Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 29. Januar 2013
Aktenzeichen: I-20 U 16/12

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 29.01.2013, Az.: I-20 U 16/12)

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 4. Januar 2012 verkündete Urteil der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, eine Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 5.000,00 € abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Der Kläger ist ein seit vielen Jahren bestehender Verein, zu dessen Aufgaben die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gehört. Ihm gehören mittelbar und unmittelbar eine Vielzahl von Unternehmen und Verbänden, insbesondere auch des Einzelhandels an. Der Beklagte handelt unter anderem über die Auktionsplattform eBay mit Salz, welches er unter der Bezeichnung "K. H." beziehungsweise "H. K." anbot, wie aus den im Tenor des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Angeboten ersichtlich. Das von dem Beklagten gehandelte Steinsalz stammt aus der sog. "S.-R." in P., was der Beklagte in der Berufungsverhandlung unstreitig gestellt hat.

Der Kläger sieht in der Bewerbung des Salzes eine irreführende geographische Herkunftsangabe. Die "S.-R." liege 200 km vom eigentlichen H.massiv entfernt. Zwischen dem Massiv und der "S.-R." liege unter anderem die Stadt I..

Der Beklagte macht geltend, der Kläger handele missbräuchlich, weil er sich nicht gegen eigene Mitglieder wende, die ebenfalls mit "H.-Salz" handelten, namentlich die "G. K." und die R.-Gruppe. Er verfolge ausschließlich Internethändler. Im Übrigen sei die Verwendung der Bezeichnung nicht irreführend, da unter H. die gesamte Region verstanden werde. Auch sei H.-Salz für derartiges Salz zur Gattungsbezeichnung geworden.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern für ein Kristallsalz anzukündigen "K. H." und/oder "H. K." wie im Einzelnen im Tenor des landgerichtlichen Urteils wiedergegeben. Ferner hat es dem Kläger Abmahnkosten in Höhe von 196,35 € nebst Zinsen zugesprochen.

Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung.

Der Beklagte wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Sachvortrag.

Er beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Sachvortrages.

Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

B)Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Der Senat nimmt hierauf zunächst Bezug und macht sich die Gründe des landgerichtlichen Urteils zu eigen.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Unterlassungsanspruch aus § 128 Abs. 1, § 127 Abs. 1, § 126 Abs. 1 MarkenG in Verbindung mit § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.

Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, auf den § 128 Abs. 1 MarkenG verweist, klagebefugt. Der Kläger ist seit langem als klagebefugt anerkannt, so dass in tatsächlicher Hinsicht vermutet wird, dass die Voraussetzungen der Klagebefugnis bei ihm vorliegen (BGH GRUR 2000, 1093, 1095 - Fachverband). Seine Klagebefugnis steht daher zu Recht auch außer Streit.

Die Klage ist nicht nach § 8 Abs. 4 UWG beziehungsweise § 242 BGB unzulässig, weil die Verfolgung von Ansprüchen gegen den Beklagten etwa rechtsmissbräuchlich wäre. Einem klagebefugten Verband ist es grundsätzlich nicht verwehrt, nur gegen bestimmte Verletzer gerichtlich vorzugehen. Die Entscheidung hierüber steht ebenso in seinem freien Ermessen, wie es dem einzelnen Gewerbetreibenden freisteht, ob und gegen welche Mitbewerber er Klage erheben will. Eine unzumutbare Benachteiligung des angegriffenen Verletzers gegenüber anderen - etwa deshalb, weil nunmehr er allein die angegriffenen Handlungen unterlassen müsse - ist darin schon deshalb nicht zu sehen, weil es dem Verletzer grundsätzlich offensteht, seinerseits gegen gleichartige Verletzungshandlungen seiner von dem Verband nicht angegriffenen Mitbewerber vorzugehen (BGH GRUR 2012, 411 Rn. 19 - Glücksspielverband). Besondere Umstände, die im Einzelfall eine andere Beurteilung nahelegen würden, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass der Kläger aufgrund sachfremder Erwägungen vorgeht. Von solchen sachfremden Erwägungen ist auszugehen, wenn es dem Verband nicht auf die Unterbindung wettbewerbswidrigen Verhaltens geht, sondern beispielsweise darum, neue Mitglieder gegen das Versprechen zu gewinnen, nicht gegen diese vorzugehen (vgl. BGH GRUR 2012, 411 Rn. 22 f.). Für eine derartige sachfremde Motivation ist indes nichts ersichtlich. Zum einen ist der Kläger auch gegen eigene Mitglieder vorgegangen. Zum anderen hat er unwidersprochen vorgetragen, hinsichtlich weiterer Angebote gegen den Importeur vorzugehen. Es ist dem Kläger daher nicht vorzuwerfen, dass er in erster Linie gegen Internethändler, wie den Beklagten vorgeht. Letztlich liefe die Annahme des Rechtsmissbrauchs, wenn der Kläger nur gegen bestimmte Wettbewerber vorginge, auf eine Form des "unclean hands"-Einwandes hinaus; und wenn - wie hier - die Interessen Dritter und der Allgemeinheit berührt sind, ist ein solcher ausgeschlossen. Vielmehr steht es dem Beklagten seinerseits ohne weiteres frei, gegen das wettbewerbswidrige Verhalten von Mitgliedern des Klägers vorzugehen (vgl. hierzu Ohly, GRUR 2012, 414; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 8 Rn. 4.21).

Die hier in Rede stehende Verwendung der Angabe "H." stellt eine irreführende geografische Herkunftsangabe im Sinne des § 127 Abs. 1 MarkenG in Bezug auf das von dem Beklagten angebotene Steinsalz dar.

Die Angabe "H." ist eine geografische Herkunftsangabe im Sinne des § 126 Abs. 1 MarkenG. Bei dem "H." handelt es sich um ein Hochgebirgsmassiv in A., welches sich zwischen P. und M. (früher: B.) erstreckt, und zu dem insbesondere mit dem Mount Everest der höchste Berg der Welt gehört.

Dem Schutz der Angabe "H." als geografischer Herkunftsangabe steht nicht entgegen, dass sie etwa zu einer anderen Gattungsbezeichnung als gerade einer Herkunftsangabe geworden wäre, § 126 Abs. 2 MarkenG. Hierfür würde es nicht einmal ausreichen, wenn eine Mehrheit der angesprochenen Verkehrskreise in der Angabe ausschließlich eine Beschaffenheitsangabe sähe. Vielmehr wäre erforderlich, dass nur noch unbeachtliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise von einer geografischen Herkunftsangabe ausgehen (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 126 Rn. 15). Es bestehen schon ganz erhebliche Zweifel, ob nicht erhebliche Teile der "ambitionierten Hobbyköche" beziehungsweise der aus esoterischen Gründen an dem Produkt Interessierten die Angabe "H. K." jedenfalls auch als Hinweis auf die geografische Herkunft des angebotenen Produktes verstehen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Kreise nicht zumindest auch auf eine Herkunft des Salzes aus dem "H." schließt. Darüber hinaus spricht der Beklagte mit seiner Werbung nicht nur diese kleineren Kreise an, sondern die Allgemeinheit. Sein Angebot mag in erster Linie bei den vorgenannten Verbrauchern Interesse finden; diese bilden jedoch keinen von der Allgemeinheit losgelösten Teilmarkt. Dass aber nur unbedeutende Teile der Verbraucherschaft insgesamt in der Angabe "H. K." noch eine Herkunftsangabe sehen würden, liegt aber gänzlich fern.

Schließlich stammt das von dem Beklagten angebotene Salz nicht aus dem von der geografischen Herkunftsangabe bezeichneten Gebiet, wodurch tatsächlich eine relevante Irreführung über die geografische Herkunft des vertriebenen Kristallsalzes eintritt.

In der Berufungsinstanz ist unstreitig geworden, dass das Salz aus der sog. S.-R. stammt. Diese liegt südlich der Millionenstädte I. und R. und etwa 200 km vom eigentlichen H.-Massiv entfernt. Dieser geografische Bereich kann damit geologisch allenfalls als Vorland des H.-Massivs bezeichnet werden.

Entscheidend für die Beurteilung des Herkunftsgebiets gemäß der beanstandeten Werbung und damit der Irreführungsgefahr ist indes nicht die rein wissenschaftlichgeologische Anknüpfung, sondern vielmehr die Verkehrsauffassung in Bezug auf die geografische Herkunftsangabe. Von der Gefahr einer Irreführung über die geografische Herkunft der Produkte ist auszugehen, wenn die angegriffene Bezeichnung bei einem nicht unwesentlichen Teil der Verkehrskreise eine unrichtige Vorstellung über die geografische Herkunft der Produkte hervorruft (BGH GRUR 1999, 252 - Warsteiner II; GRUR 2001, 420 - SPA). Nach ihr bestimmt sich, welche Bedeutung die geografische Herkunftsangabe hat, insbesondere auf welchen geografischen Bereich sie genau hinweist (Ingerl/Rohnke a.a.O., § 126 Rdnr. 2, § 127 Rdnr. 3). So bedarf es vorliegend keiner abschließenden Klärung der Frage, ob die S.-R. geografisch betrachtet irgendwie zum "H.” gehört; der Verbraucher kennt eine solche genaue geografische Eingrenzung zumeist nicht hinreichend (vgl. OLG Hamm, GRUR-RR 2011, 72, 73 - Himalaya-Salz).

Der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, auf den es in diesem Zusammenhang ankommt, verbindet die Werbung mit der Bezeichnung "K. H." beziehungsweise "H. K." mit dem Hochgebirgsmassiv des H.. Er nimmt im Hinblick hierauf an, das Salz werde im dortigen Gebirge im engeren Sinne abgebaut. Die Vorstellung kann ohne eine genaue Kenntnis darüber entstehen, ob sich dort überhaupt entsprechende Minen befinden. Die Vorstellung, das Salz komme aus dem H.-Massiv, ist aber falsch, die Werbung also irreführend. Die weit entfernte S.-R., wo das Salz tatsächlich abgebaut wird, fasst der Verbraucher nicht unter seine Vorstellung vom H.. Vorkommen von Salz aus Urmeeren in großen Höhen müssen für die Verkehrsauffassung keineswegs fernliegen, zumal da Salz viele Millionen Jahre älter ist als die tektonisch bewirkten Auffaltungen des H. und sich so in Gebirgen nicht selten auch Ablagerungen aus Meeren (wie Muscheln oder andere Meerestiere) befinden (OLG Hamm, GRUR-RR 2011, 72, 73 - Himalaya-Salz).

Grundlage der Irreführung ist im Streitfall allein die Verwendung des Begriffs "H.". Der zusätzlichen Abbildung von Berggipfeln, an der es im Streitfall - anders als in der Sache des Oberlandesgerichts Hamm - fehlt, bedarf es für sie nicht. Der Begriff "H." ist dem Verbraucher für sich genommen als höchster Gebirgszug der Welt geläufig. Er steht alleine schon für ein Hochgebirge. Etwaige Spekulationen mit ungewissem Ausgang, wie Bergbau im Hochgebirge aussehen mag, schließen die Fehlvorstellung, beworbenes Salz stamme daher, nicht verlässlich aus.

Ebenso wenig ist der Hinweis auf den Bergbau geeignet, diese Fehlvorstellung zu korrigieren. Der Umstand, dass Bergbau auch im Flachland erfolgen kann, schließt nicht aus, dass auch im Gebirge Bergbau betrieben wird.

Der Senat, dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen im gebotenen weiteren Verständnis zählen, kann und darf bei der Beurteilung der Verkehrsauffassung auf seine eigene Sachkunde abstellen. Angesprochen von der Werbung ist, wie bereits angesprochen, jeder potenzielle Salzkäufer.

Damit steht dem Kläger gegen den Beklagten nicht nur der zuerkannte Unterlassungsanspruch zu, sondern auch der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die hierfür in § 543 Abs. 2 ZPO niedergelegten Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die relevanten Rechtsfragen sind durch die zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen beantwortet. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Streitwert: 10.000,00 € (entsprechend der von den Parteien nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung)






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 29.01.2013
Az: I-20 U 16/12


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