Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 13. August 2015
Aktenzeichen: 7 EK 1/15

(OLG Köln: Urteil v. 13.08.2015, Az.: 7 EK 1/15)

Tenor

Das Versäumnisurteil des Senats vom 21.05.2015 - 7 EK 1/15 - wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Das beklagte Land trägt die Kosten seiner Säumnis. Die Kosten des Rechtsstreites im Übrigen werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

(Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO, § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG abgesehen.)

Gründe

Der Einspruch des beklagten Landes vom 08.06.2015 gegen das der Klage stattgebende Versäumnisurteil des Senats vom 21.05.2015, zugestellt am 28.05.2015, ist form- und fristgerecht eingelegt und insgesamt zulässig. In der Sache ist der Einspruch auch begründet und führt zur Aufhebung des Versäumnisurteils und Abweisung der Klage. Denn dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Höhe von mindestens 1.200,00 € gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wegen einer aus seiner Sicht unangemessenen Dauer des bei dem Anwaltsgericht Köln geführten Verfahrens 10 EV 4/12 zu.

I.

Gemäß § 112 g BRAO sind auf den Rechtsschutz bei überlangen Anwaltsgerichtsverfahren die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes, §§ 198 ff GVG, anzuwenden. Das anwaltsgerichtliche Verfahren - 10 EV 4/12 (Köln) - dauerte indes nicht unangemessen lange i.S. des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG.

1.

Entscheidend ist gemäß § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ausschließlich die Dauer des fraglichen Gerichtsverfahrens, d.h. der Zeitraum vom Antrag des Klägers auf anwaltsgerichtliche Entscheidung vom 10.12.2011 bis zu der Verfahrenseinstellung durch Beschluss vom 08.09.2014. Auf die Dauer des Vorverfahrens bei der Rechtsanwaltskammer L kommt es nicht an.

2.

Die Verfahrensdauer ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14 -, Rn. 27, juris, mit zahlreichen w.N.) unangemessen im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalls ("Gesamtabwägung") ergibt, dass die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Die Verfahrensdauer muss insgesamt eine Grenze überschreiten, die sich auch unter Berücksichtigung gegenläufiger rechtlicher Interessen für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt, wobei nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung ausreicht (BGH a.a.O.).

Nach Maßgabe dieser Kriterien und in Ansehung des Umstands, dass im Verfahren nach §§ 198 ff GVG (i.V. mit § 112 g BRAO) der Beibringungsgrundsatz gilt (BGH, Urteil vom 14. November 2013 - III ZR 376/12 -, BGHZ 199, 87-103, Rn. 41), lässt sich auf der Grundlage des zwischen den Parteien insgesamt unstreitigen Ablaufs des Ausgangsverfahrens nicht feststellen, dass konkrete gerichtliche Maßnahmen oder Unterlassungen eine vermeidbare Verzögerung des Rechtsstreits zur Folge gehabt hätten.

Der Senat hat bereits in dem von dem Kläger geführten früheren Verfahren nach §§ 198 ff GVG - 7 SchH 7/12 - mit Urteil vom 31.10.2013 festgestellt, dass bei Ausgangsverfahren der hier fraglichen Art, d.h. anwaltsgerichtlichen Verfahren, dessen Besonderheiten in den Blick zu nehmen sind. Zu den bedeutsamen Umständen des Einzelfalles gehöre deshalb, dass sich die ehrenamtlichen Richter des Anwaltsgerichtes regelmäßig nicht am Gerichtstandort aufhalten, auch wenn es nicht gerechtfertigt sei, allein wegen des ehrenamtlichen Charakters der Tätigkeit generell einen niedrigeren Standard als bei Berufsrichtern anzulegen. Hieran ist festzuhalten.

Im Streitfall liegen bei der nach diesen Grundsätzen gebotenen Gesamtschau keine i.S. des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG unangemessen langen Verfahrensabschnitte vor.

Das Verfahren 10 EV 4/12 (Köln) ist nach seiner Einleitung am 10.12.2011 zügig terminiert worden, zunächst auf den 28.03.2012. Die Aufhebung dieses Termins sowie die nach Abschluss des Zwischenverfahrens betreffend die Ablehnungsgesuche des Klägers ab September 2013 erfolgten Neu- und Umterminierungen waren stets sachlich gerechtfertigt, nämlich durch den Befangenheitsantrag des Klägers vom 22.03.2012 gegen den Vorsitzenden Richter (Aufhebung des Verhandlungstermins am 28.03.2011), die Erkrankung der Beisitzerin (Aufhebung des Verhandlungstermins am 27.11.2013), eine unstreitige Terminkollision wegen der am Verhandlungstag auch anberaumten Hauptverhandlung in dem weiteren Parallelverfahren des Klägers - 10 EV 113/12 - (Aufhebung des Verhandlungstermins am 05.03.2014) sowie die nach Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin am 25.08.2014 erfolgte einverständliche Vertagung dieses Termins, der sodann am 08.09.2014 stattfand.

Soweit in der Regel Aufhebung und Neuterminierung mittels zweier gesonderter Verfügungen des Vorsitzenden Richters angeordnet worden waren, ist dies zum einen unbedenklicher Ausdruck einer individuellen Verfahrensführung und Handhabung bei richterlichen Verfügungen. Zum anderen rechtfertigen sich dadurch aufgetretene gewisse zeitliche Abstände bei den Umterminierungen (so bei der Terminaufhebung am 26.11.2013 und der mit Verfügung vom 07.01.2014 erfolgten Neuterminierung auf den 05.03.2014 sowie bei der Vertagung des Termins am 05.03.2014 und der Neuterminierung am 07.05.2014 auf den 25.08.2014) aber auch aus den von dem Senat bereits herausgestellten grundsätzlichen Problemen bei Terminierungen durch und für nicht am Gerichtsort aufhältige ehrenamtliche Richter. Ob eine "optimale" Verfahrensführung sich anders darstellte, kann offen bleiben, denn jedenfalls ist gerade auch in Ansehung der relativ geringen Bedeutung des Verfahrens für den Kläger keine sachlich nicht mehr gerechtfertigte oder unverhältnismäßige Abweichung festzustellen.

Auch im Zwischenverfahren betreffend die Befangenheitsgesuche des Klägers ist es nicht zu relevanten Verzögerungen gekommen. Sowohl die Entscheidung des Anwaltsgerichts vom 17.07.2012 (d.h. ca. 4 Monate nach dem Ablehnungsgesuch vom 22.03.2012) als auch die Beschwerdeentscheidung des Anwaltsgerichtshofs vom 12.04.2012 (d.h. ca. 7 Monate nach der Beschwerde des Klägers vom 02.09.2012) liegen unter Berücksichtigung von Begründungs- und Stellungnahmefristen für beide Parteien sowie der Notwendigkeit der Einholung dienstlicher Äußerungen der abgelehnten Richter innerhalb eines normalen Verfahrensablaufs.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 344 ZPO i.V. mit § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO i.V. mit § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach §§ 201 Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Streitwert: 1.200,00 €






OLG Köln:
Urteil v. 13.08.2015
Az: 7 EK 1/15


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