Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 14. Juli 1993
Aktenzeichen: 17 U 35/93

(OLG Köln: Urteil v. 14.07.1993, Az.: 17 U 35/93)

1) Zur ordnungsgemäßen Rechnungserteilung des Rechtsanwalts gem. § 18 BRAGO genügt es nicht ohne weiteres, daß dem Auftraggeber bekannt wird, daß der Anwalt dem Gegner die Anwaltskosten zur Bezahlung aufgibt.

2) Eine nach Eintritt der Verjährungsfrist erteilte Kostenrechnung entfaltet keine Rückwirkung.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 12. November 1992 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 15 O 670/91 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die formell bedenkenfreie Berufung des Beklagten hat in der

Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat einen Anspruch der Kläger

aus den §§ 675, 667 BGB auf Herauszahlung der von dem Beklagten

einbehaltenen 9.021,73 DM mit Recht bejaht.

Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung klargestellt,

nicht bestreiten zu wollen, daß der Beklagte beauftragt gewesen

ist, für sie als Mit- glieder der

Bauherren-/Wohnungseigentümergemein- schaft B.straße 25, ... K.,

Gewährleistungsan- sprüche gegen die Firma ... geltend zu machen

und die Stadtsparkasse K. aus der für die Firma ... übernommenen

Gewährleistungsbürgschaft in Anspruch zu nehmen. In Ausführung

dieses Auftrages hat der Beklagte bei der Stadtsparkasse K.

97.500,00 DM abgerufen und hiervon bisher lediglich 14.411,39 DM an

die Kläger und - von diesen unbe- anstandet - weitere 74.066,88 DM

an die Firma ... ausgekehrt. Es verbleibt mithin ein Betrag von

9.021,73 DM, den der Beklagte aus der Geschäfts- besorgung erlangt

und an die Kläger herauszugeben hat.

Für die von der Berufung offenbar vertretene Ansicht, die

Stadtsparkasse K. habe für die Firma ... gezahlt, so daß es sich

bei den dem Beklagten aus der Bürgschaft zugeflossenen 97.500,00 DM

um "Gelder der ..." gehandelt habe, fehlt es an jedem

tatsächlichen Anhalt. Die unstreitige Tatsa- che, daß der Beklagte

sich als (Einziehungs-) Be- vollmächtigter der

Bauherren-/Wohnungseigentümer- gemeinschaft ausgewiesen und die

Stadtsparkasse K. unter dem 30. April 1986 namens der Bauherrenge-

meinschaft aufgefordert hat, den Bürgschaftsbetrag binnen drei

Tagen auf sein Konto zu überweisen, läßt keinen ernstlichen Zweifel

daran zu, daß die Stadtsparkasse mit der in der Folge geleisteten

Zahlung ihre den Klägern gegenüber bestehende Ver- pflichtung aus

der Bürgschaft hat erfüllen wollen und erfüllt hat. Dafür, daß die

Stadtsparkasse K. sich des Beklagten zugleich als Treuhänder

bedient und diesem in Bezug auf die Verwendung des Geldes Auflagen

gemacht hat, die es dem Beklagten verbo- ten und weiterhin

verbieten, den hier in Rede ste- henden Betrag an die Kläger

abzuführen, ist nichts dargetan. Dies kann um so weniger angenommen

werden, als die Stadtsparkasse K. nach den Bedin- gungen des

Bürgschaftsvertrages zur Zahlung "auf erstes Anfordern"

verpflichtet und folglich nicht berechtigt war, die Auszahlung der

Bürgschaftssum- me an bestimmte Bedingungen zu knüpfen oder mit

Weisungen an den Beklagten als den bevollmächtig- ten Vertreter der

Bauherren-/Wohnungseigentümerge- meinschaft zu verbinden.

Der dem Herausgabeanspruch der Kläger nunmehr ent- gegengesetzte

Einwand des Beklagten, daß die bis- her weder an die Kläger noch an

die Firma ... zur Auszahlung gelangten 9.021,73 DM von den Klägern

zugunsten der Firma ... freigegeben worden seien, findet in dem

Sachvortrag der Parteien keine Stütze. Richtig ist, daß die S.

Immobilien GmbH, die mit der Verwaltung des gemeinschaftlichen Ei-

gentums beauftragt war, in ihrem an den Beklagten gerichteten

Schreiben vom 19. Juli 1986 nur die Herauszahlung der nach der

"Zwischenabrechnung mit der ... per 12.06.1986" für die

Bauherrengemein- schaft einbehaltenen 14.411,39 DM verlangt und

dieser Abrechnung auch in der Folge nicht aus- drücklich

widersprochen hat. Damit hat die S. Im- mobilien GmbH jedoch

allenfalls der Auszahlung des sich aus der Zwischenabrechnung des

Beklagten vom 12. Juni 1986 ergebenden Betrages von 74.066,88 DM an

die Firma ... zugestimmt; daß sie auch die von dem Beklagten "für

seine Gebühren" einbehaltenen 9.021,73 DM zugunsten der Firma ...

freigegeben hat, läßt sich dem Schreiben nicht entnehmen.

Zu Unrecht meint der Beklagte, daß er seine Gebühren "von der

... und auf deren Kosten erlangt" habe. Den von dem Beklagten

einbehaltenen 9.021,73 DM hat keine Leistung der Firma ...

zugrundegelegen. Eine Leistung setzt eine bewuß- te und

zweckgerichtete Vermögensvermehrung voraus. Diese Voraussetzung ist

vorliegend nicht gegeben. Der Beklagte hat den ihm aus seiner

anwaltlichen Tätigkeit für die Kläger erwachsenen Vergütungs-

anspruch einseitig mit dem der Firma ... nach seiner Ansicht gegen

die Kläger zustehenden An- spruch auf Herauszahlung des nicht

verbrauchten Bürgschaftsvertrages verrechnet, indem er sein Honorar

in voller Höhe in die Zwischenabrechnung vom 12. Juni 1986

eingestellt und von dem von ihm angenommenen Herausgabeanspruch der

Firma ... ge- genüber den Klägern in Abzug gebracht hat. Nichts

spricht dafür, daß die Firma ... die Kostenschuld der Kläger

übernommen und sich mit dem Beklagten auf eine Verrechnung der

diesem erwachsenen Gebüh- ren mit ihrem Guthaben aus dessen

Zwischenabrech- nung vom 12. Juni 1986 geeinigt hat. Eine solche

Vereinbarung ist zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Der

unstreitige Sachverhalt rechtfertigt vielmehr die Annahme, daß der

Beklag- te seine Gebühren ohne die Zustimmung der Firma ... von

der Bürgschaftssumme abgezweigt hat. Daß die Firma ... nicht die

Absicht hatte, die dem Beklagten gegenüber bestehende

Verbindlichkeit der Kläger zu übernehmen und die Honorarforderung

des Beklagten auszugleichen, belegt nicht zuletzt die Tatsache, daß

sie der Zwischenabrechnung des Beklagten unter dem 18. Juni 1986

widerspro- chen und die Kläger mit Schreiben vom 22. Janu- ar 1987

ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß sie nicht bereit sei,

"irgendwelche ... Ko- sten zu tragen, insbesondere nicht die

Rechnung des ... völlig überflüssigerweise als Treuhän- der

eingeschaltenen Rechtsanwalts Dr. L.". Mit dem Einbehalt der hier

streitigen 9.021,73 DM hat der Beklagte demnach einseitig gegenüber

der Firma ... aufgerechnet. Diese Aufrechnungserklärung hat sich

jedoch lediglich auf einen möglichen Anspruch der Kläger gegen die

Firma ... auf Ersatz der ihnen durch die Zuziehung des Beklagten

entstande- nen Anwaltskosten beziehen und folglich nur einen

etwaigen Anspruch der Firma ... gegen die Kläger auf Auszahlung

des nicht verbrauchten Bürgschafts- betrages teilweise zum

Erlöschen bringen können. Der dem Beklagten gegen die Kläger

erwachsene Honoraranspruch ist hiervon ebensowenig berührt worden

wie der den Klägern gegen den Beklagten zustehende Anspruch, das

aus der anwaltlichen Ge- schäftsbesorgung Erlangte an sie

herauszugeben.

Aus der von ihm als Bevollmächtigtem der Kläger

entgegengenommenen Zahlung der Stadtsparkasse K. einen Betrag in

Höhe der Klageforderung "für seine Gebühren" einzubehalten, ist der

Beklagte nicht berechtigt. Eine Aufrechnung mit der ihm aus sei-

ner anwaltlichen Tätigkeit für die Kläger erwach- senen

Honorarforderung ist dem Beklagten versagt. Der Anspruch auf

Herausgabe des Erlangten nach den §§ 675, 667 BGB ist zwar, wenn

er, wie hier, le- diglich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages

zum Gegenstand hat, in den für eine Aufrechnung gemäß § 387 BGB

wesentlichen Gesichtspunkten einem Geldanspruch gleichartig (BGH

NJW 1978, 1807). Ei- ner Aufrechnung durch den Beklagten steht

jedoch § 390 Satz 1 BGB entgegen. Nach dieser Vorschrift kann eine

Forderung, der eine Einrede entgegen- steht, nicht aufgerechnet

werden. Das gilt nach § 390 Satz 2 BGB auch für die Einrede der

Verjäh- rung, wenn die Gebührenforderung, mit der aufge- rechnet

werden soll, bei Eintritt der Verjährung noch nicht einforderbar

gewesen ist, wenn sie also bereits verjährt war, bevor der

Rechtsanwalt seinem Auftraggeber die in § 18 Abs. 1 BRAGO vor-

geschriebene Kostenberechnung erteilt hat, weil es dann an der für

die Zulässigkeit der Aufrechnung erforderlichen Voraussetzung

fehlt, daß sich die Forderungen in nicht verjährter Zeit einforder-

bar und damit aufrechenbar gegenübergestanden ha- ben (vgl. KG

Anwaltsblatt 1982, 71; BGH Anwalts- blatt 1985, 257).

Die Honorarforderung des Beklagten ist verjährt. Der

Vergütungsanspruch des Beklagten ist mit Been- digung der

Anwaltstätigkeit im Jahre 1987, späte- stens jedoch mit der

Beantwortung des Schreibens der anwaltlichen Vertreter der Firma

... vom 9. Dezember 1988 fällig geworden (§ 16 Satz 1 BRA- GO),

die zweijährige Verjährungsfrist (§ 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB) somit

jedenfalls am 31. Dezem- ber 1988 in Lauf gesetzt worden (§§ 201

BGB, 18 Abs. 1 Satz 2 BRAGO), so daß spätestens mit dem 31.

Dezember 1990 Verjährung eingetreten ist. Vor diesem Zeitpunkt hat

der Beklagte weder den Klä- gern noch der als Verwalterin

eingesetzten S. Im- mobilien GmbH eine den Anforderungen des § 18

BRA- GO genügende Kostenrechnung erteilt; er hat seine Vergütung

nur der Stadtsparkasse K. und der Firma ... gegenüber geltend

gemacht. Dadurch ist die Einforderbarkeit der dem Beklagten gegen

die Kläger zustehenden Gebührenforderung jedoch nicht begründet

worden, mag den Klägern auch aus dem Ge- sichtspunkt des Verzuges

ein Anspruch auf Erstat- tung der ihnen durch die Einschaltung des

Beklag- ten entstandenen Anwaltskosten gegen die Stadt- sparkasse

K. und/oder die Firma ... erwachsen sein. Es ist anerkannten

Rechts, daß die Kostenbe- rechnung dem Auftraggeber mitgeteilt sein

muß, an- dernfalls dieser auf den Vergütungsanspruch seines Anwalts

keine Zahlungen zu erbringen braucht. Auf- traggeber des Beklagten

aber waren ausschließlich die Kläger.

Seiner Verpflichtung, den Klägern eine den Erfor- dernissen des

§ 18 BRAGO entsprechende Gebühren- rechnung zu übermitteln, war der

Beklagte auch nicht etwa deshalb enthoben, weil die S. Immo- bilien

GmbH von dem als "Zwischenabrechnung" be- zeichneten Schreiben vom

12. Juni 1986, in welchem der Beklagte die Firma ... unter Hinweis

auf sei- ne Kosten über die Verwendung der Bürgschaftssumme

unterrichtet hat, noch im Juli 1986 Kenntnis er- langt hat. Der

Beklagte hat in die der Firma ... erteilte Abrechnung der

Bürgschaftssumme lediglich den Gesamtbetrag der von ihm als

Vergütung für seine im Auftrag der Kläger entfaltete Tätigkeit

beanspruchten Gebühren eingestellt. Im übrigen läßt sich den

seinerzeit erstellten Kostenrechnun- gen des Beklagten nicht

entnehmen, aus welchen Vorschriften er seinen Gebührenanspruch

herleitet. Eine Berechnung, aus der sich die angewandten

Gebührenvorschriften nicht ersehen lassen, genügt indessen den

gesetzlichen Erfordernissen nicht und löst mithin keine

Zahlungspflicht des Auftragge- bers aus. Es kann deshalb auch

dahinstehen, ob der S. Immobilien GmbH, wie die Berufung offenbar

geltend machen will, neben der Zwischenabrechnung des Beklagten vom

12. Juni 1986 auch die auf die Stadtsparkasse K. und die Firma ...

ausgestellten Kostenrechnungen des Beklagten zur Kenntnisnahme

übersandt oder vorgelegt worden sind.

Einer dem Auftraggeber mitgeteilten Kostenberech- nung des

Anwalts bedarf es allerdings nicht, wenn der Auftraggeber darauf

verzichtet hat. Ein sol- cher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht

vor. Aus dem Umstand, daß die S. Immobilien GmbH es anfangs

unbeanstandet hingenommen hat, daß der Beklagte den für die Kläger

eingezogenen 97.500,00 DM einen Betrag von 9.021,73 DM entnommen

und diesen zur Deckung seiner vermeintlichen Gebührenansprüche

verwandt hatte, kann nicht geschlossen werden, daß die S.

Immobilien GmbH namens der Kläger auf eine Kostenberechnung

verzichtet oder gar die Gebührenforderung des Beklagten nach Grund

und Höhe anerkannt hat. Auch dem bereits erwähnten Schreiben der S.

Immobilien GmbH an den Beklagten vom 19. Juli 1986 kommt eine

derart weitreichende Erklärungsbedeutung nicht zu, zumal die Firma

S. Immobilien GmbH sich darin nach der Reaktion der Firma ... "auf

die Einbehaltung" erkundigt hat. Der Beklagte konnte mithin

keineswegs darauf ver- trauen, daß die Kläger seine der Firma ...

gegen- über vorgenommene Zwischenabrechnung vom 12. Ju- ni 1986

vorbehaltslos gegen sich gelten lassen würden. Der Kläger Dr. H.

hat denn auch den Be- klagten unter dem 29. Mai 1987 ausdrücklich

aufge- fordert, seine "Kostenabrechnung gegenüber der Ge-

meinschaft vorzunehmen".

Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch der Kläger auf

Herauszahlung des von dem Beklagten aus der anwaltlichen

Geschäftsbesorgung erlangten Geldbetrages und dessen

Vergütungsanspruch haben sich demnach in unverjährter Zeit nicht

aufrechen- bar gegenübergestanden. Dies stellt ein Aufrech-

nungshindernis dar. Zwar kann sich auf die Schutz- wirkung der

Verjährungsvorschriften nicht berufen, wer die Verjährung arglistig

herbeigeführt und deshalb den Gläubiger - etwa im Wege des

Schadens- ersatzes nach den §§ 826, 249 BGB - so zu stellen hat,

als sei die Verjährung nicht eingetreten (vgl. BGH LM § 88 HGB Nr.

4). Die Berufung zeigt jedoch nichts auf, was darauf schließen

ließe, daß die Kläger den Beklagten in vorwerfbarer Weise da- von

abgehalten haben, ihnen eine Kostenberechnung zu übermitteln.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Beklag- ten vom 1. Juli

1993 gibt weder Veranlassung, die mündliche Verhandlung

wiederzueröffnen, noch rechtfertigt er eine andere rechtliche

Beurtei- lung. Die von der Berufung in Anlehnung an die

Ausführungen von Sch. in der Anmerkung zum Urteil des Landgerichts

Aschaffenburg vom 8. Dezember 1977, KostRspr., BRAGO § 18 Nr. 5,

vertretene An- sicht, daß eine dem Auftraggeber nach Eintritt der

Verjährung erteilte Kostenberechnung nach Maßgabe des § 18 BRAGO

Rückwirkung entfalte, findet in der gesetzlichen Regelung keine

Stütze.

Nach alledem muß es bei dem angefochtenen, der Klage

stattgebenden Urteil des Landgerichts ver- bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Anordnung über

die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713

ZPO.

Streitwert der Berufung und Beschwer des Beklag- ten: 9.021,73

DM.






OLG Köln:
Urteil v. 14.07.1993
Az: 17 U 35/93


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