Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 26. Juni 2000
Aktenzeichen: 18 E 325/98

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 26.06.2000, Az.: 18 E 325/98)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 7. September 1994 (8 L 892/95) gab das Verwaltungsgericht Aachen dem Aussetzungsantrag des vom Beschwerdeführer vertretenen Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO statt. Auf die Beschwerde des Antragsgegners änderte das Oberverwaltungsgericht (Beschluss vom 2. Juni 1995 - 18 B 2643/94 -) den angefochtenen Beschluss und lehnte den Aussetzungsantrag ab.

Auf den Abänderungsantrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 7 VwGO gab das Verwaltungsgericht Aachen (Beschluss vom 19. Dezember 1995 - 8 L 892/95 -) - in Abänderung der entgegenstehenden Entscheidung - dem Aussetzungsantrag erneut statt. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberverwaltungsgericht den angefochtenen Beschluss geändert und den Aussetzungsantrag wiederum abgelehnt (Beschluss vom 27. Oktober 1997 - 18 B 243/96 -).

In allen genannten Verfahren war dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt und der Beschwerdeführer als Prozessbevollmächtigter beigeordnet worden. Die dem Prozessbevollmächtigten zu erstattenden Kosten für seine Tätigkeit in den Verfahren 8 L 1081/94 (VG Aachen) und 18 B 2643/94 wurden antragsgemäß festgesetzt.

Mit Beschluss vom 28. Januar 1998 wurde dem Kostenfestsetzungsantrag für die Verfahren 8 L 892/95 (VG Aachen) und 18 B 243/96 nur zum Teil entsprochen.

Die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Aachen vom 19. März 1998 (8 L 392/95) zurückgewiesen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Dabei lässt der Senat offen, ob die Beschwerde nicht bereits insoweit unzulässig ist, als sie sich gegen die Kostenfestsetzung betreffend das erstinstanzliche Verfahren (8 L 892/95 VG Aachen) wendet. Denn immerhin sind die dementsprechenden Kosten - wenn auch aus anderen als den vom Beschwerdeführer mit der Kostenberechnung geltend gemachten Gründen - im Ergebnis (zumindest) in der beantragten Höhe festgesetzt worden.

Jedenfalls steht aber dem Beschwerdeführer der mit der Beschwerde geltend gemachte (weitere) Anspruch auf Kostenfestsetzung gegen die Landeskasse nach §§ 128 Abs. 1, 121 BRAGO weder für das erstinstanzliche Verfahren 8 L 892/95 (VG Aachen) noch für das Beschwerdeverfahren 18 B 243/96 zu.

Nach § 128 Abs. 1 Satz 1 BRAGO wird festgesetzt nur die dem Rechtsanwalt (hier: aus der Landeskasse) zu gewährende Vergütung. Zu gewähren ist dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt nur die gesetzliche Vergütung. Die mit der Beschwerde beanspruchte (weitere) Vergütung sieht das Gesetz nicht vor.

Der Prozessbevollmächtigte begehrt über die Verweisungsnorm in § 114 Abs. 5 Satz 1 BRAGO für das erstinstanzliche Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO eine volle Gebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO und für das zweitinstanzliche Beschwerdeverfahren eine halbe Gebühr nach §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 61 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO. Ferner macht er für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den Pauschsatz nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BRAGO geltend. Dieser Forderung steht § 40 Abs. 2 BRAGO iVm § 114 Abs. 5 Satz 1 BRAGO entgegen, weil der Prozessbevollmächtigte die dementsprechenden Gebühren bereits in dem vorangegangenen erstinstanzlichen Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (8 L 1081/94 - VG Aachen) sowie dem zugehörigen Beschwerdeverfahren (18 B 2643/94) erhalten hat. Denn nach § 40 Abs. 2 BRAGO iVm § 114 Abs. 5 Satz 1 BRAGO bildet das vorangegangene erstinstanzliche Aussetzungsverfahren mit dem erstinstanzlichen Abänderungsverfahren einerseits sowie das zugehörige zweitinstanzliche Beschwerdeverfahren mit dem zweitinstanzlichen Abänderungsbeschwerdeverfahren jeweils eine gebührenrechtliche Angelegenheit, für die nach § 13 Abs. 2 BRAGO der Rechtsanwalt die Gebühr jeweils nur einmal fordern kann.

Nach § 40 Abs. 2 BRAGO bildet das Verfahren auf u. a. Abänderung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung mit dem Verfahren über den Antrag auf Anordnung des Arrestes oder der einstweiligen Verfügung eine Angelegenheit. Diese Bestimmung bezieht sich unmittelbar zwar nur auf zivilprozessuale Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. auch die Überschrift des dritten Abschnitts (§§ 31 bis 67) BRAGO: "Gebühren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und in ähnlichen Verfahren"). Sie gilt über die Verweisung in § 114 Abs. 5 Satz 1 BRAGO sinngemäß aber auch für den einstweiligen Rechtsschutz nach §§ 80 Abs. 5, 123 VwGO vor den Verwaltungsgerichten. Dies hat zur Folge, dass § 40 Abs. 2 BRAGO auch Verfahren über einen Antrag auf Abänderung oder Aufhebung einer gerichtlichen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO mit dem Verfahren über den Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu einer gebührenrechtlichen Einheit zusammenfasst. Deshalb kann der Rechtsanwalt, der schon im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO tätig war, für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht erneut Gebühren verlangen.

Hess. VGH, Beschluss vom 13. Oktober 1989 - 1 S 272/89 -, DVBl. 1990, 721 (LS); OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 30. Dezember 1983 - 7 B 93/83 -, NVwZ 1985, 354; Bay. VGH, Beschluss vom 7. Dezember 1983 - 20 C 83 D.1 und 2 -, BayVBl. 1984, 414 f.; VGH B.-W., Beschluss vom 22. Februar 1983 - 10 S 2583/82 -, Jurisdokument Nr.: MWRE 103768313; OVG Nds. und SH, Beschluss vom 11. April 1988 - 3 B 59/88 -, Jurisdokument Nr.: MWRE 104958815; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 3. Auflage 1986, Rdnr. 838, S. 323; Hartmann, Kostengesetze, 27. Auflage 1997, § 114 Rdnr. 26.

Die - sinngemäße - Anwendbarkeit des § 40 Abs. 2 BRAGO ist nicht allein auf solche Abänderungsanträge nach § 80 Abs. 7 VwGO beschränkt, die die Abänderung einer stattgebenden Entscheidung zum Ziel haben. Vielmehr erfasst § 114 Abs. 5 Satz 1 iVm § 40 Abs. 2 BRAGO auch die beantragte Abänderung einer ablehnenden Aussetzungsentscheidung. Dem steht es nicht entgegen, dass § 40 Abs. 2 BRAGO schon nach seinem Wortlaut für seinen unmittelbaren zivilprozessualen Geltungsbereich nur den Antrag auf Abänderung oder Aufhebung einer stattgebenden Entscheidung betrifft, nicht aber einen erneuten Antrag auf Anordnung des Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung, nachdem der vorangegangene Arrest oder Verfügungsantrag abgelehnt worden ist.

Von Eicken, in: Gerold/Schmidt, BRAGO, 11. Auflage 1991, § 40 Rdnr. 14; Keller, in: Riedel/Sussbauer, BRAGO, 6. Auflage 1988, § 40 Rdnr. 3; vgl. auch Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 10. Mai 1991 - 8 W 121/91 -; Bay. VGH, Beschluss vom 7. Dezember 1983 - 20 C 83 D.1 und 2 -, Bay.VBl. 1984, 414.

Diese Differenzierung entspricht aufgrund der zivilprozessualen Gegebenheiten dem Gesetzeszweck des § 40 Abs. 2 BRAGO. Dem gegenüber gebieten Besonderheiten des verwaltungsgerichtlichen Abänderungsverfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO im Wege der durch § 114 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorgegebenen sinngemäßen Anwendung,

vgl. dazu Hartmann, Kostengesetze, 27. Auflage 1997, § 114 Rdnr. 4,

die Erstreckung der Rechtsfolgen des § 40 Abs. 2 BRAGO auf sämtliche Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO.

Die für den Zivilprozess getroffene Unterscheidungen erklärt sich auf dem Hintergrund unterschiedlicher prozessualer Regelungen einerseits für die Abänderung einer stattgebenden Entscheidung und andererseits für die erneute Beantragung einer zuvor abgelehnten Entscheidung.

§ 40 Abs. 2 BRAGO beruht auf dem Grundgedanken, dass das Abänderungsverfahren (§§ 924, 925 ZPO) ebenso wie das Aufhebungsverfahren (§§ 925, 926 Abs. 2, 927, 939 ZPO) eng mit dem vorangegangenen Anordnungsverfahren zusammen hängt, dem Anwalt, der bereits in diesen Verfahren tätig geworden ist, durch seine Tätigkeit im Allgemeinen keine erhebliche zusätzliche Arbeit erwächst und es deshalb nicht gerechtfertigt wäre, zur Abgeltung dieser weiteren Mühewaltung die im Anordnungsverfahren bereits entstandenen Gebühren ein zweites Mal entstehen zu lassen.

OLG Celle, Beschluss vom 28. September 1962 - 8 W 196/62 -, NJW 1963, 306, 307.

Im Gegensatz dazu steht ein erneutes Anordnungsverfahren mit dem vorangegangenen Anordnungsverfahren nicht in einem vergleichbar engen Zusammenhang wie ein Abänderungs- oder Aufhebungsverfahren. Vielmehr ist mit der Verselbständigung eines erneuten Anordnungsverfahrens gegenüber einem vorangegangenen Anordnungsverfahren tendenziell auch ein höherer Verfahrensaufwand des Rechtsanwalts als im Abänderungs- oder Aufhebungsverfahren verbunden. Dies erklärt sich vornehmlich daraus, dass die "Abänderung" einer ablehnenden Arrestentscheidung nur unter wesentlich engeren Voraussetzungen möglich ist als die Abänderung einer stattgebenden Arrestentscheidung und damit gegenüber dieser deutlich erschwert wird.

Die Aufhebung von stattgebenden Entscheidungen nach § 927 ZPO setzt veränderte Umstände voraus. Insoweit reicht es - wie auch im Rahmen des § 80 Abs. 7 VwGO - aus, wenn Umstände vorliegen, die der Antragsteller im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemacht hat.

Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 21. Auflage 1999, § 927 Rdnr. 4 m.w.N.

Dagegen steht der erneuten Beantragung eines zuvor abgelehnten Arrestes die Bestandskraft der ablehnenden Entscheidung entgegen,

vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 58. Auflage 2000, § 322 Rdnr. 29 m.w.N.,

Diese schließt die Berufung auf Umstände aus, die schon bei der vorherigen Ablehnung des Arrestes gegeben waren, auch wenn sie dem Antragsteller erst später bekannt geworden sind.

Vgl. KG, Urteil vom 7. Juli 1978 - 4 U 1707/78 -, MDR 1979, 64 m.w.N.

Diese zivilprozessualen Unterschiede finden sich im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht wieder.

Vielmehr ist § 80 Abs. 7 VwGO mit jeweils identischen - und denen des § 927 ZPO entsprechenden - Voraussetzungen bei der Abänderung stattgebender und ablehnender Entscheidungen gleichermaßen einschlägig, so dass sowohl der jeweilige Verfahrenszusammenhang als auch der Verfahrensaufwand des Rechtsanwalts sich in beiden Fällen in etwa entsprechen.

Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Gebührenanspruch für das Abänderungsverfahren findet auch in § 13 Abs. 2 Satz 2 BRAGO keine Stütze. Nach dieser Bestimmung kann der Anwalt in einem gerichtlichen Verfahren auch in der selben Angelegenheit Gebühren für jeden Rechtszug besonders fordern,

vgl. Hartmann, Kostengesetze, 27. Auflage 1997, § 13 BRAGO Rdnr. 13.

Es kann offen bleiben, inwieweit die nach § 80 Abs. 7 VwGO beantragte Abänderung einer ablehnenden Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO überhaupt zu einem neuen Rechtszug nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BRAGO führen könnte.

Vgl. (dies für einen erneuten Arrestantrag bejahend): OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Januar 1957 - 6 WB 46/56 -, MDR 1957, 305; OLG Hamburg, Beschluss vom 30. März 1972 - 8 W 55/72 -, MDR 1972, 877 f.; von Eicken, in: Gerold/Schmidt, BRAGO, 11. Auflage 1991, § 13 Rdnr. 41.

Jedenfalls ist § 40 Abs. 2 BRAGO iVm § 114 Abs. 5 Satz 1 BRAGO - für den vorliegenden Fall - auch als gesetzliche Regelung des Umfangs des Rechtszugs zu verstehen.

So für § 40 Abs. 2 BRAGO grundsätzlich: von Eicken, in: Gerold/Schmidt, BRAGO, 11. Auflage 1991, § 13 Rdnr. 24. Zu Ausnahmen im - hier nicht gegebenen - Fall nicht gleichgeordneter Rechtszüge vgl.: Bay. VGH, Beschluss vom 7. Dezember 1983 - 20 C 83 D. 1 und 2 -, BayVBl. 1984, 414. Zum Begriff des Rechtszuges im Rahmen des § 40 Abs. 2 BRAGO vgl. auch: Hartmann, Kostengesetze, 27. Auflage 1997, § 40 BRAGO Rdnr. 12.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 5 BRAGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 26.06.2000
Az: 18 E 325/98


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