Landgericht Köln:
Urteil vom 9. August 2006
Aktenzeichen: 28 O 63/06

(LG Köln: Urteil v. 09.08.2006, Az.: 28 O 63/06)

Tenor

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,

nicht von dem verstorbenen Künstler L (mit-) geschaffene Werke, insbesondere nicht eine so genannte "Schwamm-Skulptur", als von L allein oder zusammen mit einem anderen Urheber, insbesondere S, stammend auszustellen, anzubieten oder zu bewerben, insbesondere nicht wie nachstehend abgebildet:

2. den Klägern über Art und Umfang der vorstehend beschriebenen Handlungen Auskunft zu geben und Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses mit der Angabe der einzelnen Angebote und Werbemaßnahmen sowie des jeweils erzielten Verkaufspreises,

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, den Klägern allen Schaden zu erstatten, der ihnen aus den vorstehend zu Ziff. I. 1. bezeichneten Handlungen der Beklagten entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger sind die alleinigen Erben des Künstlers L. Der Beklagte zu 1) ist Dipl.-Ingenieur und Architekt und hat Ende der fünfziger Jahre bis Anfang der sechziger Jahre mit L in Kontakt gestanden, wobei zwischen den Parteien umstritten ist, ob er L bei dessen künstlerischem Schaffen nur unterstützt oder mit ihm gemeinsam Werke der bildenden Künste geschaffen hat. Der Beklagte zu 2) ist Inhaber einer Galerie in I.

Während der Zusammenarbeit von L und dem Beklagten zu 1) ist vor allem das Theater in H gestaltet worden, und zwar insbesondere mit für L und sein Schaffen typischen blauen Schwämmen und Schwammreliefs. Dazu waren Schwämme gestaltet worden, die anschließend blau eingefärbt wurden. Diese wurden dann zu großen Reliefs zusammengefügt. Es waren auf der Theaterbaustelle gehärtete Schwämme und Schwammkombinationen zurückgelegt worden.

Der Beklagte zu 1) erstellte das hier streitgegenständliche Objekt in seiner jetzigen Form, indem er einen Schwamm auf einen Ständer montierte und ihn mit blauer Farbe besprühte. Die Herkunft der Schwämme, insbesondere die Frage, ob L und der Beklagte zu 1) sie gemeinsamen erstellt haben, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Beklagte zu 2) wollte auf der Kunstmesse Art Cologne in Köln Ende Oktober 2005 die hier streitgegenständliche so genannte "Schwamm-Skulptur" ausstellen und hat dazu - auch im Katalog zur Messe, dort auf den Seiten 520 und 521 - behauptet, dass die Skulptur 1958 von L und dem Beklagten zu 1) gemeinsam geschaffen worden sei.

Die Kläger behaupten, der Beklagte zu 1) haben nur technische Hilfe geleistet. Er sei künstlerisch oder werkschaffend jedoch niemals, jedenfalls nicht gemeinsam mit L, tätig geworden. Die Schwammskulpturen seien allein von L geschaffen worden, der nämlich bereits im Mai 1957, bevor er Anfang Juni nach H gekommen sei, in Paris und dann später im Juni und Juli 1997 von ihm zuvor geschaffene monochrome Schwammskulpturen ausgestellt habe.

Nach teilweiser Klagerücknahme hinsichtlich des ursprünglich angekündigten Antrages, das rechtskräftige Urteil im vorliegenden Rechtsstreit in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlichen zu dürfen, beantragen die Kläger,

I. die Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,

nicht von dem verstorbenen Künstler L (mit-) geschaffene Werke, insbesondere nicht eine so genannte "Schwamm-Skulptur", als von Herrn L allein oder zusammen mit einem anderen Urheber, insbesondere S, stammend auszustellen, anzubieten oder zu bewerben, insbesondere nicht wie nachstehend abgebildet:

2. den Klägern über Art und Umfang der vorstehend beschriebenen Handlungen Auskunft zu geben und Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses mit der Angabe der einzelnen Angebote und Werbemaßnahmen sowie des jeweils erzielten Verkaufspreises;

II. festzustellen, dass die Beklagten gesamtverbindlich verpflichtet sind, den Klägern allen Schaden zu erstatten, der ihnen aus den vorstehend zu Ziff. I. 1. bezeichneten Handlungen der Beklagten entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass es sich um ein gemeinsam geschaffenes Werk von L und dem Beklagten zu 1) handele. Die Beklagten behaupten, dass die für die Gestaltung des Theaters in H verwendeten Schwämme von L und dem Beklagten zu 1) gemeinsam erstellt und kombiniert worden seien, teils nur gehärtet und teilweise auch bereits (vor)eingefärbt. Die im Rahmen der Experimente zufällig entstandenen Schwammskulpturen wurden teilweise von L allein, teilweise von dem Beklagten zu 1) allein und teilweise gemeinschaftlich hergestellt. Sie seien dann entweder durch L oder den Beklagten zu 1) oder aber durch Handwerker (Maler) mit dem noch vorhandenen Pigment eingefärbt beziehungsweise die bereits vorgefärbten Schwämme seien nachgefärbt worden. Nach Beendigung der Arbeiten in H habe L dem Beklagten zu 1) die restlichen, nicht mehr benötigten aber bereits kombinierten und gehärteten Schwämme geschenkt. Auch das für das gemeinsame Werk verwendete Ultramarinpigment, welches der Beklagte zu 1) bezahlt habe, sei nach der gemeinsamen Zusammenarbeit in seinem Besitz geblieben. Einen dieser ihm von L überlassenen fertigen Schwämme habe der Beklagte zu 1) dann genommen, diesen entsprechend der gemeinsamen in der Theaterexperimentierwerkstatt entwickelten Idee auf einen Ständer montiert und ihn gemäß der gemeinsam entwickelten Methode mit den Originalmaterialien durch Besprühen eingefärbt. Bereits in der Vergangenheit sei auch von einem Anwalt der Klägerin zu 1) attestiert worden, dass zwischen Herrn L und dem Beklagten zu 1) Miturheberschaft hinsichtlich der in der gemeinsamen Bauhüttenzeit geschaffenen Werke gegeben sei. Gegenstand der gemeinsamen Kunst sei die Idee der "Luftarchitektur" und der "Klimatisierung des Raums" gewesen, die von beiden mit Bildern und Schwammreliefs umgesetzt worden sei bzw. habe umgesetzt werden sollen. Auch sei durch eine Rede von L belegt, die die Beklagten ausschnittweise auf Blatt 18 und 19 ihres Schriftsatzes vom 24. April 2006 wiedergeben, dass eine gemeinsame Urheberschaft vorliege und im übrigen auch das Recht übertragen worden sei, die gemeinsam geschaffenen Objekte zumindest zu veröffentlichen. Ferner ergebe sich aus der als Anlage B 14 vorgelegten E-Mail vom 10. Oktober 2005 des Yves-L-Archivs, dass es nicht nur das Werk des Einzelkünstlers L gebe, sondern auch das Werk der Miturheber L/Ruhnau.

Die Akten Landgericht Köln, Az. 28 O 581/05, lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von den Parteien vorgelegten Unterlagen und Schriftstücke Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

I. Die Kläger haben als Erben den geltend gemachten Unterlassungsanspruch.

1. Die Kläger haben allerdings keinen Anspruch gem. §§ 97 Abs. 1, 13 UrhG als Erben nach §§ 28, 30 UrhG von Herrn L als Urheber irgendeines Werkes, da auf der Grundlage des Vortrages der Parteien nicht von einer (Mit-)Urheberschaft von L am streitgegenständlichen Werk auszugehen ist. Das UrhG kennt kein so genanntes droit de nonpaternité, § 13 UrhG, verschafft also niemandem das Recht, Dritten die wahrheitswidrige Zuschreibung fremder Werke zu untersagen (vgl. Fromm/Nordemann-Hertin, Urheberrecht, 9. Aufl., § 13 Rdnr. 15). Das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft am Werk bezieht sich als urheberpersönlichkeitsrechtliche Befugnis nach § 11 UrhG allein auf die geistigen und persönlichen Beziehungen des Urhebers zu einem von ihm stammenden konkreten Werk (vgl. BGH, NJW 1960, 768 = LM § 1 LitUrhG Nr. 10 = GRUR 1960, 346 (347) - Der Nahe Osten rückt näher; Krüger-Nieland, in Festschr. f. Hauß, 1978, S. 215 (219 f.)). An einem solchen konkreten Werk von L als Gegenstand eines Urheberpersönlichkeitsschutzes fehlt es nach dem Vortrag der Kläger (vgl. dazu BGH NJW 1990, 1986 - Emil Nolde).

Die streitgegenständliche "Schwamm-Skulptur" ist nicht von L gemeinsam mit dem Beklagten zu 1) geschaffen worden. Die Voraussetzungen der Miturheberschaft gem. § 8 UrhG liegen nicht vor.

a) Voraussetzung ist zunächst eine persönliche geistige Leistung mehrerer. Miturheber wird nur derjenige, dessen Beitrag zu dem gemeinschaftlichen Werk die Anforderungen an eine persönliche geistige Leistung i. S. v. § 2 Abs. 2 UrhG erfüllt, der somit "wie ein Urheber" tätig geworden ist (BGH GRUR 1994, 39, 40 - Buchhaltungsprogramm; BGH GRUR 1963, 40, 41 - Straßen - gestern und morgen; OLG München GRUR 1956, 432, 434 - Solange Du da bist; OLG Schleswig GRUR 1985, 289, 290 - Tonfiguren; OLG München ZUM 1990, 186, 190; auch BGH GRUR 1985, 529 - Happening; KG GRUR 1984, 507 - Happening). Erforderlich ist damit ein schöpferischer Beitrag, der in Inhalt und/oder Formgebung des gemeinsamen Werkes seinen Niederschlag gefunden hat und sich nicht in bloßer Anregung oder Gehilfenschaft erschöpft, sondern selbst Werkeigenschaft besitzt (h. M. Schricker/Loewenheim § 8 Rn. 4; Sontag 7; Waldenberger 14; Werner BB 1982, 280). Auf den Umfang des Beitrags kommt es dagegen nicht an, vielmehr reicht grundsätzlich auch ein geringfügiger schöpferischer Beitrag zur Begründung von Miturheberschaft aus (OLG Karlsruhe GRUR 1984, 812, 813 - Egerlandbuch; Schricker/Loewenheim § 8 Rn. 4), sofern dieser nicht nur von völlig untergeordneter Bedeutung ist (LG München I ZUM 1999, 332, 338 - Miturheberschaft des Kameramannes - für Filmwerke) (zitiert nach Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Aufl., § 8 Rdnr. 3).

Schon an dieser Stelle ist zweifelhaft, ob die Schwämme überhaupt ein (gemeinsames) Werk von L und dem Beklagten zu 1) darstellen. Denn auch nach dem Vortrag der Beklagten waren die Schwämme selbst nicht das Schöpfungsziel, sondern sollten sie in Schwammreliefs im Theater in H eingebaut werden und stellten quasi das "Arbeitsmaterial" für das noch zu erstellende Werk dar. Die schöpferische Umsetzung der Idee der "Luftarchitektur" und der "Klimatisierung des Raums" bestand nicht in der Schaffung der einzelnen Schwämme, sondern sie sollte durch die Schwammreliefs erfolgen. Die Beklagten tragen auch nicht vor, inwieweit und wodurch der einzelne blaue Schwamm schöpferische Gestaltungshöhe besitzt. Vielmehr sollen sie rein zufällig geschaffen worden sein. Dass und warum in einem zufälligen Geschehen indes ein schöpferischer Akt von L (und dem Beklagten zu 1) gelegen hat, ist weder vorgetragen noch erläutert. Vor diesem Hintergrund fehlt es aber bereits an ausreichendem Vortrag zur persönlichen geistigen Schöpfung.

b) Aber auch bei unterstellter Werkqualität ist dennoch im vorliegenden Fall keine Miturheberschaft gegeben. Nicht jede schöpferische Mitarbeit mehrerer an einem Werk führt zu Miturheberschaft. Miturheberschaft entsteht vielmehr nur dann, wenn die Miturheber zur Schaffung eines gemeinsamen Werkes schöpferisch zusammenarbeiten. Gemeinschaftlichkeit der Werkschöpfung als gewollte Zusammenarbeit unter den Beteiligten setzt eine Verständigung über die gemeinsame Aufgabe und eine wechselseitige Unterordnung unter die Gesamtidee des Werkes voraus (BGH GRUR 1994, 39, 40 - Buchhaltungsprogramm; RGZ 82, 333, 336; Schricker/Loewenheim § 8 Rn. 9; Haberstumpf Rn. 111; Sontag 9; ausführlich Stroh 30 ff. Vertragsmuster zur Regelung der Zusammenarbeit s. Nordemann in Münchener Vertragshandbuch Bd. 3 Ziff. IX. 3). Für den in subjektiver Hinsicht erforderlichen Willen zur Zusammenarbeit ist ein sich auf das gemeinsame Schaffen beziehender natürlicher Handlungswille ausreichend, aber auch erforderlich (Schricker/Loewenheim § 8 Rn. 8) (zitiert nach Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Aufl., § 8 Rdnr. 16).

Eine solche gewollte Zusammenarbeit zwischen L und dem Beklagten zu 1) hat hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Werkes "Schwamm-Skulptur" auch auf der Grundlage des Vortrages der Beklagten nicht stattgefunden.

Dafür fehlt es zunächst an der schlüssigen Behauptung, dass L und der Beklagte zu 1) tatsächlich das streitgegenständliche Werk gemeinsam geschaffen haben. Vorhanden waren nach der Behauptung der Beklagten die für die Schwammreliefs für das Theater in H noch zurückgelegten Schwämme und Schwammkombinationen. Diese waren mit dem noch vorhandenen Pigment noch einzufärben oder, soweit sie bereits vorgefärbt waren, noch nachzufärben. Der Beklagte zu 1) hat dann aus einigen der damals bereits vorbereiteten noch unbehandelten Schwämme einen ausgewählt, aufgeständert, mit einem Sockel versehen und mittels einer Plexiglashaube geschützt. Damit hat er jedoch diese Skulptur allein geschaffen, nicht gemeinsam mit L. Ein schöpferischer Beitrag von L zu dieser "Schwamm-Skulptur", der von dem gemeinsamen Schöpfungswillen hinsichtlich gerade dieser Skulptur getragen sein könnte, ist nicht gegeben. Insbesondere ist auf der Grundlage des Vortrages der Beklagten überhaupt nicht sicher, dass L in irgendeiner Weise an der Erstellung des verwendeten Schwamms wirklich beteiligt war, da nach ihrem Vortrag dies außer durch L selbst teilweise von dem Beklagten zu 1), teilweise aber auch von einem Maler oder anderen Helfern gemacht wurde. Wenn aber der nach der Behauptung der Beklagten von dem Beklagten zu 1) verwendete Schwamm etwa von dem Beklagten zu 1) selbst oder dem beteiligten Maler nach der Idee, die L und der Beklagte zu 1) gemeinsam gehabt haben sollen, angefertigt worden ist, fehlt es an einem schöpferischen Beitrag von L. Die Idee ist im Urheberrecht bekanntlich nicht schutzfähig (vgl. Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 2 Rdnr. 37 m. w. N.), sodass dies als urheberrechtlich relevante Leistung von L für das streitgegenständliche Werk ausscheidet. Dabei spielt keine Rolle, dass es sich bei dem von dem Beklagten zu 1) geschaffenen Werk möglicherweise um ein Plagiat handeln könnte. Zum einen widersprechen die Kläger im vorliegenden Verfahren nicht der Herstellung der Schwammskulptur durch den Beklagten zu 1) und zum anderen sind Ansprüche wegen eines etwaigen Plagiats nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

Hinzu kommt auch bei dieser Frage der Umstand, dass nach dem Vortrag der Beklagten die Schwammskulpturen im Rahmen von Experimenten zufällig entstanden sind. Ein gemeinsamer Schöpfungswille ist damit jedoch gerade nicht gegeben.

Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob - entsprechend der Behauptung der Kläger - L Schwammskulpturen bereits im Jahr 1957 vor dem gemeinsamen Schaffen mit dem Beklagten zu 1) in H geschaffen und auch ausgestellt hat. Dies wäre ansonsten ggf. aufzuklären gewesen, da ein neuer Schöpfungsakt hinsichtlich der Schwammskulpturen nicht gegeben gewesen wäre, wenn diese Schwämme und Schwammskulpturen anschließend im Rahmen des Projektes in H nachgeschaffen und für die Reliefs verwendet worden wären; allenfalls die Reliefs selbst könnten dann ein neues Werk darstellen.

c) Es liegt auch keine Einwilligung von L in die Nutzung seines Namens für von dem Beklagten zu 1) geschaffene Werke vor. Insbesondere können sich die Beklagten dabei nicht auf die Ausführungen von L in seiner Rede, die sie in ihrem Schriftsatz vom 24. April 2006 zitieren, berufen. Denn L unterscheidet auch in dieser Rede eindeutig danach, wer ein Werk geschaffen hat. Die Begriffe der Urheberschaft vermengt er nicht. Ausgeführt hat er lediglich, dass er jedes Werk signieren könne, gleichgültig ob es von ihm sei oder nicht, um den Akt der Zusammenarbeit in der Kunst zu unterstützen. Damit hat er aber ersichtlich nicht ausgedrückt, dass er sich damit auch der Urheberschaft hinsichtlich des Werkes rühmen wollte, als damit seine tatsächliche schöpferische Beteiligung an der Schaffung des betroffenen Werkes. Diese Äußerung erscheint vielmehr atmosphärisch und vom Gedanken des gemeinsamen Erlebens der Kunst bzw. des Kunstschaffens getragen zu sein. Soweit der Beklagte zu 1) genannt ist, bezieht L seine Aussage zudem selbst auch nach der Darstellung der Beklagten auf die "Luftarchitektur" und die Schwammreliefs in H. Nur auf die tatsächliche schöpferische Tätigkeit selbst kommt es jedoch für die Frage der Bestimmung des Urhebers an. Insbesondere ist der Rede nicht zu entnehmen, dass L seine Zustimmung auch für den Fall erteilt hat, dass einer der an der Zusammenarbeit beteiligten Künstler ein Werk schafft und dann einen anderen Künstler als (Mit-) Urheber benennt. Genau um diesen Fall geht es jedoch vorliegend, sodass es an der Einwilligung für die vorliegende Konstellation schon aus diesem Grunde fehlt.

2. Die Kläger haben gegen die Beklagten einen Anspruch wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von L gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i. V. mit Art. 1 Abs. 1 GG.

a) Der rechtliche Schutz der Persönlichkeit gem. Art. 1 Abs. 1 GG endet nicht mit dem Tode. Vielmehr besteht der allgemeine Wert- und Achtungsanspruch fort, so dass das fortwirkende Lebensbild eines Verstorbenen weiterhin gegen schwerwiegende Entstellungen geschützt wird (vgl. vgl. BGH NJW 1990, 1986 - Emil Nolde - unter Hinweis auf: BGHZ 50, 133 (136 ff.) = NJW 1968, 1773 = LM Art. 2 GG Nr. 40 und Art. 5 GG Nr. 27 - Mephisto; BGH, NJW 1974, 1371 = LM Art. 5 GG Nr. 35 = GRUR 1974, 797 (798) - Fiete Schulze; BGH, LM Art. 1 GG Nr. 35 = GRUR 1984, 907 (908) - Frischzellenkosmetik; auch BVerfGE 30, 173 (194 f.) = NJW 1971, 1645 - Mephisto). Eine Fälschung eines Kunstwerkes kann grundsätzlich den geschützten Persönlichkeitsbereich des Künstlers, bezogen auf die Gesamtheit seines Werkschaffens, verletzen (vgl. auch BVerfGE 54, 148 (154) - Eppler: für das Unterschieben nicht getaner Äußerungen). Fälschungen sind - unabhängig von ihrer Qualität - geeignet, durch Verzerrung des Gesamtwerks das als Ausstrahlung des Persönlichkeitsrechts auch nach dem Tode des Künstlers fortbestehende künstlerische Ansehen und seine künstlerische Wertschätzung zu beeinträchtigen (BGH NJW 1990, 1986 - Emil Nolde).

Da die Beklagten die Skulptur auch nicht ausschließlich im Privatbereich halten wollen, sondern sie vielmehr jedenfalls für die Art Cologne der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben und gegebenenfalls veräußern wollten, ist eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Künstlerpersönlichkeit L zu bejahen (vgl. dazu BGH aaO.).

b) Ein Schutz ist auch nicht inzwischen wegen Zeitablaufs, nachdem mehr als 40 Jahre seit dem Tod von L vergangen sind, entfallen (obwohl man hierüber natürlich nachdenken könnte). Der BGH hat in der Emil Nolde-Entscheidung ausgeführt, dass die Dauer des postmortalen Persönlichkeitsschutzes sich nicht generell festlegen lasse. Sie hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei wird es neben der Intensität der Beeinträchtigung vor allem auf die Bekanntheit und Bedeutung des durch das künstlerische Schaffen geprägten Persönlichkeitsbildes ankommen. Das Schutzbedürfnis schwindet in dem Maße, in dem die Erinnerung an den Verstorbenen verblasst und im Laufe der Zeit auch das Interesse an der Nichtverfälschung des Lebensbildes abnimmt (vgl. BGHZ 50, 133 (140 f.) = NJW 1968, 1773 = LM Art. 2 GG Nr. 40 und Art. 5 GG Nr. 27 - Mephisto; BVerfGE 30, 173 (196) = NJW 1971, 1645 - Mephisto). Anders als bei einem ausübenden Künstler, der z. B. als Theaterschauspieler oder -regisseur in der Regel nur seinen Zeitgenossen in Erinnerung bleiben wird, kann das künstlerische Ansehen und die künstlerische Wertschätzung bei einem bildenden Künstler, der seiner Nachwelt ein bleibendes Werk hinterlässt, noch Jahrzehnte nach dem Tode fortbestehen, ohne dass der erforderliche Bezug zur Person des Verstorbenen verloren geht. Bei einem Künstler wie L, der - auch gemeinsam mit dem Beklagten zu 1) - zu den namhaften Vertretern dieses besonderen Stils zählt, ist auch rd. 4 Jahrzehnte nach dem Tode noch ein fortbestehendes Schutzbedürfnis anzuerkennen.

c) Die Argumentation der Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 19. Juli 2006 zur Emil-Nolde-Entscheidung des BGH läuft ins Leere. Denn sie nehmen weiterhin als Ausgangspunkt, dass ein Fall der Miturheberschaft vorliegt. Dann mag ihr Vortrag auch vertretbar sein. Wie dargelegt fehlt es jedoch an einer Beteiligung von L an der Schaffung der streitgegenständlichen Skulptur, ist er also gerade nicht (Mit-) Urheber.

Schließlich folgt auch aus dem Schreiben des Yves-L-Archiv nichts anderes. Denn dort bestätigt das Archiv nicht das Vorhandensein von Werken "L/S". Vielmehr wird mitgeteilt, dass man sich dort nur mit dem Werk von L beschäftigt. Durch setzen von Anführungszeichen um das Werk "L/S" wird vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass ein solches nicht bekannt ist, dieses jedenfalls nicht zu dem Werk von L gehört. Daraus folgt indes keine Bestätigung durch das Yves-L-Archiv, dass es ein Werk von "L/S" überhaupt gibt.

3. Wäre L allerdings entsprechend dem Vortrag der Beklagten als Urheber der streitgegenständlichen Schwammskulptur anzusehen, stünden den Klägern als seinen Erben die Rechte aus § 13 UrhG zu und würde sich ein Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 97 Abs. 1, 13 UrhG ergeben.

Das Benennungsrecht aus § 13 Satz 2 UrhG, also das Recht, zu bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist, schließt auch sein Gegenteil ein, nicht genannt zu werden (vgl. etwa Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 13 Rdnr. 32,33; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., § 13 Rdnr. 14). Zwar ist das Nennungsverbot nur auf die Urheberbezeichnung bei der Werkverwertung beschränkt und ist außerhalb der Nutzung des Werkes jedermann frei, über bestehende oder nicht bestehende Urheberschaffen zu berichten (vgl. Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 13 Rdnr. 32,33; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., § 13 Rdnr. 14). Inhalt des Unterlassungsanspruchs und des Schadensersatzanspruches der Kläger ist jedoch genau die Bezeichnung von L als (Mit-)Urheber des streitgegenständlichen Werkes im Zusammenhang mit der Verwertung des Werkes, nämlich bei dem Ausstellen, Anbieten oder Bewerben des Werkes.

II. Den Klägern steht gegen die Beklagten auch der geltend gemachte Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch zu.

Wie im Urheberrecht besteht auch der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung neben dem Unterlassungsanspruch als allgemeiner Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung über alle zur Schadensberechnung erforderlichen Angaben gemäß §§ 242, 259, 260 BGB. Anspruchsvoraussetzung ist lediglich das Vorliegen einer Rechtsverletzung; auf ein Verschulden des Verletzers kommt es nicht an (vgl. BGH GRUR 1988, 604, 605 - Kopierwerk; Wolff in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Aufl., § 97 Rdnr. 44 m. w. N.). Da eine Rechtsverletzung vorliegt, ist der Anspruch gegeben.

III. Auch der im Wege des Feststellungsantrags geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist gegeben. Das rechtliche Interesse für eine Feststellungsklage entfällt in der Regel nicht bereits dadurch, dass der Kläger im Wege der Stufenklage auf Leistung klagen kann, weil die Feststellungsklage trotz an sich möglicher Leistungsklage meist durch prozessökonomische Erwägungen geboten ist. Dies gilt nach feststehender Entsprechung des BGH jedenfalls im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und im Urheberrecht bereits deshalb, weil dort die Begründung des Schadensersatzanspruchs häufig auch nach erteilter Auskunft Schwierigkeiten bereitet und eine eingehende sachliche Prüfung zur Berechnungsmethode des Schadens (vgl. BGH NJW 2003, 3274). Im vorliegenden Fall handelt es sich zwar nicht um originäre urheberrechtliche oder wettbewerbsrechtliche Ansprüche, welche von den Klägern geltend gemacht werden. Für die Schadensberechnung ergeben sich jedoch aufgrund der ähnlich gelagerten Problematik die gleichen Schwierigkeiten, die für den BGH Beweggrund für die Zulassung der Feststellungsklage trotz möglicher Stufenklage gewesen sind.

IV. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 und 2, 269 Abs. 3, 709 S. 1 ZPO.

Streitwert: 1.000.000,00 €






LG Köln:
Urteil v. 09.08.2006
Az: 28 O 63/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/fffefea4dea0/LG-Koeln_Urteil_vom_9-August-2006_Az_28-O-63-06




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