Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Mai 2001
Aktenzeichen: 10 W (pat) 77/00

(BPatG: Beschluss v. 28.05.2001, Az.: 10 W (pat) 77/00)

Tenor

Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I Beim Deutschen Patentamt ist am 21. Mai 1990 unter Inanspruchnahme einer Unionspriorität vom 23. Juni 1989 ein Patent mit der Bezeichnung "Vorrichtung zum Ausrichten schuppenförmig unterlappt geförderter Bogen" angemeldet worden. Veröffentlichungstag der Erteilung ist der 2. Juli 1998. Das Patent umfaßt einen Hauptanspruch und 2 Unteransprüche. Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

1. Vorrichtung, zum Ausrichten von schuppenförmig unterlappt geförderten Bogen (11), mit einem einer Fördereinrichtung (6, 7, 8) nachgeordneten Anlegtisch (1), eine Anlegelinie bildenden Vordermarken (2), einem feststehenden Seitenanschlag oder einer periodisch arbeitenden Seitenziehmarke (3), die jeweils seitlich versetzt gegenüber der Bogenbahn angeordnet sind, sowie mit mindestens zwei im Anlegtisch (1) nebeneinander angeordneten, drehbar antreibbaren Saugtellern (4), die jeweils auf einem Teilkreis (4.1) mit in einem Sektor mit Saugluft beaufschlagbaren Saugern (5) versehen sind und die Bogen (11) schräg zur ursprünglichen Förderrichtung fördern, wobei der kleinste Abstand (1) zwischen den Vordermarken (2) und dem jeweiligen Teilkreis (4.1) der Saugteller (4) größer als der Schuppenabstand (s) der Bogen ist.

Gegen das Patent ist am 2. Oktober 1998 ein Einspruch erhoben worden mit dem Antrag, das Patent wegen mangelnder Neuheit bzw fehlender Erfindungshöhe in vollem Umfang zu widerrufen.

Zur Begründung hat die Einsprechende ausgeführt, aus der Druckschrift DE-AS 26 40 795 sei bereits ein Verfahren zum Ausrichten von Bogen an bogenverarbeitenden Druckmaschinen bekannt, bei dem zum Ausrichten der schuppenförmig unterlappt über einen Anlegetisch geförderten Bogen Förderelemente verwendet würden, die ausweislich der Zeichnungen paarweise angeordnet und als um eine Achse schwenkbare Sauger ausgebildet seien. Die Ausbildung der Förderelemente als kreisbogenförmig schwenkbare Sauger sei den patentgemäßen Saugtellern äquivalent. Der Beschreibung des Verfahrens gemäß DE-AS 26 40 795 und den Zeichnungen sei weiterhin zu entnehmen, daß die Förderelemente jeweils auf den zweiten, in Richtung der Druckmaschine bzw der Ausrichtelemente liegenden Bogen wirkten und daß durch die drehenden Ausrichtelemente eine schräge Förderung von auszurichtenden Bogen erfolge. Der Gegenstand des angegriffenen Patents entspreche daher in seiner Wirkungsweise vollkommen der bekannten Vorrichtung und sei damit nicht neu. Zumindest entbehre er in Verbindung mit den in der angegriffenen Patentschrift bereits berücksichtigten Druckschriften DE-PS 25 18 220 und DE-OS 26 04 379 der erfinderischen Tätigkeit, denn nach diesem Stand der Technik sei es bekannt, zur Ausrichtung von Bogen Drehteller bzw auf rotierenden Saugscheiben angeordnete Doppelhubsauger einzusetzen. Der sich hierbei ergebende Nachteil, daß bei der Erfassung des jeweils ersten an den Ausrichtelementen ankommenden Bogens die Saugluft zur Vermeidung von Bogenbeschädigungen regelbar sein müsse, solle beim angegriffenen Patent dadurch gelöst werden, daß die Sauger im Anlegetisch in einem Bereich außerhalb des ersten ankommenden Bogens angeordnet seien. Dies werde aber auch durch die Vorrichtung nach der DE-AS 26 40 795 verwirklicht. Es fehle lediglich Ausbildung der kreisbogenförmig geführten Sauger als Saugteller oder aber als Doppelhubsauger nach bekannter Art.

Auf die Mitteilung der Patentabteilung, daß die Zulässigkeit des Einspruchs wegen nicht ausreichender Substantiierung der vorgetragenen Tatsachen zweifelhaft sei, hat die Einsprechende erwidert, sie habe sich mit allen wesentlichen Merkmalen des Anspruchs 1 des angegriffenen Patents befaßt und diese in ihrem technischen Bezug zu den Merkmalen der Vorrichtung nach der DE AS 26 40 795 gewürdigt. Auch die Patentinhaberin selbst habe dies nachvollziehen können, denn sie habe hinsichtlich der Zulässigkeit des Einspruchs keine Einwendungen erhoben.

Durch Beschluß vom 18. Oktober 2000 hat die Patentabteilung den Einspruch als unzulässig verworfen. Die Einsprechende sei nur pauschal auf die Wirkungsweise der in der Druckschrift DE-AS 26 40 795 beschriebenen Vorrichtung eingegangen, ohne einen technischen Zusammenhang zu den einzelnen Merkmalen des Anspruchs 1 des angegriffenen Patents herzustellen. Auch auf die übrigen Druckschriften habe sie nur verwiesen, ohne einzelne Merkmale oder Fundstellen konkret anzugeben. Es reiche nicht aus, sich mit einem bloßen Verweis auf den in der Patentschrift gewürdigten Stand der Technik zu begnügen.

Mit der hiergegen erhobenen Beschwerde macht die Einsprechende geltend, sie habe sich sowohl mit den jeder Bogendruckmaschine notwendigerweise eigenen Merkmalen des Anspruchs 1 vollständig auseinandergesetzt als auch im einzelnen ausgeführt, weshalb sie die weiteren anspruchsgemäßen Merkmalea) Anordnung von Saugtellern mit Saugern auf einem Teilkreisb) schräge Förderung von Bogen mittels der Saugtellerc) Positionierung der Saugteller und einem Abstand, der größer ist als der Schuppenabstand der Bogendurch die DE-AS 26 40 795 als vorweggenommen, zumindest aber nahegelegt ansehe. Damit sei der behauptete Widerrufsgrund für den Fachmann, der mit den technischen Zusammenhängen im Bereich der Bogenausrichtung vertraut sei, in einer für die Zulässigkeit des Einspruchs ausreichenden Weise dargelegt.

Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Die Patentinhaberin hat keine Anträge gestellt und sich auch in der Sache nicht geäußert.

II Die Beschwerde ist unbegründet. Die Patentabteilung hat den Einspruch zu Recht als unzulässig erachtet, weil er nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise begründet worden ist.

Nach § 59 Abs. 1 Satz 4 und 5 PatG sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen sollen, innerhalb der Einspruchsfrist im einzelnen anzugeben. Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen Umstände so vollständig dargelegt sind, daß der Patentinhaber und das Patentamt daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des Widerrufsgrundes ziehen können (BGH GRUR 1972, 592 "Sortiergerät"; 1987, 513 "Streichgarn"; 1988, 364 "Epoxidationsverfahren"; 1993, 651 "Tetraploide Kamille").

Diesen Anforderungen an die Begründungspflicht ist die Einsprechende nicht nachgekommen. Ihre Ausführungen zu der mangelnden Neuheit oder jedenfalls fehlenden erfinderischen Tätigkeit des angegriffenen Patents gegenüber der Druckschrift DE-AS 26 40 795 stellen allenfalls hinsichtlich eines Teils der Merkmale des Anspruchs 1 des angegriffenen Patents einen nachvollziehbaren technischen Zusammenhang her. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der Vortrag der Einsprechenden zu den in Anspruch 1 enthaltenen Merkmalen einer Vorrichtung zum Ausrichten von schuppenförmig unterlappt über einen Anlagetisch geförderten Bogen, bei der die Förderelemente paarweise angeordnet und als um eine Achse schwenkbare Sauger ausgebildet sind, wobei die Bogen schräg zur ursprünglichen Förderrichtung gefördert werden, ausreichend substantiiert ist. Die Einsprechende hat sich insoweit auf die Behauptung beschränkt, diese Merkmale seien bereits aus der Druckschrift DE-AS 26 40 795 bekannt und zur Begründung auf die Beschreibung und die Zeichnungen dieser Entgegenhaltung verwiesen. Die bloße Aufzählung von Merkmalen des angegriffenen Patents unter pauschaler Bezugnahme auf die Beschreibung und die Zeichnungen einer Entgegenhaltung, der diese Merkmale entnehmbar sein sollen, erfüllt jedoch in der Regel nicht die Voraussetzung eines ohne weitere Ermittlungen nachprüfbaren Vortrags, denn es bleibt letztlich dem Patentamt und dem Patentinhaber überlassen, sich die einschlägigen Stellen dieser Druckschrift selbst herauszusuchen (vgl BGH GRUR 1985, 371, 372 "Sicherheitsvorrichtung"). Eine Ausnahme gilt nur bei ganz einfachen technischen Sachverhalten, die den technischen Zusammenhang zwischen der genannten Entgegenhaltung und dem Gegenstand des angegriffenen Patents auf den ersten Blick erkennen lassen (vgl Busse, PatG, 5. Aufl § 59 Rdn 80 mwNachw). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Es trifft auch nicht zu, daß etwaige gattungsbildende Anspruchsmerkmale - wie hier die Vordermarken und der gegenüber der Bogenbahn seitlich versetzte Seitenanschlag - in der Einspruchsschrift völlig unkommentiert übergangen werden dürfen. Die Einsprechende hätte insoweit zumindest darlegen müssen, welche Merkmale sie für gattungsbildend hält und weshalb sie von weiteren Ausführungen hierzu absieht, weil es sich nach ihrer Ansicht um Selbstverständlichkeiten handelt.

Ungeachtet dieser von der Patentabteilung zu Recht beanstandeten Mängel des Einspruchsvortrags lassen die Ausführungen der Einsprechenden aber vor allem eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den in Anspruch 1 des angegriffenen Patents weiterhin enthaltenen Merkmalen - Saugteller, die jeweils auf einem Teilkreis (4.1.) mit in einem Sektor mit Saugluft beaufschlagbaren Saugern (5) versehen sind - der kleinste Abstand zwischen den Vordermarken (2) und dem jeweiligen Teilkreis (4.1.) der Saugteller (4) ist größer als der Schuppenabstand (s) der Bogenvermissen. Die Einsprechende hat zwar unter Hinweis auf die Druckschriften DE-PS 25 18 220 und DE-OS 26 04 379 dargelegt, daß es bekannt sei, zur Ausrichtung von Bogen bei der Zufuhr zu einer Druckmaschine sowohl Drehteller als auch auf rotierenden Saugscheiben angeordnete Doppelhubsauger zu verwenden und daß Saugteller einfacherer und komplexerer Art auch aus den Druckschriften DE 35 11 897 C2, DE-AS 1 800 477 und DE-PS 617 605 bekannt seien. Diesem Vortrag kann jedoch nicht entnommen werden, daß der genannte Stand der Technik Saugteller betrifft, welche die besondere Ausführungsform gemäß Anspruch 1 des angegriffenen Patents aufweisen, also jeweils auf einem Teilkreis mit Saugern versehen sind, die in einem Sektor mit Saugluft beaufschlagt werden können. Die Einsprechende hätte insoweit im einzelnen angeben müssen, in welcher Druckschrift und an welcher Stelle bereits Saugteller mit den besonderen Merkmalen nach Anspruch 1 offenbart sind. Das gilt umso mehr, als sich nach dem Merkmal des Teilkreises (4.1) des Saugtellers das weitere Merkmal des kleinsten Abstands zu den Vordermarken bestimmt, der größer als der Schuppenabstand der Bogen ist.

Auch zu dem mit dem Merkmal des Teilkreises der Saugteller in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Merkmal, daß der kleinste Abstand (1) zwischen den Vordermarken (2) und dem jeweiligen Teilkreis (4.1.) der Saugteller (4) größer als der Schuppenabstand (s) der Bogen ist, hat sich die Einsprechende nicht geäußert. Sie hat weder ausdrücklich dargelegt, daß bei dem Verfahren zum Ausrichten von Bogen nach der Druckschrift DE-AS 26 40 795 der Schuppenabstand und der Abstand der Vordermarken zu dem Teilkreis in ihrem Verhältnis zueinander eine Rolle spielt, noch läßt sich dies ihren Ausführungen mittelbar entnehmen. Ihre Behauptung, die in der DE-AS 26 40 795 verwendeten Sauger seien so gewählt, daß sie jeweils auf den zweiten, in Richtung der Ausrichtelemente liegenden Bogen wirkten, sagt nichts über das Verhältnis von Schuppenabstand und Abstand zwischen den Vordermarken und dem Teilkreis der Saugteller aus. Auch die Darlegung, daß die Lehre des angegriffenen Patents eine Anordnung der Sauger im Anlegetisch in einem Bereich außerhalb des ersten ankommenden Bogens vorsehe und daß diese Lehre auch bei der Vorrichtung nach dem Verfahren gemäß DE-AS 26 40 795 verwirklicht sei, läßt - ungeachtet der Frage ihrer sachlichen Richtigkeit - nicht erkennen, daß es in der genannten Entgegenhaltung auf ein bestimmtes Verhältnis von Schuppenabstand zu dem Abstand zwischen Vordermarken und Teilkreis des Saugtellers ankommt, um das Ausrichten der unterlappt geförderten Bogen gegen die Vordermarken oder die Seitenziehmarke unabhängig vom Material der Bogen ohne Kantenverformung zu ermöglichen.

Soweit die Einsprechende geltend macht, die Patentinhaberin selbst habe den Tatsachenvortrag nicht als unzureichend gerügt, kann hieraus nicht auf die Zulässigkeit des Einspruchs geschlossen werden. Das mangelnde Bestreiten der Zulässigkeit des Einspruchs durch den Patentinhaber mag in Grenzfällen zwar als gewisses, für die Zulässigkeit sprechendes Indiz zu berücksichtigen sein. Vorliegend handelt es sich jedoch nicht um einen Grenzfall, der es rechtfertigen könnte, die von Amts wegen gemäß § 59 Abs 1 Satz 3 und 4 PatG zu prüfende Zulässigkeit des Einspruchs zu verneinen.

Auch der von der Patentinhaberin mit der Einsprucherwiderung überreichte neue Patentanspruch 1 vermag die Auffassung der Einsprechenden, der Einspruchsvortrag sei nachvollziehbar begründet, nicht zu stützen, weil der neue Anspruch lediglich eine Präzisierung des Patentgegenstandes und keine Abgrenzung gegenüber dem sich aus der DE-AS 26 40 795 ergebenden Stand der Technik darstellt.

Bühring Dr. Schermer Schuster Pr/Be/Wf






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