Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 10. Juni 1998
Aktenzeichen: 12 O 232/97

(LG Düsseldorf: Urteil v. 10.06.1998, Az.: 12 O 232/97)

Tenor

1.

Die Beklagte wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000,— DM für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, verurteilt, es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken eine Farb-Übersichtskarte in Verkehr zu bringen, wenn diese folgende Merkmale bzw. Angaben enthält:

"Farbton-Übersichtskarte nach RAL"

und/oder

Kennzeichnung der einzelnen Farbtöne mit der Angabe "RAL-Nummer"

und/oder

der 4-stelligen vom RAL zur Kennzeichnung der einzelnen Farbtöne verwendeten Ziffernfolge.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 294,25 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 24.06.1997 zu zahlen.

3.

Die Kosten des Rechtsstreits werden

der Beklagten auferlegt.

4.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,— DM vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch die Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse zu erbringen.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Vereinigung, deren satzungsgemäßer Zweck die Förderung gewerblicher Interessen im Sinne des § 13 UWG ist.

Die Beklagte ist ein Zusammenschluß von 50 Farben-Großhandelsunternehmen.

Die Beklagte bringt eine Farbtonkarte heraus, auf deren Vorderseite die Angabe

"Farbton-Übersichtskarte nach RAL"

wiedergegeben ist. Im Innenteil der Übersichtskarte folgt dann die Wiedergabe einzelner Farben jeweils mit der RAL-Bezeichnung des Farbtons und der dazugehörigen RAL-Nummer. Desweiteren findet sich auf der ersten Innenseite eine "Referenzliste für RAL-Farben", in der der jeweiligen Farbbezeichnung eine RAL-Nummer gegenübergestellt ist.

Der 1925 gegründete RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e. V. verwaltet die sogenannten RAL-Farben, deren Töne er in sein Register aufgenommen hat. Für jede RAL-Farbe wird im Archiv ein Urmuster unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen, die eine Veränderung ausschließen, aufbewahrt. Zur Anwendung in der Praxis gibt der RAL sogenannte Farbvorlagen in Form von z. B. Farbkarten oder Farbfächern heraus. Die in ihnen wiedergegebenen Farbtöne werden anhand der Urmuster hergestellt. Um eine Übereinstimmung mit dem Urmuster zu gewährleisten, werden bei der Herstellung der RAL-Farbvorlagen hochwertige Lackbindemittel und Pigmente mit bester Wetter- und Lichtbeständigkeit verwendet. Dies alles geschieht, um die Übereinstimmung der RAL-Farbvorlagen mit dem Urmuster zu gewährleisten. Zweck des RAL-Farbregisters ist es sicherzustellen, daß die gesamte Farbindustrie, der Farbhandel sowie die Anwender statt mit einer Vielzahl von Farbabstufungen mit einer begrenzten Auswahl bestimmter, stets gleichbleibender Farbtone ökonomisch arbeiten können, und dies mit Hilfe der eben stets gleichbleibenden Farbvorlagen des RAL.

Jede RAL-Farbe ist einer Farbnummer nach einem vom RAL entwickelten System zugeordnet. Weiterhin ist sie mit einer vom RAL eingeführten RAL-HilfsbeZeichnung {"Signalgelb"; "Lachsorange"; usw.) benannt. In den Farbkarten des RAL werden diese Farbnummern und Farbhilfsbezeichnungen, die z. B. bei Bestellungen eine sichere Identität gewährleisten, für den jeweiligen Farbton wiedergegeben.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verstoße mit der Verbreitung der Farbtonkarte mehrfach gegen das Irreführungsverbot des § 3 UWG. Die Beklagte erwecke zunächst den unzutreffenden Eindruck, bei der von ihr herausgegebenen Farbvorlage handele es sich um die "offizielle" Farbtonkarte des RAL; zumindest werde der Eindruck erweckt, es handele sich um eine von dem RAL autorisierte Farbkarte. In jedem Falle nähmen die angesprochenen Verkehrskreise - zu denen unter anderem auch Druckereien, kunststoffverarbeitende Betriebe, die Autoindustrie, Eisenbahn, Schifffahrt usw. gehörten - an, daß die Farbtonkarte von dem RAL stamme. Da dies nicht zutreffe, werde das angesprochene Publikum in erheblicher Weise getäuscht

Die Klägerin, die die Beklagte vergeblich abgemahnt hat und unwidersprochen vorträgt, für eine solche Abmahnung durchschnittlich 304,05 DM aufwenden zu müssen, beantragt,

wie geschehen zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Verbreitung der Farbtonkarte verstoße unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen. Es werde gerade nicht der Eindruck erweckt, daß die Karte von dem RAL stamme bzw. von diesem autorisiert worden sei, da sie unmißverständlich als Übersichtskarte nach RAL bezeichnet werde. Angesprochene Verkehrskreise seien zudem alleine fachkundige Personen. Die von der Beklagten vertriebene Farbtonkarte werde ausschließlich an den Fachgroßhandel und dessen Abnehmer, vornehmlich Malerfachgeschäfte und Fachhandwerksbetriebe abgegeben. Sie diene dem Farbhändler bzw. Malermeister zur Abgleichung der im einzelnen zu verwendenden Farbtöne. LetztVerbraucher seien nicht Abnehmer der Farbtonkarte. Neben dem Farbengroßhandel als Abnehmer sei der beteiligte Verkehrskreis demnach begrenzt auf Maler, Innenarchitekten und Raumausstatter. Die Mitglieder des angerufenen Gerichts gehörten nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen, könnten die Frage der Irreführung demnach nicht aufgrund eigener Sachkunde beurteilen. Die angesprochenen Verkehrskreise wüßten, daß Farbtonkarten entsprechend denjenigen der Beklagten nicht von dem RAL stammten. Es sei auch branchenüblich, die RAL-Nummern zu verwenden. Branchenüblich sei auch, auf den Farbtonkarten, die entsprechend derjenigen der Beklagten hergestellt würden, die RAL-Nummern zu verwenden; anhand der so angegebenen RAL-Nummer und des entsprechenden Farbtones könnten die fachkundigen Verkehrskreise erkennen, welche Farbe gemeint sei. Die RAL-Nummern seien den maßgeblichen Fachkreisen als quasi-Normen ein Begriff und dienten lediglich der Unterscheidung einzelner Farben.

Eine Irreführung der fachkundigen Kreise scheide letztlich deshalb aus, weil seit Jahrzehnten der artige Farbtonkarten unter Bezugnahme auf den RAL vertrieben würden. Es sei gängige Praxis, daß die unterschiedlichsten Hersteller eigene Farbtonkarten herausgäben, welche die RAL-Farben enthielten, die mit RAL-Nummern gekennzeichnet seien. Es existiere auch eine über 15-jährige Branchenübung, wonach Färbkartenhersteller Farbtonkarten selbständig unter Kennzeichnung der einzelnen Farbtöne nach den RAL-Nummern herausgäben.

Wegen des Vorbringens der Parteien im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist sachlich gerechtfertigt.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte zu, da die beanstandeten Kennzeichnungen in ihrer "und"-Verknüpfung und auch in der "oder" Verknüpfung des Unterlassungsantrages zur Irreführung geeignet sind (§ 3 UWG).

Die Beklagte hat es zu unterlassen, eine Farb-Übersichtskarte in den Verkehr zu bringen, wenn diese folgende Merkmale bzw. Angaben enthält:

"Farbton-Übersichtskarte nach RAL"

und/oder

Kennzeichnung der einzelnen Farbtöne mit der Angabe "RAL-Nummer"

und/oder

der 4-stelligen vom RAL zur Kennzeichnung der einzelnen Farbtöne verwendeten Ziffernfolge.

§ 3 UWG verbietet irreführende Angaben über geschäftliche Verhältnisse, die im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gemacht werden. Der Äussageinhalt einer Angabe bestimmt sich nach der Auffassung des angesprochenen Publikums; irreführend ist eine Angabe, wenn die Vorstellungen, die dieses Publikum über die Bedeutung der Angabe hat, mit den wirklichen Verhältnissen nicht in Einklang steht (vgl. Baumbach/Hefermehl. Wettbewerbsrecht, 19. Auf 1., § 3 UWG, Rdnr. 22) . Die beanstandeten Kennzeichnungen vermitteln den angesprochenen Verkehrskreisen eine solche unzutreffende Vorstellung. Ob die Gefahr einer Irreführung für einen nicht ganz unerheblichen Teil des Verkehrs besteht, kann das Gericht vielfach auch ohne Beweiserhebung anhand von Erfahrungssätzen, allgemeinkundigen oder gerichtskundigen Tatsachen entscheiden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann es die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise kraft eigener Sachkunde und Lebenserfahrung hinreichend zuverlässig beurteilen, wenn es vor allem bei Gegenständen des allgemeinen Bedarfs um die Ermittlung der Auffassung von Verkehrskreisen geht, denen der Richter selbst angehört (vgl. BGH GRÜR 1992, 406, 407 - Beschädigte Verpackung) . Die Beklagte hält diese Voraussetzungen nicht für gegeben und trägt vor, angesprochene Verkehrskreise seien ausschließlich fachkundige Personen. Die von der Beklagten vertriebene Farbtonkarte werde ausschließlich an den Fachgroßhandel und dessen Abnehmer, vornehmlich Malerfachgeschäfte und Fachhandwerksbetriebe abgegeben; sie dienten dem Farbhändler bzw. Malermeister zur Abgleichung der im einzelnen zu verwendenden Farbtöne. Der beteiligte Verkehrskreis sei neben dem Farbengroßhandel als Abnehmer demnach begrenzt auf Maler, Innenarchitekten und Raumausstatter. Es kann dahinstehen, ob der angesprochene Verkehrskreis auf diese Weise von der Beklagten genügend klar als "Fachkreis" definiert ist, oder ob als beteiligte Verkehrskreise die von der Klägerin genannten völlig unterschiedlichen Branchen (Gartenund Landschaftsarchitekten; Designer; Druckereien; usw.) in Betracht zu ziehen sind, und diese Kreise entsprechend der Behauptung der Klägerin die Farbtonkarten regelmäßig auch Letztverbrauchern zur Entscheidung vorlegen. Es kann zunächst nicht unberücksichtigt bleiben, daß auch bei den von der Beklagten behaupteten angesprochenen Fachkreisen "im Vorfeld" der Entscheidungen Angestellte oder Inhaber von Firmen mit den Kennzeichnungen der Beklagten befaßt werden, die selbst nicht über die Kenntnisse der von der Beklagten angeführten Fachleute verfügen (vgl. hierzu BGH GRUR 1982, 420, 422 - "BBC/DDC") Auch ist damit zu rechnen, daß die von der Beklagten angegebenen Verkehrskreise (Maler, Innenarchitekten und Raumausstatter) dem Letztverbraucher die Farbtonkarten zur Entscheidung vorlegen werden, wenn es um die Auswahl der zu verwendenden Farben geht. Es kommt hinzu, daß auch von der Beklagten hinsichtlich des nicht geringen Kreises von Malern, Innenarchitekten und Raumausstattern und des Farbengroßhandels kein bestimmter Kenntnisstand und kein bestimmtes Verständnis näher dargelegt worden ist. Die Beklagte trägt vor, die beteiligten Verkehrskreise kennten das Logo des RAL und die von ihm herausgegebene Farbtonkarte. Die Beklagte kann indes nicht wissen, wie die von ihr angegebenen Verkehrskreise die Kennzeichnung einer Farbtonkarte mit den Worten "Farbton-Übersichtskarte nach RAL" bewerten. Die Beklagte meint, eine Irreführung der angesprochenen fachkundigen Kreise scheide aus, weil seit Jahrzehnten derartige Farbtonkarten unter Bezugnahme auf den RAL vertrieben würden; es sei gängige Praxis, daß die unterschiedlichsten Hersteller eigene Farbton-

karten herausgäben, welche die RAL-Farben enthielten, die mit RAL-Nummern gekennzeichnet seien. Die Beklagte schildert indes keinen Fall einer "Bezugnahme" auf den RAL und trägt auch zur Begründung einer "über 15-jährigen Branchenübung" lediglich einige Beispiele vor (Vierfarbtonkarten der Anlage B 3) Wie die von der Beklagten behauptete Branchenübung sich im einzelnen darstellt, ist in keiner Weise belegt; die auf Seite 3,ihres Schriftsatzes vom 08.04.1998 aufgezählten deutschen Firmen reichen hierfür nicht aus. Die gleiche Bewertung gilt für den Vortrag der Beklagten, es sei branchenüblich, die RAL-Nummern zu verwenden. Wie diese "Branche" beschaffen ist und wie die Branche sich in der Frage der Verwendung üblicherweise im einzelnen verhält, ist in keiner Weise konkret dargelegt worden.

Letztlich ist zu berücksichtigen, daß es sich vorliegend um einen Fall handelt, in dem die inhaltliche Beurteilung einer Kennzeichnung keiner besonderen Fachkunde bedarf.

Die Kammer ist der Ansicht, daß ein nicht unerheblicher Teil des Publikums, welches von der Angabe "Farbton-Übersichtskarte nach RAL" auf der umschlagseite der Karte der Anlage 4 Kenntnis nimmt, die Vorstellung gewinnt, die Farbtonkarte sei in Zusammenarbeit mit dem RAL entstanden, der RAL stehe gewissermaßen "hinter" dieser Karte, so daß diese dem RAL-Standard für die Herstellung von Farbvorlagen entspreche. Es entsteht bei dem Betrachter der Eindruck, die in der Übersichtskarte wiedergegebenen Farben seien diejenigen der RAL-Farbtonkarten, würden also so hergestellt wie die RAL-Farbtonkarten.

Die Kennzeichnung der einzelnen Farbtöne in der Übersichtskarte der Beklagten mit der Angabe "RAL-Nr." oder mit der vierstelligen vom RAL zur Kennzeichnung der einzelnen Farbtöne verwendeten Ziffernfolge bewirkt eine ähnliche Vorstellung. Ein nicht unerheblicher Teil des Publikums gewinnt auch in diesem Zusammenhang wieder die Auffassung, die wiedergegebenen Farben seien "RAL-Farben", würden mit Zustimmung des RAL wiedergegeben und entsprechen damit dem RAL-Standard für die Herstellung von Farbvorlagen.

Die bei einem nicht unerheblichen Teil des Publikums bewirkte Vorstellung trifft in Wirklichkeit nicht zu: Es gibt keine irgendwie geartete Zustimmung des RAL zur Wiedergabe der Farbtöne; diese werden auch nicht so hergestellt wie die Farbtöne der RAL-Farbtonkarten und entsprechen damit auch nicht dem RAL-Standard für die Herstellung von Farbvorlagen.

Der Unterlassungsantrag hat nach allem sowohl in der "und"-Verknüpfung als auch in der "oder"-Verknüpfung Erfolg; die Beklagte hat die beanstandeten Angaben zu unterlassen.

Aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB) ist die Beklagte desweiteren verpflichtet, dem Kläger die Kosten seiner außergerichtlichen Abmahnung zu erstatten. Daß der Klägerin jedenfalls die angegebenen Kosten für eine Abmahnung entstehen, ist unwidersprochen geblieben. Zinsen hat die Beklagte in Höhe von 4 % seit der Zustellung der Klageschrift (24.06.1997) zu zahlen (§§ 288, 291 BGB) .

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 und 108 Abs. 1 ZPO.

Streitwert: 40.294,25 DM.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 10.06.1998
Az: 12 O 232/97


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