Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Oktober 2000
Aktenzeichen: 32 W (pat) 462/99

(BPatG: Beschluss v. 25.10.2000, Az.: 32 W (pat) 462/99)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die Bezeichnung Pikantinisfür

"Würzen und Zubereitungen von Gewürzen für Nahrungszwecke, insbesondere Gewürzpräparate, Gewürzaromen und Gewürzsalze und/oder Soßen, Speiseöle und daraus hergestellte Erzeugnisse mit Fleisch, Fisch und Wild; Konserven aus den vorstehend genannten Waren"

unter der Nr 395 13 814 in das Register eingetragen worden.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der prioritätsälteren Marke 2 083 268 Pikantinodie Schutz genießt für

"Speiseöle und Speisefette, einschließlich Margarine und Halbfettmargarine, Brotaufstrich aus Speisefett und Speisefettgemischen pflanzlicher Herkunft, Diätspeisefette, Mayonnaise, Salatkrem; Gemüse-, Suppen- und Fruchtkonserven, Fleisch- und Wurstkonserven; Brotaufstrich, Pasteten, Terrinen auf pflanzlicher Basis, bestehend in der Hauptsache aus pflanzlichen Fetten, Tofu, Hefe, Kartoffelprodukten (einschließlich Kartoffelmehl), zubereitetem Gemüse und unter geschmacksgebender Zugabe von Kräutern und/oder Gewürzen, Gemüsesalate; unter Verwendung von Eiweißzubereitungen aus Sojabohnen (Tofu) hergestellte Konserven und Salate; Fertiggerichte, im wesentlichen bestehend aus Fleisch und/oder Gemüse, Getreideprodukten, Kartoffeln, Reis, Nudeln, auch unter Mitverwendung von Sojaeiweißzubereitungen (Tofu) und anderen Sojabohnenerzeugnissen; vorgenannte Waren auc h als diätetische Lebensmittel für nichtmedizinische Zwecke."

Durch Beschluß vom 20. August 1997 hat die Markenstelle für Klasse 30 - besetzt mit einem Beamten des gehobenen Dienstes - die Löschung der jüngeren Marke angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Vergleichswaren seien ähnlich. Den angesichts der Warenähnlichkeit zu fordernden mittleren Markenabstand halte die jüngere Marke nicht ein, da sowohl klanglich als auch schriftbildlich eine hochgradige Markenähnlichkeit bestehe. Die Vergleichsmarken stimmten in "Pikantin" überein und unterschieden sich lediglich an den allgemein weniger beachteten Endungen. Dort aber trete die Abweichung zwischen "-o" und "-is" im Gesamteindruck soweit zurück, daß sie überhört oder übersehen werden könne.

Auf die hiergegen gerichtete Erinnerung hat die Markenstelle - besetzt mit einem Beamten des höheren Dienstes - den Widerspruch durch Beschluß vom 31. August 1999 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine klangliche Ähnlichkeit bestehe nicht. Den klanglichen Übereinstimmungen in der Silbenzahl und in der Lautfolge "Pikantin-" stünden deutliche klangliche Unterschiede gegenüber. Die Endlaute "-o" und "-is" wiesen beachtliche klangliche Verschiedenheiten auf. Zu berücksichtigen sei hierbei auch, daß die gemeinsamen Markenbestandteile "pikant-" glatt beschreibend seien. Auch wenn es sich um Gesamtwörter handele, bei denen selbst glatt beschreibende Bestandteile im klanglichen Gesamteindruck nicht völlig unberücksichtigt bleiben könnten, sei die beschreibende Angabe in den Vergleichsmarken sofort und ohne besondere Überlegungen erkennbar. Im Markenregister befänden sich 70 Eintragungen mit diesem Bestandteil.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

Sie macht geltend, die sich gegenüberstehenden Waren lägen im engeren Ähnlichkeitsbereich, so daß hohe Anforderungen an den Markenabstand zu stellen seien. Die Marken stimmten in ihrem klanglichen Gesamteindruck im wesentlichen überein, da sie bis auf die unterschiedlichen Wortendungen identisch seien. Die Verwechslungsgefahr werde dadurch verstärkt, daß beide Marken auf einen identischen Sinngehalt hindeuteten. Da "inis" die im Inland üblicherweise verwendete - wenn auch nach italienischen Sprachregeln falsch gebildete - Pluralform der italienischen Diminutivendung "ino" sei, würden beide Marken als Hinweis auf kleine schmackhafte "Sachen" aufgefaßt. Eine Kennzeichnungsschwäche sei nicht gegeben. Denn der gemeinsame Markenbestandteil sei nicht "pikant", sondern "Pikantin". Hierbei handele es sich um eine Wortschöpfung, die die deutsche Sprache so nicht kenne. Darüber hinaus sei auch zu befürchten, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden.

Sie beantragt, den Erinnerungsbeschluß vom 31. August 1999 aufzuheben und die Marke 395 13 814 zu löschen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie macht geltend, es sei auf einen mündigen Verbraucher abzustellen, der die Marken gut unterscheiden könne. Der Verkehr müsse bei Konfrontation mit den Vergleichsmarken um so sorgfältiger prüfen, da der Bestandteil "pikant" in zahlreichen Drittmarken enthalten sei. Die Endung "inis" sei gegenüber "ino" insbesondere durch den Vokal "i" und das auffällige "s" gut unterscheidbar. Die Verbraucher würden bei "ino" nicht unbedingt an eine Verkleinerungsform denken, weil im Inland üblicherweise die Mehrzahlform "inis" verwendet werde.

II Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig (§ 66 Abs 1, 2 und 5 MarkenG), in der Sache jedoch unbegründet, da eine Verwechslungsgefahr der Vergleichsmarken im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht besteht.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 287, 389 "Sabèl/Puma"). Dabei besteht eine Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke (BGH GRUR 1999, 496, 497 "TIFFANY").

Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist davon auszugehen, daß die sich gegenüberstehenden Waren zum Teil identisch sind, so daß grundsätzlich strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen sind (BGH GRUR 1995, 216, 219 "Oxygenol II"). Demgegenüber ist indes eine erhebliche Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke zu berücksichtigen. "Pikantino" enthält die in Verbindung mit den geschützten Waren ohne weiters erkennbare beschreibende Angabe "pikant", mit der auf eine pikante Geschmacksrichtung hingewiesen wird. Die Hinzufügung der Endung "ino" vermag an der Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit nichts zu ändern. Denn auch bei "ino" handelt es sich um ein beschreibendes Element, da mit dieser der italienischen Sprache entlehnten Verkleinerungsform auf eine geringere Größe der Produkte hingewiesen wird.

Darüber hinaus ergibt sich die Kennzeichnungsschwäche auch aus einer Vielzahl von Markeneintragungen, die den Bestandteil "pikant" aufweisen (Marken-Lexikon 2000, 7919f). Sind in die Zeichenrolle für gleiche oder benachbarte Warengebiete eine Reihe ähnlicher Zeichen gelangt, ohne daß deren Inhaber gegen weitere Anmeldungen eingeschritten sind, kann dies ein wichtiger Fingerzeig dafür sein, daß es sich um eine naheliegende, verbrauchte Wortbildung von geringer Originalität handelt (BGH GRUR 1967, 246, 249 "Vitapur"; 1999, 241, 243 "Lions").

Ausgehend von der Warennähe und einer erheblichen Kennzeichnungsschwäche der Gegenmarke reichen die an den Endungen befindlichen Unterschiede "is" gegenüber "o"-aus, um schriftbildliche und klangliche Verwechslungen beachtlichen Ausmaßes ausschließen zu können. Denn der Verkehr ist gerade wegen des häufigen Vorkommens von ähnlichen Bezeichnungen im Bereich der Klasse 30 gezwungen, verstärkt auf die Unterschiede zu achten (vgl BGH GRUR 2000, 605, 606 "comtes/ComTel"). Dem Verkehr werden deshalb die Unterschiede in den Endungen nicht entgehen. Diese Abweichungen sorgen für eine ausreichende Unterscheidbarkeit. Hierbei ist ohne Belang, daß "inis" im inländischen Sprachgebrauch häufig als Pluralform der italienischen Diminutivendung "ino" verwendet wird. Dies wird den Verkehr angesichts der Kennzeichnungsschwäche von "Pikant" aber nicht veranlassen, die Marken trotz der Unterschiede am Ende schriftbildlich oder klanglich zu verwechseln.

Schließlich besteht auch nicht die Gefahr, daß der Verkehr die Marken gedanklich miteinander in Verbindung bringen könnte (§ 9 Abs 1 Nr 2 le Halbs MarkenG). Dieser Tatbestand erfaßt nicht jegliche wie auch immer geartete gedankliche Assoziation (BGH GRUR 1996, 200, 202 "Innovadiclophlont"), sondern entspricht vielmehr im wesentlichen den bisher zum Warenzeichengesetz entwickelten Grundsätzen der mittelbaren Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens (Amtliche Begründung zum MarkenG, Sonderheft BlPMZ 1994, 65). Da sich der Bestandteil "Pikant" der Vergleichsmarken wegen seines beschreibenden Charakters nicht als Stammbestandteil einer Zeichenserie eignet und "Pikantin" entgegen der Auffassung der Widersprechenden nicht eigenständig innerhalb der Vergleichsmarken "Pikantinis/Pikantino" hervortritt, kann auch die Gefahr einer assoziativen Verwechslungsgefahr nicht festgestellt werden. Hieran vermag auch die gedankliche Brücke, die sich durch die Anlehnung der Endungen "-inis" und "ino" an die italienische Diminutivendung ergibt, nichts zu ändern. Ein aufmerksamer Verbraucher auf den für die Beurteilung der assoziativen Verwechslungsgefahr abzustellen ist (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl., § 9 Rdn 212;), wird wegen der häufigen Verwendung der Endungen und angesichts der Kennzeichnungsschwäche von "Pikant" keine gedankliche Verbindung zwischen den Vergleichsmarken herstellen.

Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlaß (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Winkler Winkler Richter Klante ist wegen Krankheit an der Unterschrift verhindert Dr. Fuchs-Wissemann Na






BPatG:
Beschluss v. 25.10.2000
Az: 32 W (pat) 462/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/cb757e1c90d0/BPatG_Beschluss_vom_25-Oktober-2000_Az_32-W-pat-462-99




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share