Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. April 2004
Aktenzeichen: 7 W (pat) 330/02

(BPatG: Beschluss v. 28.04.2004, Az.: 7 W (pat) 330/02)

Tenor

Das Patent wird aufrechterhalten.

Gründe

I.

Gegen das Patent 199 11 364 mit der Bezeichnung Verfahren und Vorrichtung zur Abdichtung der Enden von Hohlprofilen beim Innenhochdruckumformverfahren, dessen Erteilung am 15. November 2001 veröffentlicht worden ist, hat die B... AG in M...

Einspruch erhoben.

Sie macht geltend, dass das Verfahren nach Patentanspruch 1 und die Vorrichtung nach Patentanspruch 6 gegenüber dem Stand der Technik, insbesondere der US-Patentschrift 2 734 473, nicht patentfähig seien.

Sie beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.

Sie macht geltend, dass der Gegenstand des Patents neu und erfinderisch sei.

Der Patentanspruch 1 hat folgende Fassung:

Verfahren zur Abdichtung der Enden von Hohlprofilen beim Innenhochdruckumformverfahren, wobei das Ausgangswerkstück in Form eines Hohlprofils in ein Umformwerkzeug eingelegt und in diesem durch die Zuführung eines Druckmittels umgeformt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Enden des Hohlprofils vor der Durchführung des Innenhochdruckumformverfahrens druckmitteldicht verpreßt werden, wobei die Zuführung des Druckmittels über eine durch den verpressten Endbereich des Hohlprofils oder durch die Werkstückwandung reichende Druckmittelzuführung erfolgt.

Der Patentanspruch 6, der auf eine Vorrichtung zur Durchführung eines Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 gerichtet ist, hat folgende Fassung:

Vorrichtung zur Abdichtung der Enden von Hohlprofilen beim Innenhochdruckumformverfahren mit einem das Ausgangswerkstück aufnehmendem Umformwerkzeug, welches im wesentlichen aus mindestens zwei, eine Gravur entsprechend der zu erzeugenden Kontur des Werkstücks aufweisenden Werkzeughälften besteht und eine Druckmittelzuführung für das Druckmedium aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens einem Endbereich des Ausgangswerkstückes ein quer zur Längsachse des Ausgangswerkstückes bewegbares Abdichtelement zugeordnet ist, welches vor dem Innenhochdruckumformen das Ende des Hohlprofils druckmitteldicht verpreßt.

Nach der Streitpatentschrift Spalte 1, Zeilen 19 bis 24 liegt die Aufgabe vor, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Abdichtung der Enden von Hohlprofilen beim Innenhochdruckumformverfahren zu entwickeln, mit denen die Verwendung von Nachschiebestempeln vermieden und eine zuverlässige Abdichtung gewährleistet wird.

Die Patentansprüche 2 bis 5 und 7 bis 16 sind auf Merkmale gerichtet, die das Verfahren nach Patentanspruch 1 bzw. die Vorrichtung nach Patentanspruch 6 weiter ausgestalten sollen.

In der mündlichen Verhandlung ist zum Stand der Technik die US-Patentschrift 2 734 473 abgehandelt worden. In der Streitpatentschrift sind zum Stand der Technik die deutsche Offenlegungsschrift 196 42 824 sowie die europäischen Offenlegungsschriften 0 849 011, 0 800 874 und 0 760 264, im Einspruchsverfahren auch noch die DE 195 35 870 A1 und die DE-AS 11 04 917 genannt worden.

II.

1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Ziff 1 PatG in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Art. 7 durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und daher zulässig. Er ist sachlich jedoch nicht gerechtfertigt. Der Gegenstand des Patents stellt eine patentfähige Erfindung dar.

3. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 ist unbestritten neu, da aus keiner der zum Stand der Technik genannten Druckschriften alle Merkmale des Patentanspruchs 1 hervorgehen, auch nicht aus der US-Patentschrift 2 734 473, da bei dieser bekannten Vorrichtung die offenen Enden des Hohlprofilkörpers mit Hilfe eines Dichtkerns oder Pfropfens (core 245) abgedichtet werden (vgl. Sp 1 Z 62 bis 65).

4. Das offensichtlich gewerblich anwendbare Verfahren nach Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da die Entgegenhaltungen dem Durchschnittsfachmann, hier einem Entwicklungsingenieur auf dem Gebiet der Innenhochdruckumformung, keine Anregungen zum Auffinden des Verfahrens nach Patentanspruch 1 geben können.

Durch das patentgemäß gestaltete Verfahren erfolgt die druckmittelsichere Abdichtung der Enden eines zu verformenden Hohlprofilkörper auf einfache Weise dadurch, dass die Enden flach gepreßt werden in der Weise, dass sie - wie in der mündlichen Verhandlung von der Patentinhaberin ausgeführt - aufgrund eines Kaltfließvorganges des Werkstoffes des Hohlprofilkörpers eine Verbindung eingehen, die druckmitteldicht ist.

Zu einer derartigen Abdichtungsart des Hohlprofilkörpers kann die in der US-Patentschrift 2 734 473 beschriebene Vorrichtung zum Formen von Rohren mit Hilfe von Fluiddruck kein Vorbild abgeben. Bei dieser bekannten Vorrichtung werden die Enden eines radial gewellten Rohres in der Art zusammengedrückt, dass die einzelnen Wellen eine überlappende flache Lage einnehmen. In der Mitte verbleibt dabei eine Öffnung, in die ein Dichtkern eingeführt wird. Nach dem Zusammenfalten der Enden dehnen sich die gefalteten Lagen durch die Elastizität des Werkstoffes wieder etwas aus. Um eine druckmittelsichere Abdichtung des Wellrohres zu erreichen, wird anschließend das gefaltete Wellrohrende zusammen mit dem eingesetzten Dichtkern verspannt (vgl. Sp 4, Z 40 bis Sp 5 und Z 62 bis Sp 5, Z 3).

Die Abdichtung der Rohrenden erfolgt somit im Unterschied zum patentgemäß gestalteten Verfahren in zwei Schritten unter Verwendung eines Dichtkerns. Die bekannte Lösung des Abdichtungsproblems führt also in eine andere Richtung.

Die in der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift genannten Druckschriften (DE-OS 196 42 824, EP-OS 0 849 011, EP-OS O 800 874 und EP-OS 0 760 264) beschreiben Vorrichtungen zum Innenhochdruckumformen, bei welchen zumindest ein Ende eines Hohlprofilkörpers mit einem Kolben verschlossen wird. Bei diesen bekannten Vorrichtungen findet also keine Verformung an den Enden des Hohlprofilkörpers statt. Sie haben deshalb in der mündlichen Verhandlung keine Rolle mehr gespielt, ebenso wie die von der Einsprechenden noch genannten Druckschriften (DE-OS 195 35 870 und DE-AS 11 04 917). Bei den in diesen Druckschriften beschriebenen Umformverfahren werden als Ausgangswerkstücke nicht Hohlprofilkörper, sondern Blechzuschnitte verwendet, die vor dem Umformen miteinander verschweißt bzw. durch eine Zwischenschicht aus einem Material mit niedrigerem Schmelzpunkt als das Blechmaterial miteinander verbunden werden (vgl. DE-OS, Zusammenfassung, DE-AS, Patentanspruch 1).

Diese bekannten Vorrichtungen können, wegen der sich vom patentgemäß gestalteten Verfahren grundsätzlich unterscheidenden Art der Abdichtung des Hohlprofilkörpers bzw. der Blechzuschnitte, weder einzeln noch in einer Zusammenschau mit einem oder mehreren in den genannten Druckschriften beschriebenen Gegenständen das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 nahelegen.

Entsprechendes gilt für den sich auf eine Vorrichtung zum Durchführen des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 beziehenden, als selbständigen Patentanspruch formulierten Patentanspruch 6.

Der Patentanspruch 1 und 6 sind daher rechtsbeständig.

Diesen Patentansprüchen können sich die Patentansprüche 2 bis 5 bzw. 7 bis 16, deren Merkmale der weiteren Ausgestaltung des Verfahrens nach Patentanspruch 1 bzw. der Vorrichtung nach Patentanspruch 6 dienen, als echte Unteransprüche anschließen.

Köhn Eberhard Dr. Pösentrup Frühauf Hu






BPatG:
Beschluss v. 28.04.2004
Az: 7 W (pat) 330/02


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