Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. September 2009
Aktenzeichen: 8 W (pat) 12/05

(BPatG: Beschluss v. 10.09.2009, Az.: 8 W (pat) 12/05)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seiner Entscheidung vom 10. September 2009 (Aktenzeichen 8 W (pat) 12/05) die Beschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 29 C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Dezember 2004 aufgehoben. Das nachgesuchte Patent 101 12 296 wurde mit bestimmten Unterlagen erteilt: Patentansprüche 1 bis 3, eingereicht am 24. August 2009, Beschreibungsseiten 1 bis 3, eingereicht am 4. September 2009, 5a und 6 bis 7, sowie eine Zeichnung, eingegangen am 8. März 2001.

Die Prüfungsstelle hatte die Patentanmeldung zuvor zurückgewiesen, da der Gegenstand der Anmeldung ihrer Meinung nach nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Anmelderin legte daraufhin Beschwerde ein und reichte neue Patentansprüche ein. Sie argumentierte, dass die neuen Ansprüche patentfähig seien und beantragte die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses und die Erteilung des Patents. Alternativ beantragte sie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

Das Bundespatentgericht kam zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 eine patentfähige Erfindung im Sinne des PatG § 1 bis 5 darstellt. Das Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass das durch eine Extrusionsdüse kontinuierlich extrudierte, plastische Material im direkten Anschluss in gleicher Menge durch den Kalander gefördert wird. Um Dickenschwankungen in den Produkten infolge von Förderstrompulsationen des Extruders zu vermeiden, erfolgt eine Regelung der Drehzahl der Kalanderwalzen. Die Patentansprüche 1 und 3 sowie der neu vorliegende Patentanspruch 2 sind alle in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart.

Das Bundespatentgericht stellte außerdem fest, dass der Gegenstand nach Patentanspruch 1 neu ist. Keine der herangezogenen Druckschriften misst den Hydraulikdruck im hydraulischen Anstellsystem eines Kalanders und benutzt diesen Messwert zur Drehzahlregelung. Die Anmelderin hatte in ihrer Argumentation auf eine Firmenbroschüre verwiesen, die eine Messung des Drucks in der Extrusionsdüse vorschlägt, jedoch keinen Hinweis auf die Messung des Hydraulikdrucks im Anstellsystem des Kalenders gibt.

Das Bundespatentgericht kam abschließend zu dem Schluss, dass der Gegenstand nach Patentanspruch 1 aufgrund seiner Zweckbestimmung gewerblich anwendbar ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Gleiches gilt für den Gegenstand nach Patentanspruch 3, der auf eine entsprechende Vorrichtung gerichtet ist. Der Patentanspruch 2, der eine vorteilhafte Weiterbildung des Gegenstands nach Patentanspruch 1 darstellt, ist ebenfalls gewährbar.

Die Beschwerde der Anmelderin wurde somit in vollem Umfang stattgegeben und das Patent wurde mit den genannten Unterlagen erteilt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 10.09.2009, Az: 8 W (pat) 12/05


Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 29 C des Deutschen Patentund Markenamts vom 17. Dezember 2004 aufgehoben und das nachgesuchte Patent 101 12 296 mit folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 3, eingereicht am 24. August 2009, 8 Beschreibungsseiten 1 bis 5, 5a und 6 bis 7, eingereicht am 4. September 2009, eine Zeichnung, eingegangen am 8. März 2001.

Gründe

I.

Die Patentanmeldung 101 12 296.9-16 mit der Bezeichnung "Verfahren und Vorrichtung zur kontinuierlichen Erzeugung von Produkten auf einem Kalander" ist am 8. März 2001 angemeldet worden. Die Prüfungsstelle B 29 C des Deutschen Patentund Markenamts hat die Patentanmeldung mit Beschluss vom 17. Dezember 2004 zurückgewiesen, weil ihr Gegenstand gegenüber der DE 40 33 661 C1 in Verbindung mit der DE 41 11 220 A1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat am 24. August 2009 u. a. neue Patentansprüche 1 und 3 eingereicht. Sie vertritt die Auffassung, dass die Gegenstände nach den Patentansprüchen 1 und 3 patentfähig seien. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Erteilung des Patents zu beschließen, sowie hilfsweise die Anberaumung eines Termins zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Der am 24. August 2009 eingegangene, nun geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Verfahren zur kontinuierlichen Erzeugung von Produkten in Form von Bändern, Platten oder Folien durch Kalandrieren eines in den Walzenspalt zweier Kalanderwalzen von einem Extruder durch eine Extrusionsdüse hindurch kontinuierlich extrudierten plastischen Materials, wie einer Kunststoffschmelze oder einer Naturund/oder Synthese-Kautschukmischung, wobei zur Vermeidung von Dickenschwankungen in den Produkten infolge von Förderstrompulsationen des mit im Wesentlichen konstanter Drehzahl betriebenen Extruders eine Regelung der Drehzahl der Kalanderwalzen erfolgt und die Kalanderwalzen unter Last auf einen vorgegebenen Walzenspalt zueinander angestellt sind, dadurch gekennzeichnet, dass bei einer hydraulischen Walzenanstellung im Kalander der Hydraulikdruck im hydraulischen Anstellsystem gemessen und zur Drehzahlregelung benutzt wird."

Der nebengeordnete Patentanspruch 3 lautet (ohne Bezugszeichen):

Vorrichtung zur kontinuierlichen Erzeugung von Produkten in Form von Bändern, Platten oder Folien aus einem plastischen Material, wie Kunststoff oder Natur und/oder Synthese-Kautschuk, insbesondere nach einem Verfahren gemäß Anspruch 1, mit einer von einem Motor angetriebenen Extruderanlage mit Extrusionsdüse die unmittelbar in den zwischen zwei Kalanderwalzen einer Kalanderanlage bestehenden Walzenspalt das plastifizierte Material extrudiert, wobei eine elektronische Regeleinrichtung vorgesehen ist, die den Motor der Kalanderwalzen in der Drehzahl so regelt, dass Dickenänderungen der Produkte infolge von zeitlichen Schwankungen in der Menge des extrudierten Materials kompensiert werden, und wobei eine Walzenanstellvorrichtung vorgesehen ist, die den Walzenspalt auf einen unter Last jeweils gewünschten Soll-Wert stellt, dadurch gekennzeichnet, dass die Walzenanstellvorrichtung hydraulische Zylinder/Kolben-Systeme umfasst und ein Sensor zur Messung des Hydraulikdrucks in den Zylinder/Kolben-Systemen vorgesehen ist, der diesen fortlaufend zur Verwertung in der Drehzahlregelung des Motors an die elektronische Steuerung gibt.

Hinsichtlich des Unteranspruchs 2 wird auf die Akten verwiesen.

Aufgabe der Erfindung ist es nach den am 4. September 2009 eingegangenen Beschreibungsunterlagen S. 3 letzter Absatz, entsprechend bekannte Verfahren bzw. Vorrichtungen dahingehend weiterzubilden, dass auch bei der Produktion von dünnen Kalanderprodukten eine möglichst sichere und wenig Aufwand erfordernde Regelung der Produktdicke gewährleistet ist.

Im Prüfungsverfahren wurden folgende Dokumente herangezogen:

(D1) DE 40 33 661 C2 (D2) DE 92 08 837 U1 (D3) DE 34 16 210 C2 (D4) DE 41 11 220 A1 Die Anmelderin bezieht sich in ihrer Beschreibungseinleitung im Wesentlichen auf einen Stand der Technik, der in der

(D5) Firmenbroschüre "Extruders and Extrusion Lines for the Processing of Rubber Compounds", Hermann Berstorff Maschinenbau GmbH, Nr. 36-GE 01/2.0.5/97 zusammengefasst ist.

II.

Die fristund formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und in der Sache auch begründet.

Der Anmeldungsgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne des PatG § 1 bis 5 dar.

1. Charakteristisch beim Gegenstand des Verfahrens nach Patentanspruch 1 ist, dass das durch eine Extrusionsdüse kontinuierlich extrudierte, plastische Material im direkten Anschluss in gleicher Menge durch den Kalander gefördert wird. Da bestimmungsgemäß die Extruderdrehzahl im Wesentlichen konstant sein soll und die Zielsetzung besteht, ein Kalanderprodukt zu erhalten, das möglichst geringe Dickenschwankungen ausweist (s. Offenlegungsschrift, Hinweis aus dem Stand der Technik in [0002]), muss aufgrund von Schwankungen des Förderstroms des Extruders eine Regelung vorhanden sein, die diese Schwankungen weitestgehend ausgleicht ([0003]).

Die Zielsetzung des an sich nach dem Oberbegriff bekannten Verfahrens ist im Fall der vorliegenden Erfindung, im Hinblick auf diese Regelung eine im Vergleich zu bisherigen Lösungen völlig andere Messgröße heranzuziehen, um die erforderliche Dickenregelung durch Beeinflussung der Drehzahl der Kalanderwalzen zu bewirken ([0007]).

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist in den ursprünglichen Unterlagen als Erfindungsgegenstand offenbart.

Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 geht aus den Merkmalen der Patentansprüche 1 und 3 der Ursprungsunterlagen hervor. Der neue Oberbegriff entspricht dabei bis auf drei inhaltlich unbedeutende redaktionelle Änderungen dem des ursprünglichen Patentanspruchs 1. Der neue kennzeichnende Teil entspricht dem kennzeichnenden Merkmal des ursprünglichen Patentanspruchs 3. Das Weglassen des ursprünglichen kennzeichnenden Merkmals des Patentanspruchs 1 ist dabei unschädlich, da die allgemeine Messmethodik durch eine spezifische ersetzt wurde. Eine Erweiterung des beanspruchten Gegenstands hat somit nicht stattgefunden.

Der neu vorliegende Patentanspruch 2 entspricht dem Patentanspruch 2 vom Anmeldetag.

Der geltende Patentanspruch 3 weist den gleichen Oberbegriff wie der ursprüngliche Patentanspruch 5 auf, mit der Ausnahme, dass ein falsches Bezugszeichen gestrichen wurde. Der kennzeichnende Teil des Patentanspruchs 3 setzt sich nahezu wörtlich aus den kennzeichnenden Merkmalen des ursprünglichen Patentanspruchs 6 sowie teilweise aus dem kennzeichnenden Teil des ursprünglichen Patentanspruchs 5 ("... der diesen fortlaufend zur Verwertung in der Drehzahlregelung des Motors an die elektronische Steuerung gibt.") zusammen.

Somit sind alle beanspruchten Patentgegenstände in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart.

3. Der aufgrund seiner Zweckbestimmung zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu. Keine der im Stand der Technik aufgeführten Druckschriften misst den Hydraulikdruck im hydraulischen Anstellsystem eines Kalander und benutzt diesen Messwert zur Drehzahlregelung.

Bei der durch die Anmelderin herangezogenen Druckschrift D5 (Firmenbroschüre "Extruders and Extrusion Lines for the Processing of Rubber Compounds", Hermann Berstorff Maschinenbau GmbH, Nr. 36-GE 01/2.0.5/97), von der die Anmelderin ausgeht, wird als Messgröße für die Variation der Drehzahl der Kalanderwalzen die Druckschwankung in der Extrusionsdüse des Extruders in der Nähe des Austrittsquerschnitts herangezogen ("constant stock pressure in front of the roll gap", s. S. 8, linke Sp., letzter Abs., ebenso kl. Figur rechts auf S. 8).

Bei der D1 (DE 40 33 661 C2), die ebenfalls einen Gegenstand gemäß dem Oberbegriff des geltenden Patentanspruchs 1 umfasst, mit der Ausnahme, dass Schwankungen des Förderstroms des Extruders nicht beschrieben sind, sind Messgröße und -ort zur Regelung der Walzengeschwindigkeit der Lagerdruck an einer der Einlaufwalzen (s. Patentanspruch 1, c)) des Walzenaggregats (Kalanderwalzen). Vom Prinzip her die gleiche Messmethode wird in der D3 (DE 34 16 210 C2) angewandt, die eine Walzenpresse (Kalander) für Papierund ähnliche Bahnen betrifft. Messgröße für die hydrostatischen Stützelemente der Durchbiegungswalze sind hier ebenfalls auf die Lager der Walzen einwirkende Kräfte (Patentanspruch 1).

Die Kalandereinrichtung der D2 (DE 92 08 837 U1) misst mit einem "traversierenden Messsensor" die Temperatur des Schmelzewulstes und/oder die Dicke der extrudierten Folie, um ein gleichmäßiges Wulstprofil an den Kalanderwalzen zu erzeugen.

Die D4 (DE 41 11 220 A1) beschreibt eine Kalandereinrichtung, deren Betriebsweise unabhängig von der Materialzufuhr (durch z. B. einen Extruder) betrachtet wird. Aus der Druckschrift ist bekannt, dass zur Herstellung von Dichtungsplatten eine Vielzahl von Parametern zur Steuerung eines Kalanders erfasst werden. Dieser besitzt zwar ein hydraulisches Anstellsystem der Walzen, jedoch ist die Erfassung des Hydraulikdrucks in diesem Anstellsystem nicht beschrieben.

4. Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Patentgegenstand geht von einem Stand der Technik gemäß der D5 (Firmenbroschüre "Extruders and Extrusion Lines for Processing of Rubber Compounds", Nr. 36.GE 01/2.0.5/97 der Hermann Berstorff Maschinenbau GmbH) aus. Das dort gezeigte Verfahren weist alle Merkmale des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 auf, s. Beschreibung auf S. 8, linke Spalte sowie die Figuren auf dieser Seite. Hier werden Folien bzw. Bänder (sheets) aus Naturund/oder Synthetikkautschuk (natural and/or synthetic rubber) über einen Extruder einem Kalander (tworoll calender) zugeführt. Zielsetzung ist wie beim Patentgegenstand die Vermeidung von Dickenschwankungen (uniform thickness with close tolerances) und dadurch eine Anpassung der Walzengeschwindigkeit in Abhängigkeit von den Schwankungen des Fördersystems (... an accurate adaption of the extruder's output to the operation speed ..., s. S. 8, linke Sp., letzter Abs.). Mit der bereits beschriebenen Lösung des Messens des Drucks in der Extrusionsdüse in der Nähe des Austrittsquerschnitts ist der Druckschrift entsprechend den Ausführungen auf S. 8, rechte Spalte unten, eine sehr vorteilhafte Kalander-Anlage (Roller-Head line) vorhanden, die insbesondere enge Dickentoleranzen (close thickness tolerances) gewährleistet. Eine andere als die beschriebene Messmethode zur Regelung der Drehzahl der Kalanderwalzen ist nicht beschrieben.

Somit kann diese Schrift einem Fachmann, einen Fachhochschulingenieur der Kunststofftechnik mit einigen Jahren Berufserfahrung im Bereich der Entwicklung und Konstruktion von Kunststoffverarbeitungsmaschinen, insbesondere der einschlägigen Kalandertechnik, keine Anregung geben, im hydraulischen Anstellsystem den Hydraulikdruck zu messen, da diese Kalandervorrichtung gar kein hydraulisches Anstellsystem besitzt.

Die D4 (DE 41 11 220 A1) zeigt eine "Vorrichtung zur Steuerung eines Kalanders für die Herstellung von Dichtungsplatten". Der Kalander weist eine Heizwalze großen Durchmessers und eine demgegenüber kleinere motorisch angetriebene Gegendruckwalze auf. Mit einer Vielzahl von möglichen Regelparametern (s. Sp. 1 bis 3 und Patentanspruch 1) soll eine automatische Prozesssteuerung ermöglicht werden, die zu einer hohen Qualität der kunstfaserverstärkten Dichtungsplatten führt (Sp. 2, Z. 38 ff.). Die Gegendruckwalze wird zwar hydraulisch angepresst (Sp. 1, 2. Abs.), was der Fachmann als hydraulische Anstellvorrichtung ansieht, es werden jedoch auch hier die Merkmale nicht nahe gelegt, den Hydraulikdruck in Abhängigkeit von Schwankungen im Förderstrom des Extruders im hydraulischen Anstellsystem zu messen und diese Messgröße zur Drehzahlregelung der Kalanderwalzen zu nutzen. Zwar gibt es auch hier eine "hydraulische Presseinrichtung 24 bzw. einen Andrückkrafterzeuger" (s. Bezugszeichenliste bzw. Patentanspruch 1 sowie Sp. 2, Z. 62), doch dieser Andrückkrafterzeuger ist Ausgangsgröße des Prozessors und nicht Eingangsgröße. Von den genannten Eingangsgrößen ist keine Druckgröße genannt, vielmehr ist der (hydraulische) Andrückkrafterzeuger als kombinatorische ("und"-) oder alleinige ("oder"-) Variante als Ausgangsgröße bezeichnet, womit also der Anpressdruck der Walzen variiert werden kann. Dies ist jedoch beim Anmeldegegenstand nach Patentanspruch 1 gerade nicht der Fall. Denn hier soll der Spalt konstant gehalten werden und lediglich die Drehgeschwindigkeit der Walzen variabel gestaltet sein. Diese bekannte technische Lösung führt den Fachmann vom Anmeldegegenstand somit eher weg.

Demgegenüber widersprüchlich wird in der D4 jedoch auch ausgeführt (Sp. 3, Z. 7 ff. sowie Patentanspruch 1 Z. 46 ff.), dass "die Drehgeschwindigkeiten in Abhängigkeit von der Zeitund/oder Plattendicke und/oder ausgeführter Umdrehungen und/oder Andrückkraft und/oder ..." in Form von Schaltkreisen für Funktionsverknüpfungen ausgestaltet sein können und damit die Andrückkraft auch Eingangsgröße für den Prozessor und somit Messgröße sein kann. Eine konkrete Lösung, wo und wie diese Kraft gemessen wird, ist jedoch nicht beschrieben. Es fehlen damit für den Fachmann die Hinweise sowohl auf eine Druckmessung grundsätzlicher Art, als auch darauf, dass im bestehenden hydraulischen Anstellsystem gemessen werden könnte. Eine Anregung, zur beanspruchten Lösung zu gelangen, kann der Fachmann diesen Ausführungen jedenfalls nicht entnehmen.

Auch die Hinzuziehung der D1 (DE 40 33 661 C2) kann diese Messmethode nicht nahe legen. Denn gemessen wird hier der Lagerdruck an einer der Einlaufwalzen (Patentanspruch 1, c)). In der Figurenbeschreibung zur Fig. 1 (Sp. 2 unten) wird an einem Ausführungsbeispiel gesagt, dass die obere Einlaufwalze in Druckmessdosen gelagert ist und somit "der Lagerdruck feinfühlig messbar" ist. Auch hier steht dem Fachmann ein weiteres Messverfahren zur Verfügung, "mit dem auf sehr einfache Weise ... die Plattendicke der Materialbahn geregelt werden kann". Somit ergibt sich auch hier eine zufriedenstellende Lösung, die dem Fachmann keine Veranlassung gibt, über Alternativen nachzudenken.

Aus der D3 (DE 34 16 210 C2) ist es gleichfalls bekannt, als Messgröße die Kräfte auf die Lager der Walzen einer Walzenpresse für Papierund ähnliche Bahnen zu verwenden (Patentanspruch 1 sowie Figuren 1 bis 6). Bei dieser auch als Kalander bezeichneten Anlage wird mindestens eine Durchbiegungsregelwalze eingesetzt, bei der die Lagerkräfte als zusätzliche Führungsgröße bei der Einstellung der hydrostatischen Stützelemente dienen. Somit wird durch die erfasste Messgröße nicht die Drehzahl der Walzenmotoren geregelt. Eine Anregung zur Messung des Drucks im hydraulischen Anstellsystem zur Regelung der Walzendrehzahl kann demzufolge dieser Druckschrift noch weniger entnommen werden.

Die D2 (DE 92 08 837 U1) zeigt eine Vorrichtung zur Eliminierung des Walzenschlageinflusses bei der Extrusion von Folien. Es werden traversierende Messsensoren eingesetzt, um die Dicke der extrudierten Folie und die Wulsttemperatur an der Kalanderwalze zu messen. Mit diesen Messwerten wird eine entsprechende Regulierung des Schmelzestroms aus der Extrusionsdüse erzielt (s. S. 5, Mitte). Somit liegt hier ein anderer Sachverhalt zugrunde. Es wird keine Drehzahl geregelt, es findet keine (hydraulische) Walzenanstellung statt und es wird auch kein Hydraulikdruck gemessen. Anregungen, um zur beanspruchten Lösung zu gelangen, kann der Fachmann dieser Druckschrift somit nicht entnehmen.

Nachdem die in dem Patentanspruch 1 beschriebene Lehre zum technischen Handeln ohne Vorbild oder Anregungen im Stand der Technik geblieben ist, waren für den hier angesprochenen Fachmann über das fachübliche Maß hinausgehende Überlegungen notwendig, um zum Anmeldungsgegenstand nach Patentanspruch 1 zu gelangen. Hierzu bedurfte es einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist somit patentfähig und der Patentanspruch gewährbar.

5. Der Gegenstand des Patentanspruchs 3, der auf eine entsprechende Vorrichtung gerichtet ist und der aufgrund seiner Zweckbestimmung ohne Zweifel ebenfalls gewerblich anwendbar ist, hat als neu zu gelten, da keine Druckschrift seine Merkmale in ihrer Gesamtheit zeigt. Er beruht ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie bereits bei der Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 ausgeführt wurde, ist aus dem Stand der Technik kein Sensor zur Messung des Hydraulikdrucks in den Zylinder/Kolben-Systemen bei hydraulischen Walzenanstellvorrichtungen bekannt, um mit diesem Messwert die Drehzahl der Kalanderwalzen zu regeln. Da der Vorrichtungsanspruch eine Kombination von Merkmalen zum Inhalt hat, die in Anpassung an den Charakter eines Vorrichtungsanspruchs im Wesentlichen mit den Merkmalen des Verfahrensanspruchs 1 übereinstimmen, ist das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit übereinstimmend zu beurteilen. Auf die vorstehenden Ausführungen wird verwiesen.

Der Patentanspruch 3 ist somit ebenfalls gewährbar.

Mit dem Patentanspruch 1 ist auch der auf eine vorteilhafte Weiterbildung gerichtete Patentanspruch 2 gewährbar.

Dehne Richter Dr. Huber ist wegen Abwesenheit an der Unterschrift verhindert Pagenberg Dr. Dorfschmidt Dehne Cl






BPatG:
Beschluss v. 10.09.2009
Az: 8 W (pat) 12/05


Link zum Urteil:
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