Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Juli 2006
Aktenzeichen: 32 W (pat) 113/97

(BPatG: Beschluss v. 05.07.2006, Az.: 32 W (pat) 113/97)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die nachfolgende Darstellung Grafikist am 3. Dezember 1994 als dreidimensionale Marke für

"Taschenlampen"

zur Eintragung in das Register angemeldet worden, wobei sich die Anmelderin mit einer Verschiebung des Zeitrangs auf den Tag des Inkrafttretens des MarkenG (1. Januar 1995) einverstanden erklärt hat.

Nach Auffassung der Anmelderin versteht der Verkehr die beanspruchte Form als markenmäßige Herkunftskennzeichnung. Dies ergebe sich aus der Kombination der folgenden Markmale:

- zylinderförmiger Schaft;

- kreisförmiger, ebener Schalter;

- der Schalter ist mit konzentrischen Kreisen versehen;

- der Kopf ist gegenüber dem Schaft in zwei Stufen im Durchmesser vergrößert, wobei der Übergang zur kleineren Stufe und zum Schaft konisch erfolgt;

- der vorderste Abschnitt des Kopfes verfügt über eine umlaufende Riffelung;

- der hintere Verschlussdeckel verfügt über eine umlaufende Riffelung und ist am Ende leicht abgerundet.

Die Markenstelle für Klasse 11 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen vom 21. November 1995 und vom 9. April 1997 - letzterer ist im Erinnerungsverfahren ergangen - wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Der Erstprüfer hat zur Begründung ausgeführt, die Marke stelle lediglich eine handelsübliche Taschenlampe ohne schutzbegründende Eigentümlichkeit dar. Der Darstellungsgehalt gehe in keinem Element über den Gedanken an eine Taschenlampe hinaus.

Auch der Erinnerungsprüfer hat der angemeldeten Marke die erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen. Zwar weise die Taschenlampe, so wie sie dargestellt sei, gewisse Konstruktionsmerkmale auf, die sich bei konkurrierenden Lampen derzeit nicht fänden. Das reiche aber nicht aus. Denn die angemeldete Marke habe die Form der Ware selbst zum Gegenstand, wobei es sich um eine Ware mit einer bestimmten technischen Funktion handle. Bei Industrieprodukten dieser Art würden die besonderen Merkmale der äußeren Form vom Verkehr in erster Linie als rein technische oder ästhetische Eigenschaften der Ware angesehen und bei der Kaufentscheidung allein unter diesem Gesichtspunkt gewürdigt, nicht aber als Hinweis auf die betriebliche Herkunft des Produkts. Äußere Formmerkmale der Ware verfügten deshalb über weit weniger Unterscheidungskraft als herkömmliche Wort- oder Bildzeichen. Aus diesem Grund müsse - trotz nur geringer Anforderungen an die Unterscheidungskraft - die Form einer Ware vergleichsweise auffällige und originelle Besonderheiten aufweisen, um vom Verkehr auch bei nur flüchtiger Betrachtung als Hinweis auf einen bestimmten Hersteller verstanden zu werden. Daran fehle es hier.

Die Zylinderform des Schaftes sei für Stabtaschenlampen typisch und entspreche im Übrigen den darin untergebrachten, ebenfalls zylinderförmigen Batterien. Auch die Form des Kopfes weise keine Besonderheiten auf. Die Riffelungen an der Lampe und die kreisförmigen Erhebungen oder Vertiefungen auf der Fläche des Knopfes dienten der Griffigkeit. Der unterschiedliche Durchmesser und die konische Form bestimmter Teile der Lampe schließlich gingen nicht über den Rahmen üblichen Industriedesigns hinaus.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.

Eine Beschwerdebegründung ist nicht eingereicht worden.

Die Anmelderin hat sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat die Anmeldung zu Recht wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen.

1. Nachdem die Anmelderin schon zusammen mit der Anmeldung ihr Einverständnis mit einer Verschiebung des Zeitrangs auf den 1. Januar 1995 erklärt hat (vgl. § 156 Abs. 3 MarkenG), bestehen gegen die Markenfähigkeit der angemeldeten dreidimensionalen Marke keine Bedenken. Anhaltspunkte für einen Schutzausschluss nach § 3 Abs. 2 Nr. 1-3 MarkenG liegen ebenfalls nicht vor.

2. Die angemeldete Marke weist jedoch nicht die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft auf.

a) Durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist abschließend geklärt, dass an die Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die lediglich die Form der im Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen beanspruchten Ware(n) selbst zum Gegenstand haben, keine höheren Anforderungen gestellt werden dürfen als bei anderen, insbesondere auch den herkömmlichen Markenformen wie Wort- oder Bildmarken (vgl. die in der Parallelsache 32 W (pat) 91/97 ergangene Vorabentscheidung EuGH GRUR 2003, 514, 517 [Nr. 49] - Linde, Winward u. Rado).

b) Damit ist indessen noch nichts darüber gesagt, wie hoch diese allgemein geltenden Anforderungen anzusetzen sind. Diese - letztlich entscheidende - Frage war auch nicht Gegenstand des genannten Vorlageverfahrens in der Parallelsache 32 W (pat) 91/97 (vgl. hierzu auch Ströbele in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 8 Rdn. 139 a. E.). Der Bundesgerichtshof geht insoweit sowohl bei Warenformmarken (vgl. BGH GRUR 2004, 502, 504 - Gabelstapler II) wie auch in seiner sonstigen ständigen Rechtsprechung davon aus, dass ein großzügiger Maßstab anzulegen sei. Jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reiche aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. z. B. BGH GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2005, 257, 258 - Bürogebäude). Diese Formulierungen sind weitgehend der Amtlichen Begründung zum MarkenG entnommen (vgl. BlPMZ 1994, Sonderheft, S. 64), die sich ihrerseits darauf beruft, dass das europäische Recht, insbesondere die Markenrechts-Richtlinie, eine solche Auslegung fordere. Das trifft jedoch so nicht zu. Der Satz, dass ein großzügiger Maßstab anzulegen sei und jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genüge, findet sich weder im Wortlaut der Markenrechts-Richtlinie noch in der für deren Auslegung maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Diese Auffassung geht vielmehr auf eine entsprechende Meinung im deutschen Schrifttum zurück (s. dazu ausführlich m. w. N. Hacker GRUR 2001, 630, 631 f.). Der Europäische Gerichtshof hat demgegenüber mehrfach eine strenge und vollständige, nicht auf ein Mindestmaß beschränkte Prüfung von absoluten Schutzhindernissen angemahnt, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern (EuGH GRUR 2003, 604, 608 [Nr. 59] - Libertel; GRUR 2004, 674, 680 [Nr. 123] - Postkantoor). Dies weist eher in Richtung eines weniger großzügigen Prüfungsmaßstabes.

Letztlich kann dies aber dahinstehen, weil der Beschwerde auch bei Anlegung des vom Bundesgerichtshof geforderten großzügigen Maßstabs der Erfolg versagt bleiben muss.

c) Wie der Europäische Gerichtshof betont hat, ist es bei dreidimensionalen Warenformmarken im allgemeinen schwieriger, die erforderliche Unterscheidungskraft festzustellen als z. B. bei traditionellen Wort- oder Bildmarken (EuGH GRUR 2003, 514, 517 [Nr. 48] - Linde, Winward u. Rado). Gewöhnlich schließen nämlich die Durchschnittsverbraucher nicht aus der Form der Ware auf deren Herkunft (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 631, 633 [Nr. 38] - Dreidimensionale Tablettenform I; GRUR Int. 2005, 135, 137 [Nr. 30] - Maglite; GRUR Int. 2006, 226, 227 [Nr. 28] - Standbeutel). Auch der Bundesgerichtshof hat verschiedentlich ausgeführt, dass der Verkehr die Formgestaltung einer Ware regelmäßig nicht in gleicher Weise wie Wort- und Bildmarken als Herkunftshinweis auffasse, weil es dabei zunächst um die funktionelle und ästhetische Ausgestaltung der Ware selbst gehe. Auch eine besondere Gestaltung der Ware selbst werde danach eher diesem Umstand zugeschrieben werden als der Absicht, auf die Herkunft der Ware hinzuweisen (BGH GRUR 2003, 332, 334 - Abschlussstück; vgl. auch BGH GRUR 2005, 414, 416 - Russisches Schaumgebäck - und zur ähnlichen Problematik bei Farben BGH GRUR 2004, 151, 154 - Farbmarkenverletzung I; GRUR 2004, 154, 155 - Farbmarkenverletzung II; GRUR 2005, 427, 428 Lila-Schokolade; GRUR 2005, 1044, 1046 - Dentale Abformmasse). Die genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sind zwar nicht zu den absoluten Schutzhindernissen, sondern zur Frage des markenmäßigen Gebrauchs im Rahmen des § 14 Abs. 2 MarkenG ergangen. Die Sichtweise der angesprochenen Verkehrskreise, auf die es maßgeblich ankommt, kann hier aber keine andere als bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft sein.

Dies darf zwar nicht dazu führen, dass für Warenformmarken ein erweitertes Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aufgestellt wird (s. BGH GRUR 2004, 502, 504 - Gabelstapler II). Andererseits weist der Europäische Gerichtshof aber in nunmehr ständiger Rechtsprechung darauf hin, dass die Eignung einer Warenform zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung nur bejaht werden kann, wenn die Form eine erhebliche Abweichung von der Norm oder der Branchenüblichkeit aufweist (EuGH GRUR 2004, 428, 431 [Nr. 49] - Henkel; GRUR Int. 2004, 631, 634 [Nr. 39] - Dreidimensionale Tablettenform I; GRUR Int. 2004, 635, 638 [Nr. 37] - Dreidimensionale Tablettenform II; GRUR Int. 2004, 639, 643 [Nr. 37] - Dreidimensionale Tablettenform III; GRUR Int. 2005, 135, 137 [Nr. 31] - Maglite; GRUR Int. 2006, 226, 227 [Nr. 31] - Standbeutel). Denn nur bei einer solchen erheblichen Abweichung ist es dem Durchschnittsverbraucher möglich, die betreffende Ware (allein) anhand ihrer Form ohne analysierende und vergleichende Betrachtungsweise von Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH GRUR 2004, 428, 431 [Nr. 53] - Henkel).

d) Eine erhebliche Abweichung der vorliegend als Marke beanspruchten Taschenlampenform vom Branchenüblichen kann nicht festgestellt werden.

Maßgeblich ist insoweit der durch die Form vermittelte Gesamteindruck für den Durchschnittsverbraucher. Diesen Gesamteindruck hat die Anmelderin zutreffend auf die folgenden Formmerkmale zurückgeführt:

- zylinderförmiger Schaft;

- kreisförmiger, ebener Schalter;

- der Schalter ist mit konzentrischen Kreisen versehen;

- der Kopf ist gegenüber dem Schaft in zwei Stufen im Durchmesser vergrößert, wobei der Übergang zur kleineren Stufe und zum Schaft konisch erfolgt;

- der vorderste Abschnitt des Kopfes verfügt über eine umlaufende Riffelung;

- der hintere Verschlussdeckel verfügt über eine umlaufende Riffelung und ist am Ende leicht abgerundet.

Eine Herkunftskennzeichnung kann der Kombination dieser Merkmale jedoch nicht entnommen werden. Der zylinderförmige Schaft entspricht der gängigen Grundform von Taschenlampenschäften. Im Übrigen ist diese Form weitgehend technisch bedingt. Sie entspricht der zylindrischen Form der Batterien, die bei derartigen Taschenlampen gewöhnlich in dem Schaft Aufnahme finden. Die Zylinderform des Kopfes der Lampe und der gegenüber dem Schaft vergrößerte Durchmesser sind ebenfalls seit jeher üblich. Anderes mag allenfalls für die konkrete Ausgestaltung des zweistufigen, jeweils konischen Übergangs vom Schaft zum Kopf gelten. Dieses Formmerkmal tritt jedoch im maßgeblichen Gesamteindruck der beanspruchten Taschenlampe hinter die optisch dominierenden Merkmale zurück, die - wie ausgeführt - nur gängige Grundformen wiedergeben. Die umlaufenden Riffelungen am Kopf und am Verschlussdeckel der Lampe sind ersichtlich technischfunktionaler Natur. Sie dienen - ebenso wie die geriffelte Oberfläche des Schaftes - offensichtlich dazu, die Griffigkeit zu verbessern, etwa beim Aufschrauben des Kopfes zum Auswechseln des Leuchtkörpers oder des Verschlussdeckels zum Wechseln der Batterien. Die Kreisform des Einschaltknopfes ist eine gängige Grundform. Die ebenfalls kreisförmige Riffelung verbessert auch hier die Griffigkeit und ist daher funktionaler Natur. Die leichte Abrundung der Verschlusskappe schließlich spielt für den Gesamteindruck keine Rolle.

Insgesamt erschöpft sich die beanspruchte Taschenlampenform somit weitgehend in - auch in ihrer Kombination - gängigen Gestaltungsmerkmalen. Die wenigen Abweichungen erscheinen zwar im Design stimmig, heben die Gesamtform aber nicht erheblich über das Branchenübliche hinaus.

e) In dieser Beurteilung sieht sich der Senat auch durch das "Maglite"-Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 7. Oktober 2004 bestätigt (GRUR Int. 2005, 135). Gegenstand dieses Urteils war (u. a.) die als Gemeinschaftsmarke angemeldete, nachfolgend abgebildete dreidimensionale Form einer Taschenlampe:

Grafik Dass an der Kopfspitze dieser Lampe umlaufend das Wort "MAGLITE" angebracht ist, hat in diesem Verfahren keine Rolle gespielt. Die Form als solche weist mit der vorliegend beanspruchten offensichtlich nicht unerhebliche Ähnlichkeiten auf, nämlich einen zylinderförmigen Schaft, einen kreisförmigen Einschaltknopf, einen gegenüber dem Schaft im Durchmesser vergrößerten Kopf mit umlaufender Riffelung und eine ebenfalls umlaufend geriffelte, am Ende leicht abgerundete Verschlusskappe. Der Europäische Gerichtshof hat die Unterscheidungskraft dieser Taschenlampenform in Übereinstimmung mit allen Vorinstanzen verneint.

f) Damit erübrigt sich letztlich auch ein Eingehen auf die von der Anmelderin im Verfahren vor der Markenstelle angesprochenen Markeneintragungen, die ihrer Meinung zufolge vergleichbare Taschenlampenformen betreffen. Zwar hat der Bundesgerichtshof dem Senat in der Parallelsache 32 W (pat) 91/97 aufgegeben, solche Voreintragungen zu würdigen. Diesen Eintragungen kann aber, zumal sie nicht mit Gründen versehen sind, kein größeres Gewicht zukommen als den ausführlich begründeten Entscheidungen der europäischen Gerichte und zumal des Europäischen Gerichtshofes. Im Übrigen hat es der Europäische Gerichtshof ausdrücklich abgelehnt, Eintragungen vermeintlich ähnlicher Marken irgendeine Bedeutung für die Beurteilung der Unterscheidungskraft beizulegen (EuGH GRUR 2004, 428, 432 [Nr. 64] - Henkel; GRUR 2004, 674, 676 [Nr. 44] - Postkantoor).






BPatG:
Beschluss v. 05.07.2006
Az: 32 W (pat) 113/97


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