Bundesgerichtshof:
Urteil vom 19. Februar 2002
Aktenzeichen: X ZR 140/99

(BGH: Urteil v. 19.02.2002, Az.: X ZR 140/99)

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 27. April 1999 verkündete Urteil des 4. Senats (Juristischen Beschwerdesenats und Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts im Kostenausspruch aufgehoben, im übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Das europäische Patent 352 496 wird unter Abweisung der weitergehenden Klage mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Patentansprüche 1 und 2, seines Patentanspruchs 5 in unmittelbarer Rückbeziehung auf die Patentansprüche 1 und 2 sowie im Umfang seiner Patentansprüche 3, 4 und 5, soweit sich diese auf eine Vorrichtung zum Waschen von Gardinen oder dergleichen beziehen, für nichtig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des deutschen Teils des am 29. Juni 1989 unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Voranmeldung vom 28. Juli 1988 angemeldeten europäischen Patents 352 496 (Streitpatents). Die Ansprüche des Streitpatents, dessen Erteilung am 8. Dezember 1993 veröffentlicht worden ist, lauten:

1.

Vorrichtung zum Reinigen von Vorhang-Lamellen, Gardinen oder dergleichen in ihren Einbaulagen an einer Laufschiene hängend, mit einer Waschvorrichtung (1), einem Mantel (1.7) und einer Auffangwanne (2.7) dadur ch ge kenn zei chnet , daß die Waschvorrichtung (1) in eine das zu reinigende Gut führende Laufschiene einhängbar ist und als Hauptbauteile einen Anschlag (1.1) und einen Düsenstock (1.2) umfaßt, wobei der Mantel (1.7) sich von diesem abwärts erstreckt und das Reinigungsgut im Anwendungsfalle schlauchförmig umschließt.

2.

Vorrichtung nach Anspruch 1, dadur ch ge kenn zei chnet , daß der Abstand zwischen dem Düsenstock (1.2) und der Auffangwanne (2.7) zwecks Anpassung an die Länge des zu reinigenden Gutes einstellbar ist.

3.

Vorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadur ch ge kenn zei chnet , daß zwischen Auffangwanne (2.7) und einer Pumpe (2.5) zum wahlweisen Fördern waschaktiven Mediums oder der Spülflüssigkeit am tiefsten Punkt des Kreislaufs ein Hilfsgefäß (2.8) angeordnet ist, das ein größeres Fassungsvermögen als die Vorratsbehälter (2.1, 2.2) aufweist und wahlweise auf je einen der Vorratsbehälter schaltbar ist.

4.

Vorrichtung nach Anspruch 3, dadur ch ge kenn zei chnet , daß zum Zwecke der Entleerung das Hilfsgefäß (2.8) auf ein Niveau oberhalb der Vorratsbehälter (2.1, 2.2) anhebbar ist.

5.

Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadur ch ge kenn zei chnet , daß alle Hilfsaggregate, wie die Vorratsbehälter (2.1, 2.2), Verrohrungen (2.3) und Ventile (2.4), eine Pumpe (2.5), eine Heizung (2.6) und das Hilfsgefäß (2.8) auf einem Wagen (2) angeordnet sind.

Mit der Nichtigkeitsklage hat der Kläger geltend gemacht, der Gegenstand der Streitpatents sei nicht neu und beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Zudem sei die Erfindung im Streitpatent nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen könne.

Der Beklagte hat das Streitpatent hilfsweise mit folgender Fassung des Patentanspruchs 1 verteidigt:

Vorrichtung zum Reinigen von Vorhang-Lamellen, in ihren Einbaulagen an einer Laufschiene hängend, mit einer Waschvorrichtung, einem Mantel und einer Auffangwanne, wobei die Waschvorrichtung in die das zu reinigende Gut führende Laufschiene einhängbar ist und als Hauptbauteile einen Anschlag und einen Düsenstock umfaßt, wobei Anschlag und Düsenstock von einem Rahmen umgeben ist, an dem der Mantel befestigt ist, der sich abwärts erstreckt und das Reinigungsgut im Anwendungsfall schlauchförmig umschließt.

Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten.

Er hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat das Streitpatent nicht mehr verteidigt, soweit die Patentansprüche über eine Vorrichtung zum Reinigen von Vorhanglamellen oder dergleichen hinaus auch auf eine Vorrichtung zum Reinigen von Gardinen oder dergleichen gerichtet sind. Im übrigen beantragt er weiterhin die Abweisung der Nichtigkeitsklage.

Hilfsweise verteidigt der Beklagte das Streitpatent mit einer um die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 2 ergänzten Fassung des Anspruchs 1, dem sich die Ansprüche 3 bis 5 im übrigen unverändert als Ansprüche 2 bis 4 anschließen sollen, weiter hilfsweise mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag sowie schließlich im Umfang der erteilten Patentansprüche 3 bis 5.

Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. R. K. ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Der Beklagte hat ein schriftliches Gutachten vorgelegt, das Prof. Dr.-Ing. N. S. in seinem Auftrag erstellt hat.

Gründe

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Wie das Bundespatentgericht ist der Senat der Überzeugung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht und daher nicht patentfähig ist, so daß das Streitpatent insoweit für nichtig zu erklären ist (Art. 52 Abs. 1, 56, 138 Abs. 1 lit. a EPÜ, Art. II § 6 Nr. 1 IntPatÜG). Das gleiche gilt für die mit dem ersten und zweiten Hilfsantrag verteidigte Fassung des Anspruchs 1 sowie für Anspruch 5 des Streitpatents, soweit er unmittelbar auf die Patentansprüche 1 und 2 rückbezogen ist. Dagegen hat der Senat nach dem Ergebnis der Verhandlung und Beweisaufnahme nicht die Überzeugung gewinnen können, daß sich auch der Gegenstand des Patentanspruchs 3 für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab.

I. Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zum Reinigen von Vorhanglamellen, Gardinen und dergleichen in ihren Einbaulagen an einer Laufschiene.

Die Patentschrift schildert einleitend, daß sich insbesondere bei Vorhanglamellen die erforderliche Reinigung als sehr arbeits- und zeitaufwendig erweise, wenn die Lamellen hierzu demontiert, Stück für Stück durch Waschen und Bürsten gereinigt und sodann wieder montiert werden müßten. Eine bekannte Reinigungsvorrichtung mit motorisch angetriebenen Bürstenwalzen erleichtere zwar die Reinigung selbst, ändere jedoch nichts an dem erforderlichen Montageaufwand.

Die Streitpatentschrift erwähnt sodann, daß die deutsche Offenlegungsschrift 1 585 775 eine Vorrichtung zum Reinigen von Gardinen im hängenden Zustand offenbart, bei der die Reinigungsflüssigkeit der zusammengeschobenen, mit einem Mantel überzogenen Gardine mittels einer elektrisch betriebenen Pumpe zugeführt und im weiteren in einer unter der Gardine angeordneten Wanne aufgefangen wird. In dieser Schrift wird der Mantel als eine oben und unten offene weiche Folienhülle aus Kunststoff beschrieben, die am oberen Rand verstärkt und mit einem Anschlußstück für einen als Zuleitung für Reinigungsmittel dienenden Schlauch versehen ist. An das Anschlußstück schließt auf der Innenseite der Hülle ein rings um die Hülle laufender festerer Schlauch an, der nach innen einen durchgehenden, in kurzen Abständen unterbrochenen Schlitz aufweist, durch den das Reinigungsmittel auf die Gardinen fließt. Die als Mantel dienende Hülle wird als "oben etwas rund, etwa in Form eines flachen Segmentbogens" beschrieben, dessen beiden Enden außen etwas tiefer liegen. An diesen beiden Enden sind Haltevorrichtungen angebracht, während der Hüllenrand in der Mitte durch eine gleichmäßige Biegung nach oben an die Gardinenleiste gedrückt werden soll.

Die Streitpatentschrift sieht diese Lösung als unzureichend an. Der Kritik an der in der Offenlegungsschrift beschriebenen Vorrichtung, die der gerichtliche Sachverständige sehr anschaulich als hinsichtlich der Forderungen nach Toleranz-, Fertigungs-, Montage- und Justage- sowie Handhabungsgerechtigkeit "sehr laienhafte (katastrophale) Lösung" und das Bundespatentgericht als "Bastlerlösung" bezeichnet hat, und den Angaben der Streitpatentschrift zur Aufgabe der Erfindung entnimmt der Fachmann, bei dem es sich, wie der gerichtliche Sachverständige zur Überzeugung des Senats ausgeführt hat, um einen Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Erfahrungen in der Konstruktion von Wasch- und Reinigungsapparaten und Kenntnissen über Wasch- und Reinigungsprozesse handelt, als objektiv gelöstes technisches Problem, die bekannte Lösung konstruktiv zu verbessern und eine weiter vereinfachte Reinigungsmöglichkeit zu schaffen, die insbesondere auf aus Lamellen bestehende Vorhänge angewendet werden kann, ohne diese zu beschädigen oder zu verformen. Dazu soll die Vorrichtung erfindungsgemäß hinsichtlich der Mittel zur Zuführung und Verteilung des Reinigungsmittels konstruktiv so ausgestaltet werden, daß sie möglichst einfach unter Beachtung bestimmter Toleranzen herstellbar und montierbar ist und damit auch so gehandhabt werden kann, daß auf das Reinigungsgut gleichmäßig und in reproduzierbarer Weise eingewirkt wird. Die Streitpatentschrift weist auf den letzteren Aspekt besonders hin, indem sie gleiche physikalische Bedingungen für das gesamte Gut bei der Reinigung als Bestandteil der Aufgabe und Vorteil der erfindungsgemäßen Vorrichtung erwähnt, der insbesondere bei Lamellenvorhängen wichtig sei, weil bei unterschiedlichen Reinigungsbedingungen nach dem Reinigen Längenabweichungen zwischen den einzelnen Lamellen auftreten könnten.

Die im erteilten Patentanspruch 1 -soweit er verteidigt wird -bezeichnete erfindungsgemäße Lösung läßt sich wie folgt gliedern:

1.

Es handelt sich um eine Vorrichtung zum Reinigen von Vorhanglamellen oder dergleichen.

2.

Die Vorrichtung ist dazu bestimmt, das Reinigungsgut in seiner hängenden Einbaulage, in der es in einer Laufschiene geführt wird, zu reinigen.

3.

Die Vorrichtung besteht aus 3.1 einer Waschvorrichtung, 3.2 einem Mantel und 3.3 einer Auffangwanne.

4.

Die Waschvorrichtung 4.1 ist in die Laufschiene einhängbar und 4.2 umfaßt als Hauptbauteile 4.2.1 einen Anschlag und 4.2.2 einen Düsenstock.

5.

Der Mantel 5.1 erstreckt sich vom Düsenstock abwärts und 5.2 umschließt das Reinigungsgut im Anwendungsfall schlauchförmig. Nach dem ersten Hilfsantrag kommt hinzu:

6.

Der Abstand zwischen Düsenstock und Auffangwanne ist zwecks Anpassung an die Länge des Reinigungsgutes einstellbar. Nach dem zweiten Hilfsantrag lauten die Merkmale 5' und 6': 5'. Anschlag und Düsenstock sind von einem Rahmen umgeben. 6'. An dem Rahmen ist der Mantel befestigt, der 6'.1 sich abwärts erstreckt und 6'.2 das Reinigungsgut im Anwendungsfall schlauchförmig umschließt.

Anspruch 3 ergänzt diese Vorrichtung um weitere, in der Streitpatentschrift als Hilfseinrichtungen oder -aggregate bezeichnete Bestandteile und Angaben zu deren Anordnung und Zusammenwirken:

7.

Die Vorrichtung umfaßt 7.1 Vorratsbehälter für ein waschaktives Medium und eine Spülflüssigkeit, 7.2 eine Pumpe zum wahlweisen Fördern des waschaktiven Mediums oder der Spülflüssigkeit und 7.3 ein Hilfsgefäß.

8.

Das Hilfsgefäß

8.1 ist zwischen der Auffangwanne und der Pumpe angeordnet, 8.2 weist ein größeres Fassungsvermögen als die Vorratsbehälter auf und 8.3 ist wahlweise auf je einen der Vorratsbehälter schaltbar.

Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 3 der Streitpatentschrift zeigen die in eine Laufschiene für Vorhanglamellen eingehängte Waschvorrichtung mit den zu einem Block zusammengeschobenen Vorhanglamellen in einer Schnittansicht sowie eine schematische Gesamtansicht der Waschvorrichtung und eines alle Hilfseinrichtungen aufnehmenden Wagens.

Figur 1 läßt erkennen, daß der ansonsten nicht näher erläuterte Anschlag (Merkmal 4.2.1) sowohl die Bewegung des zusammengeschobenen Lamellenblocks auf der Laufschiene begrenzt, als auch mit dem Düsenstock verbunden sein kann. Da der Düsenstock sich nicht in den Raum erstrecken kann, in dem die Lamellen in die Laufschiene eingehängt sind, und daher eine etwa U-förmige Gestalt aufweisen muß, ergibt sich in diesem Fall aus Düsenstock und Anschlag eine rahmenartige Einheit, die in der Draufsicht den Raum umschließt, in dem die Lamellen mit der Laufschiene verbunden sind; so hat dies auch der gerichtliche Sachverständige gesehen.

In dem gezeigten Ausführungsbeispiel wird durch die räumliche Anordnung der Befestigungspunkte des Mantels an Düsenstock und Anschlag zugleich ein gewisser Abstand zwischen Mantel und Lamellenblock geschaffen, jedoch sind Patentanspruch 1 hierzu keine Vorgaben zu entnehmen.

II. Die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 ist zwar neu, da die ihr im Stand der Technik am nächsten kommende Reinigungsvorrichtung nach der deutschen Offenlegungsschrift 1 585 775 jedenfalls keinen Düsenstock offenbart. Nach dem Ergebnis der Verhandlung und der Beweisaufnahme steht jedoch zur Überzeugung des Senats fest, daß es für den Fachmann naheliegend war, die konstruktiven Schwächen der bekannten Vorrichtung durch die erfindungsgemäße Ausgestaltung zu beseitigen.

Die Offenlegungsschrift 1 585 775 lehrt bereits eine Vorrichtung, die dazu bestimmt ist, Gardinen und dergleichen in ihrer in Laufschienen hängenden "Einbaulage" zu reinigen, und aus Waschvorrichtung, Mantel und Auffangwanne besteht (Merkmale 1 bis 3). Entsprechend Merkmal 4.1 ist die Waschvorrichtung an der Gardinenleiste zu befestigen. Dazu werden entweder zwei ausziehbare Ständer, an denen der Mantel eingehängt ist, gegen die Gardinenleiste geschoben und festgestellt oder aber zwei an dem Mantel angebrachte drehbare Haken in die Nut der Gardinenleiste eingeführt; da sie in Gestalt des geschlitzten Schlauches in dem Mantel untergebracht ist, wird damit auch die Waschvorrichtung in die Laufschiene eingehängt. Der Mantel selbst erstreckt sich in Übereinstimmung mit Merkmal 5 von der Waschvorrichtung abwärts und umschließt das Reinigungsgut schlauchförmig.

Nicht gezeigt ist lediglich der Düsenstock (Merkmale 4.2.2 und 5.1), und zweifelhaft kann sein, ob die Waschvorrichtung einen Anschlag i.S.d. Merkmals 4.2.1 umfaßt. Jedoch begrenzen die Befestigungspunkte des Mantels an der Gardinenleiste die Verschiebung der Gardine gegenüber dem Mantel und verhindern insofern wie ein Anschlag, daß die Gardine aus dem Bereich herausgeschoben wird, in dem durch die Waschvorrichtung auf sie eingewirkt wird und der Mantel dafür sorgt, daß die gesamte Reinigungsflüssigkeit in die Auffangwanne gelangt. Es lag ohne weiteres im Bereich handwerklichen Könnens des Fachmanns, statt dessen ein diskretes Bauteil als Anschlag vorzusehen.

Die Ersetzung eines als Waschvorrichtung wirkenden geschlitzten Schlauches durch einen Düsenstock lag für den Fachmann schon deshalb nahe, weil ihm die Verwendung eines geschlitzten Schlauches als provisorische, laienhafte Lösung erscheinen mußte, die weder eine präzise Montage noch eine nach Volumenstrom und Wirkrichtung definierte Einwirkung der Reinigungsflüssigkeit auf das Reinigungsgut erlaubte. Wie der Sachverständige überzeugend dargestellt hat, mußte dies den Fachmann zwingend zu der Überlegung führen, daß es zumindest eines starren "Korsetts" in Gestalt einer Trag- und Rahmenkonstruktion für den Schlauch bedurfte. Das bedeutete für den erfahrenen Konstrukteur aber zugleich die Erkenntnis, daß er die Reinigungsflüssigkeit sinnvollerweise überhaupt nicht durch einen mit Schlitzen versehenen Schlauch, sondern unmittelbar durch eine mit Öffnungen versehene starre Waschvorrichtung zuführte. Da eine zusammengeschobene Gardine und insbesondere ein zusammengeschobener Lamellenvorhang einen länglichen, annähernd rechteckigen Körper bilden, bot es sich an, der Waschvorrichtung eine Form zu geben, die es erlaubt, die Oberseite dieses Körpers über seinen gesamten Querschnitt oder jedenfalls in Achsrichtung der Laufschiene im wesentlichen abzudecken und in diesem Bereich die benötigten Austrittsöffnungen für die Reinigungsflüssigkeit so auszubilden und anzuordnen, daß das Reinigungsgut gleichmäßig und in zweckmäßiger Wirkrichtung beaufschlagt werden kann. Der Fachmann gelangte daher allein aufgrund dieser Zweckmäßigkeitserwägung zu einer sich oberhalb des Reinigungsgutes in Längsrichtung der Laufschiene erstreckenden starren Waschvorrichtung, deren Konstruktion nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen eine alltägliche Aufgabe für den Maschinenbauingenieur darstellte. Das ist der Düsenstock, den das Streitpatent lehrt; weitere Anforderungen an die Waschvorrichtung sind diesem in der Patentschrift nicht weiter erläuterten Merkmal, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, nicht zu entnehmen.

Danach konnte der Fachmann die erfindungsgemäße Vorrichtung auffinden, ohne hierzu erfinderisch tätig werden zu müssen. Daran ändert auch die Erwägung des Gutachters des Beklagten nichts, daß es erst die erfindungsgemäße Vorrichtung ermögliche, bei jedem Reinigungsvorgang automatisch identische physikalische Randbedingungen für den Reinigungsvorgang zu schaffen und empfindliche Vorhanglamellen in allen Teilen gleichmäßig zu reinigen sowie gegen irreversible mechanische Beschädigungen, insbesondere während des Rüstens, Reinigens und Abrüstens, und Wiederanschmutzung im feuchten Zustand zu schützen. Die reproduzierbaren physikalischen Randbedingungen für den Reinigungsvorgang ergeben sich zwangsläufig aus der Verwendung einer starren Waschvorrichtung wie eines Düsenstocks. Soweit Vorhanglamellen, wie der Gutachter der Beklagten meint, weitere Anforderungen an die Beaufschlagung mit der Reinigungsflüssigkeit, etwa hinsichtlich des Anstellwinkels der Austrittsdüsen stellen sollten oder es erforderlich sein sollte, zur Vermeidung von Schäden einem Anstoßen der Lamellen an den Mantel vorzubeugen, gibt der erteilte Patentanspruch 1 hierzu keine Mittel an.

Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob der Fachmann, der nicht Gardinen, sondern Lamellenvorhänge reinigen wollte, für diesen Zweck die Vorrichtung nach der Offenlegungsschrift in Erwägung gezogen hätte. Die mit dem konstruktionstechnischen "Handwerkzeug" des Maschinenbauingenieurs für eine industrielle Fertigung ertüchtigte Vorrichtung nach der Offenlegungsschrift 1 585 775 weist nach ihrer räumlich-körperlichen Ausgestaltung alle Merkmale auf, die nach Patentanspruch 1 des Streitpatents die erfindungsgemäße Vorrichtung zum Reinigen von Vorhanglamellen kennzeichnen. Dieser Zweckangabe entnimmt der Fachmann, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, keine räumlich-körperlichen Merkmale, die nicht bereits ausdrücklich im Patentanspruch genannt wären; auch der Beklagte hat solche nicht aufzuzeigen vermocht.

III. Auch in den hilfsweise verteidigten Fassungen ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 durch den Stand der Technik nahegelegt und daher nicht patentfähig.

1. Das dem erteilten Patentanspruch 2 entnommene zusätzliche Merkmal 6 des ersten Hilfsantrags schreibt vor, den Abstand zwischen Düsenstock und Auffangwanne einstellbar zu gestalten. Für den Fachmann, dem Lamellenvorhänge unterschiedlicher Länge bekannt sind, ist es jedoch selbstverständlich, daß er diesen unterschiedlichen Längen derart Rechnung tragen muß, daß jeweils eine Mantellänge zur Verfügung steht, die sicherstellt, daß die Reinigungsflüssigkeit vollständig in die Auffangwanne gelangt. Wie er dies bewerkstelligt, überläßt Merkmal 6 dem Fachmann, so daß sich aus der Art und Weise der Anpassung für die Patentfähigkeit des Streitpatents nichts ergeben kann.

2. Nicht anders ist der zweite Hilfsantrag zu beurteilen.

Gegen die Zulässigkeit der verteidigten Anspruchsfassung bestehen keine Bedenken; die Verwendung eines Anschlag und Düsenstock umschließenden Rahmens, an dem der Mantel befestigt ist, ist sowohl in der Anmeldung des Streitpatents (vgl. Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung, S. 3 Z. 16-19) als auch in der Streitpatentschrift (Sp. 1 Z. 55 -Sp. 2 Z. 1) als mögliche Ausgestaltung der Erfindung offenbart.

Der gerichtliche Sachverständige hat es jedoch zu Recht als aus der Sicht der Konstruktionslehre trivial bezeichnet, für jede zu realisierende Funktion eines technischen Produkts ein eigenes (diskretes) Bauteil vorzusehen. Darüber geht die verteidigte Anspruchsfassung nicht hinaus, wenn sie die Funktion, den Mantel zu tragen, statt dem Düsenstock einem gesonderten, Düsenstock und Anschlag umschließenden Rahmen zuweist. Auch in der verteidigten Fassung gibt Patentanspruch 1 kein Mittel an, um einer Berührung des Reinigungsgutes durch den schlauchartigen Mantel vorzubeugen. Denn ob eine solche Berührung vermieden wird oder nicht, hängt allein von dem Abstand zwischen Mantel und Reinigungsgut (sowie, da der Rahmen, wie der Sachverständige bestätigt hat, von der Ebene der Waschvorrichtung aus nicht nach unten reicht, von der Steifigkeit des Mantels) ab und ist unabhängig davon, ob der Mantel an der Waschvorrichtung selbst oder an einem diese umgebenden Rahmen befestigt wird. Im übrigen lag es für den Fachmann, der eine solche Berührung als nachteilig erkannte, auf der Hand, sie durch eine entsprechende Beabstandung des Mantels von dem berührungsempfindlichen Reinigungsgut zu vermeiden.

IV. Mangels erfinderischer Tätigkeit kann schließlich auch Anspruch 5, soweit er unmittelbar auf die erteilten Patentansprüche 1 und 2 rückbezogen ist, keinen Bestand haben.

Patentanspruch 5 ergänzt den Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 insoweit um die Anweisung, sämtliche verwendeten Hilfsaggregate auf einem Wagen anzuordnen. Er enthält, soweit er nicht auf die Patentansprüche 3 und 4 rückbezogen ist, weder eine Vorgabe über Art und Anzahl der Hilfsaggregate noch über die Art der Anordnung auf dem Wagen, insbesondere auch keine Lehre, die Hilfsaggregate in irgendeiner Weise räumlich-körperlich oder funktionell miteinander zu verbinden. Damit geht er über Patentanspruch 1 nur mit der dem Fachmann als Selbstverständlichkeit zur Verfügung stehenden Anweisung hinaus, einen Wagen als Träger und/oder Transportmittel für die verwendeten Hilfsaggregate zu verwenden. Soweit der Sachverständige die Anordnung der Hilfsaggregate auf einem Wagen als für den Fachmann nicht naheliegend angesehen hat, ist er demgegenüber offensichtlich von der Vorstellung ausgegangen, Patentanspruch 5 lehre - bereits in der an dieser Stelle erörterten unmittelbaren Rückbeziehung auf Anspruch 1 -eine Art "fahrbarer Lamellenvorhang-Waschmaschine".

V. Dagegen kann der Senat nicht feststellen, daß auch dem Gegenstand des Patentanspruchs 3 die Patentfähigkeit fehlt.

1.

Daß die Streitpatentschrift die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, daß ein Fachmann sie ausführen kann, ist mit dem Sachverständigen unbedenklich zu bejahen. Auch der Kläger ist auf den erstinstanzlich hiergegen erhobenen Einwand nicht mehr zurückgekommen.

2.

Der Senat hat auch nicht die Überzeugung gewonnen, daß der Gegenstand des Anspruchs 3 dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt nahegelegt war. Hinsichtlich der Merkmale 7 und 8 ist für irgendein Vorbild im Stand der Technik nichts ersichtlich. Auch der Kläger hat hierzu nichts vorgebracht. Daß es sich um dem Fachmann kraft seines Fachkönnens ohne weiteres zur Verfügung stehende Maßnahmen handelt, ist ebensowenig erkennbar. Der gerichtliche Sachverständige hat dies bei seiner Befragung durch den Senat in dermündlichen Verhandlung nachdrücklich verneint; auch dem ist der Kläger nicht entgegengetreten.

3.

Durch die Patentfähigkeit des Anspruchs 3 werden auch der auf diesen rückbezogene Patentanspruch 4 sowie Patentanspruch 5, soweit er auf die Patentansprüche 3 und 4 rückbezogen ist, getragen; diese Ansprüche haben daher mit Patentanspruch 3 Bestand.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO.






BGH:
Urteil v. 19.02.2002
Az: X ZR 140/99


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