Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Juni 2010
Aktenzeichen: 3 Ni 46/01

Tenor

1. Die Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Bundespatentgerichts vom 22. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

2.

Die Beklagte hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.

3.

Der Wert des Erinnerungsverfahrens wird auf 23.489,57 € festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Beschluss des X. Senats des Bundesgerichtshofs vom 20. Mai 2008 sind der Beklagten die Kosten des Nichtigkeitsberufungsverfahrens auferlegt worden, nachdem sie die Berufung einen Tag vor der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof zurückgenommen hatte. Der Streitwert für das Berufungsverfahren ist auf 2,5 Mio. € festgesetzt worden. Ein Patentverletzungsverfahren ist neben dem Nichtigkeitsverfahren nicht anhängig gewesen.

Die Klägerin hat Kostenfestsetzung beantragt. Dabei hat sie u. a. neben den für den bevollmächtigten Patentanwalt entstandenen Kosten für den mitwirkenden Rechtsanwalt eine 1,3 Prozessgebühr, eine 1,3 Verhandlungsgebühr, eine 1,3 Beweisgebühr, den Pauschsatz für Postund Telekommunikationsdienstleistungen sowie Reisekosten zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof beansprucht. Die Rechtspflegerin des Bundespatentgerichts hat u.a. die für die Doppelvertretung entstandenen Kosten -bis auf die 1,3 Verfahrensgebühr -als gerechtfertigt angesehen und mit Beschluss vom 22. Januar 2009 die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten des Berufungsverfahrens auf 54.464,33 € nebst Zinsen unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags der Klägerin festgesetzt.

Die Beklagte hat gegen diesen Beschluss Erinnerung eingelegt, soweit damit über einen Betrag von 30.974,76 € hinaus weitere Kosten, nämlich für den vor dem Bundesgerichtshof neben dem Patentanwalt mitwirkenden Rechtsanwalt, festgesetzt worden sind. Die Beklagte hält die Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts nicht für erstattungsfähig und ist der Auffassung, auch im Nichtigkeitsberufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof sei eine Doppelvertretung grundsätzlich nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung i. S. v. § 91 ZPO erforderlich anzusehen. Patentanwälten sei vom Gesetzgeber unabhängig von einem Rechtsanwalt ein alleiniges Vertretungsrecht vor dem Bundesgerichtshof eingeräumt worden. Der Patentanwalt sei im Rahmen seiner in § 3 Abs. 2 Ziff. 3 PatAnwO normierten beruflichen Aufgabe grundsätzlich auch für die Vertretung im Nichtigkeitsberufungsverfahren hinreichend ausgebildet. Die Betreuung von Nichtigkeitsverfahren und Nichtigkeitsberufungsverfahren gehörten zu den regelmäßig wiederkehrenden Aufgaben eines Patentanwaltes, so dass dieser mit allen Aspekten des Nichtigkeitsverfahrens einschließlich einer Beweisaufnahme vertraut sei. Vorliegend seien keine besonderen rechtlichen Fragestellungen zu beurteilen gewesen. Allein der Umstand, dass das Nichtigkeitsberufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof letztinstanzlich erfolge und dieses regelmäßig eine Beweiserhebung durch Sachverständigenbeweis und Befragung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung umfasse, rechtfertige keine andere rechtliche Beurteilung.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. Januar 2009 insoweit aufzuheben, als damit ein 30.974,76 € übersteigender Betrag festgesetzt worden ist.

Die Klägerin beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.

Sie führt aus, sie habe die Bevollmächtigung eines Rechtsund Patentanwaltes zur Wahrung ihrer Interessen als sachdienlich ansehen dürfen. Ein Patentanwalt bringe nicht sämtliche für das Nichtigkeitsberufungsverfahren erforderlichen juristischen Kenntnisse mit. Die rechtlichen Problemstellungen vor einem obersten und letztinstanzlich entscheidenden Gericht begründeten die konkrete Notwendigkeit des Zusammenwirkens eines Patentund eines Rechtsanwalts wie in Patentverletzungsverfahren, zumal es sich bei Patentnichtigkeitsverfahren um sehr umfangreiche, rechtlich und wirtschaftlich äußerst bedeutsame Verfahren handele. In einem Patentnichtigkeitsverfahren vor dem Bundesgerichtshof stellten sich bei der regelmäßig dort angeordneten Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung nicht selten schwierige zivilprozessuale Fragen.

Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

II.

Die -zulässiger Weise auf einen Teil des angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschlusses beschränkte -Erinnerung ist auch im Übrigen gemäß § 23 Abs. 2 RPflG i. V. m. § 104 Abs. 3 ZPO, § 84 Abs. 2 zulässig.

Sie ist aber nicht begründet. Die geltend gemachten Kosten für den im Nichtigkeitsberufungsverfahren neben dem verfahrensbevollmächtigten Patentanwalt beauftragten Rechtsanwalt waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG.

1. Rechtsgrundlage für die Erstattung von Kosten eines mitwirkenden Rechtsanwalts im Patentnichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht ist nicht § 143 Abs. 3 PatG in analoger Anwendung, sondern -über die Verweisung in § 84 Abs. 2 S. 2 PatG -§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. § 143 Abs. 3 PatG regelt die Kosten eines neben dem Rechtsanwalt im Patentstreitverfahren mitwirkenden Patentanwalts. Der Senat behält insofern seine bisherige Rechtsprechung bei, dass eine analoge Anwendung mangels Vorliegens einer planwidrigen gesetzlichen Regelungslücke nicht in Betracht kommt (vgl. bereits BPatGE 51, 62 = BlPMZ 2009, 128 = Mitt. 2008, 570 -Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts). Dies entspricht auch der Rechtsauffassung anderer Nichtigkeitssenate des Bundespatentgerichts (vgl. BPatGE 51, 67 = GRUR 2009, 706 -Doppelvertretungskosten im Nichtigkeitsverfahren I; zuletzt BPatG, Beschl.v. 31. März 2010 -10 ZA (pat) 5/08 m. w. N. -LS bei juris).

2.

Die einer obsiegenden Partei entstandenen Kosten sind nach § 91 ZPO erstattungsfähig, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Hierbei sind als notwendig nur Kosten für solche Handlungen anzusehen, die zum Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet erscheinen, das im Streit stehende Recht zu verfolgen oder zu verteidigen. Maßstab ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt (ex ante) als sachdienlich ansehen durfte (Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 91 Rn. 12; vgl. auch BPatGE 51, 62). Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und alle Mittel zur Wahrung ihrer Interessen nutzen.

3.

Nach der neueren Rechtsprechung der Nichtigkeitssenate des Bundespatentgerichts sind die für die Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung notwendigen Kosten im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu ermitteln. Von einigen Senaten wird insoweit die Auffassung vertreten, im Rahmen der geforderten typisierenden Betrachtungsweise sollten Doppelvertretungskosten jedenfalls dann als notwendige Kosten anerkannt werden, wenn zeitgleich mit dem Nichtigkeitsverfahren ein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren anhängig ist. In diesem Fall sei das Vorgehen regelmäßig aufeinander abzustimmen, beispielsweise im Hinblick auf die Beurteilung der Tragweite einer beschränkten Verteidigung des Patents im Nichtigkeitsverfahren (BPatG, Beschl. v. 21. November 2008 1 ZA (pat) 13/07 zu 1 Ni 11/05, GRUR 2009, 706; Beschl. v. 22. Dezember 2008 1 ZA (pat) 13/08 zu 4 Ni 23/05 (EU), GRUR 2009, 707; Beschl. v. 12. März 2009 2 ZA (pat) 82/07 -juris) oder im Hinblick auf einen im Nichtigkeitsverfahren zu schließenden Vergleich, der das Streitverfahren in der Regel abschließend mit erledigt. Auch insofern ist ein beachtlicher Abstimmungsbedarf anerkannt worden (BPatG, GRUR 2009, 706). Dem hat sich nunmehr auch der 10. Senat des Bundespatentgericht angeschlossen (a. a. O. -Beschl. v. 31. März 2010 10 ZA (pat) 5/08).

Diese Fallgruppe ist indessen vorliegend nicht einschlägig, weil während des Nichtigkeitsverfahrens kein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren anhängig gewesen ist.

4.

Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung des Bundespatentgerichts, insbesondere auch des beschließenden Senats (vgl. grundsätzlich BPatG, Beschl.

v. 19. April 1982 -3 ZA (pat) 2/82, BPatGE 24, 4215), die Mitwirkung eines Rechtsanwalts im Rahmen eines Nichtigkeitsberufungsverfahrens als typischerweise angebracht, die entstehenden Kosten demgemäß als regelmäßig für die Rechtsverfolgung zweckentsprechend und damit als erstattungsfähig anzusehen. Dabei ist zwar zunächst ohne weiteres davon auszugehen, dass der Patentanwalt nach seiner Ausbildung und dem Berufsbild seines Standes grundsätzlich befähigt ist, Patentgerichtsverfahren auf dem ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgabengebiet mit hinreichendem juristischem Sachverstand durchzuführen (vgl. auch BPatG, Beschl. v. 21. August 2008 -3 ZA (pat) 44/08, BPatGE 511, 62 = BlPMZ 2009, 128, ebenso Beschl. v. 29. Januar 2009 -4 ZA (pat) 81/08, a. a. O.; Beschl. v. 21. September 2009 -5 W (pat) 432/06, BPatGE 51, 81 = GRUR 2010, 556 -Medizinisches Instrument). Zutreffend hat die Rechtspflegerin jedoch ausgeführt, auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung der Senate des Bundespatentgerichts habe sich an der Rechtfertigung der Erstattung der Kosten für einen mitvertretenden Rechtsanwalt in einem Nichtigkeitsberufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof nichts geändert. Insbesondere erscheint es weiterhin maßgeblich, dass der Bundesgerichtshof als gemeinsame oberste Instanz in allen Patenterteilungs-, Nichtigkeitsund Verletzungsverfahren ständig zur einheitlichen Auslegung und Fortbildung des Patentrechts im Rahmen der Gesamtrechtsordnung berufen ist und hierzu auch der kundigen und auf allen Rechtsgebieten erfahrenen Mitwirkung von umfassend juristisch geschulten Rechtsanwälten in besonderem Maße bedarf. Ferner gilt weiterhin, dass aus der Sicht der vertretenen Partei berücksichtigt werden darf, dass der Bundesgerichtshof im Patentnichtigkeitsverfahren als Berufungsgericht letztinstanzlich entscheidet. Anders als bei dem erstinstanzlichen Verfahren vor dem Bundespatentgericht besteht somit keine Möglichkeit mehr, unsachgemäßen, lückenhaften oder gar falschen Rechtsvortrag in einem späteren Stadium des Prozesses klarzustellen, zu ergänzen oder zu berichtigen. Es kann daher insbesondere nicht als "übertriebenes Sicherheitsbestreben" angesehen werden, wenn eine Partei sich für das Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof der Mitwirkung eines Rechtsanwalts versichert, selbst wenn zunächst (ex ante) keine rechtlich schwierigen oder besonders komplexe Rechtsfragen für das Nichtigkeitsberufungsverfahren erkennbar sind.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Wert des Erinnerungsverfahrens ergibt sich aus dem mit der Erinnerung zur Überprüfung gestellten Betrag.

Engels Prietzel-Funk Zettler Pr






BPatG:
Beschluss v. 15.06.2010
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