Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Februar 2009
Aktenzeichen: 17 W (pat) 83/05

(BPatG: Beschluss v. 19.02.2009, Az.: 17 W (pat) 83/05)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

BPatG 154

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung, welche die Priorität einer Voranmeldung in Taiwan vom 12. November 2002 in Anspruch nimmt, wurde am 11. Juli 2003 beim Deutschen Patentund Markenamt in englischer Sprache eingereicht. Eine deutsche Übersetzung der Anmeldeunterlagen ging am 6. Oktober 2003 ein; sie trägt die Bezeichnung:

"Verfahren zur Aktivierung eines Computersystem-Audioplayers mit einem Hot-Key bzw. einer heißen Taste".

Die Anmeldung wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patentund Markenamts am Ende der Anhörung vom 6. April 2005 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Patentanspruch 1 mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar sei.

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Zur mündlichen Verhandlung ist sie - wie angekündigt - nicht erschienen. Im Schriftsatz vom 24. Juni 2005 stellt sie den Antrag, den Beschluss vom 6. April 2005 aufzuheben und basierend auf den am 6. April 2005 eingereichten Ansprüchen ein Patent zu erteilen.

In ihrer Beschwerdebegründung führt sie aus, dass sich die beanspruchte Erfindung deutlich von den herangezogenen Entgegenhaltungen unterscheide, und keine Motivation zu erkennen sei, die einen Fachmann dazu bewegen könnte, die genannten Entgegenhaltungen in irgendeiner Weise miteinander zu kombinieren; allein in einer rückschauenden Betrachtungsweise möge eine solche Kombination manchmal sinnvoll erscheinen.

Der geltende Patentanspruch 1 eingeg. am 6. April 2005, hier mit einer möglichen Gliederung versehen, und der ihm nebengeordnete Patentanspruch 5 lauten:

(a)

" 1. Verfahren zum Aktivieren eines Audio-Players in einem Computersystem mittels einer Abkürzungstaste,

(b)

wobei die Abkürzungstaste unabhängig von einem Stromversorgungsschalter des Computersystems angeordnet ist,

(c)

und der Audio-Player in einer Speichervorrichtung gespeichert ist, die mindestens einem System-BIOS des Computersystems zugewiesen ist, wobei das Verfahren die Schritte umfasst:

(d)

Starten des Computersystems, um das BIOS zu aktivieren;

(e)

Erfassen, durch das BIOS, ob die Abkürzungstaste benutzt wurde, als das Computersystem gestartet wurde; und

(f)

Initialisieren des Audio-Players, durch das BIOS, in Reaktion auf eine positive Erfassung."

"5. Computersystem, umfassend:

-

mindestens ein System-BIOS mit einer Speichervorrichtung, die einen Audio-Player speichert;

-

eine CPU, die mit dem BIOS verbunden und angepasst ist, um das BIOS zu aktivieren; und -

mindestens eine Abkürzungstaste;

wobei das BIOS angepasst ist -

um zu erfassen, ob die Abkürzungstaste benutzt wurde, als das Computersystem gestartet wurde; und -

den Audio-Player zu aktivieren, wenn die Abkürzungstaste benutzt wurde."

Wegen der Unteransprüche 2 -4 und 6 -9 wird auf die Akte verwiesen.

Als Aufgabenstellung war ursprünglich angegeben (siehe Beschreibung Seite 2 Absatz 1), "ein Verfahren zur Aktivierung eines Audioplayers bzw. -wiedergabegeräts durch einen Hotkey bzw. eine heiße Taste bereitzustellen".

Der Senat hat die Anmelderin in einer Zwischenverfügung noch auf die aus dem parallelen US-Prüfungsverfahren bekannt gewordenen Druckschriften D5: US 2002 / 85 835 A1 D6: JP09-101848A (gemäß "Patent Abstracts of Japan")

hingewiesen.

II.

Die Beschwerde wurde fristund formgerecht eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, denn das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 beruhte zum Prioritätszeitpunkt zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).

1. Die Anmeldung betrifft ein übliches Computersystem mit einer CPU und einem BIOS ("Basic Input-/Output-System"), d. h. einem resident gespeicherten Programmteil, welcher den Systemstart ("Hochfahren") einleitet und in welchem Programmroutinen zum Zugriff auf die Eingabeund Ausgabeeinheiten des speziellen Computers, also auf die computerspezifische Hardware, enthalten sind; der Computer kann grundsätzlich auch mit einem im BIOS-ROM gespeicherten Programm laufen, ohne dass das eigentliche Betriebssystem gestartet ist.

Anmeldungsgemäß soll nun im BIOS ein Audio-Player-Programm gespeichert sein, welches direkt durch Drücken einer zugehörigen "Abkürzungstaste" (besser bekannt als "Hot-Key") gestartet werden kann. Dadurch wird es möglich, Audio-Dateien von der Computer-Festplatte oder vom CD-Laufwerk usw. abzuspielen, ohne dass der Computer erst "hochgefahren" werden muss (was bekanntlich häufig einige Geduld erfordert); der Computer kann aus dem ausgeschalteten Zustand heraus sozusagen "auf Knopfdruck" als Audio-Player eingesetzt werden.

Der geltende Patentanspruch 1 ist auf ein Verfahren zum Aktivieren dieses AudioPlayer-Programms gerichtet, indem beim Starten des Computersystems durch das BIOS geprüft wird, ob eine spezielle Audio-Player-Abkürzungstaste zum Starten benutzt wurde; wenn ja, wird statt des Betriebssystems direkt der Audio-Player aktiviert. Der nebengeordnete Patentanspruch 5 richtet sich auf ein "Computersystem" mit einem entsprechend angepassten BIOS, ohne sich inhaltlich in wesentlichen Merkmalen vom Patentanspruch 1 zu unterscheiden.

Als Fachmann für solche Überlegungen betrachtet der Senat einen Entwicklungsingenieur für Personal Computer, der detaillierte Erfahrung mit dem Ablauf beim Start ("Hochfahren") eines PCs besitzt.

2. Das "Verfahren zum Aktivieren eines Audio-Players ... mittels einer Abkürzungstaste" gemäß Patentanspruch 1 ergab sich vor dem Prioritätstag der vorliegenden Patentanmeldung für den Fachmann zumindest in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

2.1 Es kann dahinstehen, ob bereits die von der Prüfungsstelle im Zurückweisungsbeschluss herangezogene Druckschrift D4 (EP 0 982 732 A1) der Anmeldung entgegensteht. D4 beschreibt einen tragbaren MP3-Spieler. Die Prüfungsstelle vertritt die Auffassung, die im Patentanspruch 1 verwendeten Begriffe seien so breit interpretierbar, dass der Anspruch sich auch auf diesen MP3-Spieler lesen lasse, demzufolge seine Merkmale dem Fachmann "bei dem durch die dort verwendete Begriffswahl gegebenen Interpretationsspielraum" aus D4 bekannt seien. Es fällt allerdings nicht ganz leicht, das Betriebsprogramm (im system ROM, siehe Absatz [0046]) eines solchen tragbaren MP3-Spieler als "System-BIOS" im Sinne der Anmeldung zu verstehen; ebenso lässt sich die beanspruchte "Abkürzungstaste" nur mit Mühe aus Absatz [0049] ("if any key is selected during poweroff mode") herauslesen. Letztlich stellt sich die Frage, ob eine derartige Breite für den Interpretationsspielraum hier der Sache noch gerecht wird.

2.2 Im vorliegenden Fall umfasst der Stand der Technik jedoch auch die oben genannten Druckschriften D5 (US 2002 / 85 835 A1) und D6 (JP 09 -101 848 A, gemäß "Patent Abstracts of Japan").

D5 beschreibt ein tragbares Computersystem mit einem "digital data player", alsou. a. einem Audio-Player im Sinne der geltenden Patentansprüche (siehe D5 Absatz [0028]). Der Start des Players erfolgt über eine Abkürzungstaste "digital data mode button" 125 (Merkmal (a)), siehe Absatz [0021] Satz 1. Diese Abkürzungstaste ist unabhängig von dem Stromversorgungsschalter "main power button" 123 angeordnet, vgl. Figur 1 und Absatz [0021] "the main power button 123 is maintained in an off state for the operating systemindependent digital data mode" (Merkmal (b)). Der "digital data player" kann - jedenfalls teilweise - im SystemBIOS-ROM gespeichert sein, vgl. Absatz [0020] Satz 2 und Figur 1 Block 108 / 110A (Merkmal (c)).

Allerdings ist der Startvorgang im Sinne der Merkmale (d), (e) und (f) nicht detailliert beschrieben. Beispielsweise in Absatz [0021] Satz 1 heißt es lediglich: "The digital data mode button 125 places the portable computer system S in the operating systemindependent digital data mode to play the digital data files 114". Nachdem aber Teile des Players im BIOS-ROM gespeichert sind, war es für den Fachmann naheliegend, beim Starten des Computers (d. h. während das BIOS-Startprogramm läuft) abzufragen, ob die Abkürzungstaste benutzt wurde; denn generell waren solche Abfragen von Tastenzuständen durch das BIOS seit langem üblich, nahezu jeder Computer-Benutzer dürfte Startmeldungen wie "Press F2 to enter BIOS" o. ä. kennen. Insbesondere sind auch die beiden konkreten Ausführungsformen der Anmeldung (Hot-Key als Sondertaste auf einer speziellen Tastatur oder Zuweisung der Hot-Key-Funktion zu einer vorhandenen Taste der Tastatur, siehe Beschreibung Seite 2 Absatz 3) den Figuren 4A und 4B der D5 sowie der zugehörigen Beschreibung entnehmbar.

Damit ergeben sich die Merkmale (d), (e) und (f) für den Fachmann bei Anwendung der Lehre der Druckschrift D5 in naheliegender Weise.

Unabhängig davon ist in D6 (siehe abstract) beschrieben, dass bei einem Multimedia-PC zu Beginn des POST (= Power-On Self Test, der erste Programmteil im üblichen BIOS) überprüft wird, ob eine besondere Player-Taste (20) gedrückt ist; wenn nicht, startet der PC als PC, wenn ja, startet der PC als CD-Spieler und nur die dafür minimal notwendigen Baugruppen werden gestartet. Sonach nimmt D6 im gegebenen Zusammenhang die Merkmale (d), (e) und (f) vorweg.

Der geltende Patentanspruch 1 ist nach alledem nicht gewährbar, da sein Gegenstand nicht auf einer erfinderische Tätigkeit beruht.

Eine dagegen gerichtete Argumentation hat die Anmelderin nicht vorgetragen.

III.

Mit dem Patentanspruch 1 fallen auch die Unterund Nebenansprüche, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann (BGH in GRUR 1997, 120 "Elektrisches Speicherheizgerät"). Damit war die Beschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss der Prüfungsstelle zurückzuweisen.

Dr. Fritsch Werner Baumgardt Wickborn Fa






BPatG:
Beschluss v. 19.02.2009
Az: 17 W (pat) 83/05


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