Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Februar 2000
Aktenzeichen: 32 W (pat) 384/99

(BPatG: Beschluss v. 09.02.2000, Az.: 32 W (pat) 384/99)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Markenabteilung 3.4 vom 20. Mai 1999 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die dreidimensionale farbige (braun, weiß) Marke Nr. 397 23 188.1 Grafik der Marke 39723188.1 ist am 1. Juli 1997 als durchgesetzte Marke für

"Dauer- und Feinbackwaren, insbesondere Fertigkuchen"

vom Deutschen Patentamt eingetragen worden.

Hiergegen wurde von den Antragstellerinnen zu 1) und 2) Antrag auf vollständige Löschung wegen absoluter Schutzhindernisse gemäß §§ 50, 54 MarkenG gestellt, weil ihr die Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG fehle sowie ein absolutes Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG bestehe.

Gegen die Löschungsanträge der Antragstellerinnen zu 1) und 2) hat die Antragsgegnerin Widerspruch erhoben.

Mit Beschluß vom 20. Mai 1999 ordnete die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes die Löschung der Marke 397 23 188 an. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Warenaufmachung entbehre nicht nur jeglicher betriebskennzeichnender Originalität, sie unterliege auch einem hochgradigen Freihaltungsbedürfnis der Mitbewerber im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, da sie glatt warenbeschreibender Natur sei und von den Konkurrenten dringend benötigt werde. Es handele sich um den Grundtyp einer gebräuchlichen Backwarenart, die - im Vergleich zu anderen Formen wie Dreiecken, Trapezen, Kreisen o.ä. oder einem mehrere Schichten umfassenden Aufbau - die einfachste Herstellung ermögliche und auch naheliegende, eine einfache Handhabung und einen bequemen Verzehr gewährleistende Abmessungen und Proportionen aufweise. Aus diesem Grunde sei ein besonders starkes Interesse der Mitbewerber daran zu bejahen, daß die fragliche Gestaltung nicht monopolisiert werde. Der Umstand, daß für die fraglichen Waren auch andere Gestaltungsmöglichkeiten bestünden, rechtfertige keine andere Beurteilung. Die Mitkonkurrenten gerade auf dem Gebiet der Backwaren seien auf eine Vielzahl gestalterischer Möglichkeiten angewiesen (BPatGE 38, 89 Ahornblatt). Zudem beschränke sich das Freihaltebedürfnis nicht auf unersetzliche Zeichen, für die keine Alternativen bestünden (BPatGE BlPMZ 1998, 541, 543 "CD-Hülle"). Aus diesem Grunde hätte die angegriffene Ware nur bei nahezu einhelliger Verkehrsdurchsetzung eingetragen werden dürfen, dh bei einem Durchsetzungsgrad, der deutlich über 80 % liege. Ein solcher Durchsetzungsgrad habe aber nach dem Ergebnis der GfK-Umfrage von 1997 nicht vorgelegen und werde auch durch die GfK-Untersuchung von Dezember 1998 nicht nachgewiesen. Aus diesem Grunde sei die Löschung der Marke anzuordnen gewesen.

Gegen diesen Beschluß hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung führt sie aus: Die maßgebliche Art der Ware sei nicht die spezielle Backware "Milchcremeschnitte", sondern es gehe wesentlich allgemeiner um "Dauer- und Feinbackwaren, insbesondere Fertigkuchen". Diese Waren müßten keineswegs gerade jene Form- und Farbgestaltung aufweisen, die der angegriffenen dreidimensionalen Marke eigen sei. Eine Backware in diesem Sinne müsse weder flach noch rechteckig noch dreilagig sein. Die Art dieser Waren erfordere auch keineswegs, eine Kombination von zwei dünnen Teigschichten mit einer dazwischenliegenden Cremeschicht zu wählen. Denkbar, praktikabel und marktüblich seien vielmehr die verschiedenartigsten geometrischen Grundformen und Abwandlungen, auch ein Aufbau aus einer, zwei, drei oder mehreren Schichten, sowie eine Oberflächengestaltung mit oder ohne Überzug und Verzierungen. Bei der Farbgestaltung gebe es mannigfache Variationsmöglichkeiten. Das tatsächliche Angebot auf dem deutschen Markt belege die Fülle der Gestaltungsmöglichkeiten. Richtig sei, daß es sich bei der geschützten räumlichen Gestaltung um eine Backware in Form einer dreilagigen Schnitte handle. Nicht richtig sei, daß diese Form etwa von Cremeschnitten, Waffelschnitten oder belegten Schnitten allgemein bekannt sei. Bei diesen bei vom Amt herangezogenen Beispielen handele es sich um völlig andersartige Waren, die mit den Waren der eingetragenen dreidimensionalen Marke nicht vergleichbar seien. Auch könne es nicht angehen, daß hier die Form "belegter Schnitten", also nicht industriell hergestellter Waren, mit den Waren der Antragsgegnerin verglichen würden, die industriell hergestellt und in Fertigpackungen vertrieben würden. Letztlich komme es darauf aber nicht an, denn auch im Bereich handwerklich hergestellter Backwaren sei die konkrete Form der eingetragenen Marke keineswegs gebräuchlich. Andere Produkte seien mit wesentlich dickeren und deutlich helleren Teigschichten aufgebaut sowie vollständig von einem Schokoladenüberzug umhüllt (Nestle Bären Snack, Milky Way Sandwich, Nestle Nesquick Snack). Das Freihaltebedürfnis sei auch nicht dermaßen stark, daß ein Durchsetzungsgrad von "deutlich über 80 %" erforderlich sei. Nach der "Chiemsee"-Entscheidung des EuGH vom 4. Mai 1999 (Amtsbl vom 30. Juli 1999, S 1054) reiche es vielmehr aus "...., daß ein erheblicher Teil der beteiligten Verkehrskreise die Ware aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkenne ....". Wie sich aus der jüngeren Umfrage vom November 1998 ergebe, hätten 79,2 % des engeren Verkehrskreises die abgebildete Backware einer bestimmten Firma zugeordnet. Für die Ermittlung der Verkehrsdurchsetzung komme es in erster Linie auf diese Frage an. Die Frage, ob der Befragte auch den Namen dieser Firma oder des Produktes nennen könnten, spiele für die Ermittlung der Verkehrsgeltung keine Rolle, denn der Verbraucher gehe schon dann von einer betrieblichen Herkunftsfunkton aus, wenn er einen bestimmten Hersteller annehme. Unerheblich sei, ob er den Namen des Herstellers kenne. Die richtige Zuordnung des Herstellers sei von insgesamt 63,7 % aller Befragten sowie von 70,7 % des engeren Verkehrskreises angenommen worden. Dies sei mehr als ausreichend und entspreche einem "erheblichen Teil der beteiligten Verkehrskreise".

Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluß vom 20. Mai 1999 aufzuheben und die Löschungsanträge zurückzuweisen.

Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

Die Antragstellerinnen beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung reichen sie zahlreiche Abbildungen von Backwaren aus dem Marktsegment "Cremeschnitte" vor und verweisen darauf, daß ähnliche Schnitten durchaus üblich seien. Auch sie selbst fertigten "Cremeschnitten aus Biskuitteig mit Milchcremefüllung" seit langer Zeit. Der Teig beruhe auf einem Verfahren, das seit 1962 angewendet werde, somit 20 Jahre früher, als es von der Antragsgegnerin angewendet werde. Bei dem Produkt handelt es sich nicht um eine Neuheit, da es keine betriebskennzeichnende Originalität aufweise, sondern lediglich dem Erfordernis der traditionellen mundgerechten Gestaltung entspreche. Durch das vorläufige Verkaufsverbot in Deutschland sei ihr bereits ein erheblicher finanzieller Schaden entstanden, der naturgemäß umso höher werde, je länger das Verbot bestehe.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Amtsakte 397 23 188.1 sowie der gesamten Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig.

Sie erweist sich insoweit auch als begründet, als die Sache zur erneuten Überprüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt gemäß § 70 Abs 3 Nr 2 MarkenG zurückzuverweisen ist, da die Entscheidung an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet. An einem wesentlichen Mangel im og Sinne leidet ein Verfahren, wenn es nicht mehr als ordnungsgemäße Entscheidungsgrundlage für den darauf beruhenden Beschluß anzusehen ist (Ströbele in: Althammer/ Ströbele/ Klaka, Markengesetz, 5. Auflage § 70 Rdnr 8 mwN). Dies ist vorliegend der Fall. Die Markenabteilung hätte nicht ohne weitere Ermittlungen davon ausgehen dürfen, daß der von ihr verlangte Durchsetzungsgrad von mindestens 80% nicht erreicht wird.

Für die Frage der Löschung kommt es nicht nur auf den Zeitpunkt der Eintragung, sondern auch auf den Zeitpunkt der Entscheidung an (§ 50 Abs 2 MarkenG). Ausgehend von einem Durchsetzungsgrad im Zeitpunkt der Eintragung von 77,3% (vgl GfK-Gutachten Mai 1997, Frage 3; Frage 1) und einer Steigerung im Dezember 1998 auf 79,2% (vgl GfK-Gutachten 1998, Frage 3; Frage 1 ) hätte die Markenabteilung - auch bei Zugrundelegung von niedrigeren Werten - nicht ohne weiteres davon ausgehen dürfen, daß der Durchsetzungsgrad bis zur Entscheidung am 20. Mai 1999 gleich geblieben sei. Gerade weil sich eine Steigerung des Durchsetzungsgrades innerhalb eines Jahres in allen Bereichen ergeben hatte, lag eine weitere Steigerung des Durchsetzungsgrades auf den von der Markenabteilung verlangten Durchsetzungsgrad von mindestens 80% im Bereich des Möglichen. Indem die Markenstelle ohne weitere Ermittlungen davon ausgegangen ist, daß dieser Grad nicht erreicht werden könne, hat sie in unzulässiger Weise eine Würdigung von Tatsachen vorweggenommen, die zunächst hätten festgestellt werden müssen.

Eine derartige Feststellung wird die Markenabteilung nachzuholen haben. Hierbei werden auch der oder die einschlägigen Verbände - uU nach Befragung der Mitbewerber - zur Frage der Anforderungen an den Durchsetzungsgrad zu hören sein. Denn je mehr es sich bei der Milchschitte um die Grundform einer Backware - insbesondere eines Fertigkuchens - handelt, so daß der Verkehr hierin keinen Hinweis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb sieht, umso höhere Anforderungen werden an den Durchsetzungsgrad zu stellen sein (vgl Ströbele, aaO § 8 Rdnr 140f). Wird der Verkehr mit einer Form konfrontiert, die ihm regelmäßig begegnet, wird er erfahrungsgemäß hierin kein Wiedererkennungszeichen sehen und nicht mit einem bestimmten Betrieb in Verbindung bringen (vgl BGH GRUR 1989, 510 "Teekanne").

Es bedarf mithin nährer Feststellungen zum Durchsetzungsgrad, der insbesondere davon abhängen wird, inwieweit der Verkehr mit der eingetragenen Form als üblicher Form der Waren, für die die angegriffene Marke Schutz genießt, vertraut ist. Insoweit kann insbesondere eine Verbandsanfrage Aufschluß über die Üblichkeit der geschützten Form auf dem fraglichen Warensektor geben. Damit einhergehend wird durch demoskopisches Gutachten zu klären sein, wie groß der Anteil der einschlägigen Verbraucher ist, die in der geschützten Form - im Entscheidungszeitpunkt - einen Hinweis auf einen bestimmten Betrieb und nicht lediglich die Form einer Ware sehen. In Verbindung mit der Feststellung, welcher Durchsetzungsgrad erforderlich ist, wird die Markenabteilung dann entscheiden können, ob der Anteil, der in der angegriffenen Marke ein Betriebskennzeichen sieht, für eine Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs 2 Nr 3 MarkenG ausreicht.

Mit Rücksicht auf die Zurückverweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt war eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht veranlaßt.

Besondere Gründe dafür, einer der Beteiligten die Kosten aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen, sind nicht ersichtlich (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Vorsitzende Richterin Forst hat Urlaub undkann daher nicht unterschreiben.

Dr. Fuchs-Wissemann Dr. Fuchs-Wissemann Klante Ju






BPatG:
Beschluss v. 09.02.2000
Az: 32 W (pat) 384/99


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