Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 16. März 2015
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 47/14

(BGH: Beschluss v. 16.03.2015, Az.: AnwZ (Brfg) 47/14)

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs vom 14. Juli 2014 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 28. Februar 2014 die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) widerrufen. Die dagegen gerichtete Anfechtungsklage ist vor dem Anwaltsgerichtshof ohne Erfolg geblieben. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 m.w.N.). Daran fehlt es.

a) Über das Vermögen des Klägers ist durch Beschluss des Amtsgerichts W. - Insolvenzgericht - vom 24. Juni 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet worden, mit der Folge, dass der Eintritt des Vermögensverfalls vermutet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Am Eintritt des Vermögensverfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs vermag die Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Klägers durch den Insolvenzverwalter im November 2013 nichts zu ändern. Die Freigabe beseitigt nicht die Insolvenz und damit nicht den Vermögensverfall. Entsprechendes gilt für die Renteneinkünfte und die Kanzleierträge, aus denen der Kläger nach seinem Vortrag 528 € an die Insolvenzmasse abzuführen hat. Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sind die Vermögensverhältnisse nämlich erst dann wieder geordnet, wenn dem Schuldner nach dem hier maßgeblichen Insolvenzrecht durch Beschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt wurde (§ 291 InsO a.F.) oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Januar 2014 - AnwZ (Brfg) 53/13, Rn. 8; vom 9. Juli 2013 - AnwZ (Brfg) 20/13, Rn. 5; vom 23. Juni 2012 - AnwZ (Brfg) 23/12, Rn. 3; jeweils m.w.N.). Daran fehlt es hier.

b) Der Kläger macht ferner geltend, dass es einer Gefährdung der Interessen Rechtsuchender ermangele. Dieser Auffassung ist der Anwaltsgerichtshof mit eingehender und in der Sache zutreffender Begründung entgegengetreten. Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden kann sie nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 30/14, Rn. 7; vom 15. März 2012 - AnwZ (Brfg) 55/11, Rn. 9). Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 30/14, aaO; vom 4. April 2012 - AnwZ (Brfg) 62/11, Rn. 6; vom 5. September 2012 - AnwZ (Brfg) 26/12, NJW-RR 2013, 175 Rn. 5; jeweils m.w.N.). Eine solche Ausnahmesituation ist hier nicht gegeben.

aa) Der Kläger ist nach wie vor als Einzelanwalt tätig. Mit seinem Vortrag zu von ihm ergriffenen Maßnahmen, mit denen der Eingang von Fremdgeld vermieden werden soll, vermag er nicht durchzudringen. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind nämlich - wie der Senat in ständiger Rechtsprechung annimmt (BGH, Beschlüsse vom 18. Januar 2014 - AnwZ (Brfg) 53/13, Rn. 6; vom 15. März 2012 - AnwZ (Brfg) 55/11, Rn. 10; vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 55/09, HFR 2010, 1351 Rn. 12) nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen. Dass es in der Vergangenheit nicht zu Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Fremdgeldern gekommen ist, bleibt im Blick auf die gegebene abstrakte Gefährdungslage gleichfalls rechtlich ohne Belang (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 30/14, Rn. 10; vom 23. April 2014 - AnwZ (Brfg) 8/14, juris Rn. 6; vom 5. November 2013 - AnwZ (Brfg) 36/13, Rn. 6). Durch die im Rahmen der gebotenen Gefahrenprognose angestellten Erwägungen wird nicht etwa die persönliche Integrität des Klägers in Frage gestellt.

bb) Eine Gefährdung der Interessen Rechtsuchender wird auch durch die Freigabe der selbständigen Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter weder ausgeschlossen noch vermindert (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Januar 2014 - AnwZ (Brfg) 62/13, Rn. 8; vom 23. Juni 2012 - AnwZ (Brfg) 23/12, Rn. 4; vom 21. März 2011 - AnwZ (B) 37/10, NZI 2011, 464 Rn. 8). Die Gefährdung entfällt vielmehr grundsätzlich erst mit dem Beschluss nach § 289 InsO (BGH, Beschluss vom 4. Januar 2014 - AnwZ (Brfg) 62/13, aaO m.w.N.).

2. Der Kläger hat keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Namentlich ist kein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) erkennbar. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger mit seinen im Rahmen der Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) erhobenen Beanstandungen von Aufklärungsmängeln den insoweit bestehenden Darlegungserfordernissen genügt hat (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 17. November 2014 - AnwZ (Brfg) 84/13, Rn. 4; vom 20. Dezember 2013 - AnwZ (Brfg) 40/13, Rn. 10; vom 7. Oktober 2013 - AnwZ (Brfg) 30/13, Rn. 9). Denn der Anwaltsgerichtshof hat sich mit sämtlichen entscheidungserheblichen Umständen in nicht zu beanstandender Weise auseinandergesetzt. Er musste sich deshalb nicht gedrängt sehen, den vom Kläger schriftsätzlich, jedoch nicht in der mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2014 geäußerten Begehren nach weiterer Sachverhaltsaufklärung zu entsprechen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Kayser König Remmert Quaas Schäfer Vorinstanz: AGH Frankfurt, Entscheidung vom 14.07.14 - 1 AGH 6/14






BGH:
Beschluss v. 16.03.2015
Az: AnwZ (Brfg) 47/14


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