Landesarbeitsgericht Niedersachsen:
Beschluss vom 18. Februar 2005
Aktenzeichen: 10 Ta 129/05

(LAG Niedersachsen: Beschluss v. 18.02.2005, Az.: 10 Ta 129/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat in einem Beschluss entschieden, dass für die Festsetzung einer Einigungsgebühr gemäß VV 1000 im Kündigungsschutzprozess kein Vergleich nach § 779 BGB abgeschlossen werden muss. Der Anwendungsbereich der Einigungsgebühr ist weiter zu ziehen als der der Vergleichsgebühr nach § 23 Abs. 1 BRAGO. Die Einigungsgebühr entsteht, wenn die Parteien im Prozess einen Vergleich schließen, in dem sie sich über den ungekündigten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses einig sind.

Der Kläger hatte Kündigungsschutzklage eingereicht und einen Vergleich mit der Beklagten geschlossen, in dem sie sich darauf einigten, dass das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht. Das Arbeitsgericht Osnabrück hatte daraufhin die Kosten festgesetzt. Der Kläger legte dagegen sofortige Beschwerde ein und argumentierte, dass keine Einigungsgebühr entstanden sei.

Das Landesarbeitsgericht entschied jedoch, dass die Einigungsgebühr zulässig ist. Die Einigungsgebühr ist an die Stelle der Vergleichsgebühr getreten und soll die streitbeendende Tätigkeit des Rechtsanwalts fördern. Für die Einigungsgebühr ist der Abschluss eines echten Vergleichs im Sinne von § 779 BGB nicht mehr erforderlich. Im vorliegenden Fall wurde die Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses durch den geschlossenen Vergleich beseitigt, der nicht ausschließlich ein Anerkenntnis des Klageanspruchs durch die Beklagte beinhaltete. Daher war gegen den Kläger eine Einigungsgebühr festzusetzen.

Die sofortige Beschwerde des Klägers wurde somit zurückgewiesen und gegen ihn wurde eine Gebühr festgesetzt. Die Rechtsbeschwerde wurde jedoch zugelassen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LAG Niedersachsen: Beschluss v. 18.02.2005, Az: 10 Ta 129/05


1. Die Einigungsgebühr nach VV 1000 erfordert nicht den Abschluss eines Vergleichs nach § 779 BGB. Ihr Anwendungsbereich ist daher weiter zu ziehen als der der Vergleichsgebühr nach § 23 Abs. 1 BRAGO.

2. Die Einigungsgebühr ist daher entstanden, wenn die Parteien im Kündigungsschutzprozess einen Vergleich schließen, wonach Einigkeit über den ungekündigten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses besteht.

Tenor

Es wird die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 24.11.2004 - 3 Ca 585/04 - zurückgewiesen.

Gegen den Kläger wird eine Gebühr von 40,00 € festgesetzt. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

A. Streitgegenstand der Beschwerde ist die Festsetzung einer Einigungsgebühr.

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben mit dem Antrag, es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 01.09.2004 nicht beendet worden ist, sondern ungekündigt fortbesteht.

Im Gütetermin vom 01.10.2004 haben die Parteien einen Vergleich mit folgendem Inhalt geschlossen:

1. Es besteht Einigkeit zwischen den Parteien, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch über die streitgegenständliche Arbeitgeberkündigung vom 01.09.2004 zu den bisherigen Arbeitsbedingungen ungekündigt fortbesteht.

2. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.

3. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

Das Arbeitsgericht hat den Streitwert für das Verfahren und den Vergleich auf 6.396,93 € festgesetzt. Unter Zugrundelegung dieses Streitwerts hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers gemäß § 11 RVG beantragt, eine Einigungsgebühr von 375,00 € zuzüglich Umsatzsteuer gegen den Kläger festzusetzen. Die Rechtsschutzversicherung des Klägers weigert sich, diese Gebühr zu bezahlen, weil ihrer Auffassung nach kein Nachgeben vorliegt.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 24.11.2004 die beantragten Kosten gegen den Kläger festgesetzt. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner am 29.11.2004 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Unter Bezug auf die Rechtsprechung zu § 23 Abs. 1 BRAGO meint der Kläger, eine Einigungsgebühr sei nicht entstanden.

B I. Die sofortige Beschwerde ist statthaft. Der Beschwerdewert von 200,00 € (§ 11 Abs. 2 Satz 3 RVG, § 78 Satz 1 ArbGG, § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 567 Abs. 2 ZPO) ist angesichts einer Beschwer von 435,00 E erreicht.

Die sofortige Beschwerde ist am 29.11.2004 und somit fristgerecht (§ 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO) eingelegt. Ohnehin ist eine Zustellung des angegriffenen Beschlusses der Akte nicht zu entnehmen.

II. Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Einigungsgebühr gegen den Kläger festgesetzt.

1. Die Einigungsgebühr nach VV 1000 ist an die Stelle der Vergleichsgebühr nach § 23 Abs. 1 BRAGO getreten. Diese gebührenrechtliche Neuregelung soll die streitvermeidende oder -beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter fördern und damit gerichtsentlastend wirken. Sie soll außerdem die bisher häufige kostenrechtliche Auseinandersetzung über die Frage, ob ein Vergleich im Sinne von § 779 BGB vorliegt, vermeiden. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ist für die Einigungsgebühr daher der Abschluss einen echten Vergleichs im Sinne von § 779 BGB nicht mehr erforderlich. Dies wird bereits durch die Änderung der Bezeichnung "Vergleichsgebühr" in die bereits begrifflich umfassendere "Einigungsgebühr" verdeutlicht. Die Einigungsgebühr entsteht daher bereits für die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, ess sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht (Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz-KostRMoG) BT-Drucks. 15/1971, S. 204 zu Anlage 1 zu Teil 1 zu Nr. 1000). Der Anwendungsbereich der Einigungsgebühr ist daher weiterzuziehen als der der bisher geregelten Vergleichsgebühr (Gebauer/Schneider, RVG, 2. Aufl., VV 1000, Rz. 29).

2. An diesem Maßstab gemessen, war gegen den Kläger eine Einigungsgebühr festzusetzen.

Durch den am 01.10.2004 geschlossenen Vergleich ist die Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses beseitigt worden. Der Vergleich beschränkt sich auch nicht ausschließlich auf ein Anerkenntnis des Klaganspruchs durch die Beklagte. Die Parteien haben im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Einigkeit erzielt, dass das Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Bedingungen fortbestehen soll. Der Sache nach enthält der Vergleich somit eine Rücknahme der Kündigung. Eine Rücknahme der Kündigung kann jedoch nur einvernehmlich mit Zustimmung des Arbeitnehmers erfolgen und ist ein aliud gegenüber der durch Urteil erstrittenen Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Die einvernehmliche Regelung ermöglicht anders als eine durch Urteil erstrittene Weiterbeschäftigung eine unbelastete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte hat damit nicht lediglich den geltend gemachten Anspruch erfüllt, so dass ein Anerkenntnis im Sinne der Regelung in VV 1000 ausscheidet (vgl. BT-Drucks. 15/1971, a.a.O.).

C Wegen der Erfolglosigkeit der Beschwerde war gegen den Kläger eine Gebühr gemäß § 3 Abs. 2 GKG in Verbindung mit der Anlage 1, Gebühren-Nr. 8613 festzusetzen. Anlass, von dem dort eingeräumten Ermessen zur Ermäßigung der Gebühr Gebrauch zu machen, bestand nicht.

Die Rechtsbeschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 78 Satz 2 ArbGG, § 72 Abs. 2 Nr. 1 in der Fassung des Anhörungsrügengesetzes vom 09.12.2004, BGBl. I, 5. 3220).






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Beschluss v. 18.02.2005
Az: 10 Ta 129/05


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