Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 29. November 1996
Aktenzeichen: 6 U 196/96

(OLG Köln: Urteil v. 29.11.1996, Az.: 6 U 196/96)

Produkt-Geschenk UWG § 13, § 1; ZugabeVO § 1 Es verstößt gleichermaßen gegen § 1 UWG (übertriebenes Anlocken) wie gegen § 1 Abs. 1 ZugabeVO, wenn ein Kosmetikversender für den Fall einer sogenannten ,Testanforderung" in Höhe von mindestens DM 50,--, die binnen 14 Tagen rückgängig gemacht werden kann, nach Wahl der Kundin ein ,Produkt-Geschenk" aus dem übersandten Katalog, dessen regulärerer Kaufpreis bis zu DM 59,-- betragen kann, verspricht und zukommen läßt, das auch im Falle der Rücksendung der ,Testanforderung" behalten werden darf, sofern auf den letztgenannten Sachverhalt nicht eindeutig und unmißverständlich hingewiesen wird.

Gründe

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e Ó:

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache

keinen Erfolg.

Das Unterlassungsbegehren des - gemäß §§ 2 Abs. 1 ZugabeVO, 13

Abs. 2 Ziff. 2 UWG prozeßführungsbefugten und aktivlegitimierten -

Antragstellers ist sowohl gemäß § 1 Abs. 1 ZugabeVO als auch unter

dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens gemäß § 1 UWG

begründet. Das Landgericht hat daher mit dem angefochtenen Urteil

in der Sache zu Recht die von ihm am 25. April 1996 erlassene

einstweilige Verfügung bestätigt. Das Unterlassungsgebot dieser

einstweiligen Verfügung war lediglich dem vom Antragsteller im

Berufungstermin neu formulierten Verfügungsantrag anzupassen, der

die von Anfang an konkret beanstandete Wettbewerbshandlung der

Antragsgegnerin genauer als das ursprüngliche Unterlassungsbegehren

zum Ausdruck bringt, ohne jedoch das Rechtsschutzziel des

Antragstellers zu verändern.

1. Diese Wettbewerbshandlung der Antragsgegnerin erfüllt den

Tatbestand des § 1 Abs. 1 ZugabeVO.

Eine Zugabe im Sinne des § 1 Abs. 1 ZugabeVO liegt vor, wenn

eine Ware (oder eine Leistung) neben einer entgeltlich angebotenen

Hauptware ohne besondere Berechnung in Aussicht gestellt wird,

wobei zwischen dem Erwerb der Nebenware und der Hauptware ein

innerer Zweckzusammenhang dahin bestehen muß, daß die Nebenware mit

Rücksicht auf den Erwerb der Hauptware angeboten wird, der Kunde

also die Zugabe nicht ohne den Abschluß des Vertrags über die

Hauptware erlangen kann (vgl. Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht,

18. Aufl., § 1 ZugabeVO Rdnr. 1, 5 m.w.N.). Im Streitfall handelt

es sich bei dem von dem Antragsteller angegriffenen

,ProduktGeschenk" um eine von der Antragsgegnerin ohne besondere

Berechnung angebotene Zuwendung. Die Kundin darf jedoch dieses

,Produkt-Geschenk" auch dann behalten, wenn sie hinsichtlich der

Hauptware - der sogenannten Testanforderung, die mindestens 50,- DM

erreichen muß - fristgerecht von dem ihr von der Antragsgegnerin

eingeräumten 14-tägigen Rückgaberecht Gebrauch macht. Nach dem

objektiven Geschehen fehlt es somit an einer Voraussetzung für die

Annahme einer Zugabe im Sinne von § 1 Abs. 1 ZugabeVO, nämlich an

dem nach den oben angeführten Grundsätzen geforderten inneren

Zweckzusammenhang zwischen der Zuwendung und der Hauptware. Ob die

Zuwendung nicht ohne den Abschluß des Vertrags über die Hauptware

erlangt werden kann, richtet sich nach ständiger Rechtsprechung und

ersichtlich h.M. der Literatur aber nicht danach, was der Werbende

bezweckt sondern nach der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise

(BGH GRUR 1989/366 ,Wirtschaftsmagazin"; Baumbach-Hefermehl,

a.a.O., § 1 ZugabeVO Rdnr. 8, jeweils m.w.N.). Zumindest ein nicht

unbeachtlicher Teil der von der Antragsgegnerin umworbenen

Kundinnen wird jedoch meinen, das ihnen in Aussicht gestellte

,Produkt-Geschenk" verbleibe ihnen nur dann, wenn sie hinsichtlich

der ,Testanforderung" (Hauptware) nicht von ihrem Rückgaberecht

Gebrauch machen. Zu dieser - unrichtigen - Vorstellung werden die

Verbraucherinnen gelangen, weil aus dem im Tenor dieses Urteils

wiedergegebenen Katalog der Antragsgegnerin nebst Anlagen gerade

nicht - wie von der Rechtsprechung zu Recht gefordert (vgl. z.B.

BGH GRUR 1995/165, 166 ,Kosmetikset") - eindeutig und

unmißverständlich entnommen werden kann, daß die Kundin das

,Produkt-Geschenk" auch bei Rückgabe der Hauptware behalten

darf.

Der Katalog selbst enthält keine Information zu dem in Rede

stehenden ,Produkt-Geschenk"; entsprechende Hinweise finden sich

lediglich in den Anlagen zum Katalog, dort jedoch nur mit unklaren

Formulierungen oder an versteckter Stelle. Das dem Katalog

beiliegende Anschreiben der Antragsgegnerin, welches die Kundin im

Zweifel als erstes lesen wird und auf dessen zweiter Seite sich

auch die im Wortteil des Unterlassungstenors wiedergegebene Passage

findet, enthüllt selbst derjenigen Kundin, die sorgfältig liest und

über die Bedeutung der Erklärungen der Antragsgegnerin nachdenkt,

nicht, was es mit dem ,Produkt-Geschenk" bei Rückgabe der

Testanforderung auf sich hat. Die Angabe ,1 ProduktGeschenk Ihrer

Wahl als unser Dankeschön, wenn der Wert Ihrer ersten

Testanforderung 50,- DM erreicht" kann nämlich ohne weiteres dahin

verstanden werden, daß das ,ProduktGeschenk", das von der Höhe der

Testanforderung abhängt, auch sonst mit dem Schicksal der

Testanforderung verknüpft ist, also mit deren Rückgabe ebenfalls

zurückzugeben ist bzw. als Geschenk der Kundin nur verbleibt, wenn

sich diese entschließt, die Hauptware zu behalten. Zu dieser

Vorstellung wird die durchschnittliche Kundin um so mehr gedrängt,

als es sich bei dem ,Produkt-Geschenk" nicht um ein ,Pröbchen" von

geringem Wert handelt, wie es im Kosmetikbereich üblich ist,

sondern um eine Originalware der Antragsgegnerin. Diese

Originalware kann zudem angesichts der der Kundin eingeräumten

individuellen Wahlmöglichkeit auch ein im Katalog der

Antragsgegnerin angebotenes Produkt bis zum Preis von 59,- DM sein,

also ein Produkt, das ebenso teuer ist wie die sogenannte

Testanforderung bzw. deren Preis sogar überschreiten kann.

Hinzu kommt, daß die Antragsgegnerin ebenfalls auf Seite 2 des

erwähnten Anschreibens bei den dort als Dankeschön für die

,Antwort" der Kundin vorgestellten 4 Mini-Lippenstifte ausdrücklich

erklärt, daß die Kundin dieses Dankeschön auch dann erhält, wenn

die Kundin ,heute" nichts anfordert. Ein derartiger ausdrücklicher

Hinweis bei den MiniLippenstiften, die - anders als das zuvor

erwähnte

,Produkt-Geschenk" - ersichtlich eher als im Kosmetikbereich

übliche Warenprobe einzuordnen sind, läßt aus der Sicht der Kundin

erwarten, daß sie ebenfalls bei dem ,Produkt-Geschenk" entsprechend

ausdrücklich darüber aufgeklärt würde, wenn sie dieses Geschenk

auch bei Rückgabe der Testanforderung behalten dürfte. Sie wird

daher das Fehlen eines derartigen Hinweises bei dem

,Produkt-Geschenk" dahin verstehen, daß dieses Geschenk ihr gerade

nicht unabhängig davon angeboten wird, ob sie die ,Testanforderung"

behält oder nicht.

Die sonstigen Anlagen zum Katalog der Antragsgegnerin enthalten

ebenfalls keine eindeutige und unmißverständliche Aufklärung der

Kundin darüber, daß sie das ,ProduktGeschenk" selbst bei Rückgabe

der Testanforderung behalten darf. Bis auf den Bestellzettel (der

die Kennummer BC.6.285.21.D. trägt) finden sich dort vielmehr nur

die bereits in dem vorstehend erörterten Anschreiben enthaltenen

Angaben. Aber auch der erwähnte Bestellzettel klärt die Kundin

nicht gehörig auf. Dort werden zunächst im oberen Drittel des

Zettels die bereits erwähnten vier MiniLippenstifte bildlich und

auch im Text in den Vordergrund gestellt, wiederum mit dem Hinweis,

daß die Kundin diese Lippenstifte unabhängig davon erhält, ob sie

eine Bestellung aufgibt. Der übrige Inhalt des Bestellzettels weist

lediglich Angaben auf, wie sie schon in den anderen Kataloganlagen

genannt waren, bzw. enthält im unteren Drittel des Bestellzettels,

ein fettgedruckter Hinweis auf das ,Produkt-Geschenk", das dort

eingetragen werden soll, wenn der Wert der Testanforderung der

Kundin 50,- DM erreicht, ohne daß jedoch zumindest bei diesem

optisch deutlich hervorgehobenen Hinweis etwas dazu gesagt wird,

was mit dem ,Produkt-Geschenk" zu geschehen hat, wenn die Kundin

die Testanforderung wieder zurückgibt. Ein derartiger Hinweis

erscheint vielmehr erst in der sehr kleingedruckten und zusätzlich

durch sehr dünne Buchstaben unauffällig gestalteten Angabe in der

rechten untersten Ecke des Bestellzettels: ,Jedes Dankeschön der

Createure dürfen Sie in jedem Fall behalten. Auch wenn Sie von

Ihrem Rückgaberecht Gebrauch machen und sich nicht zum Kauf

entschließen." Ein großer Teil der Kundinnen wird angesichts dieser

Gestaltung des Bestellzettels dem - noch dazu nur allgemein auf

,jedes Dankeschön" und nicht speziell auf das ,Produkt-Geschenk"

bezogenen - buchstäblich an letzter Stelle angebrachten Hinweis

entweder keine Aufmerksamkeit schenken bzw. ihn schlicht überlesen

oder aber ihn nur flüchtig lesen und keine Verbindung zum

,Produkt-Geschenk" herstellen, weil diese Kundinnen zu Recht

erwarten werden, daß sie eine Aufklärung darüber, ob sie das

,Produkt-Geschenk" auch bei Wahrnehmung ihres Rückgaberechts

behalten dürfen, ebenso wie den bereits erörterten Hinweis zu den

vier Mini-Lippenstiften jeweils bei den konkret auf das

,Produkt-Geschenk" bezogenen Angaben finden und nicht, wie im

Streitfall, an versteckter Stelle.

Zumindest ein nicht unbeachtlicher Teil der von der

Antragsgegnerin umworbenen Verbraucherinnen, vermutlich aber sogar

ein weitaus größerer Kreis dieser Kundinnen, wird danach meinen,

das streitgegenständliche ,ProduktGeschenk" müsse bei Ausübung des

Rückgaberechts hinsichtlich der Warenbestellung ebenfalls

zurückgegeben werden, sei also ein Geschenk, welches an den

endgültigen Kauf der mit der sogenannten Testanforderung georderten

Ware gekoppelt ist. Damit erfüllt das von der Antragsgegnerin in

Aussicht gestellte ,Produkt-Geschenk" die oben angeführten

Voraussetzungen einer Zugabe im Sinne von § 1 Abs. 1 ZugabeVO.

Unerheblich ist dabei, ob der Kaufvertrag wie die Antragsgegnerin

geltend macht, für die Hauptware erst dann zustande kommt, wenn die

Kundin von ihrem Rückgaberecht keinen Gebrauch macht. Der für die

Annahme einer Zugabe im Sinne des § 1 Abs. 1 ZugabeVO geforderte

innere Zweckzusammenhang zwischen dem Haupt- und dem Nebengeschäft

braucht kein räumlicher oder zeitlicher zu sein. Die Zugabe muß nur

in äußerlich erkennbarer Weise mit Rücksicht auf den Erwerb der

Hauptware in Aussicht gestellt werden, sei es daß beide zeitlich

zusammenfallen, sei es auch, daß das eine dem an deren vorausgeht

oder nachfolgt (vgl. Baumbach-Hefermehl, a.a.O. § 1 ZugabeVO Rdnr.

6, 11 m.w.N.). Eine Zuwendung hat daher auch dann Zugabecharakter,

wenn sie erkennbar unter der Voraussetzung des nachfolgenden

Warenbezugs gewährt ist, somit nicht nur in der bloßen Erwartung

gewährt wird, daß die Bestellung und Annahme einer Hauptleistung

folgen werde, sondern vom Abschluß des späteren Hauptgeschäfts

abhängig ist. Im Streitfall besteht jedoch eine derartige

Abhängigkeit, denn die Kundinnen müssen nach den Ankündigungen der

Antragsgegnerin davon ausgehen, daß sie unabhängig vom Zeitpunkt

des Abschluß des Hauptgeschäfts das ,ProduktGeschenk" nur dann

behalten dürfen, wenn es zum endgültigen Kauf der Hauptware kommt,

vom Rückgaberecht der ,Testanforderung" also kein Gebrauch gemacht

wird.

Da schließlich die in § 1 Abs. 2 und 3 ZugabeVO angesprochenen

Ausnahmetatbestände vorliegend - unstreitig - nicht eingreifen, ist

somit die Antragsgegnerin gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 ZugabeVO in

Verbindung mit § 2 Abs. 1 ZugabeVO zur Unterlassung

verpflichtet.

2. In Óbereinstimmung mit dem Landgericht ist das angegriffene

Wettbewerbsverhalten der Antragsgegnerin darüber hinaus als

unlauteres übertriebenes Anlocken und damit als Verstoß gegen § 1

UWG zu werten.

Werbegeschenke an Kunden sind nicht in jedem Fall gemäß § 1 UWG

wettbewerbswidrig, sondern nur dann, wenn sie ein unsachliches

Mittel darstellen, das geeignet ist, die Entschließung des Kunden

in einer den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs widersprechenden

Weise zu beeinflussen. Dabei kommt es darauf an, ob die Geschenke

nach Zweck und Wirkung das Publikum im Rahmen einer bloßen

Aufmerksamkeitswerbung lediglich auf das eigene Angebot des

Werbenden hinweisen oder ob sie geeignet sind, den Kunden zu

veranlassen, seine Wahl in erster Linie nicht nach Preiswürdigung

und Qualität zu treffen, sondern danach, wie er in den

Genuß der fraglichen Zuwendung kommen kann (vgl. BGH GRUR

1958/649 f. ,Rocroni-Ascher"; BGH GRUR 1986/820 f. ,ProbeJahrbuch";

BGH WRP 1992/644 f. ,Glücksball-Festival"; BGH GRUR 1989/366 f.

,Wirtschaftsmagazin"; BGH GRUR 1995/165 f. ,Kosmetik-Set";

Baumbach-Hefermehl a.a.O., § 1 UWG Rdnr. 93 f., 97 m.w.N.).

Stellt man auf denjenigen nicht unbeachtlichen Teil der von der

Antragsgegnerin umworbenen Verbraucherinnen ab, die sämtliche

Anlagen zum Katalog der Antragsgegnerin sorgfältig von Anfang bis

Ende studieren und nach vollständiger Lektüre des Bestellzettels

tatsächlich entdecken, daß sie das für den Fall einer

Testanforderung ab 50,- DM versprochene ,Produkt-Geschenk" auch bei

(fristgerechter) Wahrnehmung ihres Rückgaberechts hinsichtlich der

mit der Textanforderung bestellten Waren behalten dürfen - nach der

Behauptung der Antragsgegnerin sollen dies sogar sämtliche

Kundinnen sein - stellt das von der Antragsgegnerin angebotene

,Produkt-Geschenk" unter Beachtung dieser Grundsätze ein von § 1

UWG untersagtes übermäßiges Anlocken dar. Wie schon im Rahmen der

Erörterung des § 1 Abs. 1 ZugabeVO erwähnt, handelt es sich bei

diesem Geschenk nicht um eine der im Kosmetikbereich üblichen

Warenproben, die der Kundin lediglich einen kurzfristigen Test -

eben nur ein Ausprobieren - eines bestimmten Erzeugnisses

ermöglichen sollen. Es geht auch nicht um eine geringwertige

Zuwendung in der Art der Werbegeschenke, wie sie z.B. Gegenstand

des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 1992

,Glücksball-Festival" waren (vgl. WRP 1992/664, dort ging es um

Taschenkämme, Taschenspiegel, Haarschleifen u.s.w.). Die

Antragsgegnerin bietet vielmehr der umworbenen Verbraucherin die

Möglichkeit, sich bei einer Testanforderung im Wert ab 50,- DM eine

beliebige Originalware aus dem Katalog als ,Produkt-Geschenk"

auszusuchen, damit auch einen Artikel, der zum Beispiel mit 59,- DM

dem Wert der Testbestellung nicht nur entspricht, sondern sogar

geringfügig höher ist. Dieser erhebliche Wert des

,Produkt-Geschenks" wird in den Augen der Verbraucherinnen

zusätzlich noch dadurch gestei gert, daß jeder beliebige Artikel

des Katalogs ausgewählt werden kann. Sowohl für sich genommen als

auch in Relation zu dem Gesamtwert der ,Testanforderung", der

erreicht werden muß, um das von der Antragsgegnerin in Aussicht

gestellte ,Produkt-Geschenk" zu erhalten, kann eine derartige

Zuwendung nicht mehr als bloße Aufmerksamkeitswerbung angesehen

werden. Die Attraktion, die von dem von der Antragsgegnerin

angekündigte ,ProduktGeschenk" ausgeht, ist vielmehr aus den

dargestellten Umständen derart erheblich, daß sie nicht nur einen

nicht unbeachtlichen Teil derjenigen Verbraucherinnen, die ohnehin

bei der Antragsgegnerin bestellen wollten dazu bringen wird, sehr

viel mehr zu bestellen, als zunächst vorgesehen, um in den Genuß

dieses wertvollen Geschenks zu gelangen, sondern ebenfalls solche

Verbraucherinnen, die eigentlich nichts bestellen wollten,

angesichts des in Aussicht gestellten Geschenks zu einer

Testanforderung von mindestens 50,- DM verleiten wird. In beiden

Fällen werden jedoch die Verbraucherinnen nicht in erster Linie

durch die Qualität und bzw. oder die Preiswürdigkeit der von der

Antragsgegnerin beworbenen Waren zu Bestellung veranlaßt sondern

durch das bei einer Testanforderung ab 50,- DM zu erlangende

wertvolle ,Produkt-Geschenk", dazu gebracht.

Ein derartiges Einwirken auf die Verbraucher verstößt gegen die

Grundsätze des Leistungswettbewerbs und ist deshalb unlauter. Dabei

spielt es keine Rolle, daß die von der Antragsgegnerin umworbenen

Kundinnen die Möglichkeit haben, die bei der Testanforderung

bestellten Waren innerhalb von 14 Tagen zurückzugeben (und das

,Produkt-Geschenk" dennoch zu behalten). Schon die Veranlassung

einer derartigen Testbestellung durch die Kundin mit Hilfe des

beanstandeten ,Produkt-Geschenks" ist gemäß § 1 UWG anstößig. Ist

nämlich die Testbestellung einmal bei der Kundin, hat die

Antragsgegnerin bereits eine beachtliche Schwelle für einen Kauf

der Waren durch die Kundin überwunden, sei es, weil der Kundin die

Produkte der Antragsgegnerin nach Ausprobieren der Ware zusagen,

sei es, weil das sehr großzügige Geschenk der Antragsgegnerin

etwaige Bedenken der Kundin gegenüber dem Produkt mindert und zu

deren Behalten veranlaßt, sei es aber auch nur, weil die Kundin

Hemmungen hat, die bestellten Produkte zurückzuschicken und damit

gegenüber der Antragsgegnerin konkludent zum Ausdruck zu bringen,

daß ihr deren Produkte nicht gefallen, gleichzeitig jedoch das

Geschenk (eine Originalware) zu behalten. Nicht wenige

Verbraucherinnen werden schließlich die Produkte nicht

zurückschicken, weil sie schlicht die Mühe scheuen, die Produkte

wieder zu verpacken und zur Post zu bringen (vgl. dazu bereits BGH

GRUR 1968/649, 651 ,Rocroni-Ascher").

3. Der Antragsteller ist aktivlegitimiert, den sich danach aus

§§ 1, 2 ZugabeVO und aus § 1 UWG ergebenen Unterlassungsanspruch

gemäß § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG (i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 2 ZugabeVO)

gegenüber der Antragsgegnerin geltend zu machen.

Daß dem Antragsteller eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden

angehört, die Waren gleicher oder verwandter Art auf demselben

Markt wie die Antragsgegnerin vertreiben, wie von § 13 Abs. 2 Ziff.

2 UWG gefordert, wird von der Antragsgegnerin angesichts der vom

Antragsteller glaubhaft gemachten Angaben zu Recht ebensowenig in

Frage gestellt wie die in der genannten Vorschrift vorausgesetzte

persönliche, sachliche und finanzielle Ausstattung des

Antragstellers zur tatsächlichen Wahrnehmung seiner satzungsgemäßen

Aufgaben der Verfolgung gewerblicher Interessen. Die vom

Antragsteller angegriffene Handlung der Antragsgegnerin ist jedoch

auch geeignet, den Wettbewerb auf dem hier in Rede stehenden Markt

wesentlich zu beeinträchtigen, so daß der Tatbestand des § 13 Abs.

2 Ziff. 2 UWG ebenfalls insoweit erfüllt ist. Bereits das

Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß sich das

Unterlassungsbegehren des Antragstellers gegen einen Verstoß

wendet, von dem eine erhebliche Anlockwirkung für die

angesprochenen Verkehrskreise ausgeht. Berücksichtigt man zudem,

daß sich das Wettbewerbshandeln der Antragsgegnerin ersichtlich auf

den gesamten deutschen Markt erstreckt, kann sowohl nach der Art

des streitgegenständlichen Verstoßes als auch nach seinem Umfang

und seiner Intensität kein Zweifel daran bestehen, daß der

Wettbewerb auf dem Kosmetikmarkt durch dieses Verhalten der

Antragsgegnerin entsprechend den überzeugenden Darlegungen des

Landgerichts wesentlich beeinträchtigt werden kann. Dies gilt um so

mehr, als das Verhalten der Antragsgegnerin dazu angelegt ist,

andere Wettbewerber zu gleichartigen Zuwiderhandlungen gegen § 1

Abs. 1 ZugabeVO bzw. gegen § 1 UWG zu veranlassen, um dem von dem

,Produkt-Geschenk" der Antragsgegnerin ausgehenden Anlockeffekt

entgegenzuwirken und die Aufmerksamkeit der umworbenen

Verkehrskreise ihrerseits in wettbewerbswidriger Weise auf die von

ihnen angebotenen Waren zu lenken.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Eine

Belastung des Antragstellers mit einem Teil der Gerichtskosten

wegen des im Berufungstermin neu formulierten Verfügungsantrags kam

nicht in Betracht. Diese Umformulierung des Antrags stellt aus den

bereits eingangs der Entscheidungsgründe angeführten Erwägungen

keine Antragsänderung im Sinne von § 263 ZPO dar. Sie beinhaltet

aber auch keine teilweise Rücknahme des Antrags nach § 269 ZPO;

dies gilt auch, soweit der Antragsteller mit dem neu formulierten

Antrag nicht mehr das Gewähren des mit der beanstandeten

Verlautbarung beworbenen ,Produkt-Geschenks" zur Unterlassung

fordert. Es liegt auf der Hand, daß sich der Streit beider Parteien

angesichts der angegriffenen Ankündigung der Antragsgengerin, die

den Streit ausgelöst hat, in erster Linie und maßgeblich um die

Frage der Zulässigkeit der Bewerbung des ,Produkt-Geschenks" dreht;

dieser Streit bestimmt damit auch den Streitwert. Demgegenüber

fällt das bis zur Antragsumformulierung beanstandete ,Gewährung"

des ,Produkt-Geschenks" nicht ins Gewicht und rechtfertigt daher,

wenn das Fallenlassen dieser Beanstandung als teilweise

Antragsrücknahme zu werten sein sollte, zu Gunsten der

Antragstellerin die Anwendung des § 92 Abs. 2 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO mit der Verkündung

rechtskräftig.






OLG Köln:
Urteil v. 29.11.1996
Az: 6 U 196/96


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