Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 21. Juli 2010
Aktenzeichen: I-2 U 47/10

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 21.07.2010, Az.: I-2 U 47/10)

Tenor

Der Antrag der Verfügungsbeklagten vom 2. Juni 2010, die Zwangsvollstre-ckung aus dem am 30. März 2010 verkündeten Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf hinsichtlich der Angabe von Preisen einstweilen einzustellen, hilfsweise ihr insoweit einen Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen, wird zurückgewiesen.

Gründe

Der abermalige Einstellungsantrag der Verfügungsbeklagten bleibt ohne Erfolg.

1.

Für den Fall einer widerrechtlichen Patentverletzung ordnet § 140 b PatG an, dass der Verletzer dem Verletzten Auskunft u.a. über die für die schutzrechtsverletzenden Erzeugnisse bezahlten Preise zu erteilen hat. Welcher Stellenwert dem Auskunftsanspruch nach dem Willen des Gesetzgebers im Gefüge der Rechtsfolgen nach geschehener Patentverletzung zukommt, wird nicht nur daran deutlich, dass § 140 b Abs. 5 PatG für den Fall einer vorsätzlich oder grob fahrlässig falschen oder unvollständigen Auskunft eine gesonderte Schadenersatzpflicht des Verletzers statuiert, sondern findet seinen Ausdruck gleichermaßen darin, dass der Auskunftsanspruch nicht nur im Hauptsacheverfahren, sondern in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann (§ 140 b Abs. 7 PatG). Indem § 140 b Abs. 4 PatG vorsieht, dass die Auskunftsansprüche ausgeschlossen sind, wenn die Inanspruchnahme des Verletzers "im Einzelfall" unverhältnismäßig ist, macht das Gesetz zugleich klar, dass die Verpflichtung zur Auskunftserteilung die Regelmaßnahme darstellt und dass von ihr nur unter besonderen Umständen abgesehen werden soll, die den Entscheidungsfall von der typischen Sachverhaltsgestaltung unterscheiden, für die § 140 b PatG die Pflicht zur Auskunftserteilung anordnet. Es ist von daher schon im Ansatz unzutreffend, wenn die Verfügungsbeklagte für sich reklamiert, es müsse in jedem einzelnen Fall der Schutzrechtsverletzung eine gleichsam ergebnisoffene Abwägung des Interesses des verletzten Patentinhabers an der Durchsetzung der ihm mit dem Auskunftsanspruch kraft Gesetzes zugewiesenen Rechtsposition einerseits und der Geheimhaltungsbedürfnisse des Verletzers an den der Auskunftspflicht unterfallenden Geschäftsdaten andererseits stattfinden. Die rechtliche Ausgangslage ist eine gänzlich andere. Der Patentverletzer ist Täter einer unerlaubten (deliktischen) Handlung, die rechtswidrig in nicht nur einfachgesetzlich geschützte, sondern wegen Art. 14 GG sogar grundrechtlich garantierte Eigentumspositionen des Schutzrechtsinhabers eingreift. Das Gesetz hält aus diesem Grund für den Verletzten in den §§ 139 ff. PatG bestimmte, den Störungszustand beendende und das begangene Unrecht kompensierende Sanktionen bereit. Typischerweise ist die zugrunde liegende Verletzungssituation dadurch gekennzeichnet, dass der Patentinhaber erfindungsgemäße Erzeugnisse selbst herstellt und/oder vertreibt. Es repräsentiert daher den Regel- und keinen Sonderfall, dass sich in einem Patentverletzungsprozess am Markt tätige Wettbewerber gegenüberstehen, weswegen es gerade nichts Außergewöhnliches ist, sondern - ganz im Gegenteil - der üblichen Konstellation entspricht, dass der Verletzer im Rahmen seiner Auskunftspflicht demjenigen geheime Geschäftsdaten (wie Preise) offenbaren muss, mit dem er auf dem betreffenden Markt um Aufträge und Kunden konkurriert. Wenn § 140 b PatG angesichts dieser forensischen Sachlage eine Pflicht zur Auskunft über die Preise der schutzrechtsverletzenden Ware anordnet, kann dieser Anspruch nicht dadurch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu Fall gebracht oder inhaltlich eingeschränkt werden, dass diejenigen nachteiligen Folgen für die Wettbewerbsposition des Verletzers beklagt und eingewandt werden, die normale und gewöhnliche Folge der Pflicht zur Auskunftserteilung sind. Von der Auskunftspflicht kann vielmehr nur dann - ganz oder teilweise (z.B. hinsichtlich einzelner Daten und/oder durch Einräumung eines Wirtschaftsprüfervorbehaltes) - abgesehen werden, wenn sich der Streitfall durch besondere Umstände auszeichnet, die ihn aus der Reihe der üblichen Verletzungssachverhalte herausheben und die dokumentieren, dass der Verletzte bei Anlegung eines objektiven Maßstabes, gemessen am Regelfall, ein außergewöhnlich geringes Informationsinteresse hat, das trotz des geschehenen widerrechtlichen Eingriffs in seine Schutzrechtsposition ausnahmsweise hinter den Geheimhaltungsbelangen des Verletzers zurückstehen muss, oder dass - umgekehrt - auf Seiten des Verletzers, gemessen am Regelfall, derart außergewöhnliche Nachteile aus der Auskunftserteilung drohen, dass demgegenüber das Informationsinteresse des Verletzten zurückzutreten hat. Von einer derartigen Konstellation kann vorliegend nicht die Rede sein.

2.

Neben der Sache liegt der Hinweis der Verfügungsbeklagten, mit der vorbeschriebenen Rechtsanwendung werde in ihre Rechte aus Artt. 2, 12, 14 GG eingegriffen. Sämtliche genannten Grundrechte stehen unter Gesetzesvorbehalt (Artt. 12 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 Satz 2 GG) bzw. finden ihre Grenze an den Rechten anderer (Art. 2 Abs. 1 GG). § 140 b PatG stellt ein solches zulässiges Schrankengesetz dar, welches der mit Verfassungsrang ausgestatteten Eigentumsposition des Patentinhabers gegenüber den Übergriffen von Patentverletzern (wie der Verfügungsbeklagten) in der gebotenen Weise Geltung verschafft.

3.

Nicht zu folgen ist der Verfügungsbeklagten ebenso in ihrer Rechtsauffassung, eine Vollstreckung der tenorierten Auskunftspflicht habe zu unterbleiben, weil sie dazu führen würde, dass sie (die Verfügungsbeklagte) mit der Kundgabe ihrer Preise gegenüber der Verfügungsklägerin einen Kartellverstoß (Art. 101 AEUV, § 1 GWB) begehen würde. Wenn die Beklagte den gegen sie ergangenen und zwangsweise durchgesetzten Urteilstenor befolgt, fehlt es von vornherein an einem unternehmerischen Handeln, das den Anwendungsbereich der genannten Vorschriften erst eröffnen könnte. Ein solches liegt nämlich nur vor, wenn für den Agierenden im Hinblick auf das mutmaßlich kartellrechtswidrige Verhalten überhaupt eine Handlungsoption besteht, woran es vorliegend angesichts der gerichtlich angeordneten und mit den Mitteln des staatlichen Vollstreckungsrechts erzwungenen Auskunftserteilung erkennbar fehlt. Eine Anknüpfung an kartellrechtliche Vorschriften lässt sich auch nicht in der Person der Verfügungsklägerin gewinnen. Insofern käme nur in Betracht, die Anbringung und Verfolgung ihres u.a. auf eine Auskunftserteilung über die Preise der Beklagten gerichteten Verfügungsantrages als wettbewerbsbeschränkendes Verhalten zu werten. Dem steht indessen bereits entgegen, dass die von der Verfügungsklägerin einseitig unternommene Rechtsverfolgung keine Unternehmensvereinbarung darstellt und auch nicht als eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise von Unternehmen begriffen werden kann. Abgesehen davon geht es nicht an, dass derjenige Patentverletzer, der durch sein deliktisches Tun rechtswidrig in den freien Wettbewerb (zu dem auch der gesetzliche Schutz gewerblichen Eigentums gehört) eingreift, für sich reklamiert, aus Gründen des von ihm selbst missachteten freien Wettbewerbs vor denjenigen Rechtsfolgen geschützt zu werden, die das Gesetz an die widerrechtliche Benutzung fremder Patente knüpft.

Dr. K Dr. B. F Vors. Richter Richter Richter am OLG am OLG am OLG






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 21.07.2010
Az: I-2 U 47/10


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