Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Januar 2007
Aktenzeichen: 10 W (pat) 13/05

(BPatG: Beschluss v. 30.01.2007, Az.: 10 W (pat) 13/05)

Tenor

1. Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Patentabteilung 14 - vom 29. Dezember 2004 wird aufgehoben.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Auf eine Anmeldung der A... GmbH vom 4. April 1997 hat das Europäische Patentamt das Patent EP 0 921 884 mit der Bezeichnung "Sägeblatt" u. a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilt. Das Patent wird beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) unter dem Aktenzeichen 597 01 336 geführt.

Mit Schreiben vom 9. September 2003 hat das DPMA die A... GmbH an die bis zum 31. Oktober 2003 laufende Frist zur Zahlung der Gebühr samt Verspätungszuschlag und an die Folgen einer nicht rechtzeitigen Zahlung erinnert. Nachdem keine Zahlung erfolgte, hat das DPMA für den 1. November 2003 das Erlöschen des Patents festgestellt.

Mit Schreiben vom 30. April 2004 hat die Antragstellerin Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der 7. Jahresgebühr beantragt. Zur Begründung hat sie u. a. vorgetragen, über das Vermögen der A... GmbH sei durch Be- schluss des Amtsgerichts Esslingen vom 20. September 2002 ein vorläufiges, durch Beschluss vom 31. Oktober 2002 mit Wirkung vom 1. November 2002 ein endgültiges Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Insolvenzverwalter habe im März 2003 u. a. den deutschen Anteil des Patents an sie verkauft. Die Zahlungsbenachrichtigung vom 9. September 2003 habe sie nicht erhalten.

Am 4. Mai 2004 hat die Antragstellerin die Zahlung der 7. Jahresgebühr samt Zuschlag bewirkt.

Der Wiedereinsetzungsantrag ist vom DPMA - Patentabteilung 14 - durch Beschluss vom 29. Dezember 2004 zurückgewiesen worden. Zur Begründung wird in dem Beschluss u. a. ausgeführt, weder der Insolvenzverwalter noch die neue Patentinhaberin hätten das DPMA über die Insolvenz bzw. den folgenden Inhaberwechsel informiert und einen entsprechenden Umschreibungsantrag gestellt. Gemäß § 30 Abs. 3 Satz 3 PatG seien nach wie vor die ehemalige Patentinhaberin und deren bevollmächtigter Vertreter für die Zustellung von Bescheiden des DPMA legitimiert. Aus diesem Grund könne die Wiedereinsetzung nicht damit begründet werden, dass die neue Patentinhaberin die Mitteilung vom 9. September 2003 über die Fälligkeit der 7. Jahresgebühr nicht erhalten habe. Der Zeitraum zwischen dem Verkauf des Patents im März 2003 und dem Fristende im Oktober 2003 sei zur Stellung eines Umschreibungsantrags bzw. zur Gebührenzahlung ausreichend gewesen. Die neue Patentinhaberin sei somit nicht verhindert gewesen, das DPMA über den erfolgten Inhaberwechsel zu informieren.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

Rechtsanwalt B... als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A... GmbH hat auf Anfrage bestätigt, dass das Patent auf die Antragstellerin übertragen worden sei. Das Insolvenzverfahren bestehe nach wie vor fort. Er habe gegenüber dem DPMA die Aufnahme des Verfahrens nicht erklärt.

Der Präsident des DPMA hat - nachdem ihm der Senat dies anheim gegeben hatte - gemäß § 77 Satz 2 PatG seinen Beitritt zum Verfahren erklärt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

1. Die Beschwerdeberechtigung der Antragstellerin wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass bei Stellung des Wiedereinsetzungsantrags immer noch die A... GmbH und nicht die Antragstellerin im Patentregister als Patentinhaberin eingetragen war (und es auch heute noch ist). Zwar war die Antragstellerin aus diesem Grund gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 PatG nicht zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags legitimiert. Nachdem sie den Antrag aber dennoch in eigenem Namen gestellt hat und der angefochtene Beschluss an sie adressiert worden ist, ist sie als Beteiligte des patentamtlichen Verfahrens zur Einlegung der Beschwerde berechtigt (§ 74 Abs. 1 PatG).

2. Der angefochtene Beschluss ist ohne weiteres aufzuheben, weil die Frist zur Zahlung der 7. Jahresgebühr nicht versäumt wurde und der Antrag auf Wiedereinsetzung in diese Frist daher gegenstandslos ist.

a) Die genannte Zahlungsfrist ergibt sich aus Art. II § 7 IntPatüG i. V. m. § 17 Abs. 1 PatG, § 3 Abs. 2, § 7 Abs. 1 PatKostG. Ausgehend vom Anmeldetag 4. April 1997 wäre die 7. Jahresgebühr am 30. April 2003 fällig geworden und hätte bis zum 30. Juni 2003 zuschlagsfrei, bis 31. Oktober 2003 mit Zuschlag gezahlt werden können. Tatsächlich wurde die Gebühr erst am 4. Mai 2004 gezahlt.

b) Nachdem aber am 20. September 2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A... GmbH als damaliger (und immer noch einge- tragener) Patentinhaberin eröffnet worden ist, ist die Zahlungsfrist analog §§ 240, 249 ZPO unterbrochen worden. Da das Insolvenzverfahren noch fortbesteht und der Insolvenzverwalter das Verfahren bislang nicht aufgenommen hat, dauert die Unterbrechung immer noch an.

Die entsprechende Anwendung der §§ 240, 249 ZPO auf die Zahlung von Jahresgebühren nach dem Patentkostengesetz erscheint gerechtfertigt.

aa) Dagegen spricht nicht, dass es sich beim DPMA um eine Verwaltungsbehörde handelt und die auf gerichtliche Verfahren zugeschnittenen Vorschriften der §§ 240, 249 ZPO in Verwaltungsverfahren grundsätzlich nicht gelten (so aber der Beschluss des 27. Senats des Bundespatentgerichts vom 21. März 2006 - Az. 27 W (pat) 70/04 - unter Hinweis u. a. auf Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 85 Rn. 30). Das Patentamt stellt keine typische Verwaltungsbehörde dar, weshalb es auch nicht in den Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes fällt (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG). Stattdessen ist das patentamtliche Verfahren in vielfacher Hinsicht einem gerichtlichen Verfahren angenähert, was etwa in der analogen Anwendung zivilprozessualer Vorschriften seinen Ausdruck findet (vgl. van Hees, Verfahrensrecht in Patentsachen, 2. Aufl., S. 30 f.). Diese Annäherung setzt sich auch im Gebührenrecht fort. So gelten die im Patentkostengesetz verankerten Gebührenvorschriften gleichermaßen für die patentamtlichen und -gerichtlichen Gebühren, und auch die Gebührenbeitreibung ist in der Justizbeitreibungsordnung einheitlich geregelt (vgl. § 1 Abs. 5 JBeitrO).

bb) Für Verfahren nach dem Patentgesetz ist anerkannt, dass diese im Falle der Insolvenz des Patentanmelders, Patentinhabers, Einsprechenden oder Nichtigkeitsklägers unterbrochen werden (vgl. Schulte, PatG, 7. Aufl., Einleitung Rn. 167, 312). Wären von einer solchen Unterbrechung nicht auch die Zahlungsfristen für Patent-Jahresgebühren erfasst (wovon im Übrigen auch Schulte, a. a. O., Einleitung Rn. 317, ausgeht), hätte dies zur Folge, dass ein Streitpatent in Folge nicht rechtzeitig bewirkter Gebührenzahlung erlöschen und sich dadurch ein z. B. anhängiges Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren trotz seiner Unterbrechung erledigen würde. Diese Rechtsfolge würde jedoch inkonsequent erscheinen. Wenn dem Insolvenzverwalter die Gelegenheit eingeräumt wird, vor einer Fortführung des Einspruchs- bzw. Nichtigkeitsverfahrens zu prüfen, ob von seiner Seite ein Interesse am Fortbestand des Patents vorhanden ist, dann muss dies ebenso im Hinblick auf die Zahlung von Jahresgebühren gelten.

cc) Allerdings hat der Präsident des DPMA im Zusammenhang mit seiner Beitrittserklärung Bedenken gegen eine Verfahrensunterbrechung zum Ausdruck gebracht. Er meint, die Zahlung von Jahresgebühren erfolge unabhängig von einem bestimmten Verfahren zur Aufrechterhaltung der Anmeldung bzw. des Patents. Insbesondere für die Zeit nach Erteilung des Patents fehle es an einem anhängigen Verfahren, welches unterbrochen werden könnte. Dementsprechend gelte die für das Verfahren des Europäischen Patentamts vorgesehene Unterbrechung nicht für die Entrichtung von Jahresgebühren (Regel 90 Abs. 4 EPÜAO).

Die Anwendbarkeit des § 240 ZPO wird vom Präsidenten des DPMA auch deshalb in Frage gestellt, weil im Hinblick auf die Gebührenzahlung kein Verfahrensgegner vorhanden sei, der seinerseits den Fortgang des Verfahrens herbeiführen könne, wenn der Insolvenzverwalter die Verfahrensaufnahme verzögere. Es verhalte sich insoweit ebenso wie beim markenrechtlichen Eintragungsverfahren, für das aus dem genannten Grund die Meinung vertreten wird, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens keine Unterbrechung bewirke (Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 32 Rn. 88 m. w. N.).

dd) Es wäre in der Tat nicht hinnehmbar, wenn die insolvenzbedingte Unterbrechung der Gebührenzahlungsfrist zu einem lang dauernden Schwebezustand führen würde, in dem der Insolvenzverwalter, obwohl er die Jahresgebühr nicht zahlt, dennoch alle Rechte aus dem Patent geltend machen könnte. Eine solche Situation würde jedoch nur entstehen, wenn die Gebührenzahlungen nach dem Patentkostengesetz tatsächlich als einseitige Vorgänge anzusehen wären und die Unterbrechung deshalb nicht in entsprechender Anwendung der insolvenzrechtlichen Vorschriften (vgl. § 85 Abs. 2, § 86 Abs. 1, § 180 Abs. 2 InsO) auf Grund einer Initiative des Gegners beendet werden könnte, wenn der Insolvenzverwalter die Verfahrensaufnahme verzögert.

Der Ansicht, wonach es sich bei der Zahlung der Patentjahresgebühren um einen einseitigen, keinem bestimmten Verfahren zuordenbaren Vorgang handele, kann jedoch nicht zugestimmt werden. Vielmehr liegt den betreffenden Zahlungsvorgängen durchaus ein patentbehördliches Verfahren, nämlich ein Verfahren zur Aufrechterhaltung des betreffenden Schutzrechts, zu Grunde.

Dem steht nicht entgegen, dass sich nach den heute gültigen Vorschriften des Patentkostengesetzes sämtliche Voraussetzungen einer rechtswirksamen Gebührenzahlung unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, insbesondere auch die Frist, innerhalb derer eine Gebühr mit Verspätungszuschlag nachentrichtet werden kann (vgl. § 7 Abs. 1 PatKostG). Die Nachfrist muss daher heute nicht mehr vom DPMA mittels einer förmlich zuzustellenden Nachricht in Gang gesetzt werden (im Unterschied zu § 17 Abs. 3 Satz 3 PatG i. d. bis zum 31. Dezember 2001 gültigen Fassung).

Gleichwohl wird der Gebührenzahlungsvorgang vom DPMA verfahrensmäßig erfasst und verarbeitet. So überwacht das Patentamt den Zahlungseingang und versendet, wenn der Verspätungszuschlag fällig geworden ist, i. d. R. eine formlose Erinnerung. Zahlungseingänge werden auf Kontoblättern verbucht und bei nicht rechtzeitiger bzw. unvollständiger Zahlung wird die Feststellung getroffen, dass das Patent erloschen sei. Sofern sich der Patentinhaber gegen diese Feststellung zur Wehr setzt, wird das Patentamt sie korrigieren oder durch rechtsmittelfähigen Beschluss bestätigen.

Das genannte Aufrechterhaltungsverfahren ist auch nicht als einseitiges Verfahren anzusehen. Die im Patentkostengesetz begründeten Gebührentatbestände stellen echte öffentlichrechtliche Verpflichtungen dar, auch wenn sie - wie im Falle der Jahresgebühren - nicht erzwungen werden können (vgl. Benkard, PatG, 10. Aufl., vor §§ 17-19, Rn. 8). Somit steht dem Patentinhaber als Gebührenschuldner die Staatskasse, für die das Patentamt handelt, als Gebührengläubiger gegenüber. Die Funktion, die das Patentamt im Gebührenbereich ausübt, unterscheidet sich daher grundlegend von seiner Stellung im Patenterteilungsverfahren, wo es dem Anmelder nicht als Forderungsgläubiger, sondern als neutrale Verwaltungsbehörde gegenübertritt.

Es liegt daher nahe, das Patentamt im Hinblick auf die Zahlung der Jahresgebühr als Verfahrensgegner des Patentinhabers anzusehen und ihm im Fall von dessen Insolvenz, sofern der Insolvenzverwalter die Gebührenzahlung verzögert (und das Patent auch nicht durch förmlichen Verzicht zum Erlöschen bringt) die Möglichkeit einzuräumen, durch eigenes Handeln eine Beendigung der Verfahrensunterbrechung herbeizuführen. Wie dies im Einzelnen zu geschehen hat, braucht im vorliegenden Zusammenhang, in dem die fragliche Jahresgebühr bereits beglichen worden ist, nicht entschieden zu werden.

Im Hinblick auf künftig zu entscheidende Fälle erscheint es allerdings wünschenswert, dass der Gesetzgeber tätig wird und zur Vermeidung von Unsicherheiten bei der Behandlung von patentkostenrechtlichen Gebührenschulden im Fall der Insolvenz des Schuldners eine ausdrückliche Vorschrift bereit stellt.

ee) Das hier gefundene Ergebnis steht im Übrigen auch nicht in Widerspruch zur Vorgehensweise im Europäischen Patentamt. Auch bei Anwendung der Regel 90 Abs. 4 EPÜAO ist - worauf die Antragstellerin in einer Erwiderung auf die Stellungnahme des Präsidenten des DPMA zutreffend hingewiesen hat - eine Unterbrechung der Gebührenzahlungsfrist keineswegs ausgeschlossen. Vielmehr wird diese Vorschrift so ausgelegt, dass der Zeitpunkt, bis zu dem Jahresgebühren entrichtet werden müssen, im Fall der Unterbrechung auf den Zeitpunkt der Wiederaufnahme verschoben wird (vgl. Benkard, EPÜ, Art. 120 Rn. 43).

ff) Da somit §§ 240, 249 ZPO auf die Fristen zur Zahlung von Jahresgebühren nach dem Patentkostengesetz analog anwendbar sind, ist im vorliegenden Fall die 7. Jahresgebühr (wie auch die nachfolgenden Jahresgebühren) bislang noch nicht fällig geworden, weshalb die Zahlungsfrist nicht versäumt worden ist. Der angefochtene Beschluss ist somit wirkungslos, ohne dass es auf den Wiedereinsetzungsantrag ankommt. Die Aufhebung des Beschlusses dient allein der Klarstellung.

3. Es erscheint gemäß § 80 Abs. 3 PatG gerechtfertigt, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen, weil der angefochtene Beschluss die Auswirkungen der Insolvenzeröffnung auf den Lauf der Gebührenzahlungsfrist völlig außer acht lässt.

4. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt im Hinblick auf die bislang höchstrichterlich noch nicht beantwortete Frage, ob die Fristen zur Bezahlung von Jahresgebühren nach dem Patentkostengesetz durch die Insolvenz des Gebührenschuldners unterbrochen werden.






BPatG:
Beschluss v. 30.01.2007
Az: 10 W (pat) 13/05


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