20.11.2002 fristlos. Der Kündigung lag ein Gesellschafterbeschluss der Beklagten zugrunde, der Beschluss wurde für die A als Kommanditistin der Beklagten durch die Vorstände O und P am 13.4.2001 unterzeichnet. Für die Komplementärin der Beklagten wurde der Beschluss durch die Geschäftsführer E und G am 21.4.2004 unterzeichnet.

Mit Schreiben vom 20.10.2004 (Bl. 168 d.A.) sprach Herr M in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender der A für die Beklagte nochmals die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages vom 20.11.2002 aus. Der Kündigung lag der Aufsichtsratsbeschluss vom 20.10.2004 (Bl. 166, 167 d.A.) zugrunde.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der Anstellungsvertrag vom 20.11.2002 wirksam zustande gekommen sei. Er sei auch als Geschäftsführer für die Beklagte operativ tätig geworden. Gründe für eine fristlose Kündigung hätten nicht vorgelegen. Die Kündigung vom 13.4.2004 sei ihm, dem Kläger, erst am 3.5.2004 zugegangen, sie sei daher bereits verfristet.

Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass der zwischen ihm und der Beklagten bestehende Anstellungsvertrag vom 20.11.2002 weder durch die seitens der Beklagten mit Schreiben vom 13.4.2004 erklärte außerordentliche Kündigung noch durch die seitens der Beklagten mit Schreiben vom 20.10.2004 erklärte fristlose Kündigung, hilfsweise fristgerechte Kündigung aufgelöst wurde, sondern ungekündigt bis zum 31.10.2007 fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat zunächst die Auffassung vertreten, dass der Anstellungsvertrag vom 20.11.2002 nicht wirksam abgeschlossen worden sei. Zuständig für den Abschluss des Vertrages sei auf Seiten der Beklagten gemäß § 112 AktG der Aufsichtsrat der A gewesen. Ein wirksamer Aufsichtsratbeschluss sei aber nicht zustande gekommen.

Die Beklagte hat behauptet, dass die weiteren Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH erst durch die E-Mail der Finanzprokuristin der A vom 5.1.2004 von dem Anstellungsvertrag vom 20.11.2002 Kenntnis erlangt hätten. Der Kläger habe diesen Vertrag bis zu diesem Zeitpunkt gegenüber den weiteren Geschäftsführern der Komplementär-GmbH verschwiegen, was die Beklagte als einen erheblichen Vertrauensbruch des Klägers gegenüber den Mitgeschäftsführern ansieht. Das Verschweigen des Vertrages habe dazu geführt, dass die daraus entstehenden Gehaltszahlungsverpflichtungen im Jahresabschluss für das Jahr 2002 nicht hätten berücksichtigt werden können. Auch in den Quartalsabschlüssen 2003, aus denen der Kläger die Ergebniswerte in die Quartalsberichte der A übernommen hatte, hätten die aus dem Anstellungsvertrag resultierenden Kosten nicht ergebnismindernd berücksichtigt werden können. Der Kläger habe sich eines versuchten Betruges zu Lasten der Beklagten schuldig gemacht. Denn mit der von ihm veranlassten Vorlage des Anstellungsvertrages habe er der Beklagten vorgespiegelt, dass ihm ein Anspruch auf Nachzahlung der Gehälter für die Zeit von 2002 bis einschließlich 2003 zustünde. Tatsächlich habe ein solcher Anspruch aber nicht bestanden, da der Kläger bereits am 12.3.2003 auf diese Gehaltsansprüche verzichtet hatte. Die Beklagte hat weiter behauptet, dass die von dem Kläger aufgrund des Vorstandsanstellungsvertrages vom 1.10.2003 zu leistenden Dienste die Tätigkeiten einschlössen, für die in dem Anstellungsvertrag vom 20.11.2002 eine weitere Vergütung vereinbart wurde. Die Tätigkeit in dem Geschäftsbereich "Foto€, für den der Kläger in dem Vertrag vom 1.10.2003 als Vorstand bestellt wurde, würde allein durch die Beklagte als Tochtergesellschaft durchgeführt, die A entfalte in diesem Bereich keine eigenen Aktivitäten, sondern übe ausschließlich eine Holdingfunktion aus. Der Kläger sei deshalb auch nie operativ für die Beklagte tätig geworden. Auch aus § 7 des Vorstandsanstellungsvertrages ("Nebentätigkeit€) ergebe sich, dass der Kläger nicht für die Beklagte habe tätig werden dürfen.

Das Landgericht hat in seinem am 24.3.2005 verkündeten Urteil festgestellt, dass der Anstellungsvertrag vom 20.11.2002 nicht durch die seitens der Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 13.4. und 20.10.2004 erklärten fristlosen Kündigungen aufgelöst worden sei. Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, dass der Anstellungsvertrag vom 20.11.2002 auf Seiten der Beklagten durch den Vorstand der A als alleiniger Gesellschafterin der Komplementär-GmbH hätte abgeschlossen werden müssen. Der Vertrag sei zunächst schwebend unwirksam gewesen, da nicht vorgetragen worden sei, dass der Kläger, der auch als Vorstandsvorsitzenden der A den Vertrag unterzeichnet hatte, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen sei. Der sonach schwebend unwirksame Vertrag sei aber durch die "Vertragsbestätigung€ vom 1.10.2003 genehmigt worden. Der Vertrag vom 20.11.2002 sei nicht wirksam gekündigt worden. Die Kündigung vom 13.4.2004 sei zwar formal wirksam, ein zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigender schwerer Vertrauensbruch könne allerdings nicht festgestellt werden, da der A als Gesellschafterin der Komplementär-GmbH der Vertrag bekannt gewesen sei. Das Landgericht verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass sowohl die Vertragsbestätigung vom 1.10.2003 als auch der Nachtrag vom 9.1.2004 von einem Vorstandsmitglied und einem Prokuristen der A unterzeichnet wurden. Ob die Tatsache, dass der Kläger in seiner E-Mail vom 26.3.2004 das Aufsichtsratsmitglied M als "ganz schlimmen Verleumder und Erfolgsverhinderer€ bezeichnet hatte, zu einer fristlosen Kündigung berechtigte, hat das Landgericht offen gelassen. Denn es könne nicht festgestellt werden, ob wegen dieses Kündigungsgrundes die Frist des § 626 Abs.2 BGB gewahrt worden sei. Im übrigen wird auf das Urteil vom 24.3.2005 (Bl. 238 - 246 d.A.) verwiesen.

In der Berufung wiederholt die Beklagte und Berufungsklägerin im wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie betont nochmals, dass sowohl für den Abschluss des Anstellungsvertrages vom 20.11.2002 als auch für dessen Kündigung auf Seiten der Beklagten gemäß § 112 AktG der Aufsichtsrat der A als alleiniger Gesellschafterin der Komplementär-GmbH zuständig gewesen sei. Ein wirksamer Aufsichtsratsbeschluss sei nicht zustande gekommen, da das Aufsichtsratsmitglied Prof. K sein Mandat zur Unzeit niedergelegt habe.

Die Berufungsklägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils vom 24.3.2005 die Klage abzuweisen.

Der Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Auch der Berufungsbeklagte bezieht sich im wesentlichen auf sein erstinstanzliches Vorbringen. Er wiederholt seine Auffassung, dass für den Abschluss des Anstellungsvertrages die Komplementär-GmbH zuständig gewesen sei.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Die Klage ist sowohl zulässig als auch begründet. Das besondere Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich daraus, dass er aus wirtschaftlichen Gründen ein Interesse daran hat, den Fortbestand seines mit der Beklagten abgeschlossenen Anstellungsvertrages feststellen zu lassen.

Zwischen dem Kläger und der Beklagten ist am 20.11.2002 ein wirksamer Anstellungsvertrag zustande gekommen. Zuständig für den Abschluss des Anstellungsvertrages war auf Seiten der beklagten Kommanditgesellschaft gemäß §§ 170, 161 Abs.2, 114 Abs.1, 164 HGB die ehemalige Beklagte zu 2 als deren Komplementärin. Auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, NJW 1995, 1158; DB 1970, 389) ist zu entnehmen, dass für den Abschluss eines Geschäftsführungsvertrages mit der Kommanditgesellschaft deren Komplementär-GmbH zuständig ist. Die Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH war hierfür nicht nach § 46 Nr.5 GmbHG zuständig, da der Kläger nicht zum Geschäftsführer der Komplementär-GmbH bestellt werden sollte, sondern die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft durch Anstellungsvertrag übernehmen sollte. Entgegen der Auffassung der Beklagten läßt sich aus § 112 AktG keine Zuständigkeit des Aufsichtsrates für den Abschluss des Anstellungsvertrages entnehmen. Nach § 112 AktG vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern. Der Kläger war zwar am 20.11.2002 Vorstandsmitglied der A. Allerdings ging es bei dem hier streitgegenständlichen Anstellungsvertrag nicht um einen Vertrag zwischen dem Kläger als Vorstandsmitglied und der A, sondern um einen Vertrag zwischen dem Kläger und einer Gesellschaft, an der die A lediglich als Kommanditistin bzw. als alleinige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH beteiligt war. Für diesen Fall sieht § 112 AktG eine Zuständigkeit des Aufsichtsrates nicht vor. Die Vorschrift kann auf den vorliegenden Fall nicht analog angewandt werden. Der in § 112 AktG enthaltenen Vertretungsregelung liegt die Erwägung zugrunde, dass der Vorstand befangen sein könnte, wenn es um die Vertretung der Gesellschaft gegenüber einzelnen seiner Mitglieder geht (BGH, WM 1988, 413). Der Senat lehnt eine analoge Anwendung der Vorschrift und damit eine Zuständigkeit des Aufsichtsrates der A für den Abschluss des hier streitgegenständlichen Vertrages aus Gründen der Rechtssicherheit ab. Gerade im Hinblick darauf, dass ein Verstoß gegen § 112 AktG nach wohl h.M. (Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 112 Rdnr.7; OLG Hamburg, WM 1986, 972; OLG Stuttgart, AG 1993,85) zur Nichtigkeit der betroffenen Rechtsgeschäfte nach § 134 BGB führt, bedürfte es für Fälle der vorliegenden Art im Interesse der Rechtsklarheit einer eindeutigen gesetzlichen Regelung, die nicht existiert. § 112 AktG sieht keine Allzuständigkeit des Aufsichtsrates für all diejenigen Fälle vor, in denen es zwischen einem Vorstandsmitglied und der Aktiengesellschaft zu einer Interessenkollision kommen könnte. Gerade weil solche Interessenkollisionen in einer Vielzahl unterschiedlicher Fallgestaltungen denkbar sind, müßte im Interesse des Rechtsverkehrs und des Vertrauensschutzes durch eine eindeutige Vorschrift klargestellt werden, in welchen Fällen eine Interessenkollision zwischen Vorstand und der Aktiengesellschaft besteht und deshalb der Aufsichtsrat für die Gesellschaft handeln muß. Da es eine solche Vorschrift nicht gibt und § 112 AktG nach seinem Wortlaut nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar ist, bleibt es dabei, dass für den Abschluß des Anstellungsvertrages mit der Beklagten deren Komplementär-GmbH zuständig war.

Die der Komplementär-GmbH obliegenden Geschäftsführungs- und Vertretungsaufgaben sind grundsätzlich von ihren Geschäftsführern wahrzunehmen. Der Kläger hat den Anstellungsvertrag vom 20.11.2002 als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH für die Beklagte und zugleich für sich selbst im eigenen Namen handelnd abgeschlossen. Es lag ein wirksames Insichgeschäft nach § 181 BGB vor, da der Kläger alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer der Komplementär-GmbH war. Mit der GmbH & Co KG durch Insichgeschäft einen Vertrag abzuschließen, kann dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH allerdings nur die Kommanditgesellschaft gestatten (BGHZ 58, 115; DB 1970, 390). Ein solches Geschäft ist nur dann nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB erfasst, wenn der Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft eine Befreiung von diesem Verbot ausspricht (BGH, DB 1970, 390). Aus § 5 Nr.4 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten ergibt sich, dass die Komplementärin und ihre Geschäftsführer bei allen Rechtshandlungen mit oder gegenüber der Gesellschaft von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sind. Damit ist der Anstellungsvertrag vom 20.11.2002 wirksam zustande gekommen. Da kein Verstoß gegen § 181 BGB vorlag, kam es nicht darauf an, ob dieser Vertrag am 1.10.2003 genehmigt bzw. bestätigt wurde.

Der Wirksamkeit des Vertragsabschlusses steht nicht entgegen, dass nach § 5 Nr.3 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten für den Abschluß von Dienstverträgen der vorliegenden Art mit Gehaltsbezügen von mehr als 38.346,89 € (= 75.000,- DM) jährlich ein Beschluss der Gesellschafter erforderlich ist. Zwar ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die A als Kommanditistin und die Komplementär-GmbH als Gesellschafter der Beklagten einen entsprechenden Beschluss gefasst haben. Die A hat jedoch über ihren Vorstand den Vertrag vom 20.11.2002 ausdrücklich am 1.10.2003 bestätigt. Die "Vertragsbestätigung€ vom 1.10.2003 wurde von dem Vorstandsmitglied H und dem Prokuristen J unterzeichnet. Beide waren gemäß § 5 Nr. 3 der Satzung der A dazu berechtigt, die Gesellschaft gesetzlich zu vertreten. Da die A als alleinige Kommanditistin und als alleinige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH der Beklagten den Vertragsschluss über ihre vertretungsberechtigten Organe ausdrücklich gebilligt hatte, kam es nicht mehr darauf an, dass die Komplementär-GmbH an einem solchen Beschluss nicht mitgewirkt hatte. Denn der Komplementär-GmbH hätte mangels Kapitalanteils (s. § 3 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten) ohnehin kein Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung zugestanden.

Der Vertrag vom 20.11.2002 bedurfte nicht der Einwilligung des Aufsichtsrates der A. Zwar enthält § 7 Nr. 3 des (Vorstands-)Anstellungsvertrages des Klägers die Bestimmung, dass der Kläger eine entgeltliche Nebentätigkeit nur nach Einwilligung des Aufsichtsrates übernehmen und/oder ausüben darf. Der Vorstandsanstellungsvertrag wurde aber zeitlich erst nach dem Vertrag vom 20.11.2002 abgeschlossen und konnte deshalb dessen Inhalt nicht beeinflussen.

Der Vertrag wurde nicht durch die fristlose Kündigung vom 13.4.2004 beendet. Die Kündigung war formal wirksam, denn sie wurde durch die beiden zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs (neben dem Kläger) amtierenden Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten ausgesprochen. Da die Komplementär-GmbH der Beklagten für den Abschluss des Vertrages zuständig war, war sie auch dafür zuständig, den Vertrag durch den Ausspruch einer Kündigung zu beenden. Der Aufsichtsrat der A war für die Kündigung nicht zuständig, der Wortlaut des § 112 AktG gibt entgegen der Auffassung der Beklagten für eine entsprechende Kündigungsbefugnis des Aufsichtsrats nichts her. Auch die Gesellschafterversammlung der Beklagten war für den Ausspruch der Kündigung nicht zuständig, denn anders als für den Abschluss von Dienstverträgen mit Jahresbezügen von mehr als 38.346,89 € (= 75.000,- DM) ist für die Beendigung eines solchen Vertrages in § 5 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten kein Gesellschafterbeschluss vorgesehen. Aus der Tatsache, dass der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich nur für den Abschluß von Anstellungsverträgen der genannten Art einen Gesellschafterbeschluss vorsah, ist der Schluß zu ziehen, dass die Verfasser des Gesellschaftsvertrages durchaus auch die Zuständigkeit für die Beendigung solcher Verträge gesehen haben. Da anders als für den Abschluss dieser Verträge für die Beendigung kein Gesellschafterbeschluss vorgesehen wurde, bedeutet dies, dass für die Kündigung des hier streitgegenständlichen Anstellungsvertrages die Geschäftsführung als Organ der Komplementär-GmbH der Beklagten zuständig war. Dem kann die Beklagte nicht mit dem Einwand begegnen, dass der Kläger als Vorstandsmitglied der A "de facto€ ein "Vorgesetzter€ der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH gewesen sei. Dem steht bereits entgegen, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung vom 13.4.2004 nicht mehr Vorstandsmitglied der A war, da er bereits am 2.4.2004 von diesem Amt abberufen worden war. Auch die Tatsache, dass der Kläger am 13.4.2004 noch weiterer Geschäftsführer der Komplementär-GmbH war, steht einer Kündigungsbefugnis der Geschäftsführung nicht entgegen. Denn der Kläger sollte nicht von seinem Amt als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH abberufen werden, es sollte lediglich sein mit der Beklagten abgeschlossener Anstellungsvertrag vom 20.11.2002 gekündigt werden.

Die Kündigung vom 13.4.2004 wurde durch die beiden zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs (neben dem Kläger) amtierenden Geschäftsführer der die Beklagte vertretenden Komplementär-GmbH ausgesprochen. Ob die Beklagte dazu berechtigt war, den Anstellungsvertrag fristlos zu kündigen, konnte offen bleiben, denn es ist davon auszugehen, dass die Kündigung entgegen § 626 Abs.2 BGB nicht rechtzeitig ausgesprochen wurde. Für den Beginn der Zweiwochenfrist des § 626 Abs.2 BGB kommt es auf die Kenntnis derjenigen Personen an, denen im konkreten Fall das Recht zur Kündigung zusteht. Handelt es sich um eine juristische Person, so kommt es auf die Kenntnis des für die Kündigung zur Vertretung zuständigen Organs an (BAG, NZA 1994,1086). Ist - wie im vorliegenden Verfahren - das gesetzliche Vertretungsorgan zuständig, genügt die Kenntnis eines einzelnen Mitgliedes, dessen Wissen der juristischen Person zuzurechnen ist (BGH, NJW-RR 1990, 1330; WM 1990, 524; NJW 1984, 1953). Die Beklagte trägt selbst vor, dass die Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH mit der E-Mail vom 5.1.2004 über den Anstellungsvertrag informiert worden seien. Sie wussten daher spätestens ab diesem Zeitpunkt von dem Anstellungsvertrag. Eine auf das Verschweigen des Vertrages bzw. einen hieraus abgeleiteten schweren Vertrauensbruch gestützte Kündigung hätte daher innerhalb von 2 Wochen, beginnend ab dem 5.1.2004 von der Geschäftsführung ausgesprochen werden müssen. Die Beklagte trägt aber selbst vor, dass die Kündigung dem Kläger erst am 13.4.2004 zugegangen sei. Auch im Hinblick auf das ursprüngliche Verschweigen des Nachtrags vom 9.1.2004 und der Vertragsergänzung vom 12.3.2003 und den darauf gegründeten Betrugsvorwurf muss davon ausgegangen werden, dass die Kündigung verspätet erfolgte. Hierzu trägt die Klägerin vor, dass den Geschäftsführern ihrer Komplementär-GmbH die betreffenden Urkunden in vollständiger Form am 19.2.2004 vorgelegen hätten. Dann hätte die Beklagte, vertreten durch die Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH innerhalb einer Frist von 2 Wochen, beginnend ab dem 19.2.2004, die fristlose Kündigung aussprechen müssen. Nach dem Vortrag der Beklagten ist die Kündigung dem Kläger aber erst am 13.4.2004 zugegangen. Der Senat weist in diesem Zusammenhang am Rande darauf hin, dass die Kündigung vom 13.4.2004 nicht am selben Tage zugegangen sein kann. Denn nach dem eigenen Vortrag der Beklagten soll dem Kündigungsschreiben ein Gesellschafterbeschluss beigefügt gewesen sein, der aber von den Geschäftsführern der Komplementär-GmbH erst am 21.4.2004 unterzeichnet wurde. Eine Kündigung, der ein erst am 21.4.2004 unterzeichneter Gesellschafterbeschluss beigefügt war, kann nicht bereits am 13.4.2004 zugegangen sein.

Zwar hat der Kläger mit seiner E-mail vom 26.3.2004 Herrn M - ein zu diesem Zeitpunkt amtierendes Aufsichtsratsmitglied der A - als "ganz schlimmen Verleumder und Erfolgsverhinderer€ bezeichnet. Ob dieser Umstand einer fristlose Kündigung rechtfertigte, kann ebenfalls offen bleiben. Denn auch hier hat die Beklagte nicht vorgetragen, wann die Geschäftsführer ihrer vertretungsberechtigten Komplementär-GmbH von diesem Umstand Kenntnis erhielten. Da mithin die Voraussetzungen für eine fristgerechte Kündigung auch insofern nicht dargetan wurden, ist die Kündigung als unwirksam anzusehen.

Die weitere Kündigung vom 20.10.2004 hat den Anstellungsvertrag ebenfalls nicht beendet. Sie wurde lediglich vorsorglich für den Fall ausgesprochen, dass das Gericht von der Annahme eines faktischen Geschäftsführerverhältnisses ausgehen sollte, sie wurde aber nicht auf neue Kündigungsgründe gestützt.

Auch aus § 7 des (Vorstands-)Anstellungsvertrages kann nicht auf eine Beendigung des Anstellungsvertrages vom 20.11.2002 geschlossen werden. Nach § 7 Nr.2 hat der Kläger für andere Unternehmen, an denen Beteiligungen oder ähnliche Interessen der A bestehen, in näher zu vereinbarender Weise tätig zu werden. Solche Tätigkeiten hat der Kläger auf Wunsch des Aufsichtsrates oder bei seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft wieder aufzugeben. Der Kläger ist als Geschäftsführer für die Beklagte als Tochterunternehmen der A tätig geworden. Der Kläger ist durch seine Abberufung als Vorstand aus der A ausgeschieden. Nach § 7 Nr. 2 des (Vorstands-)Anstellungsvertrages hat dieser Umstand aber lediglich zur Folge, dass der Kläger dazu verpflichtet ist, das Amt als Geschäftsführer der Beklagten nicht weiter auszuüben. Der Anstellungsvertrag und das Recht auf Fortzahlung der Bezüge wird hierdurch aber nicht berührt. Dies ergibt sich auch aus § 8 Nr.2 des Anstellungsvertrages vom 20.11.2002, in dem ausdrücklich geregelt ist, das die Abberufung des Klägers von dem Amt des Geschäftsführers keinen Einfluss auf die Bezüge hat und die Kündigung des Anstellungsvertrages nur aus wichtigem Grunde möglich ist.

Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs.1 ZPO die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen. Die Entscheidung zur Vorläufigen Vollstreckbarkeit ergab sich aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO. Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache gerade im Hinblick auf den Anwendungsbereich des § 112 AktG in Fällen, in denen es zwischen dem Vorstandsmitglied und der Aktiengesellschaft zu einer Interessenkollision kommen könnte, grundsätzliche Bedeutung hat.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 12.04.2006
Az: 21 U 37/05


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