Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 16. Februar 1995
Aktenzeichen: 18 U 128/94

(OLG Köln: Urteil v. 16.02.1995, Az.: 18 U 128/94)

1. Die Klausel im AGB eines Neuwagenhändlers, wonach der Vertrag erst durch schriftliche Annahmeerklärung des Verkäufers zustandekommt, dient nur Beweiszwecken. Das Schriftformerfordernis ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Vertragsschluß. 2. Die Klausel im AGB eines Neuwagenhändlers, wonach der Käufer 6 Wochen nach Óberschreiten eines unverbindlichen Liefertermins den Verkäufer schriftlich auffordern kann, binnen angemessener Frist zu liefern, ist wirksam (Bestätigung von BGH NJW 1982, 331). 3. Der Umstand, daß ein in Deutschland gekauftes und auszulieferndes Fahrzeug im Ausland hergestellt worden ist, stellt regelmäßig keinen Grund dar, die Kaufvertragserklärung gemäß § 123 Abs. 1 BGB anzufechten.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das am 15. Juni 1994 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 11 O 24/94 - teilweise abgeändert und neu gefaßt:Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9,95 % Zinsen von 43.000,-- DM für die Zeit vom 23. Oktober 1993 bis 22. März 1994 sowie 40,-- DM zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte. Im üb-rigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Berufung hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.

Die Klägerin kann gemäß § 286 Abs. 1 BGB Zahlung von 9,95 % Zinsen

aus 43.000,-- DM für den Zeitraum vom 23. Oktober 1993 bis 22. März

1994 beanspruchen. Denn zwischen den Parteien ist ein Kaufvertrag

zustande gekommen, der den Beklagten zur Zahlung des Kaufpreises

verpflichtete.

Den Abschluß eines derartigen Vertrages hat der Beklagte der

Klägerin mit seiner schriftlichen Bestellung über das Fahrzeug ...

vom 13. Juli 1993 angeboten. Das Angebot hat die Klägerin

angenommen. Zwar ist eine schriftliche Annahme entgegen Abschnitt

I. Nr. 1 der der Bestellung zugrunde liegenden Allgemeinen

Geschäftsbedingungen innerhalb der Annahmefrist nicht erfolgt. Die

von der Klägerin jedenfalls konkludent erklärte mündliche Annahme

ist gleichwohl wirksam. Denn der Mangel der vereinbarten

Schriftform hat nur im Zweifel die Nichtigkeit der Erklärung zur

Folge, § 125 Satz 2 BGB. Das in Abschnitt I Nr. 1 der Allgemeinen

Geschäftsbedingungen aufgestelllte Formerfordernis dient

ersichtlich nur Beweiszwecken und soll für beide Vertragspartner

klarstellen, daß der Vertrag zustande gekommen ist. Das

Schriftformerfordernis sollte hingegen nicht

Wirksamkeitsvoraussetzung für den Vertragsschluß sein.

Dies und die jedenfalls mündlich erklärte Annahme ergeben sich

aus der Bekundung des Zeugen G.. Dieser hat ausgesagt, bereits bei

der Bestellung des Beklagten am 13. Juli 1993 sei klar gewesen, daß

das Fahrzeug wie bestellt geliefert werden würde. Das Fahrzeug habe

sich im Lieferprogramm des Herstellers befunden, der Preis für das

Fahrzeug und die Sonderausstattung habe aufgrund der vorliegenden

Preislisten festgestanden. Es habe keinerlei Zweifel über die

Auslieferung des Fahrzeugs in der von dem Beklagten gewünschten

Ausstattung bestanden.

Der Zeuge hat ferner bekundet, der Beklagte habe sich mehrfach

durch persönliche Vorsprache und Telefonanrufe nach dem

Liefertermin erkundigt. Auch das belegt, daß der Beklagte davon

ausging, er habe aufgrund eines bereits bindend abgeschlossenen

Kaufvertrages einen Lieferanspruch. Der Zeuge hat nach seinen

Angaben auf die Erkundigungen des Beklagten nach dem Liefertermin

auch nicht erklärt, es stehe noch gar nicht fest, ob das Fahrzeug

überhaupt geliefert werde, sondern sich vielmehr zu der Lieferfrist

geäußert, soweit das nach seinem jeweiligen Kenntnisstand möglich

war.

Zweifel an der Richtigkeit der Zeugenaussage bestehen insoweit

nicht. Daß auch der Beklagte von einem wirksam abgeschlossenen

Kaufvertrag ausging, belegt letztlich sein Schreiben vom 16.

September 1993, in dem er beanstandet, daß das am 13. Juli 1993

bestellte Fahrzeug nach 10 Wochen noch nicht geliefert worden war

und weiter erklärt, nach fruchtlosem Ablauf einer Lieferfrist von

12 Tagen werde er von dem Kaufvertrag Abstand nehmen.

Der Beklagte ist mit Schreiben vom 30. September 1993 jedoch

nicht wirksam von dem Kaufvertrag zurückgetreten.

Nach Abschnitt IV Nr. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen

kann der Käufer 6 Wochen nach Óberschreiten eines unverbindlichen

Liefertermins den Verkäufer schriftlich auffordern, binnen

angemessener Frist zu liefern. Mit der Mahnung kommt der Verkäufer

in Verzug. Diese Bestimmung ist wirksam (vgl. BGH NJW 1982, 331 zu

einer wortgleichen Klausel). Die Meinung der Berufung, dieser

Entscheidung sei nicht mehr zu folgen, vermag sich der Senat nicht

anzuschließen. Auch heute sind längere Lieferfristen im Handel mit

Neufahrzeugen je nach gewünschtem Fahrzeugtyp und individueller

Ausstattungsmerkmale noch gang und gäbe.

Entgegen der Meinung der Berufung war der Lieferanspruch des

Beklagten nicht deshalb mit Vertragsschluß fällig, § 271 Abs. 1

BGB, weil im Bestellformular in der Vordruckzeile

"unverbindlicher/verbindlicher Liefertermin (nicht Zutreffendes

bitte streichen)" nichts eingetragen und auch nichts gestrichen

ist. Denn eine sofortige Lieferung konnte der Beklagte beim Kauf

eines Fahrzeugs, das nicht im Betrieb des Verkäufers steht, nicht

erwarten und hat dies auch nicht erwartet.

Einen Liefertermin von 2 Wochen hat der Beklagte nicht bewiesen.

Das hat der Zeuge G. nicht bestätigt. Auszugehen ist allenfalls von

einer unverbindlichen Zusage der Klägerin gemäß ihrem Schreiben vom

20. September 1993, binnen 6 bis 8 Wochen ab Bestellung könne

geliefert werden. 6 Wochen ab dem 13. Juli 1993 liefen ab am 24.

August 1993. Nach 6 weiteren Wochen hätte der Beklagte zur

Lieferung binnen angemessener Frist auffordern können. Das wäre

dann frühestens am 5. Oktober 1993 der Fall gewesen. Das

Mahnschreiben des Beklagten vom 16. September 1993 konnte die

Klägerin daher mit Zugang bei ihr nicht in Verzug setzen. Wenn man

das Schreiben als antizipierte Mahnung auffaßt und auch die darin

gesetzte Frist von 12 Tagen als angemessen ansieht, mußte die

Klägerin ab 5. Oktober 1993 gerechnet bis zum 17. Oktober 1993,

einem Sonntag, liefern. Bereits mit Anwaltsschreiben vom 14.

Oktober 1993 hat sie ihre Lieferbereitschaft angekündigt und den

Beklagten aufgefordert, das inzwischen eingetroffene Fahrzeug

abzuholen. Das hat er nicht getan. Da die Klägerin somit nicht mit

ihrer Lieferpflicht in Verzug geraten ist, stand dem Beklagten ein

Rücktrittsrecht vom Kaufvertrag nicht zu.

Mit Zugang des anwaltlichen Schreibens der Klägerin vom 14.

Oktober 1993 kam der Beklagte mit Ablauf der darin gesetzten Frist

für die Abnahme des Fahrzeugs und Zahlung des Kaufpreises, 22.

Oktober 1993, in Verzug. Demzufolge muß er den der Klägerin

entstandenen Verzugsschaden ersetzen.

Nach Vorlage des Schreibens der Bank ... vom 9. Mai 1994 ist

unstreitig, daß die Klägerin einen Bankkredit von jedenfalls

44.700,-- DM in Anspruch genommen hat, für den sie 9,95 % Zinsen zu

zahlen hatte. Erst mit Zahlung des Kaufpreises am 22. März 1994

endete der Verzug des Beklagten und damit seine Pflicht zum Ersatz

des Zinsschadens.

Zinsen muß der Beklagte allerdings nur auf einen Betrag von

43.000,-- DM zahlen, weil ausweislich des Kaufvertrages vereinbart

war, daß nur diese Summe bar zu zahlen war, während der Rest von

1.792,50 DM durch Inzahlunggabe eines Pkw`s getilgt werden sollte.

Nur den von dem Beklagten geschuldeten Barzahlungsbetrag hätte die

Klägerin mithin sofort zur Rückführung ihres Kontokorrentkredites

verwenden können.

Die Klägerin hat ferner einen Anspruch aus positiver

Vertragsverletzung, der auf Zahlung von 40,-- DM gerichtet ist.

Diese Kosten sind entstanden durch die Beauftragung der

erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, nachdem der

Beklagte mit Schreiben vom 30. September 1993 den Rücktritt vom

Kaufvertrag erklärt hatte.

Berechnet haben die Anwälte der Klägerin gemäß § 26 BRAGO den

Pauschbetrag von 40,-- DM, den sie zusätzlich noch einmal in ihrem

Kostenfestsetzungsantrag vom 28. Juni 1994 geltend gemacht

haben.

Im Hinblick auf die Anrechnungsbestimmung des § 118 Abs. 2 BRAGO

ist die 7,5/10-Gebühr des § 118 Abs. 1 BRAGO auf die Prozeßgebühr

des § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO anzurechnen. In der Kostenfestsetzung

konnte deshalb der Pauschbetrag nur aus der Differenz der Gebühren

des § 31 BRAGO von insgesamt 1.529,-- DM und 880,50 DM

Geschäftsgebühr, also von 648,50 DM angesetzt werden. Das sind ohne

konkreten Nachweis höchstens 40,-- DM, § 26 BRAGO.

Da nur die Geschäftsgebühr auf die Prozeßgebühr anzurechnen ist,

haben die Anwälte der Klägerin gegen diese einen Anspruch auf

zweimalige Zahlung des Pauschbetrages, so daß der Beklagte zur

Zahlung von weiteren 40,-- DM zu verurteilen ist, da der

Pauschbetrag im Kostenfestsetzungsverfahren nur einmal

berücksichtigt worden ist.

Der Vortrag des Beklagten zu den behaupteten Mängeln des

Fahrzeugs und zu fehlenden Ausrüstungsgegenständen, insbesondere

dazu, das Fahrzeug sei entgegen der vertraglichen Vereinbarung

nicht mit einem Katalysator versehen, berechtigt diesen nicht, den

Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten oder die

Wandlung zu erklären.

Eine arglistige Täuschung durch die Klägerin bei Abschluß des

Kaufvertrages hat der Beklagte nicht hinreichend dargetan. Selbst

wenn entsprechend seiner Behauptung das erworbene Fahrzeug aus ...

reimportiert sein soll, läßt sich daraus ein Anfechtungsgrund im

Sinne von § 123 Abs. 1 BGB nicht herleiten. Denn es ist nicht

ersichtlich, daß für den Kaufentschluß des Beklagten ursächlich

war, das Fahrzeug müsse in Deutschland hergestellt werden.

Bekanntlich unterhalten die Werke Produktionsstätten in mehreren

europäischen Ländern. Dem Kunden ist es normalerweise gleichgültig,

wo das von ihm gekaufte Fahrzeug hergestellt wird. Entscheidend ist

in der Regel allein, daß das Fahrzeug den in der Bundesrepublik

geltenden Zulassungsbestimmungen und den kaufvertraglichen

Vereinbarungen entspricht und der Händler die Gewähr dafür leistet,

daß das Fahrzeug den jeweiligen Stand der Technik aufweist.

Unstreitig ist das von dem Beklagten erworbene Fahrzeug für den

Straßenverkehr zugelassen worden. Die Klägerin hat ferner dem

Beklagten die im Kraftfahrzeughandel inzwischen übliche

Gewährleistung für die Dauer eines Jahres versprochen, vgl.

Abschnitt VII Nr. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Daß das Fahrzeug keinen Katalysator hat und nach der Behauptung

des Beklagten auch im übrigen Ausrüstungsgegenstände fehlen und

Mängel vorhanden sind, rechtfertigt nicht die Anfechtung wegen

arglistiger Täuschung, weil nicht ersichtlich ist, daß die Klägerin

hierüber bereits bei Vertragsschluß bewußt unrichtige Angaben

gemacht hat, zumal das Kaufvertragsformular die Ausrüstung des

Fahrzeugs mit einem Katalysator nicht ausweist.

Fehlende Ausrüstungsgegenstände und Mängel des Fahrzeugs können

auch jedenfalls derzeit nicht die Wandlung des Kaufvertrages

rechtfertigen. Insoweit hat der Beklagte - die Richtigkeit seines

Vortrags unterstellt - noch einen Erfüllungsanspruch und

hinsichtlich der Mängel einen Nachbesserungsanspruch, vgl.

Abschnitt VII Nr. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2,

97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert der Berufung gemäß Beschluß vom 10. November 1994:

1.881,52 DM.

Beschwer der Klägerin: 71,51 DM

Beschwer des Beklagten: 1.810,01 DM






OLG Köln:
Urteil v. 16.02.1995
Az: 18 U 128/94


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