Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 10. Mai 2012
Aktenzeichen: 2 U 135/11

(OLG Stuttgart: Urteil v. 10.05.2012, Az.: 2 U 135/11)

Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt. Das Aktzeichen des Bundesgerichtshofs lautet: III ZR 173/12.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 04. Oktober 2011 (Az.: 20 O 151/11)

a b g e ä n d e r t

und wie folgt

n e u g e f a s s t:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug tragen der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jeder Partei wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: Für beide Rechtszüge bis 10.000,- EUR.

Gründe

I.

Die Klägerin bekämpft eine Allgemeine Geschäftsbedingung, deren Unwirksamkeit zwischen den Parteien außer Streit steht.

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 04. Oktober 2011 (Az.: 20 O 151/11) Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat, der Klage stattgebend, die Klausel

Voraussetzung der Portierung ist die schriftliche Erklärung des Kunden, auf die Rückzahlung eines evtl. nicht verbrauchten Guthabens ... zu verzichten ..."

in Allgemeinen Geschäftsbedingungen untersagt und dies im Kern wie folgt begründet:

Der Kläger sei klagebefugt. Die angegriffene AGB-Klausel verstoße gegen § 307 Abs. 1 BGB. Der dem wechselwilligen Kunden abverlangte Verzicht auf ein bereits vorab bezahltes Guthaben in Kombination mit dessen Verpflichtung, nach erfolgter Portierung noch anfallende Forderungen auszugleichen, stelle eine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar, da er eine mögliche Doppelbelastung des Kunden bedeute. Anerkennenswerte Interessen der Verwenderin, welche dieses Vorgehen rechtfertigen könnten, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Wiederholungsgefahr scheitere nicht an der Erklärung der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die fragliche Klausel schon des längeren nicht mehr anzuwenden. Insoweit wäre es bei Dauerschuldverhältnissen zusätzlich erforderlich gewesen, diesen Umstand den betroffenen Vertragspartnern mitzuteilen (BGHZ 81, 222).

Die Wiederholungsgefahr sei auch nicht durch die Verschmelzung der Verwenderin auf die Beklagte entfallen. Anders als in den Fällen BGH, NJW 2008, 301 und BGH, GRUR 2008, 1002, in denen beendete Wettbewerbsverstöße des verschmolzenen Unternehmens zu beurteilen gewesen seien, führe die Beklagte hier Verträge mit der angegriffenen Klausel fort als Vertragspartnerin. Sie könne die Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Vertragsklausel nur dadurch beseitigen, dass sie die Kunden davon in Kenntnis setze, dass die Klausel nicht mehr angewandt werde, oder indem sie eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgebe. Dass sie im Prozess ausdrücklich vorgetragen habe, sie verteidige die Klausel nicht, reiche nicht aus.

Die Kostenentscheidung folge aus §§ 91, 91a ZPO. Die Klage hätte auch in ihrem erledigten Umfang (Unterlassung der Klauselverwendung) Erfolg versprochen, wäre nicht nach Rechtshängigkeit die Verschmelzung der ursprünglich beklagten Rechtsvorgängerin auf die Beklagte erfolgt.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel prozessordnungsgemäß begründet.

Die Beklagte trägt vor:

Die Wiederholungsgefahr sei durch die Verschmelzung nicht auf die Beklagte übergegangen. Die Verschmelzung löse gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG eine Gesamtrechtsnachfolge aus. Von dem Übergang der Aktiva und Passiva seien allerdings solche Rechte und Pflichten ausgenommen, die ihrer Natur nach nicht auf einen Gesamtrechtsnachfolger übergehen könnten. Hierzu zählten die auf gesetzlicher Grundlage beruhenden Unterlassungsansprüche, da diese höchstpersönlicher Natur seien und die Wiederholungsgefahr ein tatsächlicher Umstand (vgl. BGH, GRUR 2006, 879, Tz. 17 - Flüssiggastank; OLG Hamburg, Beschluss vom 24.08.2009 - 5 W 183/08, Tz. 13; BGHZ 172, 165, Tz. 11 - Schuldnachfolge; BGH, Urteil vom 03.04.2008 - I ZR 49/05, GRUR 2008, 1002, Tz. 39 - Schuhpark). Diese zum UWG und zum Markenrecht ergangene Rechtsprechung müsse auch für das UKlaG gelten (Bassenge in: Palandt, 70. Aufl., 2011, § 1 UKlaG, Rn. 8).

Entgegen der Auffassung des Landgerichts lebe der Wettbewerbsverstoß nicht zeitlich in den übernommenen Verträgen fort. Es gehe hier im konkreten Fall nur um das Sich Berufen" auf die Klausel. Berufen habe sich die Beklagten auf diese Klausel noch nie. Vielmehr habe sie im Prozess ausdrücklich mitgeteilt, dass sie sich nicht auf die Klausel berufen wolle.

Auf eine Erstbegehungsgefahr sei der Anspruch nicht gestützt. Dem stünde auch die Erklärung der Beklagten entgegen.

Die Beklagte beantragt,

das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Er tritt der Berufung, das landgerichtliche Urteil verteidigend, entgegen:

Eine Vergleichbarkeit zum Marken- und Wettbewerbsrecht sei von vornherein nicht gegeben. Die Klausel sei Bestandteil der Verträge, die die Beklagte übernommen habe und aus denen sie Rechte gegen die Kunden ableiten könne. Sie führe diese Verträge fort; solche Verträge liefen noch. Nach den Grundsätzen aus BGHZ 81, 222, bestehe mangels Information an die Kunden nach wie vor ein gesonderter Unterlassungsanspruch des Klägers im Hinblick auf das Berufen auf" die Klausel (hierzu: BGH, NJW 2003, 1237, 1238; NJW 2002, 2386; NJW 1994, 2693).

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 03. Mai 2012 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Zwar stehen die Klagebefugnis des Klägers und die Unwirksamkeit der angegriffenen Klausel außer Streit. Die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr (Erstbegehungsgefahr wird nicht behauptet und wäre; wie vom Landgericht als obiter dictum zutreffend erwähnt, gleichfalls nicht gegeben) fehlt in Bezug auf die durch Verschmelzung zur Rechtsnachfolgerin der vormaligen Unterlassungsschuldnerin gewordene Beklagte.

1.

Die Annahme einer Wiederholungsgefahr lässt sich nicht aus einem Verhalten der Rechtsvorgängerin der Beklagten herleiten.

a)

Ein Wettbewerbsverstoß der Rechtsvorgängerin der Beklagten begründete bei jener eine Wiederholungsgefahr. Als übertragende Gesellschaft ist sie jedoch aufgrund der Verschmelzung erloschen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Auf die Beklagte als ihre Rechtsnachfolgerin konnte eine Wiederholungsgefahr, die durch einen Wettbewerbsverstoß bei jener entstanden war, nicht übergehen. Die Wiederholungsgefahr ist ein tatsächlicher Umstand, der nach den Verhältnissen in der Person des in Anspruch Genommenen zu beurteilen ist. Dies gilt nicht nur, wenn der Rechtsvorgänger die Wiederholungsgefahr persönlich durch eigenes Verhalten begründet hat (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2006 - I ZR 92/03, GRUR 2006, 879, Tz. 17 = WRP 2006, 1027 - Flüssiggastank), sondern auch dann, wenn der Wettbewerbsverstoß durch Organe des Rechtsvorgängers oder Mitarbeiter seines Unternehmens begangen worden ist (BGHZ 172, 165, 168; Tz. 11).

b)

Für ein wettbewerbswidriges Handeln, das der Rechtsvorgängerin der Beklagten zuzurechnen ist, hatte nur jene auf Unterlassung zu haften. Auch bei Wettbewerbsverstößen, die Mitarbeiter oder Beauftragte bei ihrer Tätigkeit für sie begangen haben, konnten nach § 8 Abs. 2 UWG Unterlassungsansprüche gegen diese Gesellschaft entstehen. Gemäß dieser Vorschrift werden dem Inhaber des Unternehmens Zuwiderhandlungen seiner Angestellten oder Beauftragten wie eigene Handlungen zugerechnet, weil die arbeitsteilige Organisation des Unternehmens die Verantwortung für das Verhalten im Wettbewerb nicht beseitigen soll. Der Unternehmensinhaber, dem die Wettbewerbshandlungen seiner Angestellten oder Beauftragten zugute kommen, soll sich bei einer wettbewerbsrechtlichen Haftung nicht hinter den von ihm abhängigen Dritten verstecken können (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2002 - I ZR 119/00, GRUR 2003, 453, 454 = WRP 2003, 642 - Verwertung von Kundenlisten, m.w.N.). Dieser Zweck des § 8 Abs. 2 UWG lässt es nicht zu, Wettbewerbsverstöße, die Mitarbeiter im Unternehmen unter der Verantwortung des früheren Rechtsinhabers begangen haben, auch dem neuen Rechtsinhaber zuzurechnen (BGHZ 172, 165, 168, Tz. 12; m.w.N. auch zur Gegenmeinung; vgl. ferner OLG Braunschweig, Urteil vom 10.07.2003 - 2 U 161/02, bei juris m.w.N.).

c)

Dabei spielt es keine Rolle, ob die Geschäftsführung der Beklagten mit denselben Personen besetzt ist wie die der früheren Verwenderin. Verwender der AGB und Schuldner des Unterlassungsanspruchs ist die juristische Person, nicht der für sie handelnde Vorstand. In Person der Beklagten könnte eine personelle Identität allenfalls eine Erstbegehungsgefahr begründen, nicht aber eine Wiederholungsgefahr (OLG Braunschweig, a.a.O., u.H. auf Teplitzky, a.a.O., Kap. 10, Rn. 19).

d)

Der Bundesgerichtshof hat seine wiedergegebenen Ausführungen nicht beschränkt auf bereits beendete Wettbewerbsverstöße, sondern generell formuliert. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Rechtsprechung auf Ansprüche aus dem UKlaG keine Anwendung finden könnte. Denn mit solchen geht häufig ein gleichlaufender wettbewerbsrechtlicher Anspruch des Konkurrenten einher (vgl. BGH, Urteil vom 31.03.2010 - I ZR 34/08, GRUR 2010, 1117, bei juris Rz. 31 - Haftungsausschluss für Mängel bei eBay; MükoUWG/Schaffert, Rn. 30 zu § 4 Nr. 11; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., 2012, Rnrn. 11.17 und 11.156a zu § 4 Nr. 11 und Rn. 14 zu § 1 UKlaG). Es wäre dogmatisch nicht zu rechtfertigen, die Wiederholungsgefahr bei dem lauterkeitsrechtlichen Anspruch mit dem Bundesgerichtshof zu verneinen, denselben tatsächlichen Umstand (BGHZ 172, 165, 168, Tz. 11) aber im UKlaG -Verfahren zu bejahen.

2.

Die Beklagte hat auch nicht durch eigenes Verhalten eine Wiederholungsgefahr geschaffen, weil sie die Klausel nicht im Sinne des § 1 UKlaG verwendet hat (ein Empfehlen steht nicht in Rede).

a)

Ein Unternehmer verwendet eine AGB-Klausel, indem er gegenüber Dritten erklärt, dass für bestimmte Verträge bestimmte AGB gelten sollen, gleichviel ob im Zuge von Vertragsverhandlungen oder im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses. Der § 1 UKlaG unterscheidet nicht zwischen Erst- und Weiterverwendung (Köhler, a.a.O., Rn. 8 zu § 1 UKlaG). Verwender ist daher auch derjenige, der sich nach dem Vertragsschluss auf eine Klausel beruft und Rechte daraus ableitet (vgl. Köhler, a.a.O., u.H. auf BGHZ 127, 35, 37 und Staudinger/Schlosser, § 1 UklaG, Rn 19). Wegen des besonderen präventiven Zwecks des abstrakten Kontrollverfahrens ist eine weite Auslegung geboten. Als Verwendung sind schon alle konkreten Maßnahmen zur unmittelbaren Vorbereitung, die auf eine Einbeziehung in einen Vertrag zielen, anzusehen, auch wenn ein konkret geplanter oder sicherer Einsatz der AGB noch nicht gegeben ist (MüKoZPO/Micklitz, 3. Aufl., 2008, Rn 19 f. zu § 1 UKlaG, m.w.N.). Jedoch beinhaltet der Begriff des Verwendens damit ein tatsächliches, objektives Element. Darin gleicht er der anderen Tatbestandsalternative, dem Empfehlen, das seinem Wortsinn nach erfordert, das subjektive Empfinden, eine Klausel sei für (mindestens) ein bestimmtes Unternehmen geeignet, nach außen zu tragen. Ebenso verhält es sich mit dem Verwenden im Verhältnis zum bloßen Verwendungswillen oder der bloßen Verwendungsabsicht. Erforderlich ist daher ein auf den Verbraucher gerichtetes Verhalten.

Ein Unternehmen verwendet also dann AGB im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses, wenn es eine Klausel seinem Vertragspartner bei der Durchsetzung seiner Rechte entgegenhält oder diese unter Bezugnahme auf sie verteidigt (vgl. OLG Braunschweig, a.a.O., m.w.N.). Verwenden setzt hier voraus, dass sich das Unternehmen in irgendeiner Form objektiv auf eine gesetzwidrige Klausel beruft, indem es seine Absicht nach außen erkennen lässt, von ihr rechtlich zu profitieren.

b)

Eine bloße Untätigkeit ist hingegen grundsätzlich noch keine Benutzung, noch ein sich berufen, wobei für diese Abgrenzung keine Rolle spielt, ob ein Dauerschuldverhältnis im Raum steht oder ein abgeschlossenes Geschehen. Entgegen der Auffassung des Klägers reicht allein der Umstand, dass ein Unternehmen nicht von ihm abgeschlossene Altverträge, in die eine unwirksame Klausel hätte Eingang finden sollen und in die es durch eine Verschmelzung eingetreten ist, nicht aus, ihm gegenüber eine Wiederholungsgefahr zu begründen.

aa)

Eine unwirksame AGB-Klausel wird nicht Vertragsbestandteil (vgl. §§ 306 f. BGB), wohingegen der Vertrag im Übrigen grundsätzlich und dann anstelle der unwirksamen Klausel mit den gesetzlichen Regelungen gültig ist, von denen durch diese Klausel abgewichen würde.

Bestandteil der inkriminierten Verträge, wie es der Kläger vorbringt, kann die Klausel also nur dem Anschein nach (formal) sein, nicht aber materiell.

bb)

Der Senat verkennt nicht die abstrakte Gefahr, dass Verbraucher die unwirksame Klausel für wirksam halten und infolge dessen davon absehen könnten, ihre Rechte wahrzunehmen. Diese Erwägung trägt aber keine Gesetzesauslegung, der Gesetzgeber habe eine solche Informationspflicht (oder -obliegenheit) statuieren wollen.

(1)

Dieselbe Gefahr bestünde auch nach einer antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten fort. Denn es ist nicht anzunehmen, dass auch nur der überwiegende Teil der Vertragskunden der Beklagten von einem Unterlassungsurteil erführe, gleichviel ob es auf Kosten der Beklagten im Bundesanzeiger veröffentlicht würde (§ 7 S. 1 1. Alt. UklaG) oder auf Kosten des Klägers anderweitig (§ 7 S. 1 2. Alt. UKlaG). Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber mit dem Veröffentlichungsrecht begnügt.

(2)

Hätte der Gesetzgeber der von ihm ausweislich der Existenz des § 7 UKlaG erkannten Gefahr für den Verbraucher begegnen wollen, so hätte er anstelle der Veröffentlichungsbestimmungen in § 7 UKlaG (vormals § 18 AGBG) oder neben diesen eine Benachrichtigungspflicht oder -obliegenheit einführen müssen. Dies hat er nicht getan. Angesichts der unübersehbaren Prüfungsobliegenheiten, welche sich bei Dauerschuldverhältnissen für Unternehmen aus einer solchen laufend ergäben, selbst wenn kein konkreter Anhalt für ein klauselbezogenes Verhalten des Kunden bekannt wäre, kann vor dem Hintergrund des § 7 UKlaG auch nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber eine solche unausgesprochen hätte schaffen wollen. Im Gegenteil lässt die unterschiedliche Kostenregelung in § 7 S. 1 UKlaG erkennen, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass schon mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger dasjenige getan sei, was dem Verwender obliegt, um angesichts einer von ihm gesetzten Wiederholungsgefahr seinen Kunden die Möglichkeit zu geben, von der Unwirksamkeit Kenntnis zu erlangen und sich darauf einzustellen.(3)

Unterstellte man eine Hinweispflicht des Verwenders an seiner Kunden, so verlöre darüber hinaus das Veröffentlichungsrecht des § 7 UKlaG seine innere Berechtigung; es mutierte zu einer systemfremden Strafbestimmung.

(4)

Vom Verwender mehr zu verlangen, wenn er eine Wiederholungsgefahr noch nicht gesetzt hatte und nur in Rede steht, ob sein Schweigen eine solche begründen könnte, enthielte einen Wertungswiderspruch.

(5)

Eine Benachrichtigungsobliegenheit hat dem Eindruck zuwider, welchen der Kläger zu erwecken trachtet, auch der Bundesgerichtshof nicht angenommen. Noch zu § 13 AGBG hat er - zur Beseitigung einer vorab begründeten Wiederholungsgefahr - in der vom Kläger zitierten Entscheidung BGHZ 81, 222, ausgeführt:

Dabei braucht nicht im einzelnen untersucht zu werden, was jeweils genügt oder gerade nicht genügt, um eine Beseitigung der Wiederholungsgefahr annehmen zu können. Es kommt vielmehr auf die Beurteilung der Lage an, wie sie sich nach dem gesamten Verhalten des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf deren Beanstandung durch den klagenden Verband hin darstellt. Maßgeblich ist, ob der Verwender nach diesem seinem im Zusammenhang gewürdigten Verhalten selbst hinreichende Gewähr dafür bietet und auch genügend dafür getan hat, daß es zu weiterer Verwendung der beanstandeten unzulässigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht mehr kommt. (BGHZ 81, 222, 226).

Im Zuge dieser Gesamtwürdigung hat er neben anderen Umständen ein in jenem Fall versandtes Anschreiben des AGB-Verwenders an seine Kunden als Anzeichen für einen Wegfall der Wiederholungsgefahr gewürdigt, ohne ein solches zu fordern (BGH, a.a.O., 227). Soweit ersichtlich, ist er von dieser Rechtsprechung später nicht abgewichen.

cc)

Dies entspricht auch dem Charakter des Unterlassungsanspruchs, den das UKlaG dem Kläger einräumt. Er ist darauf gerichtet, künftig Verstöße zu verhindern (s. statt vieler BGH, GRUR 2009, 1077 = MDR 2009, 1366, bei juris Rz. 18 - Finanz-Sanierung), aber nicht darauf, in der Vergangenheit eingetretene Schäden oder Gefährdungen zu beseitigen.

Darüber hinaus ist er vom konkreten Vertragsverhältnis unabhängig (abstrakt), so dass auch etwaige vertragliche Nebenpflichten der Beklagten gegenüber ihren Kunden, welche ohnehin nur nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles bemessen werden könnten, im UKlaG -Verfahren nicht erörtert zu werden brauchen. Selbst ihre Verletzung könnte keine Wiederholungsgefahr jenseits des oben umschriebenen Rahmens begründen.

dd)

Eine aus dem Gedanken der Ingerenz fließende Handlungspflicht wäre, gestützt auf den bloßen Umstand der Vertragsübernahme kraft Verschmelzung, auch mit dem Wortsinn des Gesetzes kaum in Einklang zu bringen.

ee)

Rechnete man das Verhalten der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu, so müsste konsequenterweise die vom Bundesgerichtshof in der oben zitierten Rechtssprechung verneinte Wiederholungsgefahr auch in den Fällen angenommen werden, in denen sie der Bundesgerichtshof ausdrücklich und mit einschränkungslos gehaltenen Formulierungen verneint hat.

ff)

Das OLG Braunschweig hat (a.a.O.) nicht einmal dann eine Verwendung einer Klausel angenommen, wenn ein Versicherer tatsächlich bei der Abwicklung von Altverträgen weiterhin Abschlusskosten gemäß einer unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingung sofort verrechnet und weitere Abzüge vorgenommen hat. Die konkrete Verletzungsform bestehe hier nur in der Rechtfertigung der Verrechnungen und Abzüge mit Hilfe der den Altverträgen zugrunde liegenden intransparenten Klauseln, nicht in der Handhabung selbst. Die inhaltliche Weiterverwendung berühre nicht den Verbotskern des vom Kläger dort verfolgten Unterlassungsanspruchs, der in einer mangelnden Transparenz lag, weil auch eine andere Rechtsgrundlage für das Verhalten in Betracht komme und dieses daher nicht als Umgehungsversuch gewertet werden müsse. Überlegungen, deren das Gericht nicht bedurft hätte, hätte es schon aus dem Vertragsbestand auf eine Wiederholungsgefahr (Verwendung) geschlossen.

c)

Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte die angegriffene Klausel nicht verwendet.

aa)

Dabei kann dahinstehen, dass ein anderer Rechtsgrund für den mit der Klausel erstrebten Rechtsverlust nicht ersichtlich wäre, weil sich die Beklagte schon nicht in dem oben genannten Sinn auf die Klausel berufen hat. Unstreitig hat sie diese weder selbst in Verträge aufgenommen, noch zur Begründung oder Verweigerung eines Rechtes gegenüber einem Kunden auf diese verwiesen. Allein der Umstand, dass die Beklagte die Möglichkeit hätte, sich auf diese Klausel im Rechtsverkehr gegenüber Verbrauchern zu berufen, da diese in ihrem Vertragsbestand auffindbar ist, tritt weder nach außen, noch lässt sich dieses Verhalten als konkret einer Absicht zur Verwendung zuordnen, so dass es keine Wiederholungsgefahr begründen kann.

bb)

Schon darin unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von den Fällen, in denen ein Unternehmer durch die Vorgabe einer Klausel selbst zu erkennen gegeben hatte, dass er diese zu seinem - rechtswidrigen - Vorteil nutzen wolle. Hinzu kommt aber noch der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 81, 222, 226 f.) zu berücksichtigende Umstand, dass die Beklagte im Rechtsstreit von Anfang an eingeräumt hat, dass die Klausel unwirksam sei und angekündigt hat, diese im Rechtsverkehr nicht zu nutzen. Eine derartige Ankündigung reicht zwar mangels Strafbewehrung allein grundsätzlich nicht aus, eine zuvor gesetzte Wiederholungsgefahr zu beseitigen, ist aber bei der hier zu beantwortenden Frage, ob eine Wiederholungsgefahr geschaffen wurde, von Gewicht. Gegen diese ihre Ankündigung hat die Beklagte unstreitig nicht verstoßen.

III.A1.

Die Kostenentscheidungen beruht auf §§ 92 Abs. 1, 91a, 97 Abs. 1 ZPO. Die auf die Klage gegen die Rechtsvorgängerin der Beklagten entfallenen Kosten hat die Beklagte zu tragen. Hiergegen wendet sich ihr Rechtsmittel, wie sie auf Nachfrage des Senates im Termin bestätigt hat, nicht. Der Senat hatte daher von Amts wegen eine Kostenquote für die Kosten des ersten Rechtszuges zu bilden, wobei der Anteil der Beklagten mit 1/3 anzusetzen ist.

2.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3.

Den Streitwert schätzt der Senat nach § 3 ZPO für beide Rechtszüge auf 10.000,- EUR, wobei nicht übersehen wird, dass ein Teil des Rechtsstreits während des erstinstanzlichen Verfahrens übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist. Dies führt aber auch für das Berufungsverfahren nicht zu einer geänderten Wertschätzung, weil das mit der Klage verfolgte Interesse des Klägers im Grunde genommen unverändert geblieben ist.

B

Der Senat lässt, dem Wunsch beider Parteien entsprechend, die Revision wegen Rechtsgrundsätzlichkeit zu. Die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Fehlen einer Wiederholungsgefahr aus einer Rechtsnachfolge infolge Verschmelzung hatte einen abgeschlossenen Vorgang zum Gegenstand, wohingegen vorliegend die angegriffene Klausel in Dauerschuldverhältnissen enthalten ist. Darüber hinaus klärt sie nicht, ob in einem Fall wie dem vorliegenden eine Wiederholungsgefahr aus der bloßen Untätigkeit des Rechtsnachfolgers anzunehmen ist.






OLG Stuttgart:
Urteil v. 10.05.2012
Az: 2 U 135/11


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