Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Juli 2009
Aktenzeichen: 10 W (pat) 27/06

(BPatG: Beschluss v. 16.07.2009, Az.: 10 W (pat) 27/06)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patentund Markenamts vom 30. November 2005 aufgehoben.

Gründe

I.

Am 4. August 2005 reichte die Anmelderin beim Deutschen Patentund Markenamt (DPMA) eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Verteilung von Informationen" ein. Die Anmeldeunterlagen waren in englischer Sprache abgefasst. Zu ihnen gehören auch Zeichnungen/Skizzen. Am 4. November 2005 reichte die Anmelderin eine deutsche Fassung der Ansprüche, der Beschreibung und des Abkürzungsverzeichnisses sowie Zeichnungen/Skizzen im Original nach. Diese enthalten Abkürzungen und englischsprachige Ausdrücke wie zum Beispiel "Data Transfer Portal (Fig. 1); Application Modul for interface handling (Fig. 2)" und "Start advanced applikations (Fig. 3)" usw. Das DPMA schrieb der Anmelderin ohne Zwischenbescheid am 30. November 2005, die Anmeldung gelte als nicht erfolgt, weil diese nicht in deutscher Sprache abgefasst worden sei und die Anmelderin nicht gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Einreichung der Anmeldung eine vollständige deutsche Übersetzung nachgereicht habe. Unterschrieben ist das Schreiben, dass die Anmelderin am 5. Dezember 2005 erhalten hat, von einer Regierungsangestellten im gehobenen Dienst. Es enthält einen Hinweis auf die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung, aber keinen auf die der Beschwerde.

Hiergegen richtet sich die daraufhin am 14. Dezember 2005 eingegangene Beschwerde der Anmelderin. Sie beantragt, den mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Sie vertritt den Standpunkt, der angefochtene Beschluss sei unter Verletzung der Zuständigkeitsvorschriften zustande gekommen, wonach die Obliegenheiten der Prüfungsstelle von einem technischen Mitglied der Patentabteilung (Prüfer) wahrzunehmen seien. Eine Ausnahme hiervon sei nur unter den Voraussetzungen der Wahrnehmungsverordnung (WahrnV) möglich, die hier nicht vorgelegen hätten. So sei aus dem Beschluss nicht ersichtlich, dass die nur mit der Formalprüfung beauftragte Beamtin über einschlägiges technisches Fachwissen verfügt habe, um erkennen zu können, ob es sich bei den in den Zeichnungen verwendeten englischsprachigen Begriffen um Fachbegriffe handele, die im deutschen Sprachgebrauch regelmäßig verwendet würden. Davon sei die Anmelderin auf dem hier einschlägigen Bereich der mobilen Telekommunikation ausgegangen. Im GSM-Mobilfunk seien Standards und Empfehlungen maßgebend, die ausschließlich auf Englisch herausgegeben würden. Es ergebe sich auch aus einer Vielzahl von Beispielen, die sie der Beschwerde beifüge (Anl. 1 -6 zur Beschwerdeschrift), dass Englisch die dominierende Fachsprache sei, deren Ausdrücke dem Durchschnittsfachmann geläufig seien und ständig verwendet würden.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die vom Patentamt getroffene Feststellung, wonach die Patentanmeldung mangels fristgerechter Einreichung einer vollständigen Übersetzung als nicht erfolgt zu gelten habe, kann keinen Bestand haben. Dabei entscheidet der Senat in der Sache selbst, obwohl das Patentamt bei der angegriffenen Entscheidung, die als Beschluss zu werten ist, verfahrensfehlerhaft zum einen durch eine unzuständige Stelle und zum anderen ohne vorheriges Gehör der Anmelderin entschieden hat, da die Sache entscheidungsreif ist.

Nach § 35 Abs. 2 Satz 1 und 2 PatG liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Anmeldetages vor, wenn die in § 34 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 PatG genannten Unterlagen (Name des Anmelders, Erteilungsantrag, Beschreibung) beim Patentamt eingegangen sind.

Sind die genannten Unterlagen nicht in deutscher Sprache abgefasst, gilt dies allerdings nur, wenn die deutsche Übersetzung innerhalb einer Frist von drei Monaten nachgereicht wird ( andernfalls gilt die Anmeldung als nicht erfolgt, § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG). Das hat die Anmelderin mit der am 4. November 2005 eingereichten Übersetzung getan, auch wenn sie die Zeichnungsbeschriftungen unverändert gelassen hat. Dabei kann offenbleiben, ob fremdsprachige Zeichnungsbeschriftungen die Rechtsfolge des § 35 Abs. 2 Satz 2 PatG überhaupt auslösen können, wozu der Senat grundsätzlich neigt (vgl. Beschluss vom 16. Juni 2009, 10 W (pat) 43/07, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Im vorliegenden Fall war die Anmelderin jedoch nicht gehalten, zu den in ihrer Anmeldung enthaltenen Zeichnungen/Skizzen eine Übersetzung nachzureichen. Auch wenn die Sprache vor dem DPMA grundsätzlich deutsch ist (§ 126 PatG), ist nämlich die Verwendung fremdsprachiger Ausdrücke in den Unterlagen einer Patentanmeldung unschädlich, wenn diese Ausdrücke auf dem einschlägigen Fachgebiet allgemein anerkannt sind oder wenn sich eine einheitliche deutsche Entsprechung noch nicht herausgebildet hat oder wenn dem deutsch sprechenden Fachmann ihre Bedeutung auch ohne Übersetzung -etwa im Zusammenhang mit der Beschreibung -ohne weiteres klar ist (Schulte, PatG, 8. Aufl., § 126 Rn. 8 m. w. N.; u. a. Senatsentscheidungen vom 15. November 2007 -10 W (pat) 15/06, 16/06 und 17/06; veröffentlicht in juris). Jedenfalls der zuletzt genannte Gesichtspunkt trifft für den Fachmann auf dem hier relevanten Gebiet der Mobilfunktechnik zu. Das Übersetzungserfordernis des§ 35 Abs. 1 Satz 1 PatG ist hier gelockert, weil es -gerade auch auf physikalischen bzw. elektrotechnischen Gebieten -heutzutage weitgehend üblich ist, technische Sachverhalte auch in Texten, die generell auf Deutsch publiziert werden, jedenfalls teilweise auch mit englischen Begriffen auszudrücken. Aus diesem Grund kann im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass der deutschsprachige Fachmann die zur Erläuterung der Zeichnungen/Skizzen verwendeten englischen Wörter versteht oder deren Bedeutung zumindest der Beschreibung entnehmen kann.

Zutreffend hat die Anmelderin darauf hingewiesen, dass die auf dem hier einschlägigen Fachgebiet grundlegenden Standards und Normen wie etwa die ETSI (European Telecommunications Standards Institute) ausschließlich auf Englisch herausgegeben werden. Die von ihr eingereichten Dokumente belegen dies auch für weitere Sachverhalte. So weisen zum Bespiel die von der Anmelderin vorgelegten Offenlegungsschriften auf dem hier einschlägigen Fachgebiet DE 10 2004 020 533 A1, DE 10 2004 009 681 A 1 und DE 10 2004 005 254 A1 englisch beschriftete Zeichnungen bzw Skizzen auf, die vom Patentamt offenbar aus diesem Grunde nicht beanstandet worden sind. Auch das durch die Anmelderin belegte Beispiel der Unterlagen für eine Antrittsvorlesung an einer deutschen Universität zeigt, dass eine Vielzahl von englischsprachigen Fachausdrücken verwendet wird. Hinzu kommt, dass sich dem Fachmann auch aus der ins Deutsche übersetzten Beschreibung die Bedeutung der einzelnen Begriffe in deutscher Sprache ohne weiteres erschließt, womit ihm -soweit er überhaupt darauf angewiesen ist -eine sehr praktikable Übersetzungshilfe an die Hand gegeben wird. Der Senat hat für das hier einschlägige Fachgebiet bereits Entscheidungen in diesem Sinne getroffen (s. o). Auf diese wird ergänzend Bezug genommen.

Somit erweist sich der angefochtene Beschluss als unzutreffend. Die Wirksamkeit der Anmeldung wird durch das Ausbleiben einer innerhalb der Dreimonatsfrist des § 35 Abs. 1 Satz 1 PatG eingereichten Übersetzung der Beschriftungen der Zeichnungen/Skizzen nicht in Frage gestellt. Das Anmeldeverfahren ist fortzusetzen.

Schülke Püschel Rauch Pr






BPatG:
Beschluss v. 16.07.2009
Az: 10 W (pat) 27/06


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