Landgericht Mannheim:
Urteil vom 28. Februar 2014
Aktenzeichen: 2 O 95/13

(LG Mannheim: Urteil v. 28.02.2014, Az.: 2 O 95/13)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Auskunfts-, Rechnungslegungs-, Schadensersatzfeststellungs- und Entschädigungsfeststellungsansprüche wegen behaupteter Patentverletzung.

Die Klägerin, eine Patentverwertungsgesellschaft, ist eingetragene Inhaberin des dem hiesigen Rechtsstreit zugrunde liegenden deutschen Patents DE 1999 10 239 B 4 (nachfolgend: Klagepatent), welches ein Verfahren zur Vergabe von Zugriffsrechten auf einen Telekommunikationskanal an Teilnehmerstationen eines Telekommunikationsnetzes und eine Teilnehmerstation, der der Zugriff auf mindestens einen von mehreren Teilnehmerstationen gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal erteilbar ist, betrifft. Die Erteilung des am 08.03.1999 angemeldeten Patents wurde am 05.01.2011 veröffentlicht. Die Klägerin hat das dem hiesigen Rechtsstreit zugrunde liegende Klagepatent durch Schriftsatz vom 07.05.2013 im Wege der Klageerweiterung in das Verfahren 2 O 53/12 eingeführt, woraufhin die Kammer mit Beschluss vom 27.05.2013 das Verfahren hinsichtlich des Klagepatents abgetrennt und in das hiesige Verfahren überführt hat.

Das Klagepatent ist Gegenstand eines Einspruchsverfahrens vor dem Deutschen Patent- und Markenamt, dem die Beklagte zu 1 am 08.08.2013 beigetreten ist. Das DPMA hat mit Beschluss vom 06.03.2013 (Anlage FBD 15) Klagepatentanspruch 6 dergestalt abgeändert, dass dieser - in der Nomenklatur der Klägerin und des Deutschen Patent- und Markenamtes als Anspruch 5 bezeichnete - Anspruch nunmehr folgenden Wortlaut hat (Fettdruck für die Änderungen im Vergleich zum ursprünglich erteilten Anspruch):

5. Teilnehmerstation, der der Zugriff auf mindestens einen von mehreren Teilnehmerstationen gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal erteilbar ist,

mit Mitteln zum Empfang von Informationssignalen,

wobei die Teilnehmerstation derart ausgestaltet ist, dass die Zugehörigkeit zu einer Nutzerklasse anhand einer Zugangsberechtigungskarte entnehmbar ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

eine Auswerteeinheit derart ausgestaltet ist, dass eine Prüfung bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten anhand der Zugriffsklassenbits erfolgt,

wobei die Zugriffsberechtigungsdaten als Bitmuster ausgeführt sind und Zugriffsschwellwertbits für einen Zugriffsschwellwert

und Zugriffsklassenbits, die für die Nutzerklassen der mehreren Teilnehmerstationen stehen, enthalten,

und dass die Prüfung derart erfolgt,

dass die Teilnehmerstation unabhängig vom Zugriffsschwellwert auf den Telekommunikationskanal zugreift, wenn das der Nutzerklasse der Teilnehmerstation zugeordnete Zugriffsklassenbit 0 ist,

und dass ihr in Abhängigkeit von dem Vergleichsergebnis des Zugriffsschwellwerts mit einer Zufallszahl oder einer Pseudo-Zufallszahl der Zugriff auf den Telekommunikationskanal freigegeben wird, wenn das Zugriffsklassenbit 1 ist.

Die Beklagte zu 1 hat gegen diese Einspruchsentscheidung am 09.08.2013 Beschwerde eingelegt, um den vollständigen Widerruf des Klagepatents zu erreichen. Die Klägerin hat am 01.08.2013 (Anlage K 41) Beschwerde eingelegt.

Hinsichtlich des weiteren Inhalts, insbesondere der Patentbeschreibung, wird auf die Klagepatentschrift (Anlage K 32) verwiesen.

Die Beklagte zu 1 ist ein amerikanischer Hersteller von Computern, Mobiltelefonen und anderen elektronischen Geräten der Unterhaltungsindustrie, die Beklagte zu 2 die europäische Vertriebsgesellschaft der Beklagten zu 1, die auch für die Verkäufe in der Bundesrepublik Deutschland verantwortlich zeichnet. Die Beklagte zu 3 ist die für den Einzelhandelsvertrieb in Deutschland zuständige Tochtergesellschaft mit Sitz in Frankfurt. Die Beklagten vertreiben u.a. die Modelle [...], die UMTS-fähig sind. Die Klägerin führt zu diesen Verletzungsformen stellvertretend für alle UMTS-fähigen Mobilfunkgeräte der Beklagten (zukünftig einheitlich als angegriffene Ausführungsform bezeichnet) aus.

UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) beruht auf Mobilfunkstandards des 3rd-Generation-Partnership-Projects (3GPP), die in einzelnen Dokumenten des European Telecommunications Standards Institute (ETSI) niedergelegt sind.

Im standardrelevanten Dokument mit der Bezeichnung ETSI TS 125 321, Version 6.14.0 (Anlage K 10 in 2 O 53/12) wird in Abschnitt 11.2 (Control of RACH Transmissions) ein Zugriffskontrollverfahren auf den wahlfreien Zugriffskanal RACH (Random Access Channel) beschrieben, über den Mobilstationen auf Dienste des Netzwerks zugreifen. Die physikalischen Ressourcen des RACH können zwischen verschiedenen Access Service Classes (ASC) aufgeteilt werden, um so verschiedene Nutzungsprioritäten einzuräumen (Anlage K 10 in 2 O 53/12, Abschnitt 11.2.1, 1. Abs.). Zu diesem Zweck sind im Standard acht Access Service Classes von ASC#0 bis ASC#7 vorgesehen, wobei ASC#0 die höchste Zugriffspriorität aufweist, ASC#7 die niedrigste (Anlage K 10 in 2 O 53/12, Abschnitt 11.2.1, 2. Abs.).

Der Zugriff der jeweiligen Mobilstation auf den RACH hängt nach dem in Figur 11.2.2.1 der Anlage K 10 grafisch dargestellten Verfahrensablauf von einem Vergleich eines in der Mobilstation berechneten und unter Umständen (vgl. Anlage K 11 in 2 O 53/12, TS 125.331, Abschnitt 8.5.12, 5. Absatz: Scaling factors si are provided optionally... [Hervorhebung diesseits]) skalierten Persistenzwertes Pi mit einer in der Mobilstation generierten Zufallszahl R (0 d R

Gründe

A.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Kammer zur Entscheidung berufen nach § 32 ZPO und Artikel 5 Nr. 3 EUGVVO i.V.m. § 14 ZuVOJu. Die Beklagten sind dem Vorwurf ausgesetzt, bundesweit das deutsche Patent DE 199 10 239 durch Vertrieb der UMTS-Mobilfunkgeräte des Typs [A. ...] und [A. ...] zu verletzen, womit ein deliktischer Gerichtsstand auch in Baden Württemberg vorliegt.B.

Die Klage ist indes unbegründet, da der Klägerin weder die von ihr gemäß § 139 Abs. 1, Abs. 2 PatG i.V.m. §§ 9, 33 Abs. 1, 140b PatG, § 242 BGB geltend gemachten Auskunfts- und Rechnungslegungs-, noch die Schadensersatzfeststellungs- und Entschädigungsfeststellungsansprüche gegen die Beklagten zustehen. Die von den Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland angebotene und in Verkehr gebrachte angegriffene Ausführungsform macht von Anspruch 5 des Klagepatents weder in der von der Einspruchsabteilung des DPMA am 06.03.2013 bestätigten (dazu II. und III.), noch in der ursprünglichen Fassung (dazu IV. und V.) wortsinngemäßen oder äquivalenten Gebrauch.I.

Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Vergabe von Zugriffsrechten auf einen Telekommunikationskanal an Teilnehmerstationen eines Telekommunikationsnetzes und Teilnehmerstationen, denen ein solcher Zugriff erteilbar ist.

1. Es kennzeichnet im Stand der Technik Verfahren zur Zugriffskontrolle auf einen Telekommunikationskanal eines Telekommunikationsnetzes für mindestens eine Teilnehmerstation, wobei Informationssignale an diese übertragen werden, als bekannt. Ebenso sei aus der US 4,707,832 ein Verfahren zur Vergabe von Zugriffsrechten bekannt, bei dem den Teilnehmerstationen in Abhängigkeit eines Vergleichs eines Zugriffsschwellwerts mit einer Zufallszahl Zugriff auf einen Telekommunikationskanal gewährt werde.

Aus der WO96/08939A1 sei ein entsprechendes Verfahren bekannt, bei dem den Teilnehmerstationen der Zugriff in Abhängigkeit von Zugriffsklasseninformationen erteilt werde, aus dem GSM Standard 04.60, Version 6.2.0 und 6.1.0, ein Verfahren, bei dem der Zugriff vom Vergleich eines Zugriffsschwellwerts mit einer Zufallszahl abhänge. Aus dem Standard TIA/EIA/IS 95-A sei bekannt, unterschiedliche Zugriffsschwellwerte für unterschiedliche Nutzerklassen vorzusehen, aus der WO 98/37668A1 ein Verfahren, bei dem der einzelnen Teilnehmerstation für eine beschränkte Zeitdauer der gesamte Kanal zur Übertragung zur Verfügung gestellt werde.

2. Demgegenüber beschreibt das Klagepatent als Vorteil seiner erfinderischen Lehre, dass sich mit ihr eine zufällige Verteilung der Zugangsberechtigung zu dem Telekommunikationskanal für eine oder mehrere Teilnehmerstationen realisieren lasse, wobei die Zugriffskontrolle lediglich die Übertragung des Zugriffsschwellwerts erfordere und daher ein Minimum an Übertragungskapazität in Anspruch nehme. Besonders vorteilhaft sei es, wenn in der Auswerteeinheit der Teilnehmerstation geprüft werde, ob die Zugriffsberechtigungsdaten Zugriffsberechtigungsinformationen und Zugriffsklasseninformationen für mindestens eine vorgegebene Nutzerklasse, der die Teilnehmerstation zugeordnet sei, umfassten, wobei der Zugriff auf einen Telekommunikationskanal von der Zugriffsklasseninformation für die betreffende Nutzerklasse abhängig sei. So könne Teilnehmerstationen bestimmter Nutzerklassen der Zugriff auf den Kanal gewährt werden, selbst wenn sie eigentlich aufgrund der zufälligen Verteilung mittels Zugriffsschwellwerts nicht zugreifen dürften. Diese Funktionalität lasse sich beispielsweise für Notrufdienste nutzen.

3. Dieser Vorteil gegenüber dem Stand der Technik werde durch eine Teilnehmerstation nach den Merkmalen des Anspruchs 5 in der Fassung, die er durch die Einspruchsentscheidung des Deutschen Patent-und Markenamtes vom 06.03.2013 erhalten hat (vgl. Anlage FBD 15), realisiert:

1. Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20), der der Zugriff auf mindestens einen von mehreren Teilnehmerstationen gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal erteilbar ist;

2. mit Mitteln (65) zum Empfang von Informationssignalen,

3. wobei die Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) derart ausgestaltet ist, dass die Zugehörigkeit zu einer Nutzerklasse (35, 40) anhand einer Zugangsberechtigungskarte (75) entnehmbar ist;

- Oberbegriff -

4. dadurch gekennzeichnet, dass eine Auswerteeinheit (60) derart ausgestaltet ist, dass eine Prüfung bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50, 55) anhand der Zugriffsklassenbits (Z3, Z2, Z1, Z0) erfolgt,

5. wobei die Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50 55)

- als Bitmuster ausgeführt sind und

- Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0) für einen Zugriffsschwellwert (S) und

- Zugriffsklassenbits (Z3, Z2, Z1, Z0), die für die Nutzerklassen (35, 40) der mehreren Teilnehmerstationen (5, 10, 15, 20) stehen,

enthalten;

6. und dass die Prüfung derart erfolgt,

a) dass die Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) unabhängig von dem Zugriffsschwellwert (S) auf den Telekommunikationskanal zugreift, wenn das der Nutzerklasse der Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) zugeordnete Zugriffsklassenbit (Z3, Z2, Z1, Z0) 0 ist,

b) und dass ihr in Abhängigkeit von dem Vergleichsergebnis des Zugriffsschwellwerts (S) mit einer Zufallszahl oder einer Pseudo-Zufallszahl (R) der Zugriff auf den Telekommunikationskanal freigegeben wird, wenn das Zugriffsklassenbit (Z3, Z2, Z1, Z0) 1 ist.

-kennzeichnender Teil -

Zudem erfolge die Realisierung auch durch Anspruch 6 des Klagepatents in der ursprünglich erteilten Fassung:

1. Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20), der der Zugriff auf mindestens einen von mehreren Teilnehmerstationen gemeinsam nutzbaren Telekommunikationskanal erteilbar ist;

2. mit Mitteln (65) zum Empfang von Informationssignalen,

3. wobei die Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) derart ausgestaltet ist, dass die Zugehörigkeit zu einer Nutzerklasse (35, 40) anhand einer Zugangsberechtigungskarte (75) entnehmbar ist;

4. dadurch gekennzeichnet, dass eine Auswerteeinheit (60) derart ausgestaltet ist, dass eine Prüfung bei mit den Informationssignalen empfangenen Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50, 55) anhand der Zugriffsklassenbits (Z3, Z2, Z1, ZO) erfolgt,

5. wobei die Zugriffsberechtigungsdaten (45, 50, 55)

- als Bitmuster ausgeführt sind und

- Zugriffsschwellwertbits (53, S2, 51, SO) für einen Zugriffsschwellwert (5) und

- Zugriffsklassenbits (Z3, Z2, Z1, Z0), die für die Nutzerklassen (35, 40) der mehreren Teilnehmerstationen (5, 10, 15, 20) stehen,

enthalten; und dass

6. die Prüfung derart erfolgt, dass die Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) unabhängig von dem Zugriffsschwellwert (5) auf den Telekommunikationskanal zugreift, wenn das der Nutzerklasse der Teilnehmerstation (5, 10, 15, 20) zugeordnete Zugriffsklassenbit (Z3, Z2, Z 1, ZO) einen ersten Wert hat,

7. und dass ihr in Abhängigkeit von dem Vergleichsergebnis des Zugriffsschwellwerts (S) mit einer Zufallszahl oder einer Pseudo-Zufallszahl (R) der Zugriff auf den Telekommunikationskanal freigegeben wird, wenn das Zugriffsklassenbit (Z3, Z2, Z1, Z0) einen zweiten Wert hat.II.

Die angegriffene Ausführungsform macht von Anspruch 5 des Klagepatents in seiner nunmehrigen Fassung keinen wortsinngemäßen Gebrauch, da jedenfalls das Merkmal 6 nicht erfüllt ist.

1. Nach der Vorgabe in § 14 Satz 1 PatG wird der Schutzbereich eines Patents durch die Patentansprüche bestimmt. Damit diese Bestimmung zutreffend erfolgen kann, ist zunächst unter Berücksichtigung von Beschreibung und Zeichnungen der technische Sinngehalt zu ermitteln, der dem Wortlaut des Patentanspruchs aus fachmännischer Sicht beizumessen ist. Zwar ist ein buchstäbliches Verständnis der Patentansprüche nicht zur Erfassung des geschützten Gegenstands geeignet, andererseits darf der Schutzgegenstand aber auch nicht durch Verallgemeinerung konkreter, im Anspruch angegebener Lösungsmittel erweitert werden (vgl. Ballhaus/Sikinger, GRUR 1986, 337, 341). Insbesondere darf ein engerer Patentanspruch nicht nach Maßgabe einer weiter gefassten Beschreibung interpretiert werden. Der Patentanspruch hat vielmehr Vorrang gegenüber der Beschreibung (BGH, Urteile vom 7. September 2004 - X ZR 255/01, BGHZ 160, 204, 209 = GRUR 2004, 1023 - bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; vom 13. Februar 2007 - X ZR 74/05, BGHZ 171, 120 = GRUR 2007, 410 - Kettenradanordnung I; vom 17. April 2007 - X ZR 72/05, BGHZ 172, 88, 97 = GRUR 2007, 778, 779 - Ziehmaschinenzugeinheit I; vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 - Gelenkanordnung). Was in den Patentansprüchen keinen Niederschlag gefunden hat, kann nicht unter den Schutz des Patents fallen. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind zwar nach § 14 Satz 2 PatG zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen, da diese der Erläuterung der Patentansprüche dienen. Beschreibung und Zeichnungen sind mithin heranzuziehen, um den Sinngehalt des Patentanspruchs zu ermitteln. Ihre Heranziehung darf aber weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortsinn des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen (BGH, aaO - bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; BGH, aaO - Ziehmaschinenzugeinheit I; BGH, aaO - Gelenkanordnung). Lassen sich die technische Lehre der Beschreibung und die technische Lehre des Patentanspruchs nicht in Einklang bringen, ist der Patentanspruch maßgeblich (vgl. schon BGH, Urteile vom 29. November 1988 - X ZR 63/87, BGHZ 106, 84, 93 f. = GRUR 1989, 205, 208 - Schwermetalloxidationskatalysator; vom 16. Juni 1987 - X ZR 51/86, BGHZ 101, 159 = GRUR 1987, 794 - Antivirusmittel). Bei Widersprüchen zwischen Patentansprüchen und Beschreibung sind solche Bestandteile der Beschreibung, die in den Patentansprüchen keinen Niederschlag gefunden haben, grundsätzlich nicht in den Patentschutz einbezogen. Die Beschreibung darf somit nur insoweit berücksichtigt werden, als sie sich als Erläuterung des Gegenstands des Patentanspruchs lesen lässt (zusammenfassend BGH, Urteil vom 10.05.2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189 330 Rn. 23 ff. - Okklusionsvorrichtung).

Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Entscheidungsgründe für eine Beschränkung einzelner Patentansprüche im Einspruchs-, Beschränkungs- oder Nichtigkeitsverfahren die diese Ansprüche erläuternde Beschreibung des Patents ergänzen bzw. ersetzen (vgl. zur Nichtigkeitsklage BGH, Urteil vom 12.05.1998 - X ZR 115/96, GRUR 1999, 145 Rdnr. 20 - Stoßwellenlithotripter). Dies hat zur Folge, dass sich der Gegenstand des Patentanspruchs dann aus dem Wortlaut des neu gefassten Anspruchs ergibt, wie er durch Beschreibung und Zeichnungen im Lichte der insoweit ergangenen Entscheidungsgründe erläutert ist (Benkard/Scharen, Patentgesetz, 10. Aufl., § 14 Rdnr. 26 unter Verweis auf BGH, Urteile vom 12.05.1992 - X ZR 109/90, BGHZ 118, 221 Rdnr. 33 - Linsenschleifmaschine und vom 17.04.2007 - X ZR 72/05, BGHZ 172, 88 Rdnr. 22 - Ziehmaschinenzugeinheit). Daher können neu im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren in den Anspruch eingefügte und diesen beschränkende Merkmale nicht für unerheblich angesehen und wieder eliminiert werden. Vielmehr ist das Gericht an den Tenor der Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung, mithin den neuen Anspruchswortlaut gebunden und kann nicht im Wege der Auslegung den Anspruch entgegen der Entscheidung dadurch erweitern, dass es neu eingefügte beschränkende Merkmale für unerheblich ansieht (BGH, Urteil vom 31.01.1961 - I ZR 66/59, GRUR 1961, 335, 337 - Bettcouch unter 1.b. der Gründe).

2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich für die Kammer sowohl aus dem Wortlaut des nunmehr zur Entscheidung gestellten Patentanspruchs (dazu a)) als auch aus der zugehörigen Beschreibung sowie den Gründen der Entscheidung der Einspruchsabteilung des DPMA vom 6.03.2013 (dazu b)), dass das in Merkmal 6 genannte Zugriffsklassenbit genau ein Bit pro Nutzerklasse meint und nicht - wie die Klägerin vorträgt - lediglich funktional dergestalt zu verstehen ist, dass auf einer logischen Ebene durch Übermittlung eines wie auch immer codierten Informationsinhaltes die Weichen dafür gestellt werden, welches der in den Merkmalen 6a und 6b angesprochenen Zugriffsverfahren benutzt wird. Vielmehr sieht die Kammer in dem Zugriffsklassenbit eine Begrenzung der Informationsmenge auf der physikalischen Ebene auf ein Bit pro Nutzerklasse gelehrt (ebenso Landgericht Mannheim, Urteil vom 28.02.2014 - 7 O 30/12, S. 21 unter Aufgabe der früheren Auffassung aus der Entscheidung vom 20.04.2012 - 7 O 20/11).

a) Das ergibt sich zunächst schon aus dem Wortlaut des Patentanspruchs.

aa) In der Merkmalsgruppe 6 ist die Prüfung, nach welchem Verfahren die Teilnehmerstation auf den Telekommunikationskanal zugreift, ob also abhängig oder unabhängig vom Zugriffsschwellwert zugegriffen wird, derart ausgestaltet, dass darüber das der Nutzerklasse der Teilnehmerstation zugeordnete Zugriffsklassenbit entscheidet. Anders als noch in Merkmal 4, wo der Terminus der Zugriffsklassenbits im Plural verwendet wird, stellt der Anspruch in den Merkmalen 6a und 6b ausdrücklich auf das der konkreten Nutzerklasse zugeordnete Zugriffsklassenbit im Singular ab.

bb) Unterstützt wird diese Auslegung nunmehr durch das infolge der Einspruchsentscheidung des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 6.03.2013 (Anlage FBD 15) zusätzlich in den Anspruch aufgenommene Merkmal, dass dieses Zugriffsklassenbit nicht mehr einen ersten bzw. einen zweiten Wert haben kann, sondern 0 oder 1 sein muss. Damit beansprucht das Patent für jede Nutzerklasse lediglich ein einziges Bit, das für den Zugriff auf den Telekommunikationskanal unabhängig vom Zugriffsschwellwert den Wert 0 und für den Zugriff in Abhängigkeit vom Vergleichsergebnis des Zugriffsschwellwerts mit einer Zufallszahl den Wert 1 haben muss (Merkmale 6a und 6b).

b) Diese enge Auslegung des Patentanspruchs wird gestützt durch die Beschreibung.

aa) Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass das Klagepatent in Absatz 37 ausführt, die Gesamtheit aller Zugriffsklassenbits werde auch als Zugriffsklasseninformationen bezeichnet, wohingegen Abschnitt 10 davon spricht, dass das Informationselement für eine Nutzerklasse als Zugriffsklasseninformation definiert wird. Nach Auffassung der Kammer lässt sich jedoch aus diesen beiden Beschreibungsstellen in Zusammenschau mit Abschnitt 47 und v.a. Abschnitt 45 des Klagepatents, wo ebenfalls Z0, Z1, Z2, Z3 als Zugriffsklasseninformation im Singular verwendet wird, nicht deutlich genug schließen, dass die Zugriffsklasseninformation z. B. Z0 auch aus mehr als einem Bit bestehen kann. Denn schon eine Zeile weiter in Absatz 47 werden die ebenfalls in Figur 3c dargestellten und mit jeweils einem Bit codierten Informationselemente D0, D1 und D2 als Teilnehmerdiensteinformationen bezeichnet. Eine in sich konsistente Benutzung des Singulars oder des Plurals in Abschnitt 47 liegt demnach nicht vor.

bb) Auch der Umstand, dass das Patent in Abschnitt 47 die Zugriffsklasseninformation Z0, Z1, Z2 und Z3 als lediglich beispielhaft ansieht und lehrt, dass diese zum umfangreicheren Signalisieren erhöht oder zur Bandbreitenreduktion verringert werden könnten, spricht nicht für die Auffassung der Klägerin, dass das Patent keine Beschränkung des Zugriffsklassenbits auf 1 Bit pro Nutzerklasse kenne. Denn die ebenfalls in Abschnitt 47 angesprochenen Anzahlen von Bits im ersten, zweiten und dritten Bitmuster der Figuren 3a, 3b und 3c, in denen die Zugriffsklasseninformationen Z0, Z1, Z2 und Z3 als jeweils 1 Bit dargestellt sind, können nur dann verringert werden, wenn einzelne Nutzerklassen wegfallen, da eine kleinere Übertragungseinheit als 1 Bit pro Nutzerklasse nicht denkbar ist. Die dort aufgezeigte Verringerung der Bits lässt sich demnach zwanglos (auch) auf eine Verringerung der Anzahl der (jeweils mit nur einem Bit codierten) Nutzerklassen lesen. Wenn die Klägerin demgegenüber einwendet, die dort angesprochene Verringerung beziehe sich nur auf die Schwellwertbits, nicht aber auch auf die Zugriffsklassenbits, so ergibt sich dies aus Abschnitt 47 nicht. Vielmehr bezeichnet das Klagepatent in Abschnitt 37 die in Figur 3b jeweils dargestellten einzelnen Bits (das zweite Bit, das dritte Bit, das vierte Bit und das fünfte Bit) als Zugriffsklassenbits (vgl. ebenso Abschnitt 45).

cc) Die Rechtsauffassung der Kammer wird ferner durch die Entscheidungsgründe des Beschlusses des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 6.03.2013 gestützt, welcher zur Änderung des Klagepatentanspruchs 5 in der Fassung des Klageantrags I.1.1 (statt einen ersten Wert hat bzw. einen zweiten Wert hat zu der nunmehrigen Formulierung 0 ist bzw. 1 ist) führte. Diese Begründung ersetzt nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die jeweilige Beschreibungsstelle im Klagepatent und damit nach Ansicht der Kammer vor allem den von der Klägerin für ihre Auffassung herangezogenen Abschnitt 47.

Zum einen wird dort ausgeführt, dass aus dem in Merkmal 4 verwendeten Plural der Zugriffsklassenbits nicht auf eine Mehrzahl von Bits pro Nutzerklasse geschlossen werden könne, da die dort verwendete Mehrzahl ausschließlich der Mehrzahl der möglichen - aber jeweils mit einem Bit codierten - Nutzerklassen geschuldet sei (Anlage FBD 15, Seite 34).

Zum anderen befasst sich die Einspruchsabteilung sodann im selben Abschnitt mit der Passage in Spalte 9 Zeilen 15-25 der Offenlegungsschrift DE 199 10 239A1, die mit der von der Klägerin für ihre Rechtsauffassung in Anspruch genommenen Beschreibungsstelle des Absatzes 47 des Klagepatents wortidentisch ist. Dazu führt der Beschluss aus, dass sich daraus keine Mehrzahl von Bits pro Nutzerklasse in dem Sinne ableiten lasse, dass die in Merkmal 6a und 6b angesprochenen Zugriffsklassenbits Z0, Z1, Z2, Z3 auch aus jeweils mehr als einem Bit bestehen könnten. Dieser Abschnitt sei vielmehr so zu verstehen, dass sich die Anzahl der Zugriffsklassenbits nur dann erhöhe, wenn weitere, d. h. zusätzliche Nutzerklassen hinzugefügt würden, was zu einer Verlängerung der Informationssignale und damit ebenfalls zu einer in diesem Abschnitt angesprochenen verstärkten Signalisierung führe.

dd) Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nunmehr ausgeführt hat, dass Grund der Einfügung des zusätzlichen Merkmals (0 ist bzw. 1 ist) durch die Einspruchsabteilung der Ausschluss von mehr als zwei Optionen für die Prüfung des Zugriffs auf den Telekommunikationskanal gewesen sei, mithin die Forderung in Merkmal 6a und 6b, dass das jeweilige Zugriffsklassenbit 0 bzw. 1 sein müsse, lediglich der binären Entscheidung zwischen den zwei Zugriffsalternativen geschuldet sei, kann dem die Kammer nicht folgen. Die von der Einspruchsabteilung in ihrem Beschluss angesprochene nachfolgende Prüfung mit mehr als zwei Optionen ist alleine dann möglich, wenn jede Zugriffsklasse mit mehr als einem Bit codiert ist. Umgekehrt gewendet kann der Ausschluss von mehr zwei Optionen lediglich dadurch bewerkstelligt werden, dass jeder Nutzerklasse nur ein einziges Bit zugewiesen wird. Bei der Codierung einer Nutzerklasse mit mehr als einem Bit eröffnen sich nämlich stets mehr als zwei Optionen, unabhängig davon, ob diese später tatsächlich auch genutzt werden oder nicht.

c) Nach dem oben Gesagten entnimmt der Fachmann damit weder dem Anspruch noch der Beschreibung, dass das Informationselement Zugriffsklassenbit lediglich die Weiche für die zwei anspruchsgemäßen Zugriffswege stellt und dass dessen Codierung mit einem oder mehreren Bits oder Bitstellen ihm überlassen bleibt. Das Zugriffsklassenbit kann nicht auf einen digitalen Schalter für die Weiche in eines der beiden Zugriffsverfahren reduziert werden, bei dem die Frage, an welcher Bitstelle von mehreren übertragenen Bits sich diese Weiche befindet, für die technische Funktion der anspruchsgemäßen Erfindung keine Rolle spielt. Käme es nämlich nicht auf das konkrete der jeweiligen Nutzerklasse zugeordnete (alleinige) Bit an, sondern würde es ausreichen, dass bei einer Mehrzahl von Bits pro Nutzerklasse lediglich 1 Bit über das für den Zugriff durchzuführende Verfahren entscheidet, so hätte sich dies im Wortlaut z. B. dergestalt niederschlagen müssen, dass in Merkmal 6 wenn ein der Nutzerklasse der Teilnehmerstation zugeordnetes Zugriffklassenbit und nicht wie im Anspruch vorgesehen wenn das der Nutzerklasse der Teilnehmerstation zugeordnete Zugriffklassenbit formuliert wird. Die Benutzung des bestimmten Artikels vor dem Zugriffsklassenbit in Merkmal 6 spricht damit gegen die weite Auffassung der Klägerin.

3. Legt man dieses Verständnis des anspruchsgemäßen Zugriffsklassenbits zugrunde, so macht die angegriffene Ausführungsform von Merkmal 6 nicht wortsinngemäßen Gebrauch. Nach Abschnitt 8.5.13 des Standards ETSI TS125 331(Anlage K 11 in 2 O 53/12, dort Seite 257) besteht das Informationselement AC to ASC mapping, welches die Klägerin als das patentgemäße Informationselement Zugriffsklassenbit in Anspruch nimmt, stets aus einer Bitfolge von 21 Bit, wobei jeder der sieben Access Classes eine durch 3 Bit codierte Access Service Class gegenübergestellt wird.

Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 28. Januar 2014 (dort Seite 16) vorsorglich darauf rekurriert hat, dass auch im Standard ein einziges Bit die Entscheidung über einen der beiden Zugriffswege treffe, nämlich für die Access Service Class 0, die binär mit [000] codiert ist, und für die Access Service Class 1, die binär mit [001] codiert ist, jeweils das letzte Bit, so ist dies zum einen unerheblich und zum anderen unzutreffend:

Nach der oben erläuterten Auslegung kommt es nach Merkmal 6 schon nicht darauf an, ob ein einziges Bit die Entscheidung über den Zugriffsweg trifft, sondern darauf, dass jeder Nutzerklasse - quod non - nur ein einzelnes Bit zugewiesen ist. Selbst wenn man jedoch - wie nicht - die Rechtsauffassung der Klägerin zugrunde legt, so entscheidet sich zwar im Standard die mit drei Bits codierte Access Service Class 1 tatsächlich am letzten, auf 1 gesetzten, Bit, so dass dann automatisch ins Zugriffsschwellwertverfahren gewechselt wird. Dies gilt allerdings entgegen der Auffassung der Klägerin nicht für die sich lediglich in der letzten Bitstelle von der Access Service Class 1 unterscheidende Access Service Class 0. Zwar ist es zutreffend, dass für den Fall, dass alle 3 Bits auf 0 gesetzt sind, der Persistenzwert Pi auf 1 gesetzt wird, so dass ein Zugriff auf den wahlfreien Zugriffskanal unabhängig von einer Schwellwertauswertung stattfindet, allerdings muss die Mobilstation für den Fall, dass sie unabhängig vom Schwellwert auf den Zugriffskanal zugreifen möchte, zwingend die ersten beiden Bits mit auslesen. Ist eines dieser ersten beiden Bits nämlich nicht 0, so befindet sich die Mobilstation automatisch im Zugriffsschwellwertverfahren; somit trifft gerade nicht ein einziges Bit die Entscheidung über einen der beiden Zugriffswege, sondern es müssen immer alle 3 Bits ausgelesen werden.

Wenn die Klägerin weiter ausführt, im Standard seien die drei Bitstellen alleine für die weitere Differenzierung der Zugriffswahrscheinlichkeiten im Rahmen des Schwellwertverfahrens nötig, so ist dies irrelevant. Denn im Standard wird auch der Zugriff über die patentgemäße Nutzerklasse (ASC 0) unabhängig vom Schwellwert über ein aus drei Bits bestehendes Informationselement bewerkstelligt, das nach dem soeben Gesagten nicht patentgemäß ist.III.

Die angegriffene Ausführungsform macht von Merkmal 6 des Anspruchs 5 des Klagepatents in der durch die Entscheidung der Einspruchsabteilung des DPMA vom 6.03.2013 eingeschränkten Fassung auch nicht in äquivalenter Weise Gebrauch, da die vom UMTS-Standard gewählte Form der Codierung der Nutzerklasse mit 3 Bits schon nicht gleichwirkend ist.

1. Liegt eine wortsinngemäße Benutzung der im Patent unter Schutz gestellten Erfindung durch die angegriffene Ausführungsform nicht vor, müssen für die Annahme einer äquivalenten Verwirklichung der erfinderischen Lehre nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs drei Kriterien erfüllt sein, damit die betreffende Ausführung trotz ihrer Abweichung vom Sinngehalt des geprüften Patentanspruchs von dessen Schutzbereich erfasst wird (vgl. BGHZ 150, 149 - Schneidmesser I; BGH GRUR 2002, 519 - Schneidmesser II; BGH GRUR 2002, 523 - Custodiol I; GRUR 2002, 527 - Custodiol II; BGHZ 171, 120 Tz. 34 bis 36 - Kettenradanordnung). Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zugrunde liegende Problem mit (zwar abgewandelten, aber) objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen der Gleichwirkung, der Auffindbarkeit und der Orientierung am Patentanspruch erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit nach dem Gebot des Artikels 2 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2010 - X ZR 193/03, GRUR 2011, 313 Rn. 35 mwN - Crimpwerkzeug IV). Der Schutzbereich des Patents wird auf diese Weise nach Maßgabe dessen bestimmt, was der Fachmann auf der Grundlage der erfindungsgemäßen Lehre als äquivalent zu erkennen vermag, und damit an dem Gebot des Art. 1 des Auslegungsprotokolls ausgerichtet, bei der Bestimmung des Schutzbereichs einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte zu verbinden.

Gleichwirkend ist dabei nur eine Lösung, die nicht nur im Wesentlichen die Gesamtwirkung der Erfindung erreicht, sondern gerade auch diejenige Wirkung erzielt, die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal erzielen soll (BGH, Urteil vom 14.12.2010 - X ZR 193/03, GRUR 2011, 313 Rn. 41 mwN - Crimpwerkzeug IV). Ergeben sich aus der Auslegung des Patentanspruchs Mindestanforderungen an die Quantität oder Qualität einer bestimmten Wirkung, können abgewandelte Mittel, die diesen Anforderungen nicht gerecht werden, auch dann nicht unter dem Gesichtspunkt einer verschlechterten Ausführungsform als gleichwirkend angesehen werden, wenn alle übrigen Wirkungen der patentgemäßen Lösung im Wesentlichen erreicht werden (BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 113/11 -, GRUR 2012, 1122 Rn. 26 - Palettenbehälter III).

2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Austausch der Codierung der patentgemäßen Nutzerklasse mit einem einzigen Bit durch eine Codierung wie im UMTS-Standard mit 3 Bit nicht objektiv gleichwirkend.

Es mag zwar sein, dass der UMTS-Standard mit der Benutzung von jeweils 3 Bit pro Nutzerklasse im Wesentlichen die Gesamtwirkung der Erfindung, welche dem Klagepatent zugrunde liegt, erreicht, allerdings erzielt er - als verschlechterte Ausführungsform - nicht auch gerade diejenige Wirkung, die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal 6 erzielen soll.

Wie sich aus der allgemeinen Beschreibung der Vorteile der Erfindung ergibt, geht es dem Patent auch darum, die Zugriffskontrolle durch ein Minimum an Übertragungskapazität zu flankieren, so dass möglichst wenig Ressourcen für die Übertragung der zur Ermittlung des Zugriffsverfahrens nötigen Informationssignale verschwendet werden (vgl. insoweit z. B. Absatz 8 a.E. i.V.m. Absatz 10; Absatz 13 a.E.; Absatz 14). Demgegenüber muss eine standardgemäß funktionierende Mobilstation stets 3 Bits pro patentgemäßer Nutzerklasse auslesen, um zu ermitteln, über welches Zugriffsverfahren im Sinne des Merkmals 6a und 6b letztendlich der Zugriff erfolgen soll. Damit wird die dreifache Menge an Informationssignalen benötigt, was zu einer laut Beschreibung des Klagepatents gerade zu vermeidenden Erhöhung der Übertragungskapazität führt. Vor diesem Hintergrund kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass alle übrigen Wirkungen der patentgemäßen Lösung im Wesentlichen erreicht werden. Eine äquivalente Verwirklichung des Merkmals 6 des Klagepatentanspruchs 5 scheidet damit aus.IV.

Bei der oben unter II. dargestellten Auslegung des Klagepatentanspruchs 5 macht der UMTS-Standard auch keinen wortsinngemäßen Gebrauch von Merkmal 6a und 6b des Patentanspruchs 6 in der ursprünglich erteilten Fassung. Dieser unterscheidet sich von dem durch die Einspruchsabteilung des DPMA geänderten Klagepatentanspruch 5 lediglich dadurch, dass das Zugriffsklassenbit dort noch einen ersten und einen zweiten Wert einnehmen konnte, mithin nicht 0 oder 1 sein musste. An dem Verständnis des Fachmanns des dort ebenfalls in der Einzahl verwendeten Zugriffsklassenbits ändert sich dadurch jedoch nichts. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.V.

Was die von der Klägerin ebenfalls hilfsweise geltend gemachte äquivalente Verletzung des ursprünglich erteilten Anspruchs 6 angeht, so fehlt es auch diesbezüglich an der hierfür nötigen Gleichwirkung. Die Ausführungen unter III. gelten insoweit entsprechend.

Nach alledem ist die Klage mangels Verletzung abzuweisen.VI.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.






LG Mannheim:
Urteil v. 28.02.2014
Az: 2 O 95/13


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/f84bd60b6ba4/LG-Mannheim_Urteil_vom_28-Februar-2014_Az_2-O-95-13




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