Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 23. Dezember 2003
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 17/03

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 23.12.2003, Az.: VI-U (Kart) 17/03)

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 12. März 2003 ver-kündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landge-richts Düsseldorf wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Voll-streckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 6.000 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

III. Die Beschwer der Klägerin und der Streitwert für das Beru-fungsverfahren werden auf 250.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin und die Beklagte zu 2. sind Mobilfunknetzbetreiber. Die Beklagte zu 1. betreut im L...-Konzern das Kundenbindungssystem "M... & M...". Jenes System zeichnet sich dadurch aus, dass dem Endkunden ein Rabatt in Form von Bonusmeilen für Freiflüge oder unentgeltliche Hotelübernachtungen gewährt wird.

Die Beklagte zu 1. bietet interessierten Wirtschaftsunternehmen an, sich diesem Kundenbindungssystem anzuschließen. Von dieser Möglichkeit haben eine Vielzahl von Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen Gebrauch gemacht, u.a. auch die Beklagte zu 2.. Die Beklagte zu 1. hat der Beklagten zu 2. dabei Exklusivität zugesichert und sich verpflichtet, keine anderen Mobilfunknetzbetreiber in ihr Kundenbindungssystem "M... & M..." aufzunehmen. Unter Verweis auf diese Vereinbarung hat die Beklagte zu 1. das Aufnahmeersuchen der Klägerin abgelehnt.

Die Klägerin hält die Weigerungshaltung der Beklagten zu 1. für kartellrechts- und wettbewerbswidrig. Sie ist der Auffassung, die Beklagte zu 1. sei auf dem betroffenen Markt, nämlich dem Angebotsmarkt für die Vermittlung von Flugbonusmeilen im Rahmen von Kundenbindungssystemen, marktbeherrschend. Jedenfalls in Bezug auf den Kundenkreis der Vielflieger seien die anderen Kundenbindungssysteme keine funktionell austauschbare Leistungsalternative, weil jene Systeme keine für Vielflieger vergleichbar attraktiven Prämien böten. Durch ihre Weigerungshaltung verstoße die Beklagte zu 1. deshalb - so meint die Klägerin - gegen §§ 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB. Außerdem handele die Beklagte zu 1. wettbewerbswidrig im Sinne von § 1 UWG. Die Exklusivitätsvereinbarung diene alleine dem Zweck, sie (die Klägerin) im Wettbewerb zu behindern.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten begehrt, die Teilnahme der Beklagten zu 2. an dem Kundenbindungssystem "M... & M..." so lange auszusetzen, bis sie selbst zu gleichen Konditionen dem System beitreten könne.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat sowohl ein kartellrechtswidriges Verhalten als auch einen Wettbewerbsverstoß der Beklagten verneint.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und wendet sich mit Rechtsausführungen gegen das angefochtene Urteil.

Die Beklagten treten dem im einzelnen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

I.

Das Landgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen. Die Exklusivitätsvereinbarung der Beklagten und die darauf beruhende Weigerung der Beklagten zu 1., die Klägerin in ihr Kundenbindungssystem "M... & M..." aufzunehmen, verstoßen weder gegen Kartellrecht noch gegen Wettbewerbsrecht.

A. Ein Verstoß gegen §§ 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB liegt nicht vor. Die Beklagte zu 1. ist schon nicht Normadressat der genannten Kartellrechtsnormen. Denn sie ist auf dem sachlich relevanten Markt nicht marktbeherrschend.

1. Sachlich relevanter Markt ist der Angebotsmarkt für die Vermittlung von Kundenbindungssystemen.

a) Die Marktabgrenzung bestimmt sich nach dem Bedarfsmarktkonzept. Zu ein und demselben Markt gehören alle diejenigen Waren und Dienstleistungen, die ihrem Bestimmungs- und Verwendungszweck nach funktional austauschbar, d.h. aus Sicht der Marktgegenseite im Hinblick auf Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung desselben Bedarfs geeignet sind. Steht - wie vorliegend - die Abgrenzung eines Angebotsmarktes zur Beurteilung, kommt es auf die funktionale Austauschbarkeit der verschiedenen Leistungen aus der Sicht der Nachfrager an.

b) Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist im Entscheidungsfall der Markt für die Vermittlung von Kundenbindungssystemen betroffen. Mit Recht ist das Landgericht der von der Klägerin vertretenen engeren Marktabgrenzung, wonach sachlich relevanter Markt derjenige für die Vermittlung von Flugbonusmeilen im Rahmen eines Kundenbindungssystem sein soll, nicht gefolgt. Selbst wenn man für die rechtliche Beurteilung alleine auf die Geschäftskunden der Klägerin - und dort wiederum speziell nur auf die Vielflieger - abstellt, wäre die Marktabgrenzung der Klägerin nur dann zutreffend, wenn jenen Kunden im Rahmen eines Kundenbindungsprogramms nur dadurch eine werbewirksame Prämie angeboten werden könnte, dass ihnen das Sammeln von Bonusmeilen bei der Beklagten zu 1. ermöglicht wird. Das ist indes nicht der Fall. Es liegt auf der Hand, dass auch die zu den Vielfliegern zählenden Geschäftskunden der Klägerin durch andere werthaltige Sach- oder Geldprämien an das Unternehmen gebunden werden können. Denn der Bedarf dieser Kunden beschränkt sich nicht nur auf Freiflüge und unentgeltliche Hotelübernachtungen, sondern umfasst daneben selbstverständlich auch alle sonstigen Bereiche des täglichen Lebens. Tankgutscheine, andere werthaltige Sachgeschenke oder gar Geldprämien sind für diesen Kundenkreis deshalb in gleicher Weise von Nutzen wie für alle anderen Kunden auch. Dass gleichwohl für Geschäftskunden - und namentlich für Vielflieger - das Sammeln von Bonusmeilen attraktiver ist als die von den anderen Kundenbindungssystemen ausgelobten Sach- und Geldprämien, und dass überdies die Werbewirkung der Bonusmeilen die Präsente jener anderen Kundenbindungssysteme in einem solchen Maße überragt, dass aus der verständigen Sicht der Unternehmen, die an einem Kundenbindungssystem teilnehmen wollen, das Bonusmeilensystem der Beklagten zu 1. mit keinem anderen der am Markt vorhandenen Kundenbindungssysteme funktional austauschbar ist, lässt sich nicht feststellen. Weder dem Vorbringen der Klägerin noch dem sonstigen Sach- und Streitstand ist dazu Nachvollziehbares zu entnehmen. Die Klägerin beschränkt sich auf die bloß pauschale Behauptung einer mangelnden Austauschbarkeit und vermag irgendwelche tragfähigen Gründe oder Gesichtspunkte für ihre Annahme selbst nicht aufzuzeigen; sie sind auch sonst nicht zu erkennen. Die allgemeine Lebenerfahrung widerspricht der von der Klägerin reklamierten Marktabgrenzung.

Unter diesen Umständen braucht dem Beweisantritt der Klägerin, die durch Einholung eines Sachverständigengutachtens die fehlende Austauschbarkeit des Bonusmeilensystems der Beklagten zu 1. unter Beweis stellt, nicht nachgegangen zu werden.

2. Auf dem Markt für die Vermittlung von Kundenbindungssystemen ist die Beklagte zu 1. nicht marktbeherrschend. Das ist zwischen den Parteien außer Streit. Demzufolge unterliegt die Beklagte zu 1. auch nicht den kartellrechtlichen Verboten der §§ 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB.

B. Die Weigerung der Beklagten zu 1., die Klägerin in ihr Kundenbindungssystem "M... & M..." aufzunehmen, verstößt ebensowenig gegen die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG). Wie vorstehend ausgeführt, ist die Klägerin nicht auf das Kundenbindungssystem der Beklagten zu 1. angewiesen, sondern kann auf andere am Markt vorhandene, funktional austauschbare Systeme zurückgreifen. Die Weigerungshaltung der Beklagten zu 1. hindert die Klägerin deshalb nicht, ihren Geschäftskunden - und speziell den Vielfliegern - werbewirksame Prämien zukommen zu lassen und folglich auch auf diesem Gebiet in einen Leistungswettbewerb mit der Beklagten zu 2. einzutreten. Unter diesen Umständen hat die Weigerung der Beklagten zu 1., die Klägerin in ihr Kundenbindungssystem aufzunehmen, keine sittenwidrige Wettbewerbsbehinderung der Klägerin zur Folge. Sonstige Umstände, die unabhängig von diesem Gesichtspunkt den Vorwurf eines sittenwidrigen Wettbewerbsverhalten der Beklagten begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Sie werden auch von der Klägerin nicht aufgezeigt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

III.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

K... W...






OLG Düsseldorf:
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Az: VI-U (Kart) 17/03


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