Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 11. Dezember 2006
Aktenzeichen: I-20 W 86/06

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 11.12.2006, Az.: I-20 W 86/06)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungs-beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 15. März 2006 teilweise ab-geändert:

Aufgrund des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 23.12.2005 sind von der Beklagten über die vom Landgericht in dem vorgenannten Be-schluss bereits festgesetzten Kosten in Höhe von 3.833 € hinaus weitere 269,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.01.2006 an die Klägerin zu erstatten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren beträgt 269,60 €.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist die in Stuttgart ansässige Verbraucherzentrale B.-W. e.V., die gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, §§ 3, 4 Abs. 2 Satz 2 UKlaG einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend gemacht hat. Mit der Vertretung in diesem Verfahren hat sie Anwälte einer in Stuttgart ansässigen Sozietät beauftragt, die auch den Verhandlungstermin vor dem Landgericht für sie wahrgenommen haben. Die im Zusammenhang mit der Reise zum Prozessgericht entstandenen Auslagen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat das Landgericht unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18.12.2003 - I ZB 18/03, abgedruckt in GRUR 2004, 448 - für nicht erstattungsfähig gehalten.

Hiergegen richtet sich die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie geltend macht, sie beschäftige zwar halbtags eine Volljuristin, die aber damit ausgelastet sei, Mitarbeiter für die Verbraucherberatung - ihrer, der Klägerin, Hauptaufgabe - zu schulen. Im Rahmen ihrer Verbandsklagetätigkeit werde sie seit 1965 ausnahmslos von ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten, die deshalb über ein entsprechendes Hintergrundwissen verfügten.

Diesem Sachvortrag ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin hängt davon ab, ob es für sie notwendig war, einen Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung zu beauftragen, der nicht am Ort des Prozessgerichts, sondern in Stuttgart ansässig ist (§ 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO).

Wie der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden hat, handelt es sich in der Regel um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende Partei einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt (vgl. BGH Beschluss vom 28.06.2006, IV ZB 44/05, Rdnr. 7, abgedruckt in NJW 2006, 3008-3009 m.w.N.). Eine Ausnahme besteht jedoch, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies ist u.a. regelmäßig dann der Fall, wenn es sich bei der fraglichen Partei um ein gewerbliches Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt (BGH GRUR 2004, 448 m.w.N.). In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass der Rechtsstreit durch die sachkundigen Mitarbeiter der Rechtsabteilung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorbereitet und die Partei daher in der Lage sein wird, einen am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Prozessbevollmächtigten umfassend schriftlich zu instruieren (BGH, a.a.O.). Diesen Grundsatz hat der Bundesgerichtshof in seinem vorstehend zitierten Beschluss vom 18.12.2003 auf einen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen übertragen, der sich damit befasst, Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht zu verfolgen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG). Dieser ist wie ein Untenehmen mit einer eigenen Rechtsabteilung zu behandeln. Ein solcher Verband muss personell und sachlich so ausgestattet sein, dass er das Wettbewerbsgeschehen beobachten und bewerten kann, so dass er auch ohne anwaltlichen Rat in der Lage ist, typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße zu erkennen und abzumahnen. Ein derartiger Wettbewerbsverband ist ebenso wie ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung regelmäßig in der Lage, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich zu instruieren (BGH, a.a.O.).

Eine Erweiterung dieser Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 21.09.2005 - IV ZB 11/04, abgedruckt in NJW 2006, 301, 303 - vorgenommen, in dem er sich mit der Ersatzfähigkeit von Verkehrsanwaltskosten in Höhe der dadurch ersparten Kosten für Informationsreisen der Partei, eines in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG eingetragenen Verbraucherverbands, befasst hat. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG sei Voraussetzung für die Eintragung und deren Bestand, dass der Verband Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung biete. Eine sachgerechte Aufgabenerfüllung sei aber ebenso wie bei einem Verband im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG, § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nur gewährleistet, wenn die dazu erforderlich personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung vorhanden sei. Dazu gehöre, dass der Verbraucherverband mit den ihm nach §§ 1, 2 UKlaG zustehenden Rechtsansprüchen und den Möglichkeiten ihrer Durchsetzung vertraut sei und den Verkehr mit Rechtsanwälten führen könne. Er müsse dazu Mitarbeiter beschäftigen, die in typischen und durchschnittlich schwierigen Fällen auch ohne anwaltlichen Rat fähig seien, Verstöße gegen die §§ 307-309 BGB und Verbraucherschutzgesetze im Sinne von § 2 UKlaG zu erkennen. Ein personell so ausgestatteter Verbraucherverband sei regelmäßig in der Lage, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich und telefonisch zu instruieren. Deshalb seien Verkehrsanwaltkosten nicht in Höhe der ersparten Reisekosten der Partei zu einem am Ort des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts, sondern nur in Höhe der ersparten Kosten für eine schriftliche und telefonische Information erstattungsfähig (BGH NJW 2006, 301, 303).

Der beschließende Senat ist der Auffassung, dass die hier klagende Verbraucherzentrale, für die - im Hinblick auf ihre Ausstattung mit öffentlichen Mitteln - gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 UKlaG unwiderleglich vermutet wird, dass sie die Voraussetzungen einer qualifizierten Einrichtung im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG erfüllt, nicht ohne weiteres mit einem Verband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG gleichgesetzt werden kann mit der Folge, dass ohne weiteres von ihrer Fähigkeit auszugehen wäre, dass sie auch in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten in der Lage ist, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich zu instruieren.

Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass ihre Hauptaufgabe die Verbraucherberatung sei und dass sie qualifizierte Mitarbeiter, die - unter Berücksichtigung ihrer Auslastung mit anderen Tätigkeiten - zu einer schriftlichen Instruktion eines Prozessvertreters im Rahmen einer wettbewerbsrechtlichen Streitigkeit in der Lage wären, nicht selbst beschäftigt, sondern diesen Teil ihrer Aufgaben von einer Rechtsanwaltssozietät erfüllen lässt. In einem solchen Fall hat es nach Ansicht des Senats bei dem für gewerbliche Unternehmen anerkannten Grundsatz zu bleiben, dass es im Rahmen der Kostenerstattung auf die tatsächliche Organisation des Unternehmens der Partei ankommt. In seinem Beschluss vom 28.06.2006 - IV ZB 44/05 - (NJW 2006, 3008-3009) führt der Bundesgerichtshof hierzu aus, dass eine Partei sich nicht so behandeln lassen müsse, als sei ihre Betriebsorganisation auf nichtmündliche Unterrichtungen wechselnder Rechtsanwälte am jeweiligen Gerichtssitz eingerichtet. Die von einer Partei gewählte Organisationsform, die Abwicklung von Prozessfällen einem Hausanwalt an ihrem Sitz zu überlassen, werden von dem berechtigten Interesse getragen, sich durch den Rechtsanwalt ihres Vertrauens auch vor auswärtigen Gerichten vertreten zu lassen; ein solcher Bedarf sei ebenso gewichtig wie ein etwaiger Bedarf an persönlichem Kontakt zwischen Partei und Anwalt.

Wenn wie im Streitfall eine Verbraucherzentrale, deren Aufgabenschwerpunkt in der Verbraucherberatung liegt, die Verbandsklagetätigkeit einem Rechtsanwalt an ihrem Sitz überlässt, kann nach Ansicht des Senats nichts anderes gelten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist mit Rücksicht auf die, soweit ersichtlich, höchstrichterlich noch nicht geklärte grundsätzliche Frage zugelassen worden, ob von Verbraucherzentralen, die kraft unwiderleglicher Vermutung die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 S. 1 UKlaG erfüllen, erwartet werden kann, dass sie im Rahmen ihrer Verbandsklagetätigkeit zu einer schriftlichen Unterrichtung von Rechtsanwälten am Sitz des Prozessgerichts in der Lage sind oder ob es insoweit wie bei gewerblichen Unternehmen auf die tatsächliche Organisation ankommt.

B. Dr. M. H.






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Az: I-20 W 86/06


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