Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 8. Januar 2010
Aktenzeichen: 6 U 106/09

(OLG Köln: Urteil v. 08.01.2010, Az.: 6 U 106/09)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.06.2009 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 11 O 68/08 - abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zum 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft (zu vollstrecken an den Vorständen), zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Telefonanschlüsse von Kunden der Klägerin bewusst auf das Netz der E U AG voreinzustellen und/oder voreinstellen zu lassen, wenn die Kunden zuvor lediglich die Einrichtung der Rufnummernanzeige (Clipfunktion) beantragt haben.

2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 1.379,80 € nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.09.2008 zu zahlen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Sie kann die Vollstreckung des Kostenerstattungsanspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrag abweisen, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien sind konkurrierende Umunikationsdienstleister. Kunden der Beklagten können ihren Teilnehmernetzanschluss dauerhaft auf das Verbindungsnetz der Klägerin voreinstellen lassen ("Preselection"). 2008 hob die Beklagte in den Fällen der Kunden T, Ta, I und Ia eine solche Voreinstellung auf. Im Fall Ta war ihr nur ein Auftrag zur Aktivierung der Rufnummernanzeige ("Clipfunktion") erteilt worden; ob der Änderung der Voreinstellung in den anderen Fällen ein Kundenauftrag zu Grunde lag, ist streitig. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen unlauterer Mitbewerberbehinderung auf Unterlassung und Abmahnkostenersatz in Anspruch. Das Landgericht, auf dessen Urteil verwiesen wird, hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer die Verletzung prozessualen und materiellen Rechts rügenden Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Klageantrag, ergänzt um den bereits in erster Instanz eingefügten Zusatz "von Kunden der Klägerin" und den im bisherigen Hilfsantrag enthaltenen Zusatz "bewusst", weiter. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache ohne Erfolg.

1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 10, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 UWG gegen die Beklagte nach dem unstreitigen Sachverhalt zu, denn diese hat die mit ihr im Wettbewerb stehende Klägerin wenigstens im Fall des Kunden Ta aus Februar 2008 in einer damals und auch noch nach Neufassung des UWG zum 30.12.2008 als wettbewerbswidrig zu bewertenden, die Gefahr der Wiederholung gleichartiger Verstöße begründenden Weise gezielt behindert, die Gegenstand des Klageantrags ist.

a) Soweit das Landgericht den erstinstanzlichen Hauptantrag als zu weit und daher unbegründet angesehen hat, weil davon auch bloß versehentliche, im Massengeschäft unbewusst vorkommende und dann nicht wettbewerbswidrige Verhaltensweisen erfasst würden, trägt die Neufassung des Klageantrags in der Berufungsverhandlung den diesbezüglichen, an die Entscheidung "Änderung der Voreinstellung I" des Bundesgerichtshofs (GRUR 2007, 987 [Tz. 24 f.]) anknüpfenden Bedenken Rechnung. Da das Begehren der Klägerin von Anfang an erkennbar auf die Abwehr eines bewussten Verhaltens der Beklagten abzielte, was auch schon durch die Antragsformulierung "im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs" hinreichend zum Ausdruck gekommen sein dürfte (vgl. BGH, GRUR 2009, 876 [Tz. 3, 5, 27] € "Änderung der Voreinstellung II"), liegt darin lediglich eine redaktionelle Klarstellung.

b) Zwischen den Parteien ist angesichts der erwähnten einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht im Streit, dass eine trotz gegenteiligen Kundenauftrags durchgeführte Änderung der bisher zu Gunsten der Klägerin bestehenden dauerhaften Voreinstellung des Telefonanschlusses, wenn sie nicht nur auf einem Bedienungsfehler oder ähnlichen Versehen beruht, sondern bewusst erfolgt, über die im unangemessenen "Umlenken" des Kundenauftrags liegende Vertragsverletzung hinaus auch eine unlautere Behinderung der davon betroffenen Klägerin darstellt (vgl. BGH, GRUR 2009, 876 [Rn. 21 f.] € "Änderung der Voreinstellung II" m.w.N.). Dem bewussten Verhalten eines mit der Abwicklung des Kundenauftrags persönlich befassten Mitarbeiters steht es auf dem Gebiet der Umunikation mit seinen vielfältig technisierten Abläufen gleich, wenn solche Vorgänge ohne ausreichende menschliche Kontrolle automatisch erfolgen und dabei vorkommende weisungswidrige Änderungen der Voreinstellung zu Gunsten des eigenen Unternehmens bei dessen Organisation bewusst in Kauf genommen werden.

Von wenigstens einem derartigen Verletzungsfall hat der Senat hier € auch nach dem Vorbringen der Beklagten € auszugehen:

Die Zeugin Ta hatte am 20.02.2008 persönlich ein Ladengeschäft der Beklagten ("T-Punkt") in Ingolstadt aufgesucht und für den Telefonanschluss ihres Ehemannes die Einrichtung der Rufnummernanzeige ("Clipfunktion") in Auftrag gegeben. Eine Weisung zur Aufhebung der zu Gunsten der Klägerin bestehenden "Preselection" wurde von ihr unstreitig nicht erteilt. Dennoch ließ die Beklagte objektiv € wie auch der nunmehr vorgelegten Auftragsbestätigung vom 21.02.2008 (Anlage BE 4) zu entnehmen ist € die dauerhafte Voreinstellung auf die Klägerin wegfallen. Daraus hat die Klägerin den nachvollziehbaren Schluss gezogen, im Unternehmen der Beklagten bestehe ein Automatismus, der bei Einrichtung der "Clipfunktion" unabhängig von einem entsprechenden Kundenauftrag zum Wegfall einer "Preselection" führe. Zu diesem innerbetrieblichen Vorgang konnte die Klägerin nach Lage der Dinge nicht mehr vortragen, während die Beklagte eine prozessuale Erklärungspflicht (sekundäre Darlegungslast) trifft (vgl. BGH, WRP 2007, 308 = GRUR 2007, 251 [Tz. 31] € Regenwaldprojekt II m.w.N.). Die Aufklärung, ob der objektiv weisungswidrige Wegfall der "Preselection" auf einem bloßen Eingabefehler eines ihrer Mitarbeiter oder aber auf einem von ihr bewusst in Kauf genommenen System- bzw. Organisationsfehler beruhte, war nämlich nur ihr möglich; sie war ihr auch zumutbar. Soweit die Aufklärung erfolgt ist, sprechen die mitgeteilten Umstände eher für die letztgenannte Möglichkeit.

Die Beklagte hat € belegt durch einen Screenshot (Anlage B 1; vgl. auch Anlage BE 3) € dargetan, in ihrem Datenverarbeitungs-System "CRM-T Order Management" sei die Voreinstellung des Telefonanschlusses nicht registriert gewesen, so dass ihr "€"-Mitarbeiter Iaa, als er den Auftrag zur Einrichtung der Clip-Funktion entgegennahm und umsetzte, die bestehende "Preselection" nicht habe erkennen können. Die Einrichtung der "Clipfunktion" habe aus € für den Senat nicht im Einzelnen nachvollziehbaren, im nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten nur ansatzweise erläuterten € technischen oder tariflichen Gründen eine Änderung des bisherigen T-Net-Anschlusses des Kunden in einen neuen Anschluss "Call Plus / T-Net" erfordert; die "Preselection" sei dabei € weil für den Mitarbeiter nicht erkennbar € nicht für den geänderten Anschluss übernommen worden, was manuell durchaus möglich gewesen wäre. Auf den vom Senat in der Berufungsverhandlung erteilten Hinweis, dass die Beklagte nicht hinreichend zu den Gründen der fehlenden Anzeige der "Preselection" in ihrem System vorgetragen habe, hat sie in ihrem nachgelassenenen Schriftsatz erklärt, warum die "Preselection" im System "CRM-T" seinerzeit nicht abgebildet war, könne heute nicht mehr festgestellt werden.

Ein bloßes Versehen, für das die Beklagte € wie für andere unbewusste Bedienungs- oder Eingabefehler ihrer Mitarbeiter € wettbewerbsrechtlich nicht einzustehen hat, ist damit nicht dargelegt: Die Aufhebung der dauerhaften Voreinstellung zu Gunsten der Klägerin war bei der geschilderten Sachlage nicht die Folge eines unabsichtlich fehlerhaften Verhaltens des Mitarbeiters Iaa. Dieser konnte den mit dem veranlassten Anschlusswechsel verbundenen Wegfall der "Preselection" nicht erkennen, weil sie auf seinem Computerbildschirm nicht angezeigt wurde (obwohl sie ausweislich der Auftragsbestätigung Anlage B 4 an einer anderen Stelle des Systems registriert gewesen sein muss). Ursächlich für die objektiv weisungswidrige Abwicklung des Kundenauftrags waren vielmehr zwei technische, von der Beklagten bei gehöriger Organisation ihres Unternehmens beherrschbare, aber als mögliche Fehlerquelle in Kauf genommene Umstände: Die fehlende Anzeige der bestehenden und im System an anderer Stelle verzeichneten "Preselection" auf dem Bildschirm des "T-Punkt"-Mitarbeiters einerseits und der Umstand, dass dieser Mitarbeiter zur Aufrechterhaltung der "Preselection" € also zur unveränderten Beibehaltung des insoweit vorhandenen Vertragsstandes € im Falle eines technisch oder tariflich notwendigen Anschlusswechsels wegen gewünschter "Clipfunktion" zusätzliche manuelle Eingaben hätte vornehmen müssen, zu denen er nach seinen Erkenntnismöglichkeiten keinen Anlass hatte. Das System war mithin so ausgestaltet, dass eine fehlerhaft unterbliebene Bildschirmanzeige der bestehenden "Preselection" für den jeweiligen Sachbearbeiter zu einem Wegfall dieser Voreinstellung führen musste, obgleich die in dem System zutreffend erfasst war..

Dieser bewusst hingenommene, als zielgerichtete Behinderung der betroffenen Mitbewerber wirkende Organisationsmangel genügt zur Annahme eines objektiven Wettbewerbsverstoßes und zur Begründung des geltend gemachten Verletzungsunterlassungsanspruchs.

2. Der im Übrigen nicht umstrittene Anspruch auf Abmahnkostenersatz folgt aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Dass das Verlangen nach Anerkennung der in die Zukunft wirkenden Unterlassungsverpflichtung in der Abmahnung auf drei, im Rechtsstreit auf insgesamt vier Verletzungsfälle gestützt worden ist, von denen bereits einer zur Anspruchsbegründung genügt, lässt den Ersatzanspruch der Höhe nach unberührt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der maßgeblich auf tatrichterlichem Gebiet liegenden Sache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof, so dass gemäß § 543 Abs. 2 ZPO kein Anlass bestand, die Revision zuzulassen.






OLG Köln:
Urteil v. 08.01.2010
Az: 6 U 106/09


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