Bayerisches Landessozialgericht:
Beschluss vom 5. Januar 2009
Aktenzeichen: L 10 B 720/08 AL ER

(Bayerisches LSG: Beschluss v. 05.01.2009, Az.: L 10 B 720/08 AL ER)

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss desSozialgerichts Nürnberg vom 08.07.2008 in Punkt I. abgeändert undin Punkt II. und IV. aufgehoben. Der Antrag, die aufschiebendeWirkung des Widerspruchs vom 09.06.2008 gegen den Bescheid vom26.05.2008 anzuordnen, wird abgelehnt. Im Übrigen wird dieBeschwerde zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Streitig ist die Erteilung einer befristeten Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung.

Die Antragstellerin (ASt), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (S. GmbH - S. Personal Service) betreibt seit dem Jahr 2002 u.a. eine Zeitarbeitsfirma (Arbeitnehmerüberlassung), der bislang die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung jeweils befristet für ein Jahr, zuletzt mit der Urkunde vom 10.05.2007 für die Zeit bis 05.06.2008, erteilt worden war.

Am 19.12.2007 beantragte die ASt bei der Antragsgegnerin die Verlängerung der befristeten Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.

Nachdem einer der Geschäftführer der ASt, A. S. (St.), mit Urteil des Landgerichts N. vom 19.12.2007 wegen Untreue rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden war, zog die Ag in Betracht, die erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung wegen Unzuverlässigkeit des Geschäftsführers zu widerrufen (Anhörung vom 15.01.2008).

Nachdem der Ag zur Kenntnis kam, dass gegen den zweiten Geschäftsführer, C. M. (M.), verschiedene Ermittlungsverfahren eingeleitet worden seien, hörte sie auch diesen mit Schreiben vom 12.03.2008 an. Nähere Auskünfte zu den gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren gab M. nicht, weil die Informationsbeschaffung seitens der Ag ohne hinreichende Ermächtigungsgrundlage erfolgt sei. Im Übrigen seien sämtliche Ermittlungsverfahren eingestellt worden und stünden mit der beruflichen Tätigkeit nicht in Zusammenhang.

Mit Bescheid vom 26.05.2008 nahm die Ag gegenüber der ASt die bis 05.06.2008 befristete Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung mit Wirkung für die Zukunft zurück und lehnte zugleich den Antrag (vom 19.12.2007) auf Verlängerung dieser Erlaubnis für die Zeit ab dem 06.06.2008 ab. Der Geschäftsführer St. der Ag habe wiederholt unvollständige und unrichtige Angaben zu entscheidungserheblichen Gesichtspunkten seine Zuverlässigkeit betreffend (Angaben zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren) gemacht.

Es sei auch nicht ausreichend - wie von der ASt im Anhörungsverfahren angeregt - die Verlängerung der Erlaubnis mit der Auflage zu versehen, St. von der Geschäftsführung auszuschließen, weil auch gegen den zweiten Geschäftsführer M. eine größere Zahl staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren eingeleitet worden seien, zu denen M. bis 2005 keinerlei Angaben gemacht habe. Die Ermittlungsverfahren seien zwar alle eingestellt und auf den Privatklageweg verwiesen worden. Dies beruhe jedoch auf dem Umstand, dass es sich wiederholt um handgreifliche Streitigkeiten, Beleidigungen und Tätlichkeiten mit ehemaligen oder noch beschäftigten Leiharbeitnehmern gehandelt habe, in denen regelmäßig eine Gegenanzeige erfolgt war. Darüber hinaus seien gegen M. Bußgelder wegen Ordnungswidrigkeiten nach dem Arbeitszeitgesetz verhängt worden, so dass sich insgesamt auch Zweifel an der Zuverlässigkeit des M. ergäben. Durch die Verweigerung der Erlaubnis sei auch nicht die Existenz der Ag gefährdet, weil - der Eintragung im Handelsregister zufolge - die Arbeitnehmerüberlassung lediglich einen Teilbereich der betrieblichen Aktivitäten betreffe.

Über den hiergegen erhobenen Widerspruch (vom 09.06.2008) ist - soweit nach Lage der Akten ersichtlich - noch nicht entschieden.

Am 09.06.2008 hat die Ag beim Sozialgericht Nürnberg (SG) beantragt, die Vollziehung des Rücknahmebescheides vom 26.05.2008 - in Bezug auf die am 10.05.2007 befristet bis 05.06.2008 erteilte Erlaubnis - auszusetzen. Im Weiteren hat die ASt beantragt, die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr eine bis 05.06.2009 befristete Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zu erteilen. Die Entziehung bzw. Verweigerung der Erlaubnis beruhe auf der unzutreffenden Annahme der Ag, die Geschäftsführer der Ag seien unzuverlässig. Die Tatsachen, die einen Schluss auf die Unzuverlässigkeit der Geschäftsführer zuließen, habe die Ag zu beweisen, wobei die Straftaten bzw. die Ermittlungsverfahren, auf die die Ag ihre Auffassung stütze, nicht geeignet seien, Zweifel an der Zuverlässigkeit der Geschäftsführer zu begründen.

Am 10.06.2008 hat die ASt gegenüber der Ag erklärt, dass sie ab dem 01.06.2008 keine Arbeitnehmerüberlassung mehr durchführe. Die Erlaubnisurkunde vom 10.05.2007 hat die ASt an die Ag zurückgegeben. Als Konsequenz aus der Weigerung der Ag, die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zu verlängern, habe man sich entschlossen, die vorhandenen Arbeitnehmerüberlassungsverträge bis zum Abschluss des Eilverfahrens auf eine andere Gesellschaft zu übertragen.

Die Ag hat hierzu mitgeteilt, dass die Fa. S. unter dem gleichen Namen "S. Personal-Service GmbH" unter dem Namen der Ehefrau des St. weitergeführt werde. Dieser Firma sei eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung für den Zeitraum vom 08.05.2008 bis 07.05.2009 erteilt worden.

Das SG hat mit Beschluss vom 08.07.2008 abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Bescheides der Ag vom 26.05.2008 wiederherzustellen (Punkt I. des Tenors - gemeint war wohl, dass die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches vom 09.06.2008 abgelehnt wird). Im Weiteren hat das SG auch abgelehnt, im Wege der einstweiligen Anordnung, die Ag zu einer bis 05.06.2009 befristeten Verlängerung der Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Punkt II. des Tenors) zu verpflichten. Für beide Anträge bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Die ASt habe am 10.06.2008 erklärt, dass sie ab dem 01.06.2008 keine Arbeitnehmerüberlassung mehr durchführe bzw. die bestehenden Arbeitsverträge auf einen Dritten übertragen habe. Auch werde die bisherige Firma nunmehr von der Ehefrau des St. weitergeführt, und in diesem Zusammenhang sei bereits eine Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung erteilt worden.

Gegen diesen Beschluss hat die ASt am 29.07.2008 Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und beantragt, die sofortige Vollziehung des Rücknahmebescheides vom 26.05.2008 auszusetzen und die Ag zu verpflichten, eine bis 05.06.2009 befristete Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung zu erteilen. Es bestehe nach wie vor ein Rechtsschutzbedürfnis, weil die Fa. S. GmbH - S. Personal Service nicht identisch sei mit der Fa. S. Personalservice GmbH, die von der Ehefrau des St. geleitet werde, und auf die die Arbeiternehmerüberlassungsverträge - mit Zustimmung der Arbeitnehmer - übertragen worden seien. Die ASt selbst führe derzeit keine Arbeitnehmerüberlassung durch.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Ag sowie die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der ASt ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Ein Abhilfeverfahren war - nach Eingang der Beschwerde am 29.07.2008 - nicht mehr erforderlich, nachdem § 174 SGG mit Wirkung ab 01.04.2008 ohne Übergangsvorschrift ersatzlos entfallen ist (Art 1 Nr 30; Art 5 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.03.2008 - BGBl I S 444). Das Rechtsmittel erweist sich im Wesentlichen als unbegründet.

Das SG hat - zumindest im Ergebnis - zu Recht die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes verweigert.

Vorliegend stehen im Streit die - getrennt zu betrachtenden - Verfügungen des Bescheides vom 26.05.2008, die Rücknahme der bis 05.06.2008 befristeten Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung und die Ablehnung, diese Erlaubnis zu verlängern.

Hinsichtlich beider Verfügungen ist Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes § 86b Abs 1 Nr 2 SGG, weil ein Widerspruch sowohl gegen die Aufhebung als auch gegen die Ablehnung einer Verlängerung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung keine aufschiebende Wirkung hat (§ 86a Abs 4 Satz 1 SGG).

Mit der Rücknahme der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung wird in eine Rechtsposition der ASt eingegriffen, die durch die aufschiebende Wirkung eines Widerspruches wieder herzustellen ist.

Aber auch für die Verlängerung dieser Erlaubnis bedarf es keiner Regelungsanordnung, denn dieses Rechtsschutzziel ist bereits allein durch die Anfechtung der Ablehnungsentscheidung vom 26.05.2008 zu erreichen. Mit der Ablehnung, die Erlaubnis zu verlängern (Punkt II. des Tenors), hat die Ag eine ansonsten - kraft Gesetzes angeordnete - automatische Verlängerung der (befristeten) Erlaubnis unterbunden, § 2 Abs 4 Satz 3 Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG), so dass im Ergebnis bereits eine aufschiebende Wirkung des Widerspruches dem Anliegen der ASt Rechnung trägt.

Entgegen der Auffassung des SG waren die Anträge der ASt jedoch zulässig, denn das Rechtschutzinteresse war ihnen nicht abzusprechen.

Hinsichtlich der Verlängerung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besteht offenkundig ein berechtigtes Interesse der ASt, auch wenn die ASt derzeit keine Arbeitnehmerüberlassung betreibt. Sie hat nämlich dargelegt diesen Geschäftszweig fortzuführen zu wollen, und unter diesen Umständen besteht ein berechtigtes Interesse, die möglicherweise geringeren Anforderungen in Anspruch nehmen zu können, die im Falle einer Verlängerung der Erlaubnis gefordert werden.

Aber auch die Rücknahme der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hat sich nicht in sonstiger Weise erledigt (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X), so dass ein Rechtsschutzinteresse an der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches zu verneinen wäre.

Die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (vom 10.05.2007) war zwar bis zum 05.06.2008 befristet, und die ASt hat auf die Abwicklungsfrist, die ihr nach § 2 Abs 4 Satz 4 AÜG einzuräumen war, verzichtet, indem sie auf die weitere Ausführung der Arbeitnehmerüberlassung (für die Zeit ab dem 01.06.2008) verzichtet hat. Gleichwohl bestand ein berechtigtes Interesse der ASt am Fortwirken der bisher erteilten Erlaubnis, denn das nahtlose Bestehen dieser Erlaubnis ist zwangsnotwendig Voraussetzung für die kraft Gesetzes angeordnete, automatische Verlängerung einer befristeten Erlaubnis.

Im Ergebnis sind die Anträge der ASt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen die Entscheidungen der Ag vom 26.05.2008 anzuordnen jedoch unbegründet.

26Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, § 86b Abs 1 Nr 2 SGG. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruches ist nur möglich, wenn das besondere Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das vom Gesetz vorausgesetzte Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt, wobei bei der Prüfung der Interessen zuerst auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen ist. Unter Berücksichtigung des § 86a Abs 4 Satz 1 ist jedoch von einem Regel- Ausnahme- Verhältnis auszugehen, wonach der Suspensiveffekt des Rechtsmittels die mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben muss (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 86b Rdnr 12c).

27Hieraus ist abzuleiten, dass ein offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakt kein öffentliches Interesse an der Vollziehbarkeit begründen kann, so dass in diesen Fällen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu erfolgen hat. Andererseits kann ein Widerspruch, der offensichtlich keinen Erfolg haben kann, kein überwiegendes privates Interesse begründen, das die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruches rechtfertigen würde. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in diesem Sinne nicht abschätzbar, bleibt eine Interessenabwägung, wobei an das Aussetzungsinteresse grundsätzlich umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je höher die Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache ist (vgl. Keller aaO § 86b Rdnr 12e).

Bei der Abwägung der Interessen sind ua die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten, die drohende Verletzung von Grundrechten, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Frage zu berücksichtigen, ob dem Rechtsschutzsuchenden schwere und durch ein Hauptsacheverfahren nicht wieder gut zu machenden Nachteile entstehen können. Dem sind gegenüber zu stellen die general- oder spezialpräventive Wirkung der Entscheidung sowie das Verhalten der ASt im Verwaltungsverfahren, das zu der Entscheidung geführt hat.

Unter Beachtung dieser Kriterien ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruches nicht anzuordnen, weil die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes zwar nicht auszuschließen sind, der Erfolg der Ag im Hauptsacheverfahren jedoch nicht mit so hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass eine Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens - die durch eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches eintreten würde - gerechtfertigt wäre.

Nach den Ermittlungen der Ag bestehen auch aus Sicht des Senates berechtigte Zweifel an der Zuverlässigkeit beider Geschäftsführer der ASt, die sowohl die Rücknahme der Erlaubnis (§ 4 Abs 1 Satz 1 AÜG) als auch die Ablehnung ihrer Verlängerung rechtfertigen (§ 3 Abs 1 Nr. 1 AÜG), so dass auch eine Erlaubnis mit Auflage, die Geschäftsführer St. und M. von der Geschäftsführung auszuschließen, nicht geeignet erscheint einen milderen Eingriff darzustellen.

Die in Bezug auf den Geschäftsführer St. ermittelte Verurteilung wegen Untreue hat gezeigt - soweit der Sachverhalt, der der Verurteilung durch das Amtsgericht A-Stadt (Ausgangsentscheidung zum landgerichtlichen Urteil vom 19.12.2007) zugrunde gelegt worden ist, herangezogen wird -, dass St. in der Lage und Willens ist, Firmengelder - unter Missachtung gesellschaftsrechtlicher Vereinbarungen - nach eigenem Gutdünken zu verwenden und hierdurch auch in Kauf nimmt, den Bestand einer (Handels)Gesellschaft und damit von Arbeitsplätzen zu gefährden.

Hinsichtlich des Geschäftsführers M. liegen zwar keine rechtskräftigen Verurteilungen vor, die Vielzahl der gegen M. eingeleiteten Ermittlungsverfahren - so die Feststellungen der Ag - betrafen Tätlichkeiten, Beleidigungen und handgreifliche Streitigkeiten mit Leiharbeitnehmern, und die Verfolgung dieser Taten lag nicht im öffentlichen Interesse, weil in diesen Auseinandersetzungen regelmäßig beiden Seiten, d.h. der Geschäftsführer M. und die Arbeitnehmer aktive Rollen gespielt haben. Für sich gesehen begründet ein einzelner derartiger Vorfall zwar noch keinen hinreichenden Hinweis auf eine fehlende Zuverlässigkeit des M. Die Vielzahl der Verfahren deuten jedoch darauf hin, dass M. gehäuft in Situationen gerät, die in Konfrontationen mit Arbeitnehmern enden, so dass der Schluss gezogen werden kann, dass auch die Einhaltung arbeitsrechtlicher Pflichten des M. gelegentlich im Streit stehen, was letztlich auf eine fehlende Zuverlässigkeit des M. schließen lässt. Diese Sachverhalte wird die Ag jedoch aufzuklären haben, wobei der Senat die datenschutzrechtlichen Bedenken des M. - im Hinblick auf die Möglichkeiten zur Datenerhebung nach § 13 Abs 2 Satz 2 Nr 2 a) Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) - nicht teilt. Dies erscheint insbesondere geboten, da zwar M. auch mit Bußgeld geahndete Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz vorgeworfen werden, diese jedoch ebenfalls nicht hinrechend in der Akte der Ag dokumentiert sind.

Auch wenn die fehlende Zuverlässigkeit der Geschäftsführer der ASt bisher nicht zweifelfrei erwiesen ist und die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens noch als offen anzusehen sind, ist im Rahmen der hieraus notwendigen Interessenabwägung die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 09.06.2008 nicht anzuordnen, weil die ASt keinerlei Gesichtspunkte vorgetragen hat, die schwere und nicht wieder gut zu machenden Nachteile erwarten lassen, wenn sie auf das Hauptsacheverfahren verwiesen wird.

Zum einen hat die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung bisher nur einen Teil der betrieblichen Aktivitäten der ASt umfasst, und es ist nicht dargelegt, dass sie durch die Abgabe dieses Geschäftszweiges so erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleidet, die sie in ihrer Existenz gefährden könnten. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die ASt die laufenden Arbeitnehmerverträge auf einen Dritten übertragen hat und im Falle eines erfolgreichen Rechtsstreites eine Rückübertragung erfolgen würde. Es gibt insoweit keinerlei Anhaltspunkte, dass diese Rückübertragung nicht auch nach einem erfolgreichen Hauptsacheverfahren erfolgen würde, insbesondere weil dieser Dritte eine Firma ist, deren Geschäftsführerin die Ehefrau des St. ist, und deren Firma "S. Personal Service GmbH" ein hohes Verwechslungspotential mit der Firma der ASt aufweist ("S. GmbH" Personal Service), so dass der Schluss nahe liegt, dass zumindest St. auch an dieser (dritten) Firma beteiligt ist. Zuletzt erscheint die Versagung der Erlaubnis - vor dem Hintergrund der geringen Erfolgsaussichten - auch nicht unverhältnismäßig, insbesondere weil eine Auflagenerteilung als milderes Mittel, der Ausschluss der beiden einzigen Geschäftsführer St. und M, ungeeignet erscheint, denn hierdurch würde die ASt auch auf anderen Betätigungsfeldern handlungsunfähig, und es bestünde damit die Gefahr, dass die gesamten betrieblichen Aktivitäten der ASt zum Erliegen kommen.

Im Ergebnis ist daher kein besonderes Aussetzungsinteresse der ASt zu erkennen, das rechtfertigen würde das gesetzlich angeordnete Vollzugsinteresse in den Hintergrund treten zu lassen, zumal die Ag mit ihrer Entscheidung auch ihrem Auftrag nachkommt, das Klientel der besonders schutzwürdigen und schutzbedürftigen Leiharbeitnehmer vor nicht zuverlässigen Arbeitgebern zu schützen.

Die Kostenentscheidung beruht auf allein § 197a SGG iVm.§ 154 Abs 1, § 162 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und ergibt sich aus dem Unterliegen der ASt im Ergebnis.

Eine gesonderte Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten unter Berücksichtigung des § 193 SGG bedurfte es nicht, denn § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGG schließt dessen Anwendung ausdrücklich aus. Über die entsprechende Anwendung des § 162 Abs 1 VwGO wird in Verfahren des § 197a SGG auch die Kostentragungspflicht in Bezug auf die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten geregelt. Die Entscheidung des SG in Punkt IV. des Tenors war daher aufzuheben; denn es ergibt sich bereits aus Punkt III. des Tenors, dass die ASt ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Anhaltspunkte dafür, dass ein vom Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR abweichendes wirtschaftliches Interesse vorliegt, waren auch im Beschwerdeverfahren weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).






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Az: L 10 B 720/08 AL ER


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