Amtsgericht Wiesbaden:
Beschluss vom 10. Juli 2007
Aktenzeichen: 530 F 281/06 S, 530 F 281/06

(AG Wiesbaden: Beschluss v. 10.07.2007, Az.: 530 F 281/06 S, 530 F 281/06)

Tenor

Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 06.03.2007 wird dahingehend abgeändert, dass auch die Einigungsgebühr hinsichtlich der Folgesache Versorgungsausgleich in Höhe von insgesamt 101,15 Euro zu erstatten ist.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

In dem der Kostenfestsetzung zugrundeliegenden Scheidungsverfahren vereinbarten die Parteien einen Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Die Ehe der Parteien wurde am 27.07.2004 geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war die Antragstellerin bereits im Erziehungsurlaub und hat durchgehend während der Ehezeit Leistungen nach dem SGB II bezogen. Der Antragsgegner arbeitet seit Ende 2005 in Teilzeit. Der Antragsgegner hat die Scheidungsantragsschrift in nicht feststellbarer Zeit vor dem 09.02.2007 erhalten. Die von den Parteien erworbenen Anwartschaften auf Altersversorgung wurden im Verfahren nicht festgestellt. Den Parteien war jeweils Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt worden. Im Scheidungstermin trafen die Parteien im Hinblick auf die kurze Ehezeit und auf die mutmaßlich nur in geringer Höhe erworbenen Versorgungsanwartschaften folgende Vereinbarung:

Die Parteien verzichten wechselseitig auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs und nehmen diesen Verzicht auch wechselseitig an.

Die Antragstellervertreterin beantragte die Kostenfestsetzung unter Geltendmachung einer Einigungsgebühr aus dem Streitwert von 1.000,€ Euro für die Folgesache Versorgungsausgleich.

Die Einigungsgebühr wurde vom zuständigen Kostenbeamten nicht erstattet, da seiner Ansicht nach bei einem bloßen Verzicht nach dem Wortlaut des VV RVG Nr. 1000 keine Einigungsgebühr anfalle.

Hiergegen hat die Antragstellervertreterin "Rechtsmittel" eingelegt. Der Erinnerung wurde nicht abgeholfen.

Das eingelegte Rechtsmittel der Antragstellervertreterin ist als Erinnerung gemäß § 56 Abs. 1 RVG zulässig. Nach Auffassung des Gerichts ist die Erinnerung auch begründet. Die Frage des Anfalls einer Einigungsgebühr für die Vereinbarung der Parteien auf gegenseitigen Versorgungsausgleichsverzicht ist in der Rechtsprechung streitig. Während das OLG Karlsruhe (NJW 2007, 1072 f) und das OLG Stuttgart (FamRZ 2007, 232 f) den Anfall der Einigungsgebühr nicht erkennen, da es sich bei einem vereinbarten Versorgungsausgleichsverzicht um einen Verzicht im Sinne des Abs. 1 2. Halbsatz handele, billigt das OLG Nürnberg (NJW 2007, 1071 f) den Anfall der Einigungsgebühr zu, zumindest für den Fall, dass ein möglicher Ausschluss des Versorgungsausgleiches nach § 1587 c Nr. 1 BGB im Raum stand.

Nach Auffassung des Gerichts ist die Einigungsgebühr für den Fall der Vereinbarung eines Versorgungsausgleichsverzichts auch dann zuzubilligen, wenn im Verfahren die genaue Höhe der Anwartschaften nicht geklärt ist und somit nicht feststeht, wer von den Parteien auf einen Versorgungsausgleich wirklich verzichtet. Die Einigungsgebühr fällt in diesem Fall an, da die Parteien die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt haben (Ausschluss eines etwaig durchzuführenden Versorgungsausgleichs) und dieser Vertrag sich nicht lediglich auf einen Verzicht beschränkt. Potentiell ist nämlich für beide Parteien ein Verzicht denkbar. Dass tatsächlich nur eine der beiden Parteien auf den Versorgungsausgleich verzichtet, ist dagegen entgegen der Auffassung des OLG Karlsruhe nach Auffassung des erkennenden Gerichts unerheblich. Die neugefasste Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV RVG soll die frühere Vergleichsgebühr des § 23 BRAGO ersetzen und gleichzeitig inhaltlich erweitern. Nach § 23 BRAGO war durch Verweis auf § 779 BGB ein gegenseitiges Nachgeben erforderlich, dessen Nachweis durch die Einigungsgebühr obsolet werden sollte. Mit der Einführung der Einigungsgebühr sollte ein Anreiz geschaffen werden, einen Rechtsstreit einer Beilegung zuzuführen, ohne dass es auf ein gegenseitiges Nachgeben ankommt, vgl. BGH FamRZ 2007, 1096. Weitere Funktion der Gebühr soll die Vergütung der mit der Einigung verbundenen Mehrbelastung und der erhöhten Verantwortung des beteiligten Rechtsanwaltes sein. Gerade in Versorgungsausgleichsangelegenheiten besteht für Rechtsanwälte ein erhebliches Haftungsrisiko, so dass insbesondere dieser Zweck der Vergütung bei der Auslegung zu beachten ist.

Die Einschränkung des Gebührenanfalls bei bloßem Verzicht oder einem bloßen Anerkenntnis sollte lediglich eine Einschränkung eines Missbrauchs entgegenwirken, vgl. OLG Nürnberg, NJW 2007 a. a. O. Bei kontradiktorischen Verfahren soll die missbräuchliche Antragstellung und die darauffolgende Rücknahme oder das darauffolgende Anerkenntnis ohne tatsächliche Auseinandersetzung vermieden werden. Bei dem von Amts wegen durchzuführenden Versorgungsausgleichsverfahren stellt sich diese Frage des Missbrauchs allerdings nicht. Die Parteien werden ohne ihr Zutun in das Rechtsverhältnis Versorgungsausgleich involviert. Ein Missbrauch, selbst bei bloßem Verzicht oder einem Anerkenntnis, ist daher nicht zu gegenwärtigen.

Die Einigungsgebühr in Höhe von 85,€ Euro nebst 19 % Mehrwertsteuer war daher ebenfalls auf Antrag der Antragstellervertreterin festzusetzen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, war die Beschwerde gegen den vorliegenden Beschluss zuzulassen, §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG.






AG Wiesbaden:
Beschluss v. 10.07.2007
Az: 530 F 281/06 S, 530 F 281/06


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