Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 10. November 1994
Aktenzeichen: 16 Wx 127/94

(OLG Köln: Beschluss v. 10.11.1994, Az.: 16 Wx 127/94)

Zur Entstehung einer Besprechungsgebühr für den Anwalt als Pfleger Der Pflegling ist nicht Auftraggeber des Pflegers i.S. des § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO. Dies ist vielmehr das den Pfleger bestellende Gericht. Dieses stimmt einer Besprechung des Pflegers mit dritten Personen zu, wenn es ihn um eine Stellungnahme bittet, die er sachgemäß nur nach einer solchen Besprechung abgeben kann.

Gründe

Die Beschwerde ist gemäß § 16 Abs. 2 ZSEG zulässig, weil das

Landgericht eine richterliche Festsetzung nach § 16 Abs. 1 ZSEG

vorgenommen hat. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen

Erfolg.

Der Vertreter der Landeskasse stützt seine Beschwerde darauf,

daß in dem vom Landgericht festgesetzten Betrag für die

Aufwendungen des in der Beschwerdeinstanz bestellten

Verfahrenspflegers zu Unrecht eine Besprechungsgebühr

berücksichtigt worden sei. Dieser Einwand ist nicht begründet.

Die Höhe der wegen der Mittellosigkeit der Betroffenen aus der

Landeskasse zu zahlenden Aufwendungen für den Rechtsanwalt, der in

dem Verfahren gemäß §§ 1666, 1666 a BGB im Hinblick auf das den

betroffenen Kindern zustehende Zeugnisverweigerungsrecht zum

Verfahrenspfleger (Ergänzungspfleger) bestellt worden ist, richtet

sich gemäß §§ 1909, 1915, 1835 Abs. 3 BGB nach § 118 BRAGO. Hiervon

gehen auch die Beteiligten aus, so daß es insoweit keiner

weitergehenden Erörterung bedarf.

Entgegen der Auffassung des Vertreters der Landeskasse steht dem

Beteiligten zu 1. - neben der Geschäftsgebühr gemäß § 118 Abs. 1

Nr. 1 BRAGO - auch eine Besprechungsgebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 2

BRAGO zu.

Diese Gebühr erhält der Rechtsanwalt u.a. für sein Mitwirken bei

mündlichen Verhandlungen oder Besprechungen über tatsächliche oder

rechtliche Fragen, die von einem Gericht angeordnet oder im

Einverständnis mit dem Auftraggeber vor einem Gericht oder einer

Behörde, mit dem Gegner oder mit einem Dritten geführt werden;

allerdings erhält er die Gebühr nicht für eine bloße mündliche oder

fernmündliche Nachfrage.

Voraussetzung für den Anfall der Gebühr ist nicht, daß die

Verhandlung oder Besprechung vor einem Gericht bzw. in dessen

Anwesenheit erfolgt ist. Vielmehr genügt - bei Vorliegen der

übrigen Voraussetzungen - jede Verhandlung oder Besprechung mit dem

Gegner oder einem Dritten, gleichgültig an welchem Ort (vgl.

Gerold/Schmidt/Madert, 11. Aufl. 1991, § 118 BRAGO Rdz. 8;

Hartmann, Kostengesetze, 25. Aufl. 1993, § 118 BRAGO Rdz. 57).

Dritter im Sinne des § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO ist jeder, der

weder Auftraggeber noch dessen Bevollmächtigter oder gesetzlicher

Vertreter ist (Hartmann, a.a.0.).

Entgegen der Auffassung des Vertreters der Landeskasse behandelt

der Gesetzgeber durch die Zuerkennung des

Aufwendungsersatzanspruchs in § 1835 Abs. 1 BGB den Mündel (bzw.

Betreuten/Pflegling) nicht als Auftraggeber des Vormunds (bzw.

Betreuers/Pflegers), sondern gewährt dem Berechtigten - ohne

Vorliegen eines Auftragsverhältnisses - einen Vorschuß- oder

Ersatzanspruch "nach den für den Auftrag geltenden Vorschriften der

§§ 669, 670". Der Vorschrift des § 1835 Abs. 1 BGB liegt - ebenso

wie nunmehr auch § 1836 a BGB - die strenge Unterscheidung zwischen

Aufwendungsersatz und der in § 1836 BGB geregelten Vergütung

zugrunde, ohne daß der Gesetzgeber den Mündel (bzw.

Betreuten/Pflegling) damit zum Auftraggeber gemacht hat.

Auftraggeber im Sinne des § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO war im

vorliegenden Fall vielmehr das Landgericht, dessen Aufsicht der

Beteiligte zu 1. als Ergänzungspfleger gemäß §§ 1909, 1915, 1837

BGB unterstand.

Der Beteiligte zu 1. hat Besprechungen "mit einem Dritten"

geführt, indem er am 16. September 1993 im Kinderheim in O.

unstreitig mit der Gruppenleiterin der betroffenen Kinder und der

Heimleiterin die Frage erörtert hat, ob die Kinder von ihrem

Zeugnisverweigerungsrecht in dem Verfahren gemäß §§ 1666, 1666 a

BGB Gebrauch machen. Es kann dahinstehen, ob bereits in der

Bestellung des Beteiligten zu 1. zum Verfahrenspfleger sowie in der

Óbersendung der Gerichtsakten an den Beteiligten zu 1. unter

Hinweis auf seine Bestellung und auf das vom Landgericht eingeholte

Sachverständigengutachten vom 29. Juli 1993 sowie in der

Aufforderung zur Stellungnahme hierzu die gerichtliche Anordnung

einer Besprechung über tatsächliche und rechtliche Fragen im Sinne

von § 118 Abs. 1 Satz 2 BRAGO liegt. Denn jedenfalls enthält die

gerichtliche Aufforderung zur Stellungnahme u.a. zu der in dem

Sachverständigengutachten erörterten Erklärung der Kinder, von

ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen zu wollen, das

konkludent erklärte Einverständnis mit einer Unterredung mit

denjenigen Personen, mit denen der Beteiligte zu 1. eine solche

tatsächlich geführt hat. Dem Landgericht kam es - wie auch aus

seiner Entscheidung vom 27. September 1993 hervorgeht - maßgeblich

darauf an, von dem Beteiligten zu 1. zu erfahren, ob die Kinder -

unverändert - von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht im Hinblick auf

ihre Eltern belastende Aussagen Gebrauch machen würden. Hierzu

reichte nicht allein die bloße Einholung einer entsprechenden

Information durch die Kinder aus. Vielmehr konnte und mußte das

Landgericht - auch ohne ausdrückliche dahingehende Weisung -

erwarten, daß der Beteiligte zu 1. sich durch ein Gespräch mit der

Gruppenleiterin und der Heimleiterin einen Eindruck von der Reife,

dem Verständnis und dem wirklichen Willen der elf und fünf Jahre

alten Mädchen machte, um sich sodann als Ergänzungspfleger in

eigener Verantwortlichkeit über das den Kindern zustehende

Zeugnisverweigerungsrecht erklären zu können.

Die von dem Beteiligten zu 1. geführten Gespräche gehen in ihrer

Gesamtheit weit über die Qualität einer bloßen mündlichen Nachfrage

oder einen reinen Informationserteilung, wie sie im Rahmen eines

Auftragsverhältnisses zwischen einem Rechtsanwalt und seinem

Mandanten erfolgt, hinaus und sind damit nicht der Geschäftsgebühr

gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 BRAGO zuzuordnen.

Gegen die Höhe der Besprechungsgebühr sind Einwendungen nicht

erhoben worden. Der Ansatz der Gebühr durch das Landgericht ist

nicht zu beanstanden.

Soweit der Vertreter der Landeskasse für den Fall abschließender

Zubilligung der Besprechungsgebühr eine Herabsetzung der

Geschäftsgebühr für geboten hält, vermag der Senat dem nicht zu

folgen. Allein die Bedeutung der Angelegenheit und das

Durcharbeiten der mehr als 600 Seiten umfassenden Gerichtsakte

rechtfertigen auch hier den Ansatz der Mittelgebühr. Die Aufgabe

des Beteiligten zu 1. erforderte jedenfalls nicht weniger als

durchschnittliche Anforderungen und Leistungen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten

werden nicht erstattet (§ 16 Abs. 5 ZSEG).






OLG Köln:
Beschluss v. 10.11.1994
Az: 16 Wx 127/94


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