Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Januar 2006
Aktenzeichen: 27 W (pat) 259/04

(BPatG: Beschluss v. 10.01.2006, Az.: 27 W (pat) 259/04)

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. August 2004 insoweit aufgehoben, als der Widerspruch hinsichtlich "Schmuckwaren" zurückgewiesen wurde.

II. Die Marke 303 35 945 ist auf den Widerspruch aus der Marke 968 915 für "Schmuckwaren" zu löschen.

Gründe

I Gegen die am 11. Juli 2003 angemeldete und u. a. für Schmuckwaren eingetragene Wort-/Bildmarke 303 35 945 Grafik der Marke 30335945.5 hat die Widersprechende aus ihrer 1977 angemeldeten Wort-/Bildmarke 968 915 Grafik der Marke 968915 die u. a. für

"Armbanduhren, Taschen- und Anhängeuhren, Uhrarmbänder aus Metall; echte und unechte Schmuckwaren..."

eingetragen ist, Widerspruch zunächst hinsichtlich aller Waren eingelegt.

Die Markenstelle hat den Widerspruch mit Beschluss vom 23. August, der Widersprechenden am 27. August 2004 zugestellt, zurückgewiesen. Dazu ist ausgeführt, das "J." in der Widerspruchsmarke werde mitgesprochen und zwar französisch, was zu einem deutlichen klanglichen Abstand führe. CHEVALIER präge auch die angegriffene Marke nicht, zumal deren Bildbestandteil keinen Ritter zeige.

Die Widersprechende hat am 24. September 2004 Beschwerde eingelegt und ihren Widerspruch auf "Schmuckwaren" beschränkt. Sie ist der Auffassung, die jüngere Marke werde durch den ohne weiteres unterscheidungskräftigen Wortbestandteil CHEVALIER geprägt, weil dieser die einfachste Möglichkeit darstelle, sie zu benennen. Die verhältnismäßig einfache Graphik könne dagegen einer Benennung nicht dienen und lasse den Wortbestandteil nicht in den Hintergrund treten. Auch in der Widerspruchmarke sei CHEVALIER prägend, weil nur ein geringer Prozentsatz der Verbraucher wisse, wie man das "J." französisch korrekt ausspreche. Der Verkehr neige dazu, Kennzeichen in einer die Aussprechbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen.

Zumindest bestehe eine unmittelbare Verwechslungsgefahr; der Verbraucher werde die angegriffene Marke der Produktlinie "Sport/Freizeit" und die Widerspruchmarke einer "Klassik" - Linie zuordnen.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle aufzuhebenund die Marke 303 35 945 für "Schmuckwaren" zu löschen.

Demgegenüber hat sich die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht geäußert.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II 1) Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, weil nach Auffassung des Senats im Bereich der beiden Marken identischen "Schmuckwaren" eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr besteht.

Der hohe Grad an Ähnlichkeit der Waren und eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke können jeweils den geringeren Grad an Ähnlichkeit der Marken ausgleichen. Zwischen den für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Faktoren, Ähnlichkeit der Marken und der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, besteht nämlich eine Wechselwirkung. (EuGH GRUR Int. 2000, 899, Rdn. 40 - MARCA / ADIDAS; BGH GRUR 2003, 332, 334 - ABSCHLUSSSTÜCK).

a) Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist hinsichtlich der noch streitigen Schmuckwaren von der Registerlage auszugehen. Die zu vergleichenden Marken werden damit für identische Waren benutzt.

b) Die Widerspruchsmarke ist für Uhren, die zu Schmuckwaren gehören, überdurchschnittlich kennzeichnungskräftig, wie dem Senat aus eigener Erfahrung bekannt ist. Anhaltspunkte für eine geminderte Kennzeichnungskraft sind nicht ersichtlich.

c) Unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände wäre ein überdurchschnittlicher Markenabstand notwendig, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Dieser ist vorliegend nicht gewahrt.

aa) Zwar zeigen die Marken in ihrer Gesamtheit eine deutlich unterschiedliche graphische Gestaltung. Klangliche Abweichungen, die eine Gefahr von Verwechslungen im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG hinreichend sicher ausschließen könnten, fehlen jedoch.

Um Markenähnlichkeit zu bejahen, reicht in aller Regel bereits die Ähnlichkeit in einem Wahrnehmungsbereich aus (vgl. EuGH GRUR 1998, 387 Rdn. 23 - SABéL / PUMA). Dass dies hier für eine klangliche Verwechslungsgefahr nicht gelten sollte, ist nicht erkennbar. Auch bei Schmuck sind mündliche Bestellungen, Nachfragen sowie Empfehlungen und akustische Werbung durchaus an der Tagesordnung (vgl. BGH GRUR 1999, 241 - LIONS; EuGH GRUR Int. 1999, 734 Rdn. 28 - LLOYD). Mangels einer Kennzeichenschwäche des Markenteils CHEVALIER ist die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auch nicht auf die Graphik beschränkt.

bb) Klanglich stehen sich in entscheidungserheblichem Umfang identische Benennungen der Marken gegenüber.

Für die angegriffene Marke gilt der Grundsatz, dass bei einer Wort-/Bildmarke in der Regel der Wortbestandteil deren Gesamteindruck prägt (vgl. BGH GRUR 2004, 778, 779 - URLAUB DIREKT).

Dass bei Wiedergabe der Widerspruchsmarke das einem abgekürzten Vornamen entsprechende "J." immer mitgesprochen wird, kann nicht unterstellt werden (vgl. BPatG Beschluss vom 24. September 1997, Az.: 26 W (pat) 170/96 - O.P.ANDERSON / ANDRESEN, nachgewiesen in PAVIS). Gerade bei einem als [jot] oder französisch [schö] zu sprechenden Buchstaben ist dies noch weniger zu erwarten als bei einem Vokal oder nur mit Hilfsvokalen ergänzten Konsonanten, wie B = [be] oder S = [es].

Die in der Kombination aus einem abgekürzten Vornamen und einem ausgeschriebenen Nachnamen liegende Klammerwirkung ist nicht so groß, dass das "J." immer mitgesprochen würde. Die Kombination aus der Vornamens-Initiale und dem ausgeschriebenen Nachnamen erhält ihre Individualisierungsfunktion nicht durch den abgekürzten Vornamen, wie dies der BGH verlangt, um eine Verwechslungsgefahr durch einen hinzugefügten Vornamen auszuschließen (GRUR 2000, 1031, 1032 - KARL LINGEN; INGERL/ROHNKE, Markengesetz, 2. Aufl., § 14 Rdn. 693). Anders als bei einem bekannten Vornamen und einem nachfolgenden Buchstabenelement als Abkürzung des Familiennamens, das zum Gesamteindruck einer Marke wesentlich beiträgt, wie es dem Beschluss des 27. Senats vom 27. September 2005, Az.: 24 W (pat) 245/04 - CAREN P / CARON zu Grunde lag, kommt dem Buchstabenelement in der Widerspruchsmarke keine wesentliche Individualisierungsfunktion zu (vgl. BPatG Beschluss vom 3. Dezember 1997, Az.: 24 W (pat) 108/99 - Alexandros L. G. / Alessandro N., in JURIS: MPRE098430964). Hinzu kommt, dass es sich bei CHEVALIER für Schmuckwaren um eine bekannte Bezeichnung handelt, so dass der Vorname leichter weggelassen wird (vgl. BGH GRUR 2000, 233, 234 - RAUSCH / ELFI RAUCH; Beschluss des Senats vom 8. Juni 2004, Az.: 27 W (pat) 319/03 - GEORGIO VALENTINO / VALENTINO, in Juris: MPRE142810964; INGERL/ROHNKE, a. a. O. Rdnrn. 694, 697).

d) Es besteht zudem die Gefahr, dass die Marken im Sinn des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Dafür ist es nicht zwingend erforderlich, dass die Widersprechende mehrere Zeichen mit demselben Stammbestandteil verwendet. Auch wenn der Verbraucher die Zeichen wegen des "J." der Widerspruchsmarke nicht miteinander verwechseln sollte, wird er sie demselben Inhaber zuordnen, weil er einen organisatorischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang herstellt (vgl. BGH GRUR 2004, 779, 783 - ZWILLING / ZWEIBRÜDER; Beschluss des Senats vom 8. Juni 2004, Az.: 27 W (pat) 319/03 - GEORGIO VALENTINO / VALENTINO). Der Verbraucher wird das Fehlen des abgekürzten Vornamens "J." bei klanglicher Wiedergabe der angegriffenen Marke tolerieren, ohne an einen anderen Hersteller zu denken (vgl. BGH GRUR 2005, 513 - MEY / ELLA MAY), zumal die übereinstimmenden Bestandteile CHEVALIER keinen unterschiedlichen Charakter aufweisen, wie CAREN (neben "P" als Vorname) und CARON (vgl. BPatG Beschluss vom 27. September 2005, Az.: 24 W (pat) 245/04 - CAREN P / CARON).

2) Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit besteht kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).






BPatG:
Beschluss v. 10.01.2006
Az: 27 W (pat) 259/04


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