Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 15. November 2011
Aktenzeichen: I-28 U 69/11

(OLG Hamm: Urteil v. 15.11.2011, Az.: I-28 U 69/11)

1. Der Verlust einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die der Mandant aufgrund der objektiven Umstände keinen Anspruch hatte, stellt bei wertender Betrachtung keinen ersatzfähigen Schaden dar.

2. Die Beraterhaftung entfällt jedoch nicht, wenn das Finanzamt an einer verbösernden Entscheidung gehindert ist, weil die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht erfüllt sind.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 24. Februar 2011 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Siegen unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger in Höhe von 8.759,70 € nebst Zin-sen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. November 2007 von seiner Einkommensteuerschuld gegenüber dem Finanzamt N zur Steuernummer 334/...#/...gemäß Einspruchsbescheid vom 15. Oktober 2007 freizustellen.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 873,52 € zu zahlen.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/4 und der Beklagte zu ¾.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt den beklagten Rechtsanwalt, der den Kläger in einer Steuerangelegenheit beraten hat, wegen anwaltlicher Pflichtverletzung in Anspruch, nachdem das Finanzamt nach einem Einspruch des Beklagten gegen einen Einkommensteuerbescheid eine verbösernde Entscheidung getroffen hat.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete im Jahr 2004. Der Kläger erhielt im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Prozessvergleichs eine Abfindung in Höhe von 95.000 €. Darüber hinaus bezog der Kläger Arbeitsentgelt. Nach einer Außenprüfung durch das für den Arbeitgeber zuständige Finanzamt M erhielt das für den Kläger zuständige Finanzamt N eine (unrichtige) Kontrollmitteilung, wonach der Kläger eine Abfindung von 113.287 € erhalten habe. Später reichte der Kläger bei dem Finanzamt N seine Einkommensteuerklärung für das Jahr 2004 ein. Unter anderen überreichte er das Sitzungsprotokoll mit dem arbeitsgerichtlichen Prozessvergleich. Einen Teil seines Arbeitsentgeltes in Höhe von 4.764 € gab er nicht an. Das Finanzamt setzte durch Einkommensteuerbescheid von 15. Dezember 2006 für das Jahr 2004 21.415,50 € Einkommensteuer fest. Das war objektiv unstreitig zu gering. Der Kläger hielt die Steuerfestsetzung dennoch für überhöht und mandatierte den beklagten Rechtsanwalt, der Einspruch einlegte. Das Finanzamt teilte dem Beklagten durch Schreiben vom 24. August 2007 mit, dass die Steuerlast tatsächlich mit 30.262 € zu beziffern sei. Dieser Betrag ist unstreitig korrekt. Das Finanzamt kündigte an, es werde die bisherige Einkommensteuerfestsetzung berichtigen, und zwar auch im Fall der Einspruchsrücknahme, denn der Umstand, dass der Kläger neben der Abfindung im Jahr 2004 noch laufende Einkünfte bezogen habe, sei eine neue Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 AO. Der Beklagte nahm den Einspruch nicht zurück. Mit Bescheid vom 15. Oktober 2007 setzte das Finanzamt N die Einkommensteuer wie angekündigt auf 30.262 € fest. Mit Zinsen, Kirchensteuer und Säumniszuschlägen ergab sich eine Steuerschuld von insgesamt 32.485,37 €.

Mit der Regressklage macht der Kläger die Differenz von 21.415,50 € zu 32.485,37 € geltend. Er hat zuletzt Freistellung von einer Forderung des Finanzamts N gegen ihn in Höhe von 11.069,87 € nebst Zinsen verlangt. Die Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass durch eine rechtmäßige Steuernachforderung kein Schaden verursacht werde.

Von der Darstellung weiterer tatsächlicher Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO abgesehen.

II.

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 280 Abs. 1 BGB überwiegend begründet.

1. a) Der Beklagte hat seine anwaltlichen Pflichten bereits durch das Einlegen des Einspruchs gegen den Einkommensteuerbescheid verletzt. Ein steuerliches Beratungsmandat ist auf die Vertretung der Interessen des Mandanten gerichtet (BGH, Urteil vom 15. November 2007 - IX ZR 34/04, DStR 2008, 321, Rn. 10; Zugehör, WM 2010, Sonderbeilage 1, Seite 13, m.w.N.). Daher war es pflichtwidrig, mit dem Einspruch neue Tatsachen vorzutragen, die zu einer höheren Besteuerung des Klägers führen. Der Kläger beanstandet mit Recht, dass dem für ihn zuständigen Finanzamt durch den Einspruch die Möglichkeit eröffnet worden sei, den Ausgangsbescheid zu seinen Ungunsten zu ändern. Der Beklagte meint hingegen zu Unrecht, dass er zur Vermeidung des Vorwurfs der Beihilfe zur Steuerhinterziehung gehalten gewesen sei, dem Finanzamt auch solche tatsächlichen Umstände mitzuteilen, die dem Mandanten nachteilig sind. Zwar muss der steuerliche Berater den Rahmen des gesetzlich Zulässigen wahren. Es ist jedoch gesetzlich zulässig, keinen Einspruch gegen einen Steuerbescheid einzulegen. Das Unterlassen der Einspruchseinlegung ist, anders als der Beklagte meint, keine Beihilfe zu einer Steuerstraftat durch Unterlassen, weil den steuerlichen Berater insoweit keine Handlungspflichten im Sinne von § 13 StGB treffen; er ist nicht anzeigepflichtig (Dörn, DStR 1994, 555).

b) Der Beklagte hat seine Pflichten als steuerlicher Berater weiterhin auch dadurch verletzt, dass er den Einspruch nach dem Schreiben des Finanzamtes vom 24. August 2007 nicht zurückgenommen hat. Auch der steuerliche Berater hat seinem Auftraggeber den relativ sichersten Weg zu dem angestrebten Ziel aufzuzeigen (BGH, Urteile vom 8. Februar 2007 - IX ZR 188/05, NJW-RR 2007, 1556, Rn. 9; vom 19. Mai 2009 - IX ZR 43/08, WM 2009, 1376, Rn. 11; Zugehör, WM 2010, Sonderbeilage 1, Seite 13). Dies wäre im vorliegenden Fall die Rücknahme des Einspruchs gewesen, nachdem das Finanzamt mit Schreiben vom 24. August 2007 angekündigt hatte, den ursprünglichen Bescheid zuungunsten des Klägers zu ändern. Die Rücknahme des Einspruchs hatte für den Kläger keinen Nachteil, engte aber die Optionen des Finanzamts ein. Denn die Einspruchsrücknahme hätte dem Finanzamt die Möglichkeit verschlossen, den ursprünglichen Bescheid unter den vereinfachten Voraussetzungen des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO zum Nachteil des Klägers zu ändern. Nach dieser Bestimmung kann der Verwaltungsakt nämlich auch dann zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Das Finanzamt hätte nach Einspruchsrücknahme nur noch nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vorgehen können. Nach dieser Bestimmung sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Zwar hat das Finanzamt diese Norm für sich in Anspruch genommen. Durch die Nichtrücknahme des Einspruchs kam es aber darauf nicht mehr an, ob ihre Voraussetzungen erfüllt sind.

2. Das Verschulden des Anwalts wird aufgrund der Pflichtverletzung vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Beklagte hat sich nicht entlastet. Bei seiner Anhörung durch den Senat hat er sogar eingeräumt, dass er mit einer (etwas) höheren Besteuerung des Mandanten gerechnet habe.

3. Durch die Pflichtverletzung des Beklagten ist entgegen der Ansicht des Landgerichts ein Schaden verursacht worden, und zwar sowohl durch das Einlegen des Einspruchs als auch durch die unterbliebene Rücknahme (§ 249 Abs. 1 BGB, § 287 Abs. 1 ZPO).

a) Hätte der Beklagte keinen Einspruch eingelegt, wäre der ursprüngliche Bescheid bestandskräftig und nicht zuungunsten des Klägers geändert geworden.

b) Hätte der Beklagte den Einspruch zurückgenommen, hätte das Finanzamt N den ursprünglichen Bescheid nur unter den Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO aufheben können. Diese waren richtigerweise allerdings nur teilweise gegeben.

aa) Im Hinblick auf die Besteuerung der Abfindungszahlung, die der Kläger von seinem Arbeitgeber erhalten hat, war das Finanzamt N nicht zu einer Änderung zuungunsten des Klägers berechtigt. Das Finanzamt hat insoweit nicht nachträglich neue Tatsachen erfahren. Die Angaben des Klägers in der Einkommensteuererklärung waren insoweit richtig, als er 95.000 € als Abfindung deklariert hatte. Die Abfindung und ihre Höhe ergaben sich aus dem beigefügten Sitzungsprotokoll des Arbeitsgerichts über den Prozessvergleich. Aus der Entgeltabrechnung ergaben sich hingegen Gesamtbruttoeinkünfte von 106.087,31 €. Mit der Vorlage dieser Schriftstücke ist der Kläger entgegen der Ansicht des Beklagten seiner Mitwirkungspflicht gegenüber dem Finanzamt nachgekommen. Aus dem Vergleich der Schriftstücke erschloss sich, dass der Kläger nicht nur eine Abfindungszahlung vom Arbeitgeber erhalten hatte. Zwar hat das Finanzamt N sich unter Umständen an der unrichtigen Kontrollmitteilung des Finanzamtes M orientiert. Das geht jedoch nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen. Soweit sich anhand der Einkommensteuererklärung des Klägers, des überreichten Vergleichsprotokolls über die Abfindungszahlung sowie der Kontrollmitteilung des Finanzamtes eine Unstimmigkeit ergab, löste dies eine Ermittlungspflicht des Finanzamts N aus (siehe dazu BFH, Urteil vom 10. Dezember 1991 - VII R 10/90, BFHE 166, 395; Koenig in: Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 173 Rn. 100 f., m.w.N.). Dem ist das Finanzamt nicht nachgegangen, obwohl sich dies hätte aufdrängen müssen (siehe zu diesem Gesichtspunkt BFH, Urteile vom 13. November 1985 - II R 208/82, BFHE 145, 487 = juris, Rn. 13; vom 20. Dezember 1988 - VIII R 121/83, BFHE 156, 339 = juris, Rn. 51). Es gibt keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seine Steuererklärung grob schuldhaft falsch ausgefüllt hat (zu diesem Kriterium siehe BFH, Urteil vom 10. August 1988 - IX R 219/94, BFHE 154, 481). Dagegen spricht namentlich der Umstand, dass der Kläger das Vergleichsprotokoll überreicht hat, aus dem sich die zutreffende Höhe der Abfindung ergab. Daher wäre das Finanzamt richtigerweise insoweit an einer verbösernden Entscheidung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gehindert gewesen.

bb) Etwas anderes gilt im Hinblick auf das Arbeitsentgelt des Klägers. Der Beklagte hat in der Berufungsbeantwortung unwidersprochen geltend gemacht, der Kläger habe gegenüber den Finanzamt N sein Arbeitsentgelt für das Jahr 2004 um 4.764 € zu gering angegeben. Insoweit musste der Kläger eine nachträgliche Versteuerung hinnehmen. In diesem Umfang ist durch die anwaltliche Pflichtverletzung kein (normativ beachtlicher) Schaden verursacht worden.

4. a) Ein Geschädigter soll nach dem normativen Schadensbegriff grundsätzlich im Wege des Schadensersatzes nicht mehr erhalten als dasjenige, was er nach der materiellen Rechtslage hätte verlangen können. Der Verlust oder die Vorenthaltung einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die der Mandant aufgrund der objektiven Umstände keinen Anspruch hatte, stellt bei wertender Betrachtungsweise keinen ersatzfähigen Schaden dar (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs, BGHZ 125, 27, 34; BGHZ 163, 223, 226 f.; Urteile vom 6. Juli 2006 - IX ZR 88/02, NJW-RR 2006, 1682, Rn. 8; vom 15. November 2007 - IX ZR 34/04, DStR 2008, 321, Rn. 21; siehe auch Gehrlein, DStR 2010, 401, 403; Zugehör, WM 2010, Sonderbeilage 1, Seite 21; G. Fischer in: Zugehör u.a., Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1182, 1188; Fahrendorf in: Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl., Rn. 871 ff.). Ein entgangener Steuervorteil kann danach nur dann ein Schaden im Rechtssinn sein, wenn er rechtmäßig hätte erlangt werden können (BGH, Beschluss vom 5. Juli 2007 - IX ZR 230/04, juris, Rn. 5; Zugehör, aaO).

b) Nach dem oben Gesagten hatte der Kläger überwiegend Anspruch darauf, dass ihm die durch den Steuerbescheid vom 15. Dezember 2006 eröffnete günstige Gestaltung erhalten bleibt, denn das Finanzamt N war, wie ausgeführt, gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gehindert, die Abfindungszahlung anders zu bewerten als im Steuerbescheid vom 15. Dezember 2006. Anderes gilt im Hinblick auf die 4.764 € Arbeitsentgelt. Das Finanzamt N war insoweit, wie bereits ausgeführt, nicht gehindert, den Steuerbescheid vom 15. Dezember 2006 zu Ungunsten des Klägers zu ändern.

c) Daraus folgt für die Schadensbemessung, dass es im Ansatz bei dem Steuerbescheid vom 15. Dezember 2006 verbleibt. Der Kläger hätte darüber hinaus jedoch weitere 4.764 € Arbeitsentgelt versteuern müssen. Das Finanzamt N hat einen durchschnittlichen Steuersatz von knapp 24% zugrunde gelegt. Der Kläger hätte daher weitere 1.143,36 € Steuern entrichten müssen (§ 287 Abs. 1 ZPO). Der Kläger kann im Wege des Anwaltsregresses somit Schadensersatz in Höhe von 9.926,51 € verlangen (11.069,87 € minus 1.143,36 €).

Soweit der Beklagte nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit einem nicht nachgelassenen Schriftsatz geltend macht, dass der Kläger Arbeitsentgelt in Höhe von 11.964,24 € nicht angegeben habe, besteht kein Grund, die mündliche Verhandlung erneut zu eröffnen, weil die Voraussetzungen des § 156 Abs. 1, 2 ZPO nicht gegeben sind. In der Berufungsbeantwortung hat der Beklagte selbst angegeben, dass der Kläger (nur) 4.764 € nicht angegeben habe.

5. Auf Mitverschulden des Mandanten (§ 254 Abs. 1 BGB) kann der Beklagte sich nicht berufen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann ein haftpflichtiger Berater seinem geschädigten Mandanten im Allgemeinen kein Mitverschulden vorwerfen, soweit er den entstandenen Schaden nach dem Vertragsinhalt - vor allem im rechtlichen Bereich - zu verhindern hatte (BGH, Urteil vom 17. Januar 2002 - IX ZR 182/00, NJW 2002, 1048, unter II 3; Beschluss vom 23. September 2010 - IX ZR 132/08, BeckRS 2010, 24460, Rn. 2, m.w.N.). Der Mandant muss darauf vertrauen können, dass der beauftragte Berater die anstehenden steuerrechtlichen Fragen fehlerfrei bearbeitet (BGH, Urteil vom 17. März 2011 - IX ZR 162/08, NJOZ 2011, 1736, Rn. 12, m.w.N.).

6. Die vom Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung mit Honorarforderungen hat zum Teil Erfolg. Der Beklagte legt zwei Kostennoten über 361,18 € und 805,63 € vor. Die beiden Gegenforderungen sind unstreitig. Die Hauptforderung verringert sich auf 8.759,70 € (9.926,51 € minus 361,18 € minus 805,63 €). Mit einer dritten Gegenforderung, hervorgegangen aus einem Mandat gegenüber der Krankenkasse C, kann der Beklagte indes nicht aufrechnen. Die Vergütung ist mangels einer dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung insoweit nicht einforderbar (§ 10 RVG). Dies steht auch der Aufrechnung entgegen (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1988 - III ZR 149/87, BGHR BGB § 390 Satz 1 Anwaltshonorar 1, zu § 18 BRAGO)

7. Der Kläger macht Verzugszinsen zum Teil als Hauptsacheschaden geltend, nämlich Verzugszinsen auf die Forderung des Finanzamts bis zur Klagezustellung am 23. Januar 2010 (zu Zinsen als Schaden: Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 4 Rn. 8; N. Schneider in: Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl., Rn. 4207). Der darüber hinausgehende Zinsanspruch ist eine Nebenforderung und folgt aus § 291 BGB.

8. Der Kläger kann gemäß § 280 Abs. 1, § 398 BGB aus abgetretenem Recht seines Rechtsschutzversicherers Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten verlangen.

a) Den Gebührensatz in Gestalt einer 1,8-fachen Geschäftsgebühr hält der Beklagte allerdings zu Recht für überhöht. Das Regressmandat ist weder besonders umfangreich noch besonders schwierig, zumal der Sachverhalt im Wesentlichen unstreitig ist. Daher ist nur eine 1,3-fache Gebühr angemessen. Ein Gutachten des Vorstands der Anwaltskammer muss nicht eingeholt werden; § 14 Abs. 2 RVG kommt nur im Honorarrechtsstreit des Anwalts mit seinem Mandanten zum Tragen (BGH, Beschluss vom 25. September 2008 - IX ZR 133/07, NJW 2008, 3641, Rn. 7; Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., § 14 Rn. 35, m.w.N.).

b) Die Gebührenstufe richtet sich nach einem Gegenstandswert bis zu 13.000 €, denn außer dem Betrag von 8.759,70 € sind, wie oben ausgeführt, auch Zinsen als Hauptsacheschaden zu berücksichtigen. Der Kläger kann daher 873,52 € verlangen (1,3-fache Geschäftsgebühr in Höhe von 683,80 € plus 20 € plus 19% MWSt.).

c) Der Rechtsschutzversicherer des Klägers, der dessen vorgerichtliche Anwaltskosten beglichen hat, ist zwar gemäß § 86 Abs. 1 VVG Forderungsinhaber geworden. Er hat den Anspruch jedoch aufgrund der Abtretungserklärung vom 8. August 2011, die der Kläger angenommen hat, an den Kläger zurückabgetreten (§ 398 BGB).

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ZPO, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 543 ZPO). Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.






OLG Hamm:
Urteil v. 15.11.2011
Az: I-28 U 69/11


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