Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. März 2002
Aktenzeichen: 26 W (pat) 48/01

(BPatG: Beschluss v. 13.03.2002, Az.: 26 W (pat) 48/01)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren

"Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken"

unter der Nummer 397 55 245.9 eingetragene Marke Vivarisist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 2 106 281 Vitalis, die für die Waren

"Tafelwässer, Quellwässer, Mineralwässer und daraus hergestellte alkoholfreie Getränke"

eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diesen Widerspruch wegen mangelnder Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zwar seien wegen der Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren durchaus hohe Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Abstand zu stellen. Diesen Abstand halte die jüngere Marke jedoch ein. Abzustellen sei nämlich auf den jeweiligen Gesamteindruck. Danach stimmten die Vergleichswörter zwar in einigen Punkten überein. Diese formalen Übereinstimmungen seien aber nicht maßgeblich, vielmehr komme es auf den prägnant unterschiedlichen Gesamteindruck an, den beide Zeichen sowohl in phonetischer wie auch in schriftbildlicher Hinsicht aufwiesen. Während die Marke "Vitalis" durch den harten Wortanfang geprägt werde, weise die jüngere Marke einen weichklingenden Wortanfang auf. Andererseits verleihe die Endsilbe "-lis" der Marke "Vitalis" einen deutlich weicheren Anklang, während die Marke "Vivaris" mit ihrem harten "r" die Endsilbe wesentlich schärfer präge. Auch schriftbildlich seien die Unterschiede deutlich, wobei auch eine Kleinschreibung zu berücksichtigen sei, bei der die Wortkontur von "Vitalis" durch die Oberlängen von "t" und "l" wellenförmig ausgeprägt sei, während die jüngere Marke "Vivaris" eine gleichmäßige Oberlinie aufweise. Zwar handle es sich bei den Vergleichswaren um solche des täglichen Bedarfs, die der Endverbraucher regelmäßig erwerbe, ohne den jeweiligen Kennzeichnungen eine besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Dem sei aber entgegenzuhalten, daß der weiten Teilen des Verkehrs geläufige Begriffsinhalt des Markenbestandteils "Vita" in "Vitalis" dem Verkehr als Gedächtnisstütze diene, was einer Verwechslung entgegenwirke. Einen vergleichbaren Begriffsinhalt weise die Widerspruchsmarke nämlich nicht auf.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Zwischen den Vergleichswaren liege teilweise Warenidentität und im übrigen der engste Ähnlichkeitsbereich vor. Dieser Umstand erfordere einen wesentlich deutlicheren Abstand der Zeichen selbst, um Verwechslungen auszuschließen. Dies sei im angefochtenen Beschluß nicht berücksichtigt worden. Zudem komme der rangälteren Widerspruchsmarke "Vitalis" eine zumindest normale Kennzeichnungskraft zu. Bei den angesprochenen Verkehrskreisen handle es sich um Publikum aus allen Bevölkerungsschichten, die den hier vorliegenden Waren des täglichen Gebrauchs eine eher geringe Aufmerksamkeit zuwendeten. Die Vergleichsmarken hätten alle den Gesamtklang maßgeblich prägenden Elemente gemeinsam. Letztlich unterschieden sie sich nur in den Konsonaten "l" und "r", was angesichts der sonstigen Übereinstimmungen nicht geeignet sei, ein abweichendes Klangbild zu schaffen. Auch habe der Verkehr regelmäßig nur eine undeutliche Erinnerung an nicht nebeneinander befindliche Kennzeichnungen. Hierbei aber träten Gemeinsamkeiten stärker hervor als Unterschiede. Ein möglicher Sinngehalt verhindere Verwechslungen nicht. "Vita" im Sinne von "Leben" sei längst nicht entscheidungserheblichen Teilen des Verkehrs bekannt. Eine schriftbildliche Ähnlichkeit bestehe jedenfalls bei einer Großschreibung, was für die Bejahung einer maßgeblichen Verwechslungsgefahr ausreichend sei.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. August 1999 und vom 24. Januar 2001 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke 397 55 245.9 anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt demgegenüber, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, daß bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Marken von ihrem Gesamteindruck auszugehen sei. Dieser hänge nicht von einer formalen Betrachtung der Buchstabenzahlen ab. Die Widerspruchsmarke "Vitalis" enthalte den deutlichen Hinweis auf die Bezeichnung "Vita". Dieser Begriff sei außerordentlich kennzeichnungsschwach und dem angesprochenen Publikum bekannt. Auch der Wortstamm "Viva" der angegriffenen Marke sei dem Verbraucher geläufig. Anders als der Begriff "Vita" habe "Viva" eine deutlich stärkere Kennzeichnungskraft. Allein dies führe dazu, daß keine Gefahr bestehe, daß die Verbraucher die angegriffene Marke mit der Widerspruchsmarke verwechselten. Zudem sei auf den "verständigen Verbraucher" des EuGH abzustellen. Dieser aber werde die beiden Begriffe "Viva" und "Vita" nicht miteinander verwechseln. Auch die Endungen der Vergleichswörter seien verschieden.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet. Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Insbesondere kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND).

Die einander gegenüberstehenden Waren sind teilweise gleich, was "Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer, alkoholfreie Getränke" betrifft, im übrigen sehr ähnlich. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit ist durchschnittlich, denn eine Erweiterung des Schutzumfangs ist weder ersichtlich noch wurde sie von der Widersprechenden geltend gemacht. Selbst wenn an den Abstand der Marken danach erhebliche Anforderungen zu stellen sind, ist dieser gewahrt.

Bei der Prüfung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Kennzeichen ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen (vgl EuGH aaO - Sabèl/Puma; BGH aaO - ATTACHÉ/TISSERAND mwN). Dann aber weichen die Marken so deutlich voneinander ab, daß Verwechslungen in rechtserheblichem Umfang ausgeschlossen sind. Dazu trägt in klanglicher Hinsicht in der Widerspruchsmarke "Vitalis" der harte Sprenglaut "t" bei, der in der angegriffenen Marke keine Entsprechung hat. Die angegriffene Marke hat dagegen durch die Wiederholung des Konsonanten "V" ein weiches Klangbild. Entscheidendes Gewicht für die Verneinung einer Verwechslungsgefahr kommt aber dem unterschiedlichen Sinngehalt zu, der beiden Zeichenwörtern innewohnt. Mag es bei dem dreisilbigen Wort "Vivaris" eher ungewöhnlich sein, daß aus dem einheitlichen Wort der Bestandteil "Viva" herausgelöst wird, so ist bei der Widerspruchsmarke der Begriffsanklang an das sämtlichen Verkehrskreisen geläufige Wort "vital" ohne weiteres erkennbar. Dieses ist auch aus der Erinnerung heraus geläufig. Ob bei den angesprochenen Verkehrskreisen auf den Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, kann dahingestellt bleiben. Auch beim sog "Durchschnittsverbraucher" ist nämlich nicht auf den flüchtigen, unkritischen und ungebildeten Abnehmer, sondern - nach Auffassung des EuGH - auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen (Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rdnr 82). Dieser aber wird auch bei den vorliegenden Waren des täglichen Bedarfs die Unterschiede der Vergleichswörter bemerken.

Auch schriftbildliche Verwechslungen sind nicht zu befürchten. Die Abweichungen sind angesichts der nicht allzu langen Zeichenwörter so deutlich, daß sie nicht unbeachtet bleiben werden. Bei einer Kleinschreibung und der ebenfalls zu berücksichtigenden handschriftlichen Wiedergabe ragen die Oberlängen der Konsonanten "t" und "l" der Widerspruchsmarke deutlich über die optische Obergrenze der restlichen Buchstaben hervor. Bei einer Großschreibung unterscheiden sich die Konsonanten "V" und "R" bzw "T" und "L" in ihrem Schriftverlauf deutlich.

Begriffliche Verwechslungen der beiden Markenwörter sind wegen des ihnen innewohnenden unterschiedlichen Sinnanklangs ("Vital" bzw "Viva") ohnehin nicht zu befürchten.

Anhaltspunkte dafür, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten (§ 9 Abs 1 Nr 2 letzter Halbsatz MarkenG), liegen nicht vor.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs 1 MarkenG bestand kein Anlaß.

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BPatG:
Beschluss v. 13.03.2002
Az: 26 W (pat) 48/01


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