OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 21. Dezember 2000
Aktenzeichen: 4 E 820/00

Tenor

1. Die Beschwerde wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wird zugelassen.

3. Der Streitwert wird für das Be-schwerdeverfahren auf 10.000,-- DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin erhob vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf wegen einer Patentverletzung Klage auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz gegen die in Italien ansässige Beklagte. Das Verwaltungsgericht hat durch Beschluss vom 14. August 2000 den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Düsseldorf verwiesen.

Dagegen hat die Beklagte Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Das Verwaltungsgericht habe sie vor Erlass des Beschlusses nicht im Sinne des § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG ordnungsgemäß angehört, weil es ihren Antrag auf Verlängerung der zweiwöchigen Äußerungsfrist abgelehnt habe, und habe deshalb ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Die Begründung des Beschlusses sei unzureichend. Außerdem sei ihr der Beschluss in Italien nicht vorschriftsmäßig zugestellt worden. Das Verwaltungsgericht habe den Rechtsweg nicht für unzulässig erklären und eine Verweisung nicht aussprechen dürfen, sondern die Klage als unzulässig abweisen müssen. Die Klägerin habe nämlich ganz bewusst und rechtsmissbräuchlich die Klage bei einem Gericht des unzulässigen Rechtsweges eingereicht.

Die Beklagte beantragt,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie meint, die von der Beklagten gerügten Verfahrensmängel lägen nicht vor, und führt weiter aus: Sie habe sich an das Verwaltungsgericht gewandt, um im Hinblick auf Art. 21 des Übereinkommens der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ = VollstrZustÜbK) zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, nämlich mit Einreichung der Klage bei Gericht und nicht erst mit ihrer Zustellung an die Beklagte, die Rechtshängigkeit ihrer Klage herbeizuführen. Denn sie habe damit rechnen müssen, dass die Beklagte ihr anderenfalls durch Erhebung einer negativen Feststellungsklage in Italien zuvorkommen und die dort übliche übermäßig lange Verfahrensdauer zu ihren Gunsten ausnutzen würde. Von einer rechtsmissbräuchlichen Anrufung des unzuständigen Verwaltungsgerichts könne deshalb keine Rede sein. Auch habe über die Frage des Rechtsmissbrauchs nicht das Verwaltungsgericht, sondern das Gericht des zulässigen Rechtsweges zu befinden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte nebst Beiakte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Senat lässt offen, ob die von der Beklagten geltend gemachten Verfahrensmängel (fehlende Anhörung und unzureichende Begründung) tatsächlich vorliegen. Sollte dies der Fall sein, sieht er in Ausübung des ihm entsprechend § 130 Abs. 1 VwGO zustehenden Ermessens im Interesse der Verfahrensbeschleunigung von einer Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht ab.

Ob der Beschluss des Verwaltungsgerichts der Klägerin in Italien ordnungsgemäß zugestellt worden ist, ist nur für den Lauf der Rechtsmittelfrist von Bedeutung (vgl. § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 9 Abs. 1 und 2 VwZG).

Vgl. hierzu auch v. Albedyll in Bader, VwGO 1999, § 56 Rdnrn. 30 und 31.

Im übrigen ist der Beschluss den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 2. November 2000 (nochmals) gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden.

Das Verwaltungsgericht hat den Rechtsstreit zutreffend an das Landgericht Düsseldorf verwiesen.

Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte (internationale Zuständigkeit) ergibt sich aus Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ. Danach kann, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Da nach dem Vortrag der Klägerin die von dem Patentrecht betroffenen Erzeugnisse im gesamten Bundesgebiet angeboten werden und deshalb mehrere Gerichte in Betracht kamen, war gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 2 GVG an das von der Klägerin ausgewählte Landgericht Düsseldorf zu verweisen. Nach § 143 Abs. 1 Patentgesetz sind für alle Klagen, durch die ein Anspruch aus einem der im Patentgesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird, die Zivilkammern der Landgerichte ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig. Nach § 1 der auf der Grundlage des § 143 Abs. 2 PatG ergangenen Verordnung der Landesregierung NRW vom 13. Januar 1998 (GV. NRW. 1998, 106) sind in Nordrhein-Westfalen die Patentstreitsachen aus allen Landgerichtsbezirken des Landes NRW dem Landgericht Düsseldorf zugewiesen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten durfte das Verwaltungsgericht die Klage nicht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, also wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses,

vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, Vorb. § 40 Rn. 30,

als unzulässig abweisen.

Ob sich die Klageerhebung beim Verwaltungsgericht unter den hier vorliegenden Umständen überhaupt als rechtsmissbräuchlich darstellt, kann dahingestellt bleiben.

Zur Problematik einer rechtsmissbräuchlichen Klageerhebung vgl. etwa LG Lüneburg, Urteil vom 31. Mai 1985 - 3 O 290/84 -, NJW 1985, 2279, 2280; Schneider, MDR 1986, 459, 461; Jauernig, NJW 1986, 34; Kogel, FamRZ 1999, 1252; Hagelstein, FamRZ 2000, 340.

Dies hat das Verwaltungsgericht zu Recht nicht geprüft. § 17 a Abs. 2 GVG verpflichtet das Verwaltungsgericht im Falle der Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges zur Verweisung des Rechtsstreits. Die Möglichkeit einer Klageabweisung sieht das Gesetz nicht vor. Nach der Neufassung der Vorschrift hat die Verweisung deshalb, ausgenommen den Fall anderweitiger Rechtshängigkeit, auch dann zu erfolgen, wenn sonstige Sachurteilsvoraussetzungen fehlen, also etwa das Rechtsschutzinteresse für die Klage wegen Rechtsmissbrauchs entfällt. Insoweit geht die Prüfung des Rechtsweges grundsätzlich der Prüfung aller weiteren Sachurteilsvoraussetzungen vor.

v. Albedyll in Bader, a.a.O., § 41 Rn. 16; Ehlers in Schoch/Schmidt- Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb. § 40 Rdnrn. 10 u. 11 sowie § 41 Rdnr. 10; Kopp/Schenke, a.a.O., Vorb. § 40 Rdnr. 18 und § 41 Rdnr. 3; Wolf in Münchener Kommentar zur ZPO, 1992, GVG § 17 a Rn. 16; Zöller, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 13 GVG Rdnr. 9; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl. 1999, § 13 GVG Rdnr. 3; vgl. auch VGH Mannheim, Beschluss vom 7. Februar 1991 - 5 S 1512/90 -, NJW 1991, 1905, sowie Ehle, JuS 1999, 166, 167. Anderer Ansicht: Hagelstein, a.a.O., S. 341, und für Verfahren nach dem Vermögensgesetz BGH, Beschluss vom 19. November 1992 - V ZB 37/92 -, NJW 1993, 332, 333, vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 16. Juni 1999 - B 9 V 24/98 R -, NVwZ-RR 2000, 648 m.w.N.

Es ist Sache des Gerichts des zulässigen Rechtsweges, darüber zu befinden, ob die Klage rechtsmissbräuchlich erhoben worden ist und welche Konsequenzen daraus gegebenenfalls zu ziehen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. Nr. I. 9. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 1996 (NVwZ 1996, 563).

Der Senat lässt die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu, weil der Rechtsfrage, ob die Rechtsmissbräuchlichkeit einer Klage von dem angerufenen Gericht des unzulässigen Rechtswegs zu prüfen und ggf. die Klage als unzulässig abzuweisen ist, grundsätzliche Bedeutung zukommt ( § 17 a Abs. 4 Sätze 4 und 5 GVG, § 152 Abs. 1 VwGO).






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Beschluss v. 21.12.2000
Az: 4 E 820/00


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