Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 7. Januar 2002
Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. 6 - 185/01

(OLG Hamm: Beschluss v. 07.01.2002, Az.: 2 (s) Sbd. 6 - 185/01)

Tenor

Dem Antragsteller wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 3.500 DM eine Pauschvergütung in Höhe von 2.300 EUR (in Worten: zweitausenddreihundert EURO) bewilligt.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I. Der Antragsteller war dem ehemaligen Angeklagten, dem die Beteiligung an mehreren Diebstahlstaten vorgeworfen wurde, als Pflichtverteidiger beigeordnet. Er ist für ihn allerdings erst im Berufungs- und Revisionsverfahren tätig geworden. Der Antragsteller beantragt für seine für seinen Mandanten erbrachte Tätigkeiten die Gewährung einer Pauschvergütung, die er im wesentlichen mit folgenden Tätigkeiten begründet:

Nach seiner Beiordnung am 12. Dezember 2000 hat der Antragsteller, dessen Kanzlei ihren Sitz in E hat, den ehemaligen Angeklagten einmal in der Justizvollzugsanstalt N besucht. Er hat zudem zur Vorbereitung der Hauptverhandlung zahlreiche Schreiben und Anträge verfasst. Die Berufungshauptverhandlung vor der kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster hat dann an insgesamt acht Tagen im Zeitraum vom 18. Januar bis 19. März 2001 stattgefunden. Von den acht Hauptverhandlungsterminen haben einer mehr als sieben, einer mehr als 4 und die übrigen sechs jeweils weniger als vier Stunden gedauert. Teilweise waren die Hauptverhandlungstermine sehr kurz. Die durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine hat nur rund 2 Stunden 30 Minuten betragen. Die sechs kurzen Hauptverhandlungstermine haben jedoch alle in den Nachmittagsstunden, teilweise von 14.00 Uhr bis 16.30 Uhr stattgefunden.

Der Antragsteller hat zudem noch gegen das 44-Seiten lange Berufungsurteil des Landgerichts Revision eingelegt, die er auf acht Seiten begründet hat.

Wegen des weiteren Umfangs der Inanspruchnahme und der von dem Antragsteller für den ehemaligen Angeklagten erbrachten Tätigkeiten wird auf die dem Antragsteller bekannt gemachte Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 vom 20. November 2001 Bezug genommen.

Die gesetzlichen (Pflichtverteidiger-)Gebühren des Antragstellers betragen 3.500 DM. Der Antragsteller hat eine Pauschvergütung von 14.400 DM, und zwar für jeden Hauptverhandlungstag einen Betrag von 1.800 DM, beantragt.

Der Vorsitzende der Strafkammer hat das Verfahren als nicht "besonders schwierig" angesehen. Der Vertreter der Staatskasse hat sich dem angeschlossen. Er ist zudem der Ansicht, dass das Verfahren für den Antragsteller auch nicht "besonders umfangreich" im Sinn von § 99 Abs. 1 BRAGO gewesen ist.

II. Dem Antragsteller war gemäß § 99 Abs. 1 BRAGO eine Pauschvergütung zu bewilligen

1. Das Verfahren war allerdings nicht "besonders schwierig". "Besonders schwierig" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO ist ein Verfahren, das aus besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen über das Normalmaß hinaus erheblich verwickelt ist (vgl. dazu Burhoff StraFo 1999, 261, 264). Das ist vorliegend nicht der Fall. Insoweit tritt der Senat mit dem Vertreter der Staatskasse der sachnahen Einschätzung des Vorsitzenden der Strafkammer bei; ein Grund, dieser nicht zu folgen, ist nicht ersichtlich (vgl. insoweit Senat in AnwBl. 1998, 416 = ZAP EN-Nr. 609/98 = AGS 1998, 104 und Senat in JurBüro 1999, 194 = AGS 1999, 104 = AnwBl. 2000, 56).

2. Das Verfahren war jedoch für den Antragsteller schon "besonders umfangreich" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO. Insoweit schließt sich der Senat der anderen Einschätzung des Vertreters der Staatskasse nicht an.

Bei den bei der Beurteilung des "besonderen Umfangs" zu berücksichtigenden Tätigkeiten hat der Senat insbesondere die Teilnahme des Antragstellers an den acht Hauptverhandlungsterminen berücksichtigt. Dabei übersieht der Senat zunächst nicht, dass diese mit einer durchschnittlichen Dauer von nur rund 2 Stunden und 30 Minuten für ein Verfahren vor der (kleinen) Strafkammer des Landgerichts nur unterdurchschnittlich lang gewesen sind, obwohl der Antragsteller auch an den längeren Hauptverhandlungsterminen, von denen einer mehr als sieben Stunden gedauert hat, teilgenommen hat. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang - entgegen der Ansicht des Antragstellers in seiner Stellungnahme vom 21. Dezember 2001 - nicht die von ihm aufgewendeten Fahrtzeiten, um vom Sitz seiner Kanzlei in E nach N zu gelangen. Diese bleiben nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. dazu Senat in NStZ-RR 1999, 31 = Rpfleger 1999, 95 = AGS 1999, 168) bei der Beurteilung der Frage, ob überhaupt eine Pauschvergütung zu bewilligen ist, außer Betracht. Sie sind erst bei der Bemessung einer aus anderen Gründen zu bewilligenden Pauschvergütung von Belang (vgl. Senat in StraFo 1999, 143 = wistra 1999, 156 = AGS 1999, 72 = StV 2000, 441).

Der Senat hat jedoch bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass allein die Dauer der Hauptverhandlungstermine kein Kriterium für den "besonderen Umfang" eines Verfahrens ist. Der "besondere Umfang" kann sich vielmehr auch daraus ergeben, dass die Hauptverhandlungen zu einer Zeit stattgefunden haben, in der Hauptverhandlungen sonst in der Regel nicht terminiert werden (vgl. dazu Senat in ZAP EN-Nr. 222/2001 = AGS 2001, 154). Das ist vorliegend der Fall und war entscheidend für die Annahme eines "besonders umfangreichen" Verfahrens im Sinn von § 99 Abs. 1 BRAGO. Nur bei zwei der acht Hauptverhandlungstermine war nämlich der Beginn auf 9.00 Uhr terminiert, alle anderen 8 Termine haben zu einem späteren Zeitpunkt begonnen, und zwar sämtlich erst ab 13.00 Uhr oder noch später. Sie haben dann auch nicht nur einige Minuten gedauert, sondern zumindest dreimal längere Zeit, wobei drei der Termine bis in den späteren Nachmittag hinein gedauert habe. Damit haben diese gegenüber den "Vormittagsterminen" kürzeren Termine gerade in der Zeit stattgefunden, in denen Rechtsanwälten - außerhalb der Hauptverhandlung - in ihren Praxen z.B. (andere) Mandanten zu Gesprächen empfangen bzw. andere inhaftierte Mandanten in Justizvollzugsanstalten besuchen (müssen). Der Antragsteller konnte zu diesen Zeiten anderen Mandanten, worauf er in seiner Stellungnahme vom 21. Dezember 2001 hingewiesen hat, nicht für Gespräche zur Verfügung stehen. Dieser Umstand kompensiert die nur unterdurchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine.

Unter Berücksichtigung der übrigen vom Antragsteller erbrachten Tätigkeiten, wie seiner zahlreichen Schreiben und Anträge und der von ihm gefertigten Revisionsbegründung, die vom Umfang her als überdurchschnittlich anzusehen ist, war damit nach allem von einem "besonders umfangreichen" Verfahren auszugehen.

3. Bei der Bemessung der somit dem Antragsteller wegen des "besonderen Umfangs" zu gewährenden Pauschvergütung hat der Senat alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Besonderes Gewicht hatte dabei neben der einerseits nur unterdurchschnittlichen Dauer der Hauptverhandlungstermine und deren nur lockeren Terminierung der Umstand, dass der größere Teil der Hauptverhandlung in den Nachmittagsstunden stattgefunden hat. Auch waren bei der Bemessung der Pauschvergütungen (nunmehr) die vom Antragsteller erbrachten Fahrtzeiten von E nach N zu berücksichtigen (vgl. dazu Senat in StraFo 1999, 143 = wistra 1999, 156 = AGS 1999, 72). Der Senat hat auch nicht übersehen, dass der Antragsteller den ehemaligen Angeklagten einmal in der Justizvollzugsanstalt N besucht hat und dazu von E angereist ist (zur Pauschvergütung des Pflichtverteidigers des inhaftierten Mandanten vgl. Burhoff StraFo 2001, 230 = AGS 2001, 219 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Senats). Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen hat der Senat bei dem Antragsteller eine Pauschvergütung von 2.300 EUR als angemessen und erforderlich angesehen.

Die Bewilligung einer höheren Pauschvergütung kam nicht in Betracht. Bei der Bemessung konnte nämlich die an sich für ein Verfahren beim Landgericht nur erheblich unterdurchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine nicht übersehen werden. Insbesondere konnte dem Antragsteller nicht die von ihm beantragte Pauschvergütung von 14.400 DM bewilligt werden. Mit einer Pauschvergütung in dieser Höhe wäre die Wahlverteidigerhöchstgebühr, die vorliegend 8.490 DM betragen hätte, weit überschritten worden. Die Bewilligung einer Pauschvergütung in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühr oder sogar noch darüber hinaus ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn die Tätigkeit für den ehemaligen Angeklagten den Pflichtverteidiger über einen längeren Zeitraum ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen hat. Das ist bei 8 Hauptverhandlungsterminen in zwei Monaten indes nicht der Fall und wird auch vom Antragsteller im Grunde nicht geltend gemacht. Demgemäss ist der weitergehende Antrag abgelehnt worden.






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